OGH 8Ob31/67

OGH8Ob31/6728.2.1967

SZ 40/29

Normen

ABGB §851
ZPO §577
ABGB §851
ZPO §577

 

Spruch:

Der Vergleich zweier Liegenschaftseigentümer, die Grenze zwischen ihren Liegenschatten nach dem Mappenstand zu vermessen und zu vermarken, ist kein Schiedsgutachtervertrag, sondern gibt einen Duldungsanspruch.

Entscheidung vom 28. Februar 1967, 8 Ob 31/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Paternion; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger wurde im Jahre 1962 als Erbe nach seinem Vater Max R. Eigentümer der Liegenschaft EZ. X der Kärntner Landtafel. Der Beklagte ist seit 1958 auf Grund eines Übergabsvertrages Eigentümer der Liegenschaft EZ. Y der KG. K. im Jahre 1958 wollte der Beklagte auf dem Gst. 544, welches zur Liegenschaft des Vaters des Klägers gehörte, einen Wasserbehälter errichten, weshalb es zwischen dem Beklagten und Max R. wegen eines Grundtausches zu Besprechungen kam. Max R. machte jedoch auf Anraten seines Sohnes, des Klägers, wegen mehrerer unklarer Grenzen zwischen den beiden Liegenschaften den vom Beklagten begehrten Grundtausch davon abhängig, daß der Beklagte der Vermessung der Grenzen zwischen beiden Liegenschaften nach dem Stande des Katasters zustimme. Max R. schickte dem Beklagten ein Schreiben mit dem Datum vom 14. Mai 1958, in welchem Schreiben er mitteilte, er sei mit dem Grundtausch dann einverstanden, wenn der Beklagte von vornherein die Katastralgrenze anerkenne. Die Kosten der Vermessung wolle er auf sich nehmen. Dieses Schreiben unterfertigte der Beklagte mit den Worten, er sei mit dem Inhalt voll einverstanden. Er unterfertigte auch die von Max R. vorgelegte Niederschrift vom 14. Mai 1958 (Beil. A), welche folgenden Inhalt hat: "Die unterzeichneten Besitzer Herbert A.... und R. Max... treffen nachstehendes Übereinkommen:

1. Die Grenzen zwischen den Grundstücken der Liegenschaften des Herbert A. und des Max R. werden nach dem Stande der Katastralmappe vermessen.

2. Die festgestellten Grenzen werden in die Natur übertragen und mit Steinen oder Eisenrohren für dauernd vermarkt.

3. Die unterzeichneten Eigentümer erklären ausdrücklich, nur die nach der Katastralmappe festgestellten Grenzen anzuerkennen, und auf jede frühere Benützungsgrenze und Verjährung zu verzichten.

4. Die Unterzeichneten erklären ausdrücklich, daß die zu vermessenden Grenzen nicht Gegenstand eines streitigen oder außerstreitigen Gerichtsverfahrens sind.

5. Die Kosten der Vermessung werden vollkommen von Max R. getragen."

Der Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, daß er hinsichtlich der in der Niederschrift vom 14. Mai 1958 enthaltenen Vertragsbestimmungen über die Grenzvermessung einen rechtswirksamen, auch von Max R. angenommenen Vorbehalt in der Richtung gemacht hätte, daß nur ganz bestimmte Grenzen, zu denen die gegenständlichen Grenzen nicht gehörten, vermessen werden sollten.

Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben und die beklagte Partei schuldig erkannt, 1. die Vermessung der Grenzen zwischen der EZ. X Gst. 551/1 des Klägers und der EZ. Y. Gst. 549/1 und 549/2 des Beklagten, beide Liegenschaften in der KG. K., nach dem Stande der Katastralmappe, die Übertragung der sodann festgestellten Grenzen in der Natur und deren dauernden Vermarkung mit Steinen oder Eisenrohren zu dulden; 2. die nach der Katastralmappe festgestellten Grenzen anzuerkennen und auf jede frühere Benützungsgrenze und auf Verjährung zu verzichten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren 15.000 S übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und beurteilte diesen Sachverhalt dahin, die Vereinbarung vom 14. Mai 1958, die gemeinsamen Liegenschaftsgrenzen vermessen zu lassen und hiefür die Katastralmappe zugrunde zu legen, beinhalte einen sogenannten Schiedsgutachtervertrag. Der Beklagte habe in den Jahren 1963 und 1964 gegen die vom Kläger mit der Vermessung beauftragte Person keine Einwendungen erhoben und sich daher stillschweigend mit der Bestimmung dieser Person zum Schiedsmann einverstanden erklärt. Es fehle dem Klagebegehren weder das Rechtsschutzbedürfnis noch die erforderliche Bestimmtheit.

Der Oberste Gerichtshof erkannte zu Recht:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die untergerichtlichen Urteile werden teilweise abgeändert, sodaß die Entscheidung unter Einschluß ihres bestätigten Teiles zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist bei Exekution schuldig, die Vermessung der Grenzen zwischen den Liegenschaften EZ. X. Gst. 551/1, und EZ. Y., Gst. 549/1 und 549/2, sämtliche KG. K., nach dem Stand der Katastralmappe, die Übertragung der so festgestellten Grenzen in der Natur und die dauernde Vermarkung dieser Grenzen mit Steinen oder Eisenrohren zu dulden.

Hingegen wird das weitere Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, die nach der Katastralmappe festgestellten Grenzen anzuerkennen und auf jede frühere Benützungsgrenze und auf Verjährung zu verzichten, abgewiesen."

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision vertritt zwar übereinstimmend mit dem Berufungsgericht die Ansicht, die Vereinbarung vom 14. Mai 1958 über die Vermessung der gemeinsamen Grenzen stelle einen Schiedsgutachtervertrag dar, bezeichnet diesen jedoch im Gegensatz zum Berufungsgericht als unwirksam, weil von den Vertragsparteien ein Schiedsmann nicht benannt worden sei. Wenn das Berufungsgericht annehme, nachträglich sei ein Geometer als Schiedsmann stillschweigend vereinbart worden, dann verlasse es den Boden der erstgerichtlichen Feststellungen und des Parteienvorbringens. Die Zugrundelegung einer stillschweigenden Vereinbarung über die Festlegung der Grenzen durch den Geometer Dipl.-Ing. H. hätte zur Folge, daß im Urteilsspruch dies hätte zum Ausdruck kommen müssen. Es fehle auch an einer gerichtlichen Feststellung, ob ein Schiedsgutachten, vor dessen Abgabe ein Sachanspruch nicht gegeben sei, bereits vorliege. Erst nach diesem Gutachten könne der Kläger ein Begehren, und zwar nur ein Leistungsbegehren dahin stellen, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die bücherliche Abschreibung bestimmter Grundstücke einzuwilligen.

Diese Ausführungen sind verfehlt, weil nicht von einem Schiedsgutachtervertrag, der nach Ansicht des Berufungsgerichtes am 14. Mai 1958 zustandegekommen sein soll, auszugehen ist. Die damals getroffene Vereinbarung, die gemeinsamen Grenzen nach dem Katasterstand zu vermessen, in die Natur zu übertragen und dauernd zu vermarken, enthält keine Bestimmung, wonach ein Schiedsmann, an dessen Vermessung und Vermarkung die Grenznachbarn gebunden sein sollten, mitzuwirken und auf diese Weise den Willen der Vertragsteile zu ergänzen hätte. In dem vorliegenden Übereinkommen liegt ein Vergleich über den als strittig behandelten Grenzverlauf. Danach haben die Festsetzung und Vermarkung der Grenzen nach der Katastralmappe, allenfalls unter Zuhilfenahme einer hiefür geeigneten Person, zu erfolgen, bloß in Vollzug der schon vorhandenen Vereinbarung, die weder strittig noch ergänzungsbedürftig ist, weil die Grenzen nach der Grundbuchsmappe feststehen und nur in die Natur zu übertragen sind, womit die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Vergleich ihre Erfüllung finden. Weigert sich eine Partei, die Grenzziehung vorzunehmen, bzw. durch einen Geometer oder eine sonst geeignete Person vornehmen zu lassen, dann steht dem anderen Teil das Recht zu, selbst diese Grenzziehung vorzunehmen, bzw. die Erfüllung der im Vergleich übernommenen Verpflichtungen, nämlich die Vermessung und Vermarkung des Grenzverlaufes in der Natur im Rechtswege zu verlangen, derart, daß die sich weigernde Partei die Vermessung und Vermarkung der Grenzen durch die andere Partei, allenfalls unter Zuhilfenahme eines Geometers, nicht als eines Schiedsgutachters, sondern als eines Erfüllungsgehilfen, sozusagen eines "verlängerten Armes" dieser Partei, zu dulden hat. Es kommt hiefür nicht das außerstreitige Grenzerneuerungsverfahren, wie der Revisionswerber vermeint, in Frage. Im Grenzberichtigungsverfahren entscheidet der Richter nach dem letzten ruhigen Besitz oder im Falle von dessen Nichtfeststellbarkeit nach billigem Ermessen (§ 851 ABGB.). Im vorliegenden Fall jedoch entschlossen sich die Parteien, bzw. deren Rechtsvorgänger, eine nach der Mappe bestimmbare Grenze in die Natur zu übertragen. Das Streitverfahren ist zur Durchsetzung dieses Anspruches gegeben (vgl. 2 Ob 831/53).

