OGH 2Ob59/05y

OGH2Ob59/05y14.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Florian F*, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 7.082,24 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 22. November 2004, GZ 7 R 124/04p‑21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Juli 2004, GZ 58 C 7/04v‑17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:E77810

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (EUR 5.683,22 sA) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

 

Joyce O* (im Folgenden: Taxilenkerin) beförderte in der Nacht vom 14. auf den 15. 12. 2002 mit dem von der klagenden Partei gehaltenen Taxi Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen *, Fahrgäste zu der vom Beklagten gepachteten „A*‑Tankstelle" in der *straße in Graz. Sie näherte sich gegen 00.20 Uhr der Tankstelle aus südlicher Richtung und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h nach rechts in den künstlich beleuchteten Tankstellenbereich ein, um dort anzuhalten. Beim Bremsen bemerkte sie jedoch, dass das Tankstellenareal „völlig" vereist war. Sie verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und vermochte die Geschwindigkeit noch auf ca 15 km/h zu reduzieren, ehe das Taxi mit dem rechten Vorderrad gegen den Zapfsäulensockel und mit der rechten Frontecke gegen einen der auf diesem Sockel angebrachten Dachträger der Tankstelle stieß. Dabei wurde das Taxi beschädigt. Auf nasser Fahrbahn wäre ein Anhalten problemlos möglich gewesen. Das Abblendlicht hat eine Reichweite von etwa 40 m. Bei einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h wäre der Taxilenkerin ein Abbremsen noch vor Erreichen der vereisten Fahrbahn möglich gewesen, wenn die Vereisung für sie im Abblendlicht erkennbar gewesen wäre. Eine vereiste Fläche kann „durch ein Glitzern der Fahrbahnoberfläche im Scheinwerfer- bzw Abblendlicht" erkannt werden. Die Unterscheidung von einer nur nassen Fahrbahn ist jedoch „nicht zwingend gegeben, da auch vereiste Fahrbahnen oft keine entsprechende Reflexion aufweisen". Außerdem war sie durch die verschiedenen Fahrbahnbefestigungen, eine Asphaltdecke auf der *straße und eine Betondecke im Tankstellenbereich, zusätzlich erschwert. Die nach dem Unfall intervenierende Feuerwehr sperrte das von der südlichen Einfahrt über das gesamte Gelände hin vereiste Tankstellenareal mit Absperrbändern ab. Die Tankstelle, die von 7.00 bis 20.00 Uhr geöffnet hatte, war zur Unfallszeit geschlossen. Weder die Firmenschilder noch die Zapfsäulen waren beleuchtet. Lediglich im Innenraum des Tankstellengebäudes war die Notbeleuchtung eingeschaltet. Es war auch keine Person auf dem Gelände anwesend. Das Tankstellengelände, das in Annäherungsrichtung des Taxis bereits aus einer Entfernung von mehr als 200 m eingesehen werden kann, weist in nördliche Richtung ein Gefälle von 1,7 % sowie ein Quergefälle nach Westen von 1,6 % auf. Die Vereisung unter dem überdachten Bereich des Tankstellenareals hatte seine Ursache darin, dass der östlich im Tankstellengelände gelagerte Schnee tagsüber geschmolzen war und Wasser in den Tankstellenbereich rinnen konnte.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von zuletzt EUR 7.082,24 samt Anhang an Reparaturkosten (EUR 6.867,39), Gutachterkosten (EUR 164,85) und pauschalen Unkosten (EUR 50,‑‑). Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Beklagten, der es grob fahrlässig unterlassen habe, Streugut aufzubringen oder zumindest die Zufahrt abzusperren, obwohl von dem auf dem Tankstellengelände gelagerten Schnee Wasser über das gesamte Areal geflossen und für die Nacht mit niedrigen Temperaturen zu rechnen gewesen sei. Die Fahrgäste des Taxis hätten im Verkaufsgeschäft der Tankstelle etwas kaufen und ein abgestelltes Fahrzeug holen wollen. Da das Tankstellenareal nicht abgesperrt und das Tankstellengebäude beleuchtet gewesen sei, habe die Taxilenkerin angenommen, dass die Tankstelle geöffnet sei. Der Beklagte hafte daher nicht nur wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und nach § 1319a ABGB; es treffe ihn auch die Vertragshaftung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten mit Schutzwirkung zu Gunsten der klagenden Partei.

Der Beklagte bestritt das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht und wandte ein, es sei für jedermann von weitem erkennbar gewesen, dass die Tankstelle geschlossen sei. Die Taxilenkerin habe auf Grund des anhaltenden Nieselregens und der herrschenden Temperaturen mit Glatteis rechnen müssen und nicht davon ausgehen dürfen, dass auf dem Tankstellengelände gestreut worden sei. Die Bejahung der Haftung des Beklagten würde zu einer Überspannung der gebotenen Sorgfaltspflicht und der Zumutbarkeit führen. Keinesfalls sei ihm grobes Verschulden anzulasten. Der Unfall sei vielmehr auf die Unaufmerksamkeit der Taxilenkerin, die überdies eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und nicht adäquat reagiert habe, zurückzuführen. Der Beklagte wandte überdies eine Gegenforderung ein, welche die klagende Partei noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung „aus advokatorischer Vorsicht" beglich. Den geltend gemachten Gutachterkosten hielt der Beklagte die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit EUR 5.683,22 sA statt und wies das auf EUR 1.399,02 sA lautende Mehrbegehren - rechtskräftig - ab. Es ging von dem im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte rechtlich, der Beklagte habe die ihn treffende Streu‑ und Verkehrssicherungspflicht verletzt. Bei dem Tankstellengelände handle es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr, deren allgemeine Benützbarkeit weder durch eine Abschrankung noch durch ein Verbotszeichen eingeschränkt worden sei. Der Beklagte hätte daher für die Streuung des Tankstellengeländes zu sorgen gehabt. Jedenfalls aber wäre es ihm zumutbar gewesen, die Zufahrt zur Tankstelle nach Betriebsende mit einem Band zu sperren. Die Taxilenkerin treffe kein Mitverschulden. Sie habe weder mit der Vereisung des Tankstellenareals rechnen müssen, noch sei ihr ein fahrtechnisches Fehlverhalten vorwerfbar. Auf die Erkennbarkeit des Umstandes, dass die Tankstelle geschlossen gewesen sei, komme es ebensowenig an, wie auf das Motiv für das Zufahren zur Tankstelle. Der klagenden Partei seien daher die mit EUR 5.633,20 ermittelten Reparaturkosten sowie die pauschalen Unkosten von EUR 50,‑- zuzusprechen. Die Gutachterkosten stellten hingegen vorprozessuale Kosten dar.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte in rechtlicher Hinsicht, im Hinblick auf den für jedermann leicht erkennbaren Umstand, dass die Tankstelle geschlossen und lediglich eine Innenbeleuchtung im Tankstellengebäude eingeschaltet gewesen sei, finde die ständige Rechtsprechung, wonach ein Tankstelleninhaber für die Sicherheit im Bereich der für die Kunden zur Verfügung stehenden Tanksäulen zu sorgen habe (ZVR 1984/140), auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Eine Haftung nach § 93 StVO scheide aus, weil diese Bestimmung ausschließlich die Räumungs‑ und Streupflicht auf Gehsteigen und Gehwegen sowie - in Ermangelung solcher Anlagen - hinsichtlich des Straßenrandes im Auge habe. Es bleibe somit zu prüfen, ob der Beklagte nach § 1319a ABGB hafte. Danach hafte der Halter eines Weges den (befugten) Benützern, wenn durch den mangelhaften Zustand dieses Weges ein Schaden herbeigeführt werde. Der Geschädigte könne sich auf den mangelhaften Zustand eines Weges aber nicht berufen, wenn der Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen Benützung des Weges entstanden sei und die Unerlaubtheit dem Benützer entweder nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen oder Abschrankung oder sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen sei. Von einer befugten Benützung eines privaten Firmengeländes könne außerhalb der Betriebszeiten in der Regel nicht gesprochen werden. Es sei daher davon auszugehen, dass eine solche Fläche einem bestimmten Personenkreis für eine bestimmte Benützungsart gewidmet sei. Befugter Benützer sei somit nur derjenige, der das Tankstellenareal in der Absicht befahre, dort zu tanken, einzukaufen oder sonst in geschäftliche oder auch private Kontakte mit den anwesenden Personen zu treten. Da die Taxilenkerin auf dem Tankstellenareal nur anhalten habe wollen, habe sie in unbefugter Weise ein Firmengelände befahren. Dies wäre ihr nach der „Art des Weges" leicht erkennbar gewesen. Wenngleich nach der Rechtsprechung an das Erfordernis der Erkennbarkeit des Verbotes der Benützung strenge Anforderungen zu stellen seien (ZVR 1995/61 ua), bedürfe es keiner besonderen Verbotsschilder oder Abschrankungen solcher Flächen außerhalb der Öffnungszeiten, da vom Wegehalter außerhalb der Öffnungszeit (von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen) ein Verkehr nicht eröffnet werde. Ausgehend von diesen Überlegungen erübrige sich die Prüfung, ob der Beklagte seiner Streupflicht auf Grund des anhaltenden Nieselregens nachgekommen sei (hiezu hätte es weiterer Feststellungen bedurft). Die ordentliche Revision sei zuzulassen, da für die hier zu lösende Rechtsfrage keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer unbefugten Benützung des Tankstellengeländes durch die Taxilenkerin ausgegangen ist; sie ist im Sinne des Eventualantrages auch berechtigt.

Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, den Beklagten treffe die Verkehrssicherungspflicht nach den §§ 1295, 1319a ABGB und insbesondere nach § 93 (iVm § 1 Abs 1) StVO, weil er auf seinem Grundstück einen Verkehr eröffnet habe. Der Straßenerhalter habe auch für die Sicherheit jener Personen vorzusorgen, welche den Geschäftsbereich bzw das Tankstellenareal außerhalb der Öffnungszeiten betreten oder befahren. Dies gelte vor allem, wenn das Tankstellenareal für jedermann frei zugänglich bzw befahrbar sei und einem zufahrenden Fahrzeuglenker auf Grund der Beleuchtung des Geschäftsbereiches nicht erkennbar sei, ob die Tankstelle geöffnet oder geschlossen hat. Eine Widmungswidrigkeit der Benützung sei weder nach der Art des Weges (Zufahrtsstraße) noch infolge von Verbotszeichen oder Abschrankungen erkennbar gewesen. Der Beklagte habe die ihm zumutbaren Maßnahmen unterlassen und weder den Tankstellenbereich gestreut oder gesäubert, noch die Zufahrtsstraße abgesperrt. Das Berufungsgericht habe außerdem übersehen, dass ein Fahrgast der klagenden Partei „offensichtlich" in einer Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten gestanden sei, die sich „nicht unbedingt an der Öffnungszeit der gegenständlichen Tankstelle orientieren" habe müssen.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 1319a ABGB haftet der Halter eines Weges den Benützern, wenn durch seinen mangelhaften Zustand ein Schaden herbeigeführt wird und dem Halter selbst oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist. Das gilt dann nicht, wenn der Schaden bei einer unerlaubten, insbesondere widmungswidrigen Benützung des Weges entstanden ist und die Unerlaubtheit der Benützung entweder nach Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen ist. „Weg" im Sinne des § 1319a ABGB ist nach dessen Abs 2 eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist. Der Begriff „Weg" im Sinne dieser Bestimmung sichert einen sehr weiten Anwendungsbereich der diesbezüglichen Haftpflicht; er findet seine Grenze dort, wo das Merkmal des „Rechtes der Benützung durch jedermann unter den gleichen Bedingungen" fehlt (2 Ob 335/97x = JBl 1998, 655 = ZVR 1998/139). Unter den Begriff des Weges fallen nach dem weiten Begriffsinhalt des § 1319a Abs 2 ABGB auch die von jedermann benutzbaren Privatstraßen (RIS‑Justiz RS0115172). Liegt ein Weg im Sinne der genannten Gesetzesstelle vor, genießt der Halter des Weges das Haftungsprivileg des § 1319a Abs 1 ABGB außerhalb vertraglicher Beziehungen gegenüber allen Benützern unabhängig von der Benützungsart (SZ 53/143; RIS‑Justiz RS0029988).

Das Tankstellenareal des Beklagten erfüllt die Kriterien eines Weges nach der obigen Definition, weil es von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden darf. Die Haltereigenschaft des beklagten Tankstellenpächters ist nicht strittig. Hat sich der Unfall aber auf einem Weg im Sinne des § 1319a ABGB ereignet, so kann der Geschädigte die Auswirkungen des damit verbundenen Haftungsprivilegs nicht durch die Berufung auf die in § 1295 ABGB wurzelnde allgemeine Verkehrssicherungspflicht umgehen. Im Anwendungsbereich der besonderen Verkehrssicherungspflicht des Wegehaltes gemäß § 1319a ABGB bleibt vielmehr für die Annahme allgemeiner Verkehrssicherungspflichten kein Raum (2 Ob 310/98x = JBl 1999, 461).

Die Haftung des Beklagten kann aber auch, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht auf eine Verletzung der Streupflicht nach § 93 Abs 1 StVO gestützt werden. Gilt diese doch nur für die entlang einer Liegenschaft dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege und, falls solche nicht vorhanden sind, den Straßenrand in der Breite von 1 m, nicht aber für sonstige Flächen (vgl 8 Ob 93/04s). Die Bestimmungen über die Streupflicht gegen § 93 StVO dienen überdies dem Fußgängerverkehr (1 Ob 41/90; RIS‑Justiz RS0075581). Es handelt sich um Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB, deren Zweck im Schutz der die dort genannten Verkehrsflächen bestimmungsgemäß benützenden Fußgänger liegt (2 Ob 34/89 = ZVR 1990/107). Die Halter und Lenker von Kraftfahrzeugen sind vom Schutzzweck dieser Vorschriften hingegen nicht umfasst. Bei Verstößen gegen ein Schutzgesetz, wie es dem Beklagten von der klagenden Partei angelastet wird, ist jedoch Haftungsvoraussetzung, dass ein Schaden eintritt, den die übertretene Norm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern wollte (SZ 70/113 uva).

Die klagende Partei vermag auch die Voraussetzungen für die Annahme einer Haftung des Beklagten nach Vertragsgrundsätzen nicht darzulegen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar schon mehrfach die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten durch Betreiber von Tankstellen bejaht, wenn diese es verabsäumt hatten, die Sicherheit ihrer den Tankstellenbereich benützenden (potentiellen) Vertragspartner durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten (ZVR 1984/51; ZVR 1984/140; 5 Ob 634/88; vgl auch ZVR 1990/59, wo eine solche Haftung wegen Eigenverschuldens des Geschädigten abgelehnt wurde). Die Begründung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses erfordert aber stets sowohl die Absicht als auch die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes. Im vorliegenden Fall steht indessen fest, dass der Tankstellenbetrieb geschlossen war, als die Taxilenkerin die Tankstellenzufahrt benutzte. Des weiteren bietet weder der festgestellte Sachverhalt noch das erstinstanzliche Vorbringen der klagenden Partei einen stichhältigen Anhaltspunkt für die in der Revision geäußerte Vermutung, ihr Kunde sei „offensichtlich in einer Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten gestanden", die „unabhängig von den Betriebszeiten des Beklagten" gewesen sei. Da die klagende Partei an der noch in erster Instanz behaupteten Kaufabsicht ihres Fahrgastes erkennbar nicht mehr festhält, erübrigen sich ergänzende Feststellungen zu diesem Thema ebenso, wie die Prüfung der Frage, ob die einem (vor)vertraglichen Schuldverhältnis entspringenden Schutzpflichten des Beklagten auch die klagende Partei als Dritte erfassen konnten. Die auf die „tägliche Lebenserfahrung" gestützte Revisionsbehauptung, die Taxilenkerin habe selbst beabsichtigt, mit dem Beklagten in rechtsgeschäftlichen Kontakt zu treten, verstößt gegen das Neuerungsverbot.

Der Beklagte haftet daher nur für grobes Verschulden nach § 1319a ABGB. Eine diese Haftung von vornherein ausschließende unerlaubte Benützung der Tankstellenzufahrt liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes jedoch selbst dann nicht vor, wenn für die Taxilenkerin tatsächlich schon in Annäherung an das Tankstellengelände ersichtlich gewesen sein sollte - insoweit liegen keine präzisen Feststellungen vor -, dass die Tankstelle geschlossen hat. Die in § 1319a Abs 1 Satz 2 ABGB normierte Haftungsfreiheit setzt die Erkennbarkeit einer verbotenen Benützung des „Weges" voraus, an die nach der Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen sind (2 Ob 23/94 = ZVR 1995/61 mwN). Tankstellenzufahrten sind ungeachtet der Eigentumsverhältnisse am Straßengrund dem Fahrzeugverkehr gewidmete Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 StVO, die schon ihrem äußeren Anschein nach der allgemeinen Benutzung dienen, sofern sich nicht aus ihrer Abschrankung oder einem für die Allgemeinheit ersichtlichen Verbot das Gegenteil ergibt (stRsp des Verwaltungsgerichtshofes; vgl die Erkenntnisse vom 10. 3. 1977, 227/76 = ZVR 1978/56, vom 15. 2. 1991, 90/18/0182 und vom 11. 4. 2000, 99/11/0352; auch Pürstl‑Somereder, StVO11 § 1 Anm 3). Aus der Kundmachung der Öffnungszeiten allein ist nicht mit der für die Erkennbarkeit einer unerlaubten Benützung zu fordernden Sicherheit ableitbar, dass außerhalb derselben die Zufahrt auf das Tankstellengelände - etwa um sich über angebotene Leistungen oder Preise zu informieren, eine Kontrolle am Fahrzeug vorzunehmen etc - verboten ist. Eine derartige Prozessbehauptung hat der Beklagte überdies gar nicht aufgestellt. Gegenteiliges ist auch der vom Berufungsgericht zur Stütze seines Standpunktes zitierten Entscheidung ZVR 1995/61 nicht zu entnehmen, in welcher die optische Wahrnehmbarkeit der widmungswidrigen Benützung einer aufgrund des § 33 Abs 3 ForstG dem Fahrzeugverkehr grundsätzlich entzogenen Forststraße durch einen Radfahrer mangels ausreichender Beschilderung verneint worden war.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, fehlt es noch an Feststellungen, anhand derer beurteilt werden könnte, ob dem Beklagten eine grob schuldhafte Verletzung seiner Pflichten als Wegehalter anzulasten ist. Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang. Im fortgesetzten Verfahren wird zu beachten sein, dass nach ständiger Rechtsprechung unter grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319a ABGB eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen ist, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlichem Maß verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist. Der objektiv besonders schwere Verstoß muss auch subjektiv schwer anzulasten sein (ZVR 1980/46; ZVR 1986/11; ZVR 1990/15 uva; RIS‑Justiz RS0030171). Im vorliegenden Fall wird hiebei vor allem auf die Verhältnisse bei Geschäftsschluss (nach den Feststellungen um 20.00 Uhr) abzustellen sein. Waren zu diesem Zeitpunkt die dem Fahrzeugverkehr gewidmeten Flächen des Tankstellengeländes einschließlich der Zufahrt gefahrlos befahrbar und eine Glatteisbildung begünstigende Entwicklung der Wetterlage nicht vorhersehbar, wäre es dem Beklagten nicht als grobes Verschulden anzulasten, wenn er die Betreuung des Tankstellengeländes außerhalb der Geschäftszeiten unterließ. Hatte hingegen die Vereisung des Tankstellengeländes schon vor Geschäftsschluss eingesetzt oder war diese auf Grund der Witterungsverhältnisse schon absehbar, könnte in der Unterlassung jeglicher Vorkehrung - je nach den noch zu klärenden Umständen des Falles - ein erheblicher Sorgfaltsverstoß gelegen sein.

Das Erstgericht wird daher das Verfahren zu ergänzen und weitere Feststellungen über die bei Geschäftsschluss im Tankstellenbereich vorherrschenden Fahrbahnverhältnisse, die Witterungsbedingungen sowie die Vorhersehbarkeit ihrer Entwicklung und Folgen zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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