OGH 3Ob94/00w

OGH3Ob94/00w29.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth S*****, vertreten durch Dr. Helmut Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 189.000 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 1999, GZ 14 R 216/99h-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juli 1999, GZ 24 Cg 150/97y-36, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900, darin enthalten S 1.650 Umsatzsteuer, bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte plante Anfang 1997, ihre Liegenschaft samt Haus in G***** zu verkaufen. Zu diesem Zweck ließ sie am 1. 3. 1997 in der Wiener Ausgabe des "Kurier" unter der Rubrik "Steiermark" ein Inserat in Bezug auf ihre Liegenschaft schalten.

Am 26. 3. 1997 unterfertigte sie als Auftraggeberin anläßlich der Besichtigung ihrer Liegenschaft mit Gabrielle T***** einen Alleinvermittlungsauftrag (Maklervertrag gemäß § 14 MaklerG), mit dem sie die klagende Partei mit der Vermittlung ihrer Liegenschaft samt Haus beauftragte. Als Vermittlungsprovision wurden S 189.000 zuzüglich 20 % USt vereinbart, und weiters, dass diese Provision auch zu zahlen sei, wenn die Beklagte den Alleinvermittlungsauftrag vertragswidrig ohne wichtigen Grund vorzeitig auflöst. In dem von der Beklagten unterfertigten Formular sind verschiedene Informationen enthalten, darunter auch ein Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 3 und 30a KSchG.

Mit Schreiben vom 1. 4. 1997 teilte sie der klagenden Partei mit, dass sie von ihrem Rücktrittsrecht nach dem KSchG Gebrauch mache und von dem Alleinvermittlungsauftrag zurücktrete.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 189.000 sA wegen vertragswidriger vorzeitiger Auflösung des Alleinvermittlungsauftrags und brachte dazu im Wesentlichen vor, es sei ausgeschlossen, dass sie der Beklagten von sich aus ihre Dienste angeboten habe. Dieser stehe als das Geschäft Anbahnender kein Rücktrittsrecht im Sinne des § 3 KSchG zu.

Die Beklagte wendete ein, nicht sie habe mit der klagenden Partei Kontakt aufgenommen, vielmehr sei sie von Gabrielle T*****, deren Mitarbeiterin, angerufen worden. Diese habe sie am 26. 3. 1997 so bedrängt, dass sie während einer gesundheitlichen Schwächeperiode den Auftrag unterschrieben habe. Der Anruf der Mitarbeiterin am 4. 3. 1997 sei als Anbahnung des Vertrags anzusehen, weshalb ihr das Rücktrittsrecht nach KSchG zustehe. Hilfsweise stützte sie ihr "Rücktrittsbegehren" auf die sittenwidrige Methode der Geschäftsanbahnung (komplizenhafte Geschäftsbeziehung zwischen einer von ihr konsultierten Hellseherin und der klagenden Partei), weiters auf Unterbewertung des Verkaufsobjekts durch die klagende Partei und auf § 1300 ABGB. Hilfsweise begehrte sie eine Mäßigung des Klagsbetrags auf S 15.000.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf die eingangs gemeinsam mit dem unstrittigen Sachverhalt wiedergegebenen Feststellungen. Nicht feststellen konnte es, dass sich die Beklagte zwecks Abschlusses des Alleinvermittlungsauftrags an die klagende Partei bzw. deren damalige Mitarbeiterin Gabrielle T***** gewendet hätte.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Rücktrittsrecht des § 3 KSchG stehe nur jenem Verbraucher, als welcher die Beklagte zu qualifizieren sei, nicht zu, der selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten zwecks Schließung dieses Vertrags angebahnt habe (§ 3 Abs 3 Z 1 KSchG). Für diesen Ausnahmetatbestand treffe den Unternehmer die Beweislast. Der Beweis sei der klagenden Partei nicht gelungen, weshalb sie sich nicht darauf stützen könne, dass die Beklagte unrechtmäßig vom Vertrag zurückgetreten sei.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (einschließlich der Negativfeststellung).

In rechtlicher Hinsicht trat es der Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Beweislast der klagenden Partei für die Anbahnung der Vertragsbeziehung bei. Ausgehend von der Grundregel, dass jede Partei die Tatsachen beweisen müsse, von deren Vorliegen die Anwendbarkeit der für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Normen abhänge, trage gewöhnlich der Kläger die Beweislast für die rechtsbegründenden und der Beklagte die für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatsachen.

