OGH 7Ob130/05a

OGH7Ob130/05a11.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele W*****, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Fieberbrunn, gegen die beklagte Partei Dr. Martin M*****, vertreten durch Ullmann Geiler und Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 37.023,95 sA (Revisionsinteresse EUR 33.730,50), über die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. März 2005, GZ 2 R 32/05f-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Dezember 2004, GZ 10 Cg 36/04s-20, infolge Berufung des Beklagten teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Beklagten auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Zum besseren Verständnis seien jedoch einleitend der von den Vorinstanzen festgestellte wesentliche Sachverhalt und der Verfahrensgang kurz dargestellt:

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit mit am 20. 2. 2004 beim Erstgericht eingebrachter Klage vom beklagten deutschen Arzt aus dem Titel des Schadenersatzes Verdienstentgang, die Kosten einer Haushaltshilfe und Pflegekosten in Höhe von insgesamt EUR 36.000,80 sA, weil bei ihr, nachdem ihr der Beklagte am 2. 5. 1996 eine oder zwei Injektionen verabreicht hatte, ein Spritzenabszess aufgetreten war, was eine langwierige Heilbehandlung nach sich gezogen hatte. In einem Vorprozess zu 12 Cg 35/97w des Landesgerichtes Innsbruck hatte die Klägerin den Beklagten deshalb bereits mit Schadenersatzforderungen in Anspruch genommen und schließlich insgesamt S 1,013.487,60 sA rechtskräftig mit der Begründung zugesprochen erhalten, dem Beklagten sei zwar kein Kunstfehler unterlaufen, er habe aber seiner ärztlichen Aufklärungspflicht nicht genügt. Schon in diesem Verfahren hatte die Klägerin, damals noch vertreten durch den Salzburger Rechtsanwalt Dr. Peter H*****, die - nun neuerlich erhobenen - Forderungen auf Ersatz ihres vorfallskausalen Verdienstentganges, von Pflegekosten und der Kosten einer Haushaltshilfe gestellt. Sie hatte aber, nachdem diesbezüglich vom Beklagten ein Verjährungseinwand erhoben worden war, nun bereits vertreten durch ihren nunmehrigen Anwalt, diese Forderungen wieder fallen gelassen und das Klagebegehren um die entsprechenden Beträge eingeschränkt.

In der Folge erhob die Klägerin gegen Dr. H***** zu 4 Cg 8/02v des Landesgerichtes Salzburg Schadenersatzklage. Der Genannte habe die Versäumung der rechtzeitigen Geltendmachung der betreffenden Ansprüche zu vertreten. Die Klage wurde abgewiesen. Das Oberlandesgericht Linz (6 R 197/02m) vertrat als Berufungsgericht - wie auch schon das Erstgericht - die Ansicht, die Vorwürfe gegen Dr. H***** seien unberechtigt. Nach dem anzuwendenden deutschen Recht vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes vom 26. 11. 2001 sei die Verjährungsfrist hinsichtlich der Verletzung der Aufklärungspflicht, die erst im September 1998 begonnen habe, während der Vertretungstätigkeit des Beklagten bis Ende September 2000 jedenfalls - auch wenn man von der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB aF ausgehe - nämlich noch gar nicht abgelaufen gewesen. Im Übrigen stellten die geltend gemachten Vermögensschäden Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung dar und verjährten daher mangels abweichender gesetzlicher Regelung gemäß § 195 BGB aF erst nach 30 Jahren.

Dieser Rechtsansicht - wonach die gegenständlichen Ansprüche noch nicht verjährt wären - schloss sich das Erstgericht im vorliegenden Verfahren an. Es erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin (die das Klagebegehren auf EUR 37.023,95 ausgedehnt hat) EUR 34.753,85 samt stufenweise berechneten Zinsen zu bezahlen. Das Mehrbegehren von EUR 2.270,30 (statt richtig EUR 2.270,10) wies es (unbekämpft und daher rechtskräftig) ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen den stattgebenden Teil der erstinstanzlichen Entscheidung erhobenen Berufung des Beklagten dahin Folge, dass es unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teiles des Ersturteiles das Begehren auf Zuspruch von EUR 36.000,80 mit Teilurteil abwies und das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruches von EUR 1.023,15 sA (rechtskräftig) aufhob und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwies.

Das Berufungsgericht führte dazu - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - aus, die von der Klägerin erhobenen Forderungen (Verdienstentgang, Haushaltshilfekosten und Pflegekosten) seien nach der maßgeblichen deutschen Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. 1. 2002 verjährt. Gemäß § 197 BGB aF verjährten alle regelmäßig wiederkehrenden Leistungen in vier Jahren. Wiederkehrenden Leistungen, für die die vierjährige Verjährungsfrist gelte, rechne der BGH auch Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfallsschadens zu. Aber auch für Schadenersatzansprüche auf rückständige Rententeile, die den Mehrbedarf des Verletzten beträfen, gelte ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund die vierjährige Verjährungsfrist der genannten Bestimmung. Die Klägerin selbst habe ihre Verdienstentgangsforderung periodisch monatlich berechnet und fordere daher eine wiederkehrende Leistung. Auch die weiters geforderten Haushaltshilfekosten und Leistungen aus dem Titel des Pflegeaufwandes würden - wenngleich in unterschiedlicher Höhe - so doch periodenweise errechnet und geltend gemacht, sodass es sich auch dabei um wiederkehrende Leistungen handle, die gemäß § 197 BGB aF in vier Jahren verjährten. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Klägerin von einer Verletzung der Aufklärungspflicht im Vorverfahren erst nach Vorliegen von Sachverständigengutachten im Herbst 1998 Kenntnis erlangt und daher die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 1998 begonnen habe, seien die mit der am 20. 2. 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage geltend gemachten Forderungen daher verjährt, zumal nach der Überleitungsvorschrift des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum Verjährungsrecht in Fällen wie dem vorliegenden die alte, früher als nach den Bestimmungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ablaufende, Frist maßgebend sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil seine Entscheidung in teilweisem Widerspruch mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz 6 R 197/02m im Vorprozess stehe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die von der Klägerin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Einvernehmen besteht zwischen den Parteien darüber, dass auf den gegenständlichen Rechtsfall deutsches Recht in der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes vom 26. 11. 2001 (BGBl I S 3138) am 1. 1. 2002 geltenden Fassung anzuwenden und daher vA auch die primär strittige Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche nach den Bestimmungen des BGB aF zu entscheiden ist. Keinen Streitpunkt bildet auch, dass die Verjährungsfrist - spätestens - am 1. 1. 1999 begonnen hat. Strittig ist im Revisionsverfahren allein noch, in welcher Frist die gegenständlichen, aus einer Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten resultierenden Arzthaftungsansprüche verjähren. Das Berufungsgericht hat diese Frage dahin beantwortet, die Verjährungsfrist der gegenständlichen Ansprüche (auf Ersatz des Verdienstausfalles, der Kosten einer Haushaltshilfe und des Pflegeaufwandes) betrage im Hinblick darauf, dass es sich dabei jeweils um Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen iSd § 197 BGB aF handle, nach dieser Gesetzesbestimmung vier Jahre. Dies steht im Einklang mit gesicherter einschlägiger deutscher Judikatur, wonach sich die in § 197 BGB aF genannten Ansprüche von vornherein und ihrer Natur nach auf Leistungen richten, die in zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGH VersR 1957, 450 ua). Die regelmäßige Wiederkehr bezieht sich auf die Zeit, nicht auf die Gleichmäßigkeit des Betrages (Heinrichs in Palandt, BGB61 § 197 Rz 1; von Feldmann in MünchKomm BGB3 § 197 Rz 1, jeweils mwN). § 197 BGB aF ist daher auch dann anzuwenden, wenn die Beträge in der Höhe wechseln, zeitweise auf ein Minimum absinken oder gelegentlich ganz ausfallen (Heinrichs aaO; von Feldmann aaO, jeweils mwN). Regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne der Vorschrift können auch zeitlich begrenzt sein (von Feldmann aaO mwN). Wiederholt hat das deutsche Höchstgericht auch bereits ausgesprochen, dass etwa Schadenersatzansprüche wegen Verdienstausfalles „andere regelmäßig wiederkehrende Leistungen" iSd leg cit sind (VersR 1980, 927; NWJ RR 1989, 215; Heinrichs aaO mwN), welche Bestimmung ja das übermäßige Anwachsen von Verbindlichkeiten verhindern soll, die aus den laufenden Einkünften des Schuldners zu tilgen sind (Heinrichs aaO; von Feldmann aaO, jeweils mwN). Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht auch die Ansprüche auf Ersatz der von der Klägerin bezeichnenderweise für wöchentliche bzw monatliche Perioden begehrten Kosten einer Haushaltshilfe und des Pflegeaufwandes als Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen qualifiziert, ohne daher damit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO beantworten zu müssen.

