OGH 4Ob76/05p

OGH4Ob76/05p11.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sparkasse B*****, vertreten durch Schatz & Partner Rechtsanwälte OEG in Baden bei Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Rudolf S*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 53.274,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Dezember 2004, GZ 16 R 198/04m-30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 1. Juni 2004, GZ 4 Cg 242/01i-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
  2. 2. Der Revision wird Folge gegeben.

    Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

    Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin finanzierte ein Bauprojekt eines Bauträgers auf einer Liegenschaft in S*****. Auf den damaligen Anteilen des Bauträgers an dieser Liegenschaft wurden deshalb 3 Höchstbetragspfandrechte (3 Mio S, 6,37 Mio S und 4 Mio S) einverleibt. Im Zuge des Abverkaufs einiger vom Bauträger errichteter Wohneinheiten trat der Beklagte an die Klägerin mit dem Ansinnen heran, die Einheiten Top 1, 3, 12 und 13 gegen Überweisung eines bestimmten Betrags lastenfrei zu stellen, also die Höchstbetragspfandrechte zu löschen.

Damit war die Klägerin einverstanden. Sie erklärte sich mit Schreiben vom 27. November 1996 gegenüber dem Beklagten unwiderruflich und rechtsverbindlich bereit, die erwähnten Einheiten gegen Überweisung von 2,950.000 S auf das Kreditkonto des Bauträgers lastenfrei zu stellen. Der Beklagte solle sich mit dem Notar in Verbindung setzen, der einverleibungsfähige Löschungsquittungen für die Höchstbetragspfandrechte zu treuen Handen halte.

Der Beklagte ersuchte den Notar, ihm die Löschungsquittungen zur Verfügung zu stellen. Der Notar wiederum ersuchte die Klägerin, ihn zur Ausfolgung der Löschungsquittungen an den Beklagten zu ermächtigen.

Am 19. Juni 1997 ermächtigte die Klägerin den Notar, die Löschungsquittungen an den Beklagten mit der Auflage auszuhändigen, dass diese lediglich zur Löschung der Höchstbetragspfandrechte ob den Einheiten Top 1, 3, 12 und 13 verwendet und nach Durchführung wieder an den Notar retourniert würden. Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 übermittelte der Notar dem Beklagten die Löschungsquittungen samt Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 1997 und wies dabei auf die Auflage gemäß dem in Kopie angeschlossenen Schreiben der Klägerin hin. Mit den Löschungsquittungen erteilte die Klägerin ihre Einwilligung, dass ohne ihr weiteres Wissen und Einvernehmen, jedoch nicht auf ihre Kosten die Löschung der zu ihren Gunsten einverleibten Pfandrechte erfolgen könne; die Löschungsquittungen waren nicht auf bestimmte Anteile der Liegenschaft eingeschränkt.

Am 6. März 1998 wurden die 3 erwähnten Höchstbetragspfandrechte gänzlich gelöscht, wodurch auch die im Eigentum des Bauträgers verbliebenen Liegenschaftsanteile lastenfrei gestellt wurden. Der Grundbuchsbeschluss wurde der Klägerin am 12. März 1998 zugestellt. Einige Zeit später bemerkte die Klägerin, dass auf Grund eines Antrags vom 9. Oktober 1998 mit Beschluss vom 15. Oktober 1998 auf den Liegenschaftsanteilen des Bauträgers ein vollstreckbares Pfandrecht für die E***** AG (in der Folge kurz: E***** AG) in Höhe von 500.000 S zuzüglich 1/3 % Wechselprovision, 14 % Zinsen und Kosten vorgemerkt worden war; die Vormerkung wurde schließlich auch gerechtfertigt. Die Klägerin wies den Beklagten mit Schreiben vom 22. Oktober 1998 darauf hin, dass er für die Kosten einer Neueintragung sowie etwaige anfechtungsrechtliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Insolvenz des Bauträgers die Verantwortung trage. Die Höchstbetragspfandrechte der Klägerin konnten in der Folge auf den Liegenschaftsanteilen des Bauträgers tatsächlich nur nach dem für die E***** AG vorgemerkten Pfandrecht (wieder) eingetragen werden.

Das Handelsgericht Wien eröffnete am 27. Dezember 1999 das Ausgleichsverfahren über das Vermögen des Bauträgers. Am 26. Mai 2000 wurde der Ausgleich bestätigt und am 11. September 2000 das Ausgleichsverfahren aufgehoben. Mit Urteil vom 23. März 2001 wurde der Bauträger zur Zahlung von 1 Mio S an die Klägerin verpflichtet. Die Klägerin begehrte in diesem seit 12. September 2001 gerichtsanhängigen Verfahren zunächst die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Vermögensschäden aus dem Umstand, dass eine Vormerkung des Pfandrechts der E***** AG vor den Höchstbetragspfandrechten der Klägerin habe erfolgen können. Seit 28. März 2003 begehrt die Klägerin vom Beklagten 53.274,35 EUR. Die Lastenfreistellung auch der im Eigentum des Bauträgers verbliebenen Liegenschaftsanteile sei entgegen dem Treuhandauftrag und entgegen einer ausdrücklichen Anweisung der Klägerin auf Grund eines Fehlers des Beklagten erfolgt. Die Klägerin habe im Ausgleichsverfahren 502.818,83 EUR angemeldet, sodass sie bei einer 40%-igen Ausgleichsquote einen Ausfall in Höhe von 301.691,30 EUR erleide. Die Liegenschaftsanteile des Bauträgers seien um 53.274,35 EUR versteigert worden. Dieser Betrag wäre der Klägerin ohne den Fehler des Beklagten zugeflossen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe durch Übermittlung der uneingeschränkten Löschungsquittungen ihr Einverständnis zur Löschung erklärt; die im Schreiben der Klägerin an den Notar vom 19. Juni 1997 enthaltene Einschränkung sei ihm erst im Zuge des Gerichtsverfahrens bekannt geworden. Die Klägerin habe ihm keinen eindeutigen Auftrag erteilt. Dem Feststellungsbegehren hielt der Beklagte zunächst entgegen, es sei weder ein Schaden eingetreten noch bestehe die Möglichkeit künftiger Schäden. Gegen das Leistungsbegehren wandte er Verjährung ein. Der Klägerin seien durch Zustellung des Grundbuchsbeschlusses am 12. März 1998 Schaden und Person des Schädigers bekannt geworden. Der Schaden sei schon mit der Löschung der Höchstbetragspfandrechte und nicht erst mit der Vormerkung des Pfandrechts der E***** AG eingetreten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe von der Klägerin nie einen konkreten und klar definierten Treuhandauftrag erhalten. Die Übermittlung der Löschungsquittung „zu treuen Handen" beziehe sich auf den Notar. Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin hätten den Beklagten nicht getroffen. Die Klage sei „verfristet", zumal der Beklagte bereits am 13. Juni 1997 dem von der Klägerin beauftragten Notar die Grundbuchserledigung mitgeteilt habe. Das Berufungsgericht bestätigte - nach Beweiswiederholung - die Klagsabweisung. Zwischen den Parteien sei ein Auftragsverhältnis zustande gekommen. Dem Beklagten sei auch die Auflage, dass lediglich eine Löschung der Höchstbetragspfandrechte hinsichtlich bestimmter Einheiten erfolgen dürfe, zugekommen. Durch die uneingeschränkte Löschung habe er gegen vertragliche Pflichten aus dem Auftrag verstoßen und hätte daher für den entstandenen Schaden einzustehen. Allerdings sei der Schaden der Klägerin bereits mit der Löschung ihrer Höchstbetragspfandrechte im Grundbuch eingetreten, weil dieser Löschung kein Äquivalent gegenüber gestanden sei. Die Klägerin habe durch Zustellung des Grundbuchsbeschlusses im März 1998 von der Löschung Kenntnis erlangt. Auf Grund der Vorkorrespondenz sei ihr auch klar gewesen, dass der Beklagte die Löschung veranlasst hatte. Da die Feststellungklage erst am 12. September 2001 erhoben worden sei, sei die Forderung verjährt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

1. Dem Beklagten wurde die Beantwortung der außerordentlichen Revision am 16. Juni 2005 freigestellt. Die Revisionsbeantwortungsfrist hat damit gemäß § 507a Abs 1 iVm Abs 3 Z 2 ZPO am 14. Juli 2005, somit noch vor Beginn der verhandlungsfreien Zeit, geendet. Die am 25. Juli 2005 zur Post gegebene Revisionsbeantwortung war als verspätet zurückzuweisen.

2. Die Klägerin macht einen reinen Vermögensschaden geltend. Ein Vermögensschaden ist nach ständiger Rechtsprechung nur zu ersetzen, wenn der Schädiger vertragliche Pflichten oder absolute Rechte verletzt oder Schutzgesetze übertreten hat (RIS-Justiz RS0022813, RS0023122, RS0022462). Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis zustande gekommen ist.

3. Eine Entschädigungsklage verjährt nach § 1489 ABGB in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt geworden sind. Seit

der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 621/95 (= SZ 68/238 =

JBl 1996, 311 [Apathy] = ecolex 1996, 91 [Wilhelm]) ist es ständige

Rechtsprechung, dass die Verjährung nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnen kann (RIS-Justiz RS0083144). Die Verjährungsfrist wird somit grundsätzlich mit dem Erst- oder Primärschaden in Gang gesetzt.

Folgen dem Erstschaden weitere Schäden, so hängt der Beginn der Verjährungsfrist für die dadurch begründeten Ersatzansprüche davon

ab, ob die Folgeschäden vorhersehbar sind (1 Ob 155/97v = SZ 71/5; 2

Ob 2079/96s = NZ 2000, 179 uva). Ist dies der Fall, so kann der Geschädigte die Verjährung der Ansprüche dadurch hindern, dass er eine Feststellungsklage einbringt (2 Ob 2019/96t = SZ 69/55; 1 Ob 151/98g uva). Auch bei Nichteinklagung des Primärschadens muss grundsätzlich zur Verhinderung der Verjährung von Ansprüchen auf Ersatz vorhersehbarer Folgeschäden Feststellungsklage erhoben werden (2 Ob 97/05m mwN).

Folgeschäden sind nicht vorhersehbar, wenn zum schädigenden Ereignis, das den Erstschaden herbeigeführt hat, weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen und nicht abzusehen ist, ob es tatsächlich dazu kommen wird. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt des Folgeschadens zu laufen (5 Ob 533/98a = RdW 2000/116 [Heilegger]). Maßgebend ist dabei die objektive Vorhersehbarkeit für den Geschädigten und nicht eine ex-post-Betrachtung durch Sachverständige (2 Ob 78/03i = ecolex 2002/333).

Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, dann ist die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs zu verneinen:

Die Löschung der Höchstbetragspfandrechte hat zwar die dingliche Sicherung der Kreditforderung der Klägerin beseitigt, ihre Wiederherstellung durch Wiedereintragung des Pfandrechts aber nicht ausgeschlossen. Das unterscheidet den vorliegenden Fall von Fällen, in denen der vertragsgemäße Buchstand durch die zwischenzeitige Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots nicht mehr erreicht werden kann (5 Ob 232/03h = EFSlg 104.708) oder der Erwerb des vereinbarten Pfandrechts daran scheitert, dass zwischenzeitig das Eigentum eines Dritten an der Liegenschaft einverleibt wurde (1 Ob 64/04z).

Der durch die Löschung der Höchstbetragspfandrechte eingetretene (Erst-)Schaden war daher auf die Belastung mit den Kosten für ihre Wiedereintragung beschränkt. Dass es zu weiteren Schäden kommen würde, war in diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Voraussetzung für den Eintritt weiterer Schäden war neben der Eintragung eines anderen Pfandrechts, dass die Klägerin durch die Rangverschlechterung einen Forderungsausfall erlitt, zu dem es bei einer Sicherung ihrer Forderung im ursprünglichen Rang nicht gekommen wäre. Der Schaden der Klägerin ist daher - frühestens - mit der Eintragung (Vormerkung) des Zwangspfandrechts im Oktober 1998 eingetreten. Die Klägerin hat die Klage damit jedenfalls vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB eingebracht.

4. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher zu Unrecht abgewiesen. Die Sache ist allerdings noch nicht spruchreif:

Die Klägerin hat vorgebracht, sie werde unter Berücksichtigung einer 40 %-igen Ausgleichsquote einen Ausfall von 301.691,30 EUR erleiden. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist der Bauträger nach Aufhebung des Ausgleichsverfahrens zur Zahlung von 1,000.000 S an die Klägerin verpflichtet worden. Unstrittig ist, dass sich das zu Gunsten der E***** AG vorgemerkte und dann gerechtfertigte Pfandrecht auf 500.000 S samt 1/3 % Wechselprovision, 14 % Zinsen und Kosten belief. Welchen Betrag die E***** AG aufgrund dieses Pfandrechts erhalten haben soll, hat die Klägerin zwar behauptet (53.274,35 EUR); Feststellungen dazu fehlen aber.

Das Erstgericht wird das Verfahren daher zu ergänzen und festzustellen haben, ob dieser Betrag der E***** AG tatsächlich zugeflossen ist und ob die Klägerin einen Ausfall in (zumindest) dieser Höhe erlitten hat.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet auf § 52 ZPO.

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