Der Anspruch auf Duldung der Grenzziehung wird, falls sich der Beklagte dieser widersetzt, im Exekutionswege gemäß § 355 EO. erzwingbar sein. Würden die neu vermessenen Grenzen in der Natur dem Grenzverlauf in der Katastermappe nicht entsprechen, so stunde dem Beklagten die auf den Vergleich gestützte Eigentumsklage, allenfalls eine Klage nach § 36 EO. zu, wodurch im Gegensatz zur Ansicht des Beklagten die Grenzziehung im Sinne der getroffenen Vereinbarung gewährleistet ist. Der Vergleich vom 14. Mai 1958 läßt sich sohin auch ohne die Bestellung eines Schiedsgutachters allein mit Hilfe des auf den Vergleich gegrundeten Urteils in Vollzug setzen.

Die Revision wirft dem Gericht zweiter Instanz noch vor, dieses sei von der Feststellung des Erstgerichtes, die Parteien hätten laut Inhalt der schriftlichen Vereinbarung die Vermessung aller gemeinsamen Grenzen im Auge gehabt, abgewichen und habe angenommen, es sei vom Kläger die Bereinigung aller Grenzunklarheiten, soweit sie dem Kläger als solche erschienen seien, beabsichtigt gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß das Berufungsgericht sich auf den Boden der Feststellungen des Erstgerichtes stellt, die Annahme des Berufungswerbers, die Vereinbarung vom 14. Mai 1958 betreffe nur strittige Grenzteile, als nicht dem Sachverhalt entsprechend zurückweist und ausdrücklich festhält, daß die Vermessungsvereinbarung nicht auf "unklare" Grenzen beschränkt worden sei. Sohin kann der Einwand des Revisionswerbers gegen die Anspruchsberechtigung des Klägers auf Ziehung der gegenständlichen Grenzen aus dem Gründe, weil es sich um klar gekennzeichnete Grenzen handle, unberücksichtigt bleiben.

Soweit die Untergerichte die Verpflichtung des Beklagten zur Duldung der Vermessung und Vermarkung der gemeinsamen Grenzen bejaht haben, war demnach der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Revision ist jedoch insofern begrundet, als die Vorinstanzen auch dem Punkte 2 des Klagebegehrens, darauf gerichtet, der Beklagte habe die nach der Katastralmappe festgestellten Grenzen anzuerkennen und auf jede frühere Benützungsgrenze und auf Verjährung zu verzichten, stattgegeben haben. Dieser Teil des Klagsanspruches stützt sich ebenfalls auf die Vereinbarung vom 14. Mai 1958, in welcher aber diese Anerkennungs- und Verzichtserklärung der Vertragsteile bereits enthalten ist. Die Verpflichtung der Streitteile, bzw. des Beklagten allein, zur nochmaligen Abgabe einer solchen Erklärung ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Das darauf gerichtete Begehren war demnach als unbegrundet abzuweisen. In diesem Umfange waren die Entscheidungen der Untergerichte in der Hauptsache abzuändern.

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