Aus der von ihr ins Treffen geführten Entscheidung JBl 1992, 796 könne nichts für den Standpunkt der klagenden Partei gewonnen werden. Der mehrfach judizierte Rechtssatz, wer den Schutz des KSchG in Anspruch nehmen wolle, habe die hiefür erforderlichen Voraussetzungen zu beweisen, befasse sich immer nur mit Tatfragen zu Unternehmer- und Verbrauchereigenschaft, lasse jedoch nicht den Umkehrschluss zu, die in § 3 Abs 1 und 3 KSchG normierten negativen Voraussetzungen eines vom Verbraucher ausgeübten Rücktrittsrechts habe immer der dieses Rücktrittsrecht bestreitende Unternehmer zu beweisen. Der Oberste Gerichtshof komme in der zitierten Entscheidung, obwohl er nähere Ausführungen zu dem Thema habe offen lassen können, nur zum Ergebnis, dass die in § 3 Abs 1 KSchG normierten Voraussetzungen des Rücktrittsrechts vom Verbraucher nachzuweisen seien. Dass die Entscheidung SZ 55/183 für die vorliegende Frage nicht einschlägig sei, habe schon Fischer-Czermak (Das Konsumentenschutzgesetz und der Liegenschaftsverkehr, NZ 1991, 118) deutlich gemacht. Auch Krejci vertrete (in Rummel**2 Rz 25 zu § 3 KSchG) "unter Zitat" des BG Bludenz (C 143/83 ) die Ansicht, dass die Gegenausnahmetatbestände des Abs 3 vom Unternehmer zu beweisen seien. Ähnlich sei auch Deixler-Hübner (Konsumentenschutz**2 [1997] Rz 17) zu verstehen, wenn sie meine, dass bei Besichtigungen nicht zwangsläufig ein Vermittlungsauftrag (durch den Konsumenten) angebahnt werde Somit ergebe sich für den Fall der Nichtfeststellbarkeit, dass der der Besichtigung an Ort und Stelle vorausgehende Anruf von der Beklagten an Gabrielle T***** und nicht umgekehrt erfolgte, die Richtigkeit der erstgerichtlichen Rechtsmeinung.

Dass das Verkaufsinserat der Beklagten allein noch keine Anbahnung eines Vermittlungsauftrags sei, entspreche auch völlig der herrschenden Ansicht (für alle Fischer-Czermak, NZ 1991, 118; Krejci aaO).

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass zur Beweislast betreffend die das Rücktrittsrecht ausschließende Anbahnung durch den Konsumenten nach § 3 Abs 3 Z 1 KSchG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorgefunden worden sei.

Die Revision der Klägerin ist wegen Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der vom Berufungsgericht als im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich angesehenen Rechtsfrage zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist zunächst davon, dass die klagende Partei die Eigenschaft der Beklagten, die sich selbst als Hausfrau bezeichnet, als Verbraucherin im Sinn des KSchG (wie auch schon in der Berufung) nicht anzweifelt. Auf diese Frage ist daher - auch im Hinblick auf ihre einvernehmliche Bezeichnung als Konsumentin im Alleinvermittlungsauftrag - nicht weiter einzugehen.

Unstrittig ist auch, dass die Beklagte den Auftrag auf ihrer eigenen Liegenschaft, also an keiner der dem klagenden Unternehmer zuzuordnenden Örtlichkeiten im Sinne des § 3 Abs 1 KSchG unterzeichnete. Die Rechtzeitigkeit des von der Beklagten erklärten Rücktritts ergibt sich aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen.

Entscheidend für den Rechtsstreit ist somit, wie auch die Vorinstanzen zutreffend hervorgehoben haben, wen die Beweislast dafür trifft, dass bzw ob die Beklagte selbst den Vertrag mit der klagenden Partei im Sinne des § 3 Abs 3 Z 1 KSchG angebahnt hat.

Völlig zutreffend hat das Berufungsgericht die Ansicht der klagenden Partei abgelehnt, schon das von der Beklagten in einer Wiener Tageszeitung geschaltete "Verkaufsinserat" bedeute eine Anbahnung nach der zitierten Bestimmung. Nach der einheitlichen Rsp (Nachweise bei Krejci in Rummel, ABGB**2 Rz 23 zu § 3 KSchG; weiters zuletzt SZ 71/125 = ecolex 1999, 14 = EvBl 1998/205 = RdW 1998, 609) ist unter "Anbahnen" ein Verhalten zu verstehen, wodurch dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, man wolle in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Geschäfts treten. Demnach bedeutet die Inserierung zwecks Verkaufs einer Liegenschaft keinesfalls das Anbahnen eines Alleinvermittlungsauftrags an einen Immobilienmakler. Auch wenn die Verwendung des Wortes "privat" im Inserat nicht jedenfalls bedeutet, man wolle es verhindern, dass sich Immobilienmakler melden, geht daraