OGH 3Ob112/04y

OGH3Ob112/04y16.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwältin in Baden, wider die beklagte Partei Renate P*****, vertreten durch Dr. Georg Fidler, Rechtsanwalt in Kindberg, wegen 11.772 EUR s.A., infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2004, GZ 2 R 211/03x-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 17. Oktober 2003, GZ 33 Cg 116/03h-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 749,70 EUR (darin 124,95 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende GmbH vermittelt österreichweit und auch international Immobilien. Die beklagte Pensionistin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem Einfamilienhaus in Kindberg, das sie gemeinsam mit ihrem Sohn bewohnt. Die Beklagte wollte ihre Liegenschaft verkaufen und nahm deshalb Ende 2001 mit einer näher genannten selbständigen Immobilienmaklerin, die nicht für die klagende Partei arbeitete, telefonisch Kontakt auf. Da die Beklagte bereits durch einen Alleinvermittlungsauftrag gebunden war, verblieb man dabei, dass die Beklagte im nächsten Jahr wieder Kontakt aufnehmen solle, falls die Liegenschaft bis dahin noch nicht verkauft sein sollte. Bei diesem Telefonat teilte die Immobilienmaklerin der Beklagten nicht mit, dass sie allenfalls diesen Vermittlungsauftrag nicht selbst durchführen werde. Etwa zu Ostern 2002 nahm die Beklagte wiederum telefonisch Kontakt mit dieser Immobilienmaklerin auf und ersuchte sie um einen Besichtigungstermin. Die Immobilienmaklerin teilte der Beklagten mit, dass sie zu einer Besichtigung des Hauses bereit sei, jedoch zu diesem Treffen einen „ortskundigen" Kollegen mitnehmen werde. Sie nannte keinen Grund für das Mitnehmen dieses Kollegen und gab auch keinen Hinweis, dass allenfalls der „Vermittlungsauftrag" nicht von ihr, sondern von der klagenden Partei abgeschlossen werden sollte. Ebensowenig wurde darüber gesprochen, dass die Geschäftsbeziehung nunmehr von der Beklagten angebahnt worden sei. Am 19. April 2002 kam die Immobilienmaklerin mit ihrem Ehegatten und ihrem Kleinkind sowie einem vorher von ihr informierten Angestellten der klagenden Partei zur Beklagten. Sie stellte letzteren der Beklagten als Kollegen und Angestellten der klagenden Partei vor und teilte ihr mit, dass sie allenfalls diesen Alleinvermittlungsauftrag nicht übernehmen werde, weil sie wegen ihres Kleinkinds in ihrer Mobilität eingeschränkt sei. Nach Besichtigung des Kaufobjekts kehrten die Teilnehmer des Treffens zum Haus der Beklagten zurück, und es wurde zunächst darüber gesprochen, ob nun die Immobilienmaklerin oder die klagende Partei die Vermittlung des Objekts übernehmen sollte. Der Angestellte der klagenden Partei stellte sodann diese und ihre Möglichkeiten (im Besonderen internationale Kontakte, Internetpräsenz und österreichweite Tätigkeit) der Beklagten vor, die sich schließlich zur Vergabe des Alleinvermittlungsauftrags an die klagende Partei entschied. In weiterer Folge besprach der Angestellte der klagenden Partei mit der Beklagten die einzelnen Punkte des schließlich von der Beklagten unterfertigten Alleinvermittlungsauftrags, mit dem sie die klagende Partei mit der Vermittlung des Verkaufs ihrer Liegenschaft beauftragte. Die vereinbarte Vermittlungsprovision von 3 % des Kaufpreises zuzüglich 20 % USt. war auch dann zu zahlen, wenn die Beklagte das Haus privat an einen dritten Interessenten innerhalb der Gültigkeitsdauer des Alleinvermittlungsauftrags verkaufen sollte. Zusammen mit dem Alleinvermittlungsauftrag erhielt die Beklagte eine Broschüre (Informationsblatt) mit verschiedenen Informationen, darunter auch ein Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 3 und 30a KSchG.

Bei diesem Treffen wurde nicht darüber gesprochen, dass die Geschäftsverbindung zwischen der klagenden Partei und der Beklagten entsprechend § 3 KSchG von der Beklagten angebahnt worden sei. Mit eingeschriebenem Schreiben vom 23. April 2002 teilte die Beklagte der klagenden Partei mit, dass sie den Alleinvermittlungsauftrag vom 19.April 2002 kündige. Die Beklagte verkaufte die Liegenschaft an Personen, mit denen sie bereits vorher Kontakt gehabt hatte, um 340.000 EUR. Die klagende Partei legte hierauf ihre Honorarnote vom 4. Juni 2002 über ihre Provision von 11.772 EUR sA.

Die klagende Partei begehrte von der Beklagten klageweise diese ihre Provision mit dem wesentlichen Vorbringen, die Geschäftsanbahnung sei von der Beklagten ausgegangen, weshalb ihr kein Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG zustehe. Zudem habe die Beklagte die Klageforderung in mehreren Telefonaten anerkannt.

Die Beklagte wendete ein, sie habe nicht mit der klagenden Partei Kontakt aufgenommen, sondern eine andere Immobilienmaklerin mit der Vermittlung ihrer Liegenschaft betrauen wollen. Ihr sei vor dem Treffen am 19. April 2002 nicht mitgeteilt worden, dass die Immobilienmaklerin möglicherweise den Vermittlungsauftrag nicht selbst abschließen werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme der unangefochtenen Teilabweisung eines Zinsenmehrbegehrens) statt; es konnte nicht feststellen, dass die Beklagte gegenüber dem Angestellten der klagenden Partei die Klageforderung telefonisch anerkannt habe. In rechtlicher Hinsicht vertrat der Erstrichter, soweit hier relevant, die Auffassung, dass die Gefahr der Überrumpelung im eigenen Wohnhaus (Schutzzweck des § 3 KSchG) im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, weil die Beklagte jedenfalls den Abschluss eines Maklervertrags angestrebt habe. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass sie zunächst von einem Abschluss mit der von ihr kontaktierten Immobilienmaklerin ausgegangen sei, weil es darauf ankomme, den Konsumenten überhaupt vor dem Abschluss eines Vertrags infolge Überrumpelung zu schützen. Auch die Textierung des Informationsblatts könne daran nichts ändern, weil der darin enthaltene Hinweis auf § 3 KSchG als Auslegungshilfe anzusehen sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Denn der Rücktrittstatbestand des § 3 KSchG stelle nicht auf das Merkmal der Überrumpelung ab, auch wenn dies bezweckt werde. Der Tatbestand sei formal konzipiert, der nach § 3 Abs 3 Z 1 KSchG das Rücktrittsrecht ausschließende Tatbestand liege hier nicht vor. Dass die Beklagte der Mitteilung der Immobilienmaklerin, sie werde einen „ortskundigen" Kollegen mitbringen, nicht widersprochen, sondern dies offenbar zustimmend zur Kenntnis genommen habe, komme keine Rechtswirkung zu, weil daraus keine Anbahnung eines Geschäfts durch die Beklagte mit der klagenden Partei abgeleitet werden könne; vielmehr sei dies durch eine andere Immobilienmaklerin geschehen, indem sie der klagenden Partei die Beklagte als Kundin vermittelt habe. Dem Umstand, dass die Beklagte ohnehin einen Maklervertrag habe abschließen wollen, messe das Gesetz keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil der Verbraucher die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer, mit dem er das Geschäft schließlich abschließe, anbahnen müsse, was hier eben nicht der Fall sei.

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der klagenden Partei ist iSd § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Unstrittig ist, dass es sich bei der Beklagten um eine Verbraucherin iSd KSchG und bei der klagenden Partei um eine Unternehmerin handelt und die Beklagte den Alleinvermittlungsauftrag (Maklervertrag) auf ihrer eigenen Liegenschaft, also an keiner der der klagenden Unternehmerin zuzuordnenden Örtlichkeiten iSd § 3 Abs 1 KSchG unterzeichnete und innerhalb der Frist des § 3 Abs 1 KSchG schriftlich den Rücktritt vom Vertrag erklärte und auch Verträge über Liegenschaften dem KSchG unterliegen können (3 Ob 669/82 = SZ 55/183 = JBl 1984, 44 = EvBl 1983/32 = MietSlg 34/32; 5 Ob 509/92 = SZ 65/37 = JBl 1992, 796; 3 Ob 94/00w = JBl 2001, 389 = NZ 2002, 74 u.a.; Fischer-Czermak, Das Konsumentenschutzgesetz und der Liegenschaftsverkehr in NZ 1991, 115 ff; vgl. auch Apathy in Schwimann2, § 1 KSchG Rz 1). Entscheidend ist hier allein, ob die beklagte Verbraucherin den Vertrag mit der klagenden Unternehmerin iSd § 3 Abs 3 Z 1 KSchG BGBl 1979/140 idgF anbahnte. Die Bestimmung lautet: Das Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher nicht zu, wenn er selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten zwecks Schließung dieses Vertrages angebahnt hat. Das ist der Fall, wenn der Verbraucher zur Anbahnung des konkreten Verbrauchergeschäfts auf eigenen Antrieb selbst aktiv tätig geworden ist. Geht daher die Initiative zu einem bestimmten Geschäftsabschluß von ihm selbst aus, dann hat er sich eine etwaige nachträgliche Beeinflussung bei seiner Kaufentscheidung selbst zuzuschreiben (6 Ob 305/97i). Anbahnung in diesem Sinn erfordert nur ein Verhalten des Verbrauchers, welches dem Unternehmer gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringt, dass der Verbraucher - auf seine Initiative - in Verhandlungen zum Abschluss eines konkret bestimmten Verbrauchergeschäfts treten will (1 Ob 637/82 = SZ 55/96; 4 Ob 521/84 = SZ 57/152; 3 Ob 94/00w u.a.; RIS-Justiz RS0065497, RS0065487; Krejci in Rummel3 § 3 KSchG Rz 23; Kosesnik-Wehrle in Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer, KSchG2 § 3 Rz 21). Beweispflichtig für die Anbahnung durch den Verbraucher ist der Unternehmer (3 Ob 94/00w; 2 Ob 11/02k = EvBl 2002/132; Krejci aaO Rz 26).

Maßgeblich ist allein eine kongruente Anbahnung (5 Ob 608/85; Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer aaO Rz 22 f), das heißt, der Verbraucher muss gerade jenen Vertrag angebahnt haben, der geschlossen wurde, jene Zwecke müssen verwirklicht sein, deretwegen der Verbraucher den Geschäftskontakt gesucht hat (Krejci aaO Rz 27; Apathy aaO § 3 KSchG Rz 17 mwN). Diese Kongruenz der Anbahnung durch den Verbraucher bezieht sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur sachlich auf den abzuschließenden Vertrag - in casu: einen Alleinvermittlungsauftrag = Maklervertrag iSd § 14 MaklerG für eine bestimmte Liegenschaft der Verbraucherin - , sondern auch personell auf den präsumptiven Vertragspartner und nicht einen Dritten, geht doch das Gesetz davon aus, dass die geschäftliche Verbindung (nur) mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten hergestellt wird. Daraus folgt: Eine kongruente Anbahnung iSd § 3 Abs 3 Z 1 KSchG liegt nur dann vor, wenn der Verbraucher gegenüber dem späteren Vertragspartner zum Ausdruck bringt, in Verhandlungen zum Abschluss eines konkret bestimmten Rechtsgeschäfts treten zu wollen. Der Unternehmer kann sich somit nicht darauf berufen, der Verbraucher habe gegenüber einem anderen Unternehmer, der nicht sein Beauftragter war, die Anbahnung herbeigeführt.

Dem Argument der Revisionswerberin, der Beklagten wäre es gleichgültig gewesen, mit welchem Immobilienmakler der Maklervertrag letztlich abgeschlossen werde, ist mit dem Text und Zweck des § 3 KSchG zu begegnen. Ob eine Überrumplung des Verbrauchers konkret stattgefunden hat, ist unerheblich (3 Ob 669/82; Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer aaO Rz 21), soll doch durch das KSchG der Verbraucher im rechtsgeschäftlichen Verkehr vor Rechtsnachteilen bewahrt werden, die ihm durch die Ausnützung seiner typischerweise schwächeren Position drohen. Maßgeblich ist somit die abstrakt-generelle Beurteilung der Situation, also die typischerweise verbundene Verbrauchergefährdung (5 Ob 509/92, 7 Ob 508/93, je mwN; Apathy aaO § 3 KSchG Rz 14; vgl. auch für den deutschen Rechtsbereich zur vergleichbaren Bestimmung des § 312 Abs 3 Z 1 BGB Ulmer in MünchKomm zum BGB4 [2003] § 312 BGB Rz 71).

b) Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte durch ihre Zustimmung, dass mit der Immobilienmaklerin, der gegenüber sie ein Maklergeschäft anbahnte, ein "Ortskundiger" mitkomme, des Schutzes des § 3 KSchG verloren ging.

Selbst unter der Annahme, dass vom Verbraucher auf den Schutz des § 3 KSchG verzichtet werden kann, liegt nach der vorinstanzlichen Tatsachengrundlage ein solcher Fall hier jedenfalls nicht vor: Die Beklagte hatte keinen Grund, der von der Immobilienmaklerin telefonisch angekündigten Begleitung durch einen "ortskundigen" Kollegen zu widersprechen, teilte ihr doch die Immobilienmaklerin nicht mit, dass sie allenfalls beabsichtige, den Maklervertrag nicht selbst abzuschließen. Damit geht auch die Argumentation der Revisionswerberin ins Leere, die telefonische Ankündigung eines Besuches durch den Unternehmer mildere die Überrumpelungsgefahr, weil der Verbraucher den Besuch vorweg ablehnen könne (vgl. dazu Krejci aaO Rz 26). Hier kommt noch hinzu, dass der Beklagten erst beim Besuch selbst am 19. April 2002 in ihrem Haus mitgeteilt wurde, dass die von ihr kontaktierte Immobilienmaklerin möglicherweise nicht selbst den Vertrag abschließen werde. Wie das Erstgericht festgestellte, wurde die Beklagte nach der Besichtigung der Liegenschaft vor die Wahl gestellt, mit wem nun der Vermittlungsauftrag abgeschlossen werden sollte. Erst jetzt wurden der Beklagten die Möglichkeiten der klagenden Partei vorgestellt, was nur als Initiative von Seiten der klagenden Partei, zu der die Beklagte zuvor niemals von sich aus den Kontakt gesucht hatte, zu verstehen ist. Der Kontakt der Streitteile ist aber lediglich auf die Vermittlung der von der Beklagten kontaktierten Immobilienmaklerin, die nicht Beauftragte der klagenden Partei war, zurückzuführen.

Der Revision kann kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Einheitssatz nach TP 3 RAT beträgt nur 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).

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