Ein nach dieser Gesetzesstelle tauglicher Grund für die Zulassung des vorliegenden Rechtsmittels kann aber auch nicht darin erblickt werden, dass das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht im von der Klägerin gegen ihren ehemaligen Anwalt angestrengten (Vor-)Prozess (obiter, da diese Frage dort letztlich gar keine Entscheidungsrelevanz hatte) die Ansicht vertreten hat, die Verjährungsfrist betrage gemäß § 195 BGB aF 30 Jahre. Das Oberlandesgericht Linz ist dabei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die gegenständliche Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht (einer vertraglichen Nebenpflicht des Arztes) eine Leistungsstörung darstellt, die im deutschen Recht seit je her als „positive Vertragsverletzung" bezeichnet wurde (vgl etwa Emmerich in MünchKomm BGB3 Vor § 275 Rn 285 mwN). Die weitere Ansicht des genannten Oberlandesgerichtes, da sie Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung darstellten, verjährten die gegenständlichen Schadenersatzforderungen - jedenfalls - erst nach 30 Jahren, steht allerdings im Widerspruch zur in Deutschland hM, wonach es von der grundsätzlichen Unterwerfung der Ersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung unter die 30-jährige Regelverjährung des § 195 BGB aF derart zahlreiche Ausnahmen gebe, dass von einer generellen Regel kaum mehr die Rede sein könne (Emmerich aaO Rn 336 mwN). Eine dieser Ausnahmen betrifft regelmäßig wiederkehrende Leistungen iSd § 197 BGB aF, deren Einbeziehung unter diese Bestimmung nicht vom Rechtsgrund abhängt (Niedenführ in Soergel, BGB13 § 197 Rn 4 mwN). Es entscheidet der Normzweck des § 197 BGB aF, der Schwierigkeiten der raschen Verdunkelung des Sachverhaltes vermeiden, vA aber auch das übermäßige Anwachsen von Schulden durch Ansammlung rückständiger, aus den jährlichen Einkünften des Schuldners zu tilgender Leistungen verhindern soll (vgl NJW 1959, 239 uva). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die klagsgegenständlichen, iSd § 197 BGB aF wiederkehrenden Ansprüche verjährten nach dieser Gesetzesstelle in vier Jahren, entspricht demnach der stRsp des BGH und der deutschen Lehre.

Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Demnach kann die Revision zwar auch bei Maßgeblichkeit fremden Rechtes zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet wird (RIS-Justiz RS0042940 mwN uva). Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt allerdings nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechtes in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042948 [T 1, T 10 und T 12 bis T 14]; RS0042940 [T 2 und T 3]). Das vorliegende Rechtsmittel wäre daher aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn das anzuwendende ausländische Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in der Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder hierbei grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RIS-Justiz RS0042948 [T 3, T 4 und T 7] und RS0042940 [T 1], vgl etwa 7 Ob 167/03i und 7 Ob 98/04v mwN). Da dies, wie eben erläutert, aber nicht der Fall ist, erweist sich das Rechtsmittel der Klägerin als unzulässig und muss daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung lediglich ausgeführt, dass die Revision unberechtigt sei; auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hat er nicht hingewiesen. Seine Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung notwendig angesehen werden und ist deshalb nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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