OGH 3Ob256/04z

OGH3Ob256/04z23.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die verpflichtete Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Plankel, Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 10. September 2004, GZ 3 R 203/04f-27, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 14. Juli 2004, GZ 1 E 3791/04k-16a, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Rekursgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht hatte auf Grund eines mit einstweiliger Verfügung erlassenen Verbots der betreibenden Partei zu dessen Erwirkung gegen die verpflichtete Partei die Exekution nach § 355 EO bewilligt und über sie eine Geldstrafe verhängt. In der Folge hatte sie acht weitere Strafbeschlüsse erwirkt. Die verhängten Geldstrafen bewegen sich - fortlaufend erhöht - zwischen 100 und 500 EUR.

Die verpflichtete Partei beantragte, gestützt auf eine gegen alle diese Beschlüsse eingebrachte Impugnationsklage, worin sie geltend macht, niemals gegen den Exekutionstitel verstoßen zu haben, die Aufschiebung der Exekution und den Vollzug aller genannter Strafbeschlüsse.

Das Erstgericht schob „die ... bewilligte Exekution" bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Impugnationsklage auf, falls die verpflichtete Partei eine Sicherheitsleistung von 25.000 EUR erlege, und sprach aus, dass alle schon vollzogenen Exekutionsakte einstweilen bestehen blieben.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Gericht zweiter Instanz diese Entscheidung dahin ab, dass es den Aufschiebungsantrag abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Auf Grund dieses Bewertungsausspruchs ist dem Obersten Gerichtshof die Prüfung seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei nicht möglich.

Die Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen erfolgt nach § 355 EO derart, dass wegen jedes Zuwiderhandlens des Verpflichteten gegen den Exekutionstitel nach Eintritt von dessen Vollstreckbarkeit eine Geldstrafe verhängt wird, die erste davon anlässlich und gleichzeitig mit der Bewilligung der Exekution. Fällt nachträglich - etwa auf Grund einer Rechtsmittelentscheidung - die Exekutionsbewilligung weg, „rückt die zweite Strafe zur ersten auf" (3 Ob 46-66/91, 1053/91), der jeweils nächste aufrechte ersetzt die Exekutionsbewilligung (3 Ob 136/97i; RIS-Justiz RS0013532 T1); es können weitere Strafbeschlüsse gefasst werden (3 Ob 91/98y = ÖBl 1999, 37 - Lottop II = RdW 1998, 612 mwN; 3 Ob 162/00w; 3 Ob 302/04i). In jedem (weiteren) Strafantrag ist ein Zuwiderhandeln konkret und schlüssig zu behaupten (3 Ob 298/99s; 3 Ob 26/04a: wN bei Klicka in Angst, EO § 355 Rz 15; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 355 Rz 44), das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestrafung wie beim Exekutionsantrag zu prüfen, eine Bindung an die Exekutionsbewilligung besteht nicht (3 Ob 88/01i).

Dem entspricht es, dass gegen jede einzelne Bestrafung Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erhoben werden kann und gegebenenfalls muss (3 Ob 162/00w). Substrat der Exekutionsbewilligung oder des Strafbeschlusses ist nur das vom betreibenden Gläubiger behauptete Verhalten, nur dieses kann Gegenstand des Impugnationsprozesses sein (3 Ob 317/01s = SZ 2002/30 = JBl 2002, 805). Gegenstand einer gegen die Exekutionsbewilligung gerichteten Klage nach § 36 EO ist folglich nicht die Unzulässigkeit folgender Strafbeschlüsse (3 Ob 162/00w), was auch für Klagen gegen spätere Strafbeschlüsse sinngemäß gilt. Daraus ist zunächst die Selbständigkeit mehrerer, auch von wie hier in einer Klage verbundener Begehren nach § 36 EO gegen mehrere Strafbeschlüsse nach § 355 EO abzuleiten.

Nichts anderes kann aber für die Bewertung von zusammengefassten Entscheidungen zweiter Instanz über die Aufschiebung der Exekution in Ansehung der Exekutionsbewilligung einerseits und von weiteren Strafbeschlüssen nach § 355 EO andererseits gelten. So wurde auch schon mehrfach ausgesprochen, dass dann, wenn über mehrere Strafanträge (nach § 355 EO) in einem einzigen Beschluss entschieden wird, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses für die Entscheidung über jeden Antrag gesondert zu beurteilen ist (zuletzt 3 Ob 195/04d mwN).

Die Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 ZPO gelten nach stRsp - soweit dafür nicht, wie etwa in § 84 Abs 4 und § 402 Abs 1 zweiter SatzEO, davon abweichende Regeln bestehen (3 Ob 110/02a; 3 Ob 249/03v = wobl 2004, 128; 3 Ob 189/04x) - auch im Exekutionsverfahren (SZ 57/42 = JBl 1985, 113 uva zuletzt 3 Ob 205/04z, RIS-Justiz RS0002321). Dasselbe gilt nach § 78 EO auch für § 526 Abs 3 iVm § 500 ZPO. Das bedeutet, dass es für die Frage der Anfechtbarkeit einer Entscheidung der zweiten Instanz auf den Wert deren Entscheidungsgegenstands, im Fall der Unterlassungsexekution abhängig vom Bewertungsausspruch dieses Gerichts ankommt. Maßgebend ist auch bei der Aufschiebung jeweils der betriebene Anspruch (3 Ob 302/99d). Nach stRsp bilden mehrere in einer Klage zusammen geltend gemachte Forderungen nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand und Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen (4 Ob 521/95 uva; RIS-Justiz RS0053096). Für die Frage einer einheitlichen oder gesonderten Bewertung im vorliegenden Fall kommt es ebenso darauf an, ob die Entscheidungsgegenstände der (in Wahrheit vorliegenden) mehreren Aufschiebungsanträge zusammenzurechnen sind. Das ist bei parallelen Aufschiebungsanträgen auch dann nicht der Fall, wenn den Exekutionsanträgen wie hier völlig gleichartige Verstöße gegen ein und denselben Exekutionstitel durch Werben auf einer bestimmten Website zugrunde liegen. Dennoch kann jeder Antrag (zumindest theoretisch) ein eigenes Schicksal haben; der erforderliche tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang ist nicht gegeben; die Verbindung der Aufschiebungsbegehren kann und darf nicht zu einer Veränderung der Anfechtbarkeit der Entscheidung(en) führen.

Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall das Rekursgericht einen gesonderten Bewertungsausspruch betreffend die (Verweigerung der) Aufschiebung in Ansehung jedes einzelnen Strafbewilligungsbeschlusses (egal, ob mit der Exekutionsbewilligung verbunden oder nicht) machen hätte müssen. Das wird nunmehr nachzuholen sein. Je nach dem Ergebnis der Bewertung wird der Akt wieder dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs vorzulegen sein oder das Rekursgericht, allenfalls nach Verbesserung wegen des fehlenden Antrags nach § 78 EO iVm § 528 Abs 2a ZPO, das darin bezeichnete Verfahren durchzuführen haben.

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