OGH 1Ob24/05v

OGH1Ob24/05v24.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann R*****, 2. Johanna R*****, ebendort, vertreten durch Dr. Gerald Fürst, Rechtsanwalt in Straßwalchen, gegen die beklagte Partei Herbert H*****, vertreten durch Dr. Christian Greinz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert EUR 4.360,37) und Beseitigung (Streitwert EUR 2.180,19), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2004, GZ 53 R 351/04f-163, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 12. Mai 2004, GZ 11 C 931/95w-154, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger waren zum Zeitpunkt des verfahrenseinleitenden Antrags im Jahr 1991 je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Wegparzelle 1129/2 Grundbuch *****. Der Beklagte war grundbücherlicher Eigentümer der an das Weggrundstück angrenzenden Grundstücke 1129/5 und 1129/6. Die gemeinsame Grenze dieser benachbarten Grundstücke wird durch die Grenzpunkte 33, 49 und 39 gebildet.

Die Kläger begehrten die Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze zwischen den Grenzpunkten 33 und 39 in gerader Linie sowie die Feststellung, die vom Beklagten errichtete Gartenmauer und Thujenhecke verletzten ihr Eigentum; der Beklagte sei schuldig, die Mauer und die Hecke - soweit sich diese auf ihrem Grundstück befänden - zu entfernen. Die Grundstücksgrenze sei am 6. 6. 1989 von einem Zivilgeometer richtig vermessen und vom Beklagten ausdrücklich anerkannt worden. Dennoch habe der Beklagte diese Grundgrenze in der Folge angezweifelt und den Zivilgeometer im Herbst 1990 veranlasst, die Vermessungspunkte 39 und 49 mindestens 20 cm in das Weggrundstück der Kläger hineinzuversetzen. Diese zu ihren Lasten und ohne ihr Wissen geschehene Vermessung sei unrichtig, die Grundstücksgrenze sei wieder so herzustellen, wie sie am 6. 6. 1989 vom Beklagten anerkannt worden sei.

Der Beklagte wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, die Grenzpunkte in der nunmehr vorhandenen Form seien richtig vermarkt worden. Die Zustimmungserklärung vom 6. 6. 1989 sei nur im Vertrauen auf die Richtigkeit des Vermessungsergebnisses des Zivilgeometers abgegeben worden und könne wegen Irrtums angefochten werden (ON 55).

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich des Grenzverlaufs ebenso statt wie dem auf Verletzung des Eigentumsrechts gerichteten Feststellungsbegehren hinsichtlich der Gartenmauer und erkannte den Beklagten schuldig, die Gartenmauer, soweit sie sich auf dem klägerischen Grundstück befindet, zu entfernen. Das Feststellungs- und Beseitigungsbegehren betreffend die Thujenhecke wies das Erstgericht ab.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die die gemeinsame Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile bildenden Grenzpunkte 32, 33, 49 und 39 waren erstmals 1968, damals unter Anwendung eines „örtlichen Vermessungssystem", vermessen worden. Die Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen entstanden, als 1989 im Zuge der Errichtung eines parallel zur Landesstraße verlaufenden Geh- und Radwegs ein Zivilgeometer die Neuvermessung auch der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile durchführte und dieser auf Grund eines Fehlers die von ihm gesetzten Grenzmarken bei einer neuerlichen Begehung zu Lasten der Kläger korrigierte, obwohl sowohl die Kläger als auch der Beklagte vorerst ihre Zustimmung zu den (fehlerhaft) gesetzten Grenzmarken abgegeben hatten. Dieser Fehler hatte sich bereits 1971 bei Übernahme des Plans aus dem Jahr 1968 in einen Straßenvermessungsplan ergeben, als das Vermessungsamt den Plan aus dem „örtlichen Vermessungssystem" in das „Landeskoordinatensystem" transformierte. Der so erstellte falsche Plan wurde dann 1989 für die Straßenvermessung anlässlich der Errichtung des Geh- und Fahrweges herangezogen. Zugleich bildete der unrichtige Plan die Grundlage für die vom Zivilgeometer vorgenommene Rekonstruktion der Grenzpunkte 39 und 49, welche von den Streitteilen am 6. 6. 1989 anerkannt wurde. Erst nach Absteckung dieser Punkte und Vorhaltungen des Beklagten konnte festgestellt werden, dass Ungenauigkeiten in der Größenordnung von 20 bis 30 cm vorlagen. Dies war der Grund dafür, dass der Zivilgeometer nach neuerlicher Begehung eine Korrektur vornahm. Dementsprechend verläuft die Grenze zwischen dem Weggrundstück 1129/2 und den Grundstücken 1129/6 und 1129/5 in einer geraden Linie zwischen den Punkten 33, 49 und 39. Die vom Beklagten beginnend beim Punkt 33 errichtete Gartenmauer erstreckt sich in das Grundstück der Kläger, da sie sich an ihrem östlichen Ende 11 cm südlich der Grundgrenze (nahe dem Punkt 49) und somit auf dem Grundstück der Kläger befindet. Die Stämme der vom Beklagten zwischen den Punkten 49 und 39 gepflanzten Thujenhecke reichen hingegen nicht auf das Weggrundstück der Kläger, sondern liegen zwischen 6 cm und 25 cm innerhalb des Grundstücks des Beklagten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Anerkenntnis des Beklagten vom 6. 6. 1989 habe sich lediglich auf die transformierten falschen Koordinaten bezogen, weshalb es nach Korrektur des mittlerweile festgestellten Übertragungsfehler hinfällig sei. Dieser Fehler könne dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen.

Das Berufungsgericht gab den gegen diese Entscheidung von beiden Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 4.000, aber nicht EUR 20.000 übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Auf die als Zustimmungserklärung gemäß § 43 Abs 6 VermG anzusehende Erklärung des Beklagten vom 6. 6. 1989 (siehe Beilage ./E) könnten sich die Kläger nicht berufen, da diese im Rahmen von Vermessungsarbeiten für den Radweg abgegeben worden sei, ihr aber kein Streit über die Grenzpunkte 49 und 39 zu Grunde gelegen wäre. Der Zustimmungserklärung komme daher nicht die Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs im Sinne des § 1380 ABGB über einen zuvor strittig gewesen Grenzverlauf zu, weshalb die Kläger daraus keine Rechte ableiten könnten. Auf die Irrtumsanfechtung müsse daher nicht eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision der Kläger nicht zulässig.

Das Verfahren erbrachte eindeutig die Unrichtigkeit des Ergebnisses der 1989 vorgenommenen Grenzvermessung, da diese - ohne dass dies damals dem Zivilgeometer oder einem der Streitteile bewusst gewesen wäre - auf Grundlage eines fehlerhaften Straßenvermessungsplans erfolgt war. Dennoch wollen die Kläger an dem für sie - im Vergleich zur späteren Richtigstellung - günstigeren, unrichtigen Vermessungsergebnis festhalten. Im (nur mehr die Thujenhecke betreffenden) Revisionsverfahren bringen sie daher neuerlich vor, der Beklagte wäre an die am 6. 6. 1989 abgegebene Zustimmungserklärung zur (unrichtigen) Grenzvermessung gebunden.

Dem ist nicht zu folgen:

Nach dem Revisionsvorbringen begehrte der Beklagte anlässlich einer „straßenpolizeilichen Verhandlung" im Jahr 1987 die Vermessung der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Damit war der Grenzverlauf strittig. Die in einem solchen Fall nach der Begehung abgegebene schriftliche Zustimmungserklärung beider Parteien auf einem vom Zivilgeometer verwendeten Formblatt (Beilage ./E) stellt einen außergerichtlichen Vergleich (§ 1380 ABGB) im Sinne des erzielten Vermessungsergebnisses dar (SZ 40/29; RIS-Justiz RS0013881; vgl Kaluza/Burtscher, Das Österreichische Vermessungsrecht³, § 43 Anm 24). Für die Irrtumsanfechtung eines vor einem Zivilgeometer geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs über den Grenzverlauf gelten die Grundsätze der §§ 1385 ff ABGB (Gamerith in Rummel³, ABGB § 850 Rz 5). Da der Vergleich dem Zweck dient, strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festzulegen (§ 1380 ABGB) und damit die Strittigkeit oder Zweifelhaftigkeit zu beseitigen, kann er grundsätzlich dann nicht angefochten werden, wenn ein Partner beim Abschluss über den wahren Sachverhalt geirrt hat (§ 1387 ABGB), verlöre ein Vergleich doch sonst seinen Sinn (Ertl in Rummel³, ABGB § 1385 Rz 1). Die Irrtumsanfechtung kommt jedoch in Betracht, wenn der Irrtum dasjenige wesentliche betrifft, was die Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses als feststehend, unzweifelhaft und unstreitig (als „Vergleichsgrundlage") angenommen haben (Ertl aaO mwN; SZ 67/31; RIS-Justiz RS0032529; RS0032543). Nach herrschender Ansicht müssen aber auch die sonstigen Vorraussetzungen für die Irrtumsanfechtung vorliegen, wobei ein gemeinsamer Irrtum ausreicht (4 Ob 510/93 mwN).

Von einem die „Vergleichsgrundlage" betreffenden gemeinsamen Irrtum ist im vorliegenden Fall auszugehen. Zur Zeit des Vergleichsabschlusses legten beide Parteien ihren Erklärungen zu Grunde, dass der vom Zivilgeometer herangezogene Straßenvermessungsplan richtig erstellt sei; dieser Plan gab für die vorzunehmende Vermessung die unstreitige und feststehende Vergleichsgrundlage ab (siehe RIS-Justiz RS0032543). Im Vertrauen auf die Richtigkeit des Plans anerkannten die Parteien das darauf gegründete Vermessungsergebnis des Zivilgeometers und legten so die von ihnen als strittig behandelte Grenze fest. Die zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gegebene übereinstimmende Auffassung der Parteien über die Genauigkeit und Richtigkeit des der Neuvermessung zu Grunde liegenden Plans bildete somit eine unstrittige „Vergleichsgrundlage"; darauf bezog sich der gemeinsame Irrtum der Parteien. Erst später stellte sich die Ungenauigkeit des Straßenvermessungsplans heraus. Der auf einer unrichtigen Grundlage beruhende Vergleich kann nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von jedem der Streitteile angefochten werden (SZ 56/96; Ertl aaO; Apathy in Schwimann, ABGB², § 871 Rz 28 mwN). Der Beklagte kann dem Klagebegehren somit erfolgreich die Einrede des Irrtums entgegensetzen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Zustimmungserklärung des Beklagten komme keine Rechtsverbindlichkeit (mehr) zu, erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war, ist die Revision unzulässig.

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