OGH 6Ob77/05z

OGH6Ob77/05z23.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea W*****, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Lansky Ganzger & Partner Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 23.500 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2005, GZ 2 R 270/04x-22, womit über die Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. September 2004, GZ 13 Cg 49/04i-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die Hälfte der Pauschalgebühr des Revisionsverfahrens, das sind 530,50 EUR, binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten beider Rechtsmittelverfahren gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war schon mehrere Jahre Kundin der beklagten Bank. Auf ihre Anfrage über die beabsichtigte Abhebung eines Bargeldbetrags von 28.000 EUR in einer Filiale der Beklagten erklärte deren Angestellte, dass die Abhebung zwei Tage später möglich sei. Die Auszahlung des Geldbetrages erfolgte zwei Tage nach dem Erstgespräch. Die Klägerin war in Begleitung ihres Vaters und ihrer beiden Kinder erschienen. Die Auszahlung wurde in dem gut einsehbaren Geschäftsraum der Filiale vorgenommen. Ein Sichtschutz bei den einzelnen Schaltern war nicht vorhanden. Die Geldauszahlung wurde von einem in der Nähe des Kassabereichs stehenden Mann beobachtet. Auf dem nur 500 Meter langen Heimweg wurde die Klägerin unmittelbar vor ihrem Haus von Komplizen des Manns, der sie bei der Abhebung des Geldes beobachtet hatte, überfallen und beraubt. Schon vor diesem Vorfall war es in der Nähe der Bankfiliale des öfteren zu Überfällen ähnlicher Art gekommen.

Mit ihrer am 29. 3. 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten 23.500 EUR Schadenersatz (darin 500 EUR pauschaler Unkosten) mit der wesentlichen Begründung, dass die Beklagte im Schalterbereich Schutzmaßnahmen ergreifen hätte müssen, etwa durch eine Abdeckung oder einen anderweitigen Sichtschutz. Die Beklagte habe auch ihre vertragliche Nebenpflicht verletzt, auf die besondere Gefahr bei der Auszahlung eines hohen Geldbetrags hinzuweisen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei von der Bankangestellten darauf hingewiesen worden, dass die geplante Barabhebung risikoreich sei. Die Klägerin habe daraufhin erklärt, dass sie darüber wisse und deshalb ihren Vater mitgebracht hätte. Die Beklagte treffe kein Verschulden. Für den Fall der Bejahung ihrer Haftung wandte die Beklagte ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin mit der Begründung ein, dass sie bei der Behebung oder dem Transport des Geldes nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Hälfte statt. Es stellte folgenden zusammengefassten Sachverhalt fest:

Anlässlich des Erstgesprächs am 14. 7. 2003 sei die Klägerin nicht darauf hingewiesen worden, dass mit der Abhebung eines hohen Bargeldsbetrags die Gefahr eines Überfalls verbunden sein könnte. Der Klägerin sei auch nicht angeboten worden, sich den Bargeldbetrag in einem diskreten, abgesonderten Raum auszahlen zu lassen. Zu diesem Zweck hätte die Klägerin eine andere Filiale aufsuchen müssen, da diese Filiale über keinen für andere Kunden uneinsehbaren Raum zur Abwicklung der geplanten Transaktion verfügt habe. Am 16. 7. 2003 habe die Klägerin in Begleitung ihres Vaters und ihrer beiden Kinder die Filiale der Bank aufgesucht und sich den Betrag von 28.000 EUR auszahlen lassen. Sie habe den Geldbetrag für einen Hauskauf benötigt. Der Verkäufer habe auf Baranzahlung bestanden. Die Geschäftsräumlichkeit der Beklagten sei mit viel Glas ausgestattet gewesen. Der offene Kassenbereich sei von allen Seiten einsichtig gewesen und habe nur zur Straße hin einen Sichtschutz aufgewiesen. Ein Nebenraum, in dem höhere Geldbeträge diskret ausgezahlt hätten werden können, habe nicht existiert. Bei den einzelnen Schaltern habe sich keinerlei Sichtschutz befunden, sodass die dort vorgenommenen Transaktionen von allen Seiten für andere anwesende Personen gut einsehbar gewesen seien, ohne das dies von einem Kunden am Schalter verhindert hätte werden können. Die Klägerin habe sich zum Schalter begeben, ohne zu bemerken, dass sie von einem in der Nähe des Kassabereiches stehenden Mann beobachtet worden sei. Sie habe versucht, sich beim Schalter möglichst so aufzustellen, dass der Abhebungsvorgang durch ihren Körper vor fremden Blicken geschützt werde. Bei der Abhebung habe sie mit der Angestellten ein belangloses Gespräch geführt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bei der Geldabhebung von der Kassierin ausdrücklich auf die mit der Abhebung eines so hohen Bargeldbetrags verbundenen Risken oder die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen worden sei. Die Klägerin habe dieses Thema aber auch nicht von sich aus angesprochen. Der Geldbetrag von 28.000 EUR sei in Scheinen á 500 EUR ausbezahlt worden. Die Klägerin habe den Geldbetrag in ein bei der Kassa aufliegendes Kuvert gesteckt und sei damit zu ihrem beim Eingang wartenden Vater gegangen. Sie habe das Kuvert zunächst auf die Abdeckung des Kinderwagens gelegt, dann aber aus Gründen der Sicherheit in den Hosenbund gesteckt darüber ihr T-Shirt gezogen. Nach Verlassen der Bank habe sie in Begleitung ihres Vaters und der Kinder den 500 Meter langen Heimweg angetreten. Vor dem Haus und unmittelbar vor Erreichen der Wohnung sei die Klägerin von drei Tätern, Komplizen des Mannes, der sie in der Bank beobachtet gehabt habe, überfallen worden. Ihr sei Pfefferspray in die Augen gesprüht worden. Der Bargeldbetrag sei geraubt worden. Im Zuge des Überfalls sei die Klägerin am Körper verletzt worden. Sie habe mit der Abhebung hoher Bargeldbeträge keine Erfahrung gehabt. Mit der Möglichkeit, sie könne überfallen werden, habe sie nicht ernsthaft gerechnet. In den letzten Jahren vor dem Vorfall sei es „bei Geldabhebungen in der Filiale M*****straße/S*****straße des öfteren zu Überfällen ähnlicher Art gekommen, wovon die Klägerin von der Beklagten nicht unterrichtet worden war". Obwohl die Beklagte von den Überfällen gewusst habe, habe sie keine Sicherungsmaßnahmen getroffen. Auch nach dem Überfall auf die Klägerin seien solche Maßnahmen, etwa ein verbesserter Sichtschutz, nicht getroffen worden. Der Klägerin seien unfallkausale Pauschalkosten in der Höhe von 100 EUR entstanden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass gemäß § 1295 ABGB jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seinem Bereich bestehen lasse, dafür zu sorgen habe, das niemand geschädigt werde. Eine Verkehrssicherungspflicht bestehe jedenfalls nur dann, wenn die Gefahr nicht sofort erkennbar sei und entfalle, wenn sich aufgrund der Offensichtlichkeit der Gefahr jeder selbst schützen könne. Wegen der Häufung von Überfällen auf Kunden der Filiale der Beklagten sei diese verpflichtet gewesen, entweder entsprechende Warnhinweise in der Filiale anzubringen oder die Kunden individuell zu warnen. Da die Gefahr über das gewöhnlich bei Bargeldabhebungen zu erwartende Maß hinaus gegangen sei, was für die Beklagte, nicht aber für die Kunden erkennbar gewesen sei, hätte sie eine Warnpflicht im Rahmen der vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten getroffen. Die von einer offen gestalteten Filiale ausgehende Gefahr sei zwar für den Kunden offensichtlich, es sei für ihn jedoch nicht immer zumutbar, sich eine andere Filiale zur Geldabhebung aufzusuchen. Es wäre der Beklagten zumutbar gewesen, für einen entsprechenden Sichtschutz zu sorgen, zumal die Filiale über keinen nicht einsehbaren Raum für eine diskrete Auszahlung verfügt habe. Andererseits sei der Klägerin auch bewusst gewesen, dass mit der Auszahlung eines größeren Geldbetrags eine gewisse Gefahr verbunden sei, Opfer eines Überfalls zu werden. Das Risiko, beobachtet zu werden, sei erkennbar gewesen. Die Klägerin habe die örtlichen Gegebenheiten gekannt. Sie hätte daher eine höhere Sorgfalt walten lassen müssen, um sich zu vergewissern, dass sie bei der Auszahlung nicht beobachtet werde. Der Beobachter habe sich ja in der Nähe des Kassabereichs aufgehalten und sei als auffällig erkennbar gewesen. Es sei auch als fahrlässig anzusehen, einen Barbetrag von 28.000 EUR im Hosenbund über eine Strecke von 500 Metern bei sich zu tragen. Der Klägerin sei es möglich gewesen, ein Taxi zu rufen oder mit dem Auto zur Bank und wieder zurück zu fahren. In Abwägung aller Umstände sei eine Schadensteilung von 1:1 angemessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teilbegehrens von 400 EUR hinsichtlich der begehrten Pauschalkosten stattgegeben wurde. Es erachtete die Beweisrüge der Beklagten für nicht berechtigt und beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass schon nach der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht die Beklagte wegen der Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte treffe auch eine vertragliche Sicherungspflicht. Für die Verletzung von Schutzpflichten habe der Geschäftsinhaber nach Vertragsgrundsätzen einzustehen. Er hafte auch für das Fehlverhalten seiner Gehilfen nach § 1313a ABGB. Der Klägerin sei der Nachweis der Verletzung einer vertraglichen Verkehrssicherungspflicht gelungen. Sie habe auch nicht die Negativfeststellung zum Thema der Warnung vor dem Risiko durch die Beklagte zu vertreten. Die Beklagte müsse beweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflichten nicht verletzt habe. Sie habe aber nicht einmal behauptet, dass anlässlich der Anfrage der Klägerin beim Erstgespräch ein warnender Hinweis gegeben worden wäre oder dass Sicherheitsmaßnahmen angeboten worden seien. Nur zu diesem Zeitpunkt sei aber eine Warnung sinnvoll gewesen. Zum Zeitpunkt der Abhebung des Geldbetrags sei es zu spät gewesen, weil die Klägerin an diesem Tag das Bargeld benötigt habe und nicht eine andere Filiale aufsuchen hätte können. Wenn man dem Standpunkt der Beklagten folge, dass das Ansteigen der Eigentumsdelikte als notorisch angesehen werden müsse und die Klägerin gleichsam mit einem Überfall rechnen hätte müssen, wäre es eine zwingende Verpflichtung der Beklagten gewesen, die Klägerin beim Erstgespräch auf die Gefahr eines Überfalls hinzuweisen oder ihr verschiedene Sicherheitsmaßnahmen anzubieten. Selbst wenn die Filiale nicht über einen diskreten Nebenraum verfügt habe, entlaste dies nicht die Beklagte. Sie hätte dann die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass eine andere Filiale aufgesucht werden solle. Als Kundendienst gegenüber einer guten Kundin hätte die Beklagte der Klägerin den Bargeldbetrag auch von einem „Wachdienstbeamten" nach Hause bringen lassen müssen. Die Bank sei nicht nur verpflichtet ihre Mitarbeiter vor Überfällen zu schützen und Sicherheitsbeamte in den Filialen abzustellen, sondern auch ihre Kunden. Der Schutz der Kunden vor Überfällen erstrecke sich nicht nur auf den Innenraum der Bankfiliale sondern auch auf den gefahrlosen Abgang. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, potentiellen Straftätern die Möglichkeit des Ausspionierens von Opfern zu verwehren. Der Verkehrssicherungspflichtige habe zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe.

Gegen naheliegende Gefahren müssten im Rahmen des Zumutbaren angemessene Maßnahmen getroffen werden. Der Beweis, die nötige Sorgfalt nicht vernachlässigt zu haben, obliege der Beklagten. Wenn - wie die Beklagte selbst vorbringe - die Gefahr eines Überfalls geradezu notorisch sei, müsse nur mehr die Möglichkeit von Sicherheitsmaßnahmen geprüft werden. Eine solche Möglichkeit zeige das Beispiel der Länder, in denen Bankfilialen wie in Italien regelmäßig mit Sicherheitstüren ausgestattet seien und wo Sicherheitsbeamte abgestellt wurden, damit allfällige Straftaten verhindert werden könnten. Die Beklagte könne sich nicht mit dem Hinweis entlasten, dass die Gefahrenquelle für jedermann erkennbar sei. Wenn man ihrem Standpunkt folge, dürften nur mehr bargeldlose Bankgeschäfte abgewickelt werden. Die Beklagte hafte nicht nur für die Verletzung der Aufklärungspflicht sondern auch für die Organisation des Geschäftsablaufs, insbesondere für die mangelnde Ausstattung der Filiale.

Ein Mitverschulden der Klägerin sei zu verneinen. Die Beklagte habe den Mitverschuldenseinwand nur allgemein damit begründet, dass die Klägerin bei der Behebung des Geldes und beim Transport nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen habe. Sie habe konkrete Maßnahmen nicht aufgezeigt und nicht einmal behauptet, dass bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten der Überfall unterblieben wäre. Wenn das Erstgericht auf die Möglichkeit verweise, die Kundin hätte ein Taxi rufen oder mit dem Auto zur Bank und wieder zurückfahren können, übersehe es, dass derartige Behauptungen von der Beklagten nicht aufgestellt worden seien. Im Übrigen sei es notorisch, dass sich vor der Bankfiliale der Beklagten kein Taxistandplatz befinde und auch keine Parkplätze vorhanden seien. Auch das Verhalten der Klägerin in der Bankfiliale begründe kein relevantes Mitverschulden, weil sie das Geldkuvert nicht auf offener Straße auf die Abdeckung des Kinderwagens gelegt habe, sondern noch in der Geschäftsräumlichkeit in der Nähe des Eingangs. Der Transport des Geldes unmittelbar am Körper sei die beste Sicherungsmaßnahme. In Abwägung der Verschuldenskomponenten sei das Verschulden der Beklagten so überwiegend, das ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin vernachlässigt werden könne. Trotz der in den letzten drei Jahren vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall des öfteren erfolgten Überfälle ähnlicher Art habe die Beklagte die Klägerin nicht aufgeklärt und keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Im Zusammenhang mit der fehlenden Möglichkeit, die Auszahlung in einem abgesonderten Nebenraum auszuzahlen und wegen des mangelnden Hinweises auf die Möglichkeit einer Auszahlung in einer anderen Filiale treffe das Alleinverschulden die Beklagte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zu lösen sei. Das Berufungsgericht sei zur Frage der Verkehrssicherungspflicht und zu den Schutzpflichten der oberstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Mit der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem weiter unten dargelegten Gründen zulässig und teilweise auch berechtigt.

I. Grundsätzliche Erwägungen zu den Schutz- und Sorgfaltspflichten einer Bank gegenüber ihrem Kunden vor und bei der Abwicklung von Bankgeschäften:

1. Verkehrssicherungspflicht:

Dass Banken - wie andere Geschäftsinhaber auch - eine Verkehrssicherungspflicht nach Deliktsrecht trifft, ist unstrittig. Auch Banken haben dafür zu sorgen, das Kunden in den Geschäftsräumlichkeiten nicht zu Schaden kommen. Beispielsweise haftet die Bank für Personenschäden, die auf eine unzulängliche Beschaffenheit des Fußbodens, der Glastüren uä zurückzuführen sind unter der Voraussetzung der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen. Auch der Personenschutz vor Überfällen fällt in den Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nach Deliktsrecht.

2. Vertragshaftung:

a) Bankkunden können sich bei der Verletzung ihrer Güter im Zusammenhang mit der Abwicklung von Bankgeschäften aber auch auf die Vertragshaftung wegen der Verletzung von sogenannten Schutz- und Sorgfaltspflichten berufen und darauf gestützt Schadenersatz verlangen. Die meisten Schuldverhältnisse enthalten neben den Hauptleistungspflichten noch weitere Verhaltenspflichten dahin, dass der Schuldner so zu erfüllen hat, dass der Gläubiger weder an seiner Person noch an seinen sonstigen Rechtsgütern geschädigt wird. Zu den Schutzpflichten gehört aber auch die Verpflichtung zur nötigen Aufklärung des anderen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12, 5). Sie dienen wie die unselbständigen, vertraglichen Nebenpflichten der reibungslosen Abwicklung der Hauptleistung.

b) Schon im Rahmen der Anbahnung eines Rechtsgeschäfts wird ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet, bei dem noch keine Hauptleistungspflicht, wohl aber Vertragspflichten ähnliche Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen, die gleichfalls die Person und die Rechtsgüter des (künftigen Geschäfts-)Partners absichern sollen. Die schuldhafte Verletzung von vorvertraglichen Pflichten (culpa in contrahendo) macht schadenersatzpflichtig.

3. Die Klägerin kann sich daher hier auf Vertragshaftung wegen Verletzung von Schutzpflichten (hinsichtlich des Erstgesprächs vorvertraglicher Schutzpflichten) mit dem Vorteil stützen, dass ihr - gegenüber der Haftung nach Deliktsrecht - eine bessere Gläubigerstellung zukommt, weil die Bank für ihre Gehilfen haftet und für die Frage des Verschuldens die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB gilt (RIS-Justiz RS0026091). Vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten und insbesondere auch die Aufklärungspflicht wurden schon bei zahlreichen Rechtsgeschäftstypen bejaht, beispielsweise für Gastwirte (RS0020753), beim Heilbehandlungsvertrag (RS0021902), beim Beförderungsvertrag (RS0021735), beim Betreiber eines Campingplatzes (RS0026035) und grundsätzlich auch bei Bankgeschäften (SZ 68/230; SZ 73/24; RS0086598). Grundsätzlich trifft jeden Inhaber eines Geschäfts gegenüber einer Person, die das Geschäft als Kunde betritt, die vertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen. Für die Verletzung dieser Schutzpflicht hat der Geschäftsinhaber nach Vertragsgrundsätzen einzustehen (RS0016407). Der Inhaber des Geschäfts muss alle erkennbaren Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten (RS0023597).

4. Das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung (hier durch Unterlassung) hat grundsätzlich der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen. Der beklagten Bank obliegt der Beweis fehlenden Verschuldens (§ 1298 ABGB).

5. Für die folgende Anwendung der angeführten Grundsätze ist von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt auszugehen. Insoweit sich die Revision der Beklagten davon entfernt und weiters auch unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen angreift, ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich Rechtsinstanz.

6. Der Senat hat die relevierten Verfahrensmängel geprüft, verneint jedoch das Vorliegen von Verfahrensmängeln, was keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Zu den haftungsbegründenden Umständen:

1. Die Klägerin hat lediglich geltend gemacht, dass der Auszahlungsvorgang wegen fehlender Sichtschutzeinrichtungen und der mangelhaften Ausgestaltung der Räumlichkeiten beobachtet habe werden können und dass sie auf die bei Auszahlungsvorgängen allgemein bestehende und wegen vorangegangener Überfälle auch konkrete Gefahr eines Raubüberfalls nicht hingewiesen worden sei. Auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zu möglichen weiteren (anderen) Sicherheitsmaßnahmen der Bank (Hauszustellung des Geldbetrags durch einen „Wachdienstbeamten"; Einbau von Sicherheitstüren und Anwesenheit von Sicherheitsbeamten in der Geschäftsräumlichkeit) und die in der Revision dazu vorgetragenen Argumente kommt es im Ergebnis nicht an, weil diese Fragen gegenüber dem Parteivorbringen der Klägerin überschießend sind und überdies eine Haftung der Bank schon aus den von der Klägerin relevierten Gründen zu bejahen ist. Erörterungen darüber, welche Sicherheitsmaßnahmen bei der räumlichen und personellen Ausstattung einer Bankfiliale im Rahmen eines Sicherheitskonzepts sinnvoll und zumutbar sind, sind daher weitgehend entbehrlich.

2. Zur Warnpflicht der Bank:

Die Besonderheit des Falls liegt hier im Umstand, dass es nach den Feststellungen schon vor dem Überfall auf die Klägerin „bei Geldabhebungen in der Filiale M*****straße/S*****straße des öfteren zu Überfällen ähnlicher Art gekommen" ist, „wovon die Klägerin von der Beklagten nicht unterrichtet worden war". Da es sich dieser Feststellung um keine Negativfeststellung des Erstgerichts handelt (eine solche findet sich im erstinstanzlichen Urteil nur zum Thema eines Hinweises der Bankangestellten über das allgemeine Risiko bei der Abhebung eines hohen Bargeldbetrags) stellt sich nicht die Frage der Beweislast, die Beklagte hat vielmehr den festgestellten Umstand zu vertreten, dass die Klägerin über die vergangenen Raubüberfälle und das dadurch indizierte, konkret erhöhte Risiko nicht informiert wurde. Entgegen den Revisionsausführungen liegt darin die Verletzung einer Aufklärungspflicht der Bank, weil dagegen nicht mit der Unzumutbarkeit (Überspannung) der Handlungspflicht, etwa wegen besonderer Kosten der Sicherungsmaßnahme, argumentiert werden kann. Wenn es nicht schon zur allgemeinen Aufklärungspflicht der Bank gehören sollte, bei Bargeldauszahlungen ab einer gewissen Höhe und gleichzeitig feststehender Beobachtungsmöglichkeit beim Auszahlungsvorgang, den Kunden auf die allgemeinen Risken aufmerksam zu machen, so ist eine Warnpflicht hinsichtlich eines konkret erhöhten Risikos jedenfalls zu bejahen. Gegen jene Pflicht kann allenfalls mit Recht eingewendet werden, dass der Kunde bei der Wahl der Barauszahlung (statt einer sicheren Überweisung) an einem von allen Seiten einsichtigen Bankschalter auf eigene Gefahr handelt, die Gefahr des „Ausspähens" offenkundig erkennbar ist und dass der Kunde, wenn er dennoch das Risiko auf sich nimmt, dies allein zu vertreten hat. Ein Bankkunde, dem alle Gefahrenquellen bekannt sind (allenfalls bekannt sein müssen) braucht nicht aufgeklärt zu werden. Vom Umstand der vorangegangenen Überfälle wusste die Klägerin allerdings nichts. Darüber hätte sie mit einfachen Worten aufgeklärt werden können und auch müssen, und zwar schon anlässlich des festgestellten Erstgesprächs zwei Tage vor der tatsächlichen Geldübergabe. Der Beklagten muss schon aus diesem Grund die Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht angelastet werden. Die Kausalität der Unterlassung der Aufklärung hätte die Beklagte zwar mit dem nun in der Revision ausgeführten Einwand, die Warnung „hätte die Klägerin mit Sicherheit nicht von ihrem Vorhaben abgebracht" entkräftet werden können, auf einen solchen Sachverhalt (Beweis des rechtmäßigen Alternativverhaltens) hat sich die Beklagte aber im Verfahren erster Instanz gar nicht berufen.

3. Zum Sichtschutz im Schalterbereich und der alternativen Möglichkeit der Auszahlung in einem anderen, nicht einsehbaren Raum:

Grundsätzlich richtig sind die Überlegungen der Beklagten, dass ein weitgehender Sichtschutz im Schalterbereich zwar das hier verwirklichte Risiko des „Ausspähens" verringert hätte, dass dies aber andererseits das Risiko eines Überfalls in der Geschäftsräumlichkeit im uneinsehbaren Schalterbereich erhöhen hätte könnte. Eine gute Einsehbarkeit von allen Seiten übt auf Kriminelle eine gewisse abschreckende Wirkung aus. Der Vorwurf fehlender Sichtschutzeinrichtungen könnte daher nur nach einer entsprechenden Güterabwägung näher geprüft werden. Dies ist hier aber nicht erforderlich, weil jedenfalls die Alternative des Anbietens der Auszahlung in einem anderen uneinsehbaren Raum (oder wie hier der Hinweis auf eine solche Möglichkeit in einer anderen Filiale) das Risiko des „Ausspähens" ebenfalls verringert hätte. Auch diese Alternative könnte nur dann als kontraproduktiv angesehen werden, wenn man davon ausgeht, dass ein krimineller Beobachter jeden Bankkunden, der den abgesonderten Raum aufsucht, als potentiellen Bargeldempfänger betrachtet. Mangels entsprechender Parteibehauptungen im Verfahren erster Instanz ist davon allerdings nicht auszugehen. Es kann nicht unterstellt werden, dass in Banken „hinter verschlossenen Türen" ausschließlich oder auch nur überwiegend große Geldbeträge ausbezahlt werden oder dass dies Kriminelle auch nur annehmen. Es ist vielmehr vom geschäftlichen Usus auszugehen, dass alle möglichen Arten von Bankgeschäften durchaus nicht im Schalterraum, sondern unbeobachtet in separierten Räumen angebahnt und abgewickelt werden - insbesondere auch Kreditgeschäfte - sodass ein allfälliger Beobachter der Weiterleitung von Kunden in andere Räumlichkeiten keine konkreten Rückschlüsse auf eine größere Geldauszahlung ziehen kann. Dass dieser auf allgemeiner Erfahrung beruhende Schluss nicht zutrifft, hätte die Beklagte im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen gehabt. Ihre allgemeinen Revisionsausführungen über den Vorteil einer offenen Bauweise ohne Sichtschutz durch Raumteiler zur Abschreckung gegen Banküberfälle und zur Ermöglichung einer Videoüberwachung entkräften jedenfalls nicht die oben erläuterte Verletzung von Warnpflichten der Bank sowie ihre grundsätzliche Verpflichtung zur Ermöglichung einer diskreten Auszahlung hoher Geldbeträge.

III. Zur Mitverantwortlichkeit der Geschädigten:

1. Das Erstgericht hat eine Mitverantwortlichkeit schon wegen der Risikoträchtigkeit der Barauszahlung (statt der sicheren Geldüberweisung oder einer Auszahlung mittels Barschecks) bejaht. In dieser Allgemeinheit kann dies gewiss nicht vertreten werden, weil Barauszahlungen durchaus gerechtfertigte Gründe haben können und den Kunden grundsätzlich nach Erlangung der Gewahrsame am Geldbetrag und nach Verlassen der Geschäftsräumlichkeit das Risiko trifft. Für die Frage der Mitverantwortlichkeit ist aber ohnehin entscheidend, dass sich die Beklagte bei ihrem Einwand ausschließlich darauf stützte, dass die Klägerin bei der Geldauszahlung und beim Transport des Geldes nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen habe. Demnach erübrigen sich nähere Erörterungen zu dem vom Erstgericht bejahten Verschuldensmoment.

2. Die Gründe, worauf sich der Mitverschuldenseinwand stützt, hatte die Beklagte zu behaupten und zu beweisen. Darunter fällt auch die Kausalität des Verhaltens der Geschädigten für den eingetreten Schaden. Die Feststellungen des Erstgerichts über das Verhalten der Klägerin in der Bankfiliale sind im Rahmen des gerade noch ausreichend konkreten Schuldvorwurfs der Beklagten liegend zu erachten. Der Sachverhalt rechtfertigt auch die Bejahung der Kausalität der fahrlässigen Vorgangsweise der Klägerin. Festgestellt wurde, dass sie nach Erhalt des Geldes und nachdem sie dieses in ein Kuvert steckte, damit zum Eingang ging ist und das Kuvert zunächst auf den Kinderwagen legte. Wegen Sicherheitsbedenken steckte sie das Geld aber dann in den Hosenbund und zog ihr T-Shirt darüber. Wenn das Erstgericht weiters feststellte, dass die Klägerin „bei der Geldabhebung von einem Mann beobachtet" wurde, umfasst diese Feststellung auch das unvorsichtige Verhalten der Klägerin in der Geschäftsräumlichkeit, mit dem Geldkuvert in der Hand bis zum Eingang der Filiale zu gehen und erst dort das Geld relativ auffällig im Hosenbund zu verstecken. Dadurch wurde dem Beobachter ausreichend Gelegenheit gegeben, sich über die Geldauszahlung Klarheit - geradezu Gewissheit - zu verschaffen (vgl zur Kausalität auch die Aussage der Klägerin selbst, wonach ein Räuber zunächst auf die Stelle im Kinderwagen gegriffen habe, wo das Geld ursprünglich deponiert gewesen sei). Ein weiteres Moment der Mitverantwortlichkeit der Klägerin wegen mangelnder eigener Sicherheitsvorkehrungen auf dem ohnehin nur kurzen Heimweg, der in Begleitung einer weiteren Person angetreten wurde, ist entgegen den nicht stichhältigen Revisionsausführungen der Beklagten zu verneinen, selbst wenn man davon ausgeht, dass die allgemeine Sicherheitslage sich in den letzten Jahren verschlechtert haben sollte.

3. Bei Abwägung der Verschuldenselemente kann von einem sogar überwiegenden Beitrag zur schadensstiftenden Ausspähung der Klägerin ausgegangen werden. Die beklagte Bank hat allerdings zusätzlich die Verletzung von Warnpflichten zu vertreten, sodass insgesamt eine gleichteilige Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden vorliegt. In teilweiser Stattgebung der Revision ist daher das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte