Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.657,85 (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin fuhr am 23. Februar 1983 mit ihrem PKW zur Tankstelle der Beklagten, um Heizöl zu kaufen. Sie hielt ihr Fahrzeug im Bereich des nicht überdachten Heizöltanks an, entnahm dem Kofferraum zwei Kanister und übergab diese dem Tankwart. Der Tankwart füllte die beiden Kanister an, worauf die Klägerin diese in den Kofferraum ihres PKW stellte. Sie übergab dem Tankwart zwei Geldscheine, mit welchen sich dieser zum Kassenraum begab, um Wechselgeld zu holen. Die Klägerin, die Winterstiefel mit Gummiprofilsohle trug, folgte dem Tankwart und kam nach einigen Schritten auf einer Eisplatte zu Sturz. Sie zog sich dabei mehrere Knochenbrüche zu.
Der Tankwart wurde deswegen wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB rechtskräftig verurteilt.
Die Klägerin begehrte - nach Stand des Verfahrens am Schluß der mündlichen Streitverhandlung sowie unter Berücksichtigung von Teilzahlungen von S 100.000,-- durch die Beklagte - die Zahlung von S 255.733,95 einer Hausfrauenrente von monatlich S 1.500,-- sowie einer Verdienstentgangrente von monatlich S 4.238,70 bis zur Vollendung ihres 60. Lebensjahres, und stellte ein mit S 30.000,-- bewertetes Feststellungsbegehren. Sie begründete dies damit, daß sich im Bereich des Heizöltanks eine durchgehende Eisplatte befunden habe, die als solche für sie nicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagte habe das Alleinverschulden ihres Erfüllungsgehilfen (des Tankwartes) zu vertreten.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und führte zu dem im Revisionsverfahren allein noch strittigen Grund des Anspruches aus, die Klägerin treffe an diesem Unfall das überwiegende, zumindest aber ein gleichteiliges Verschulden, weil sie beim Aussteigen das Vorhandensein der Eisglätte bemerkt habe und sich demgemäß vorsichtig hätte verhalten müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 - teilweise statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte zusätzlich zu dem oben wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt zum Grund des Anspruches folgendes fest:
Der Boden im Tankstellenbereich war stellenweise mit Eis bedeckt, insbesondere zwischen dem Heizöltank und dem Tankstellengebäude. Die Verkehrsflächen im Bereich der Tankstelle waren nicht bestreut. Zur Zeit des Unfalles betrug die Lufttemperatur - 3 C. Die Klägerin bemerkte schon beim Aussteigen aus dem PKW, daß der Boden im Tankstellenbereich teilweise Eisglätte aufwies. Sie hätte, als sie dem Tankwart nachging, der Eisplatte, auf der sie schließlich zum Sturz kam, ausweichen können. Es bestand für sie auch keine Veranlassung, dem Tankwart zu folgen, weil sie damit rechnen konnte, daß dieser ihr das Wechselgeld zum PKW bringen werde.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Beklagten die Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht zur Last falle, der Klägerin hingegen der Umstand, daß sie nicht äußerste Vorsicht aufgewendet habe, als für sie erkennbar war, daß sich im Tankstellenbereich stellenweise nicht bestreute Eisplatten befanden. Dies rechfertigte eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1. Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Berufung der Klägerin das erstgerichtliche Urteil insoweit ab, als dies - ausgehend von den nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Tatsachenfeststellungen und den rechtlichen Beurteilungen zur Höhe des Anspruches - erforderlich war, wenn man von der vom Berufungsgericht für zutreffend erkannten Schadensteilung im Verhältnis 1 : 3 zugunsten der Klägerin ausgehe. Das in der Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht gelegene Fehlverhalten der Beklagten wiege bedeutend schwerer als das Verhalten der Klägerin, die ohne Notwendigkeit die vereisten Stellen überschritten hätte.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Unterlassung der Bestreuung eisglatter Flächen auf dem Tankstellengelände, welches zum Betreten durch Kunden der Beklagten bestimmt ist, stellt eine schwer ins Gewicht fallende Verletzung der vorvertraglichen Pflicht dar, für die Sicherheit jener Personen vorzusorgen, die den Geschäftsbereich im Zuge geschäftlicher Tätigkeiten betreten (ZVR 1984/140).
Der Klägerin hingegen fällt lediglich zur Last, daß sie ohne Notwendigkeit die vereisten Flächen überschritt und dabei nicht eine besondere Vorsicht anwandte. Bei Beurteilung ihres Verhaltens ist aber zu berücksichtigen, daß sie ohnedies mit einer für winterliche Verhältnisse geeignete Fußbekleidung ausgestattet war und daher von vornherein Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, die Stürze bei winterlichem Wetter hintanzuhalten geeignet sind. Sie hatte solches Schuhwerk angezogen, mit dem üblicherweise auch glatte Flächen unter wesentlich geringerer Gefahr als mit anderem Schuhwerk betreten werden können. Die Sorglosigkeit der Klägerin in eigenen Angelegenheiten ist daher schon aus diesem Grund geringer zu bewerten als es der Fall wäre, wenn sie sich ohne solches Schuhwerk auf winterliche Verkehrsflächen begeben hätte (Schadensteilung im Verhältnisse 1 : 1 im Falle der Benützung ungeeigneten Schuhwerks in 2 Ob 75/65). Die Klägerin betrat die vereisten Flächen auch nicht unter die Gefährdung erhöhenden Umständen (wie z. B. durch Tragen einer vollen Wasserschüssel auf einem abschüssigen
Weg - 1 Ob 427/61), sondern benützte eine für den Kundenverkehr bestimmte Fläche mit durchaus geeignetem Schuhwerk. Die Tatsache, daß es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre diese Fläche zu betreten, fällt zu Lasten der Klägerin nicht besonders ins Gewicht. Es steht Tankstellenkunden zu, sich zum Tankstellengebäude zu begeben, wobei hiefür die verschiedensten Motive maßgebend sein können. Da es aber auf diese nicht ankommt, braucht dieser Komplex nicht näher untersucht werden.
Wägt man nun den Verstoß der Beklagten gegen die ihr obliegende Verkehrssicherheitspflicht mit dem der Klägerin vorzuwerfenden Verhalten, nämlich der Nichtaufwendung ganz besonderer Vorsicht bei Überschreiten einer vereisten Fläche mit an sich hiefür geeignetem Schuhwerk, ab, so ergibt dies ein Überwiegen des Verschuldens der Beklagten. Diesem überwiegenden Verschulden trug das Berufungsgericht durch die vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 3 in angemessener Weise Rechnung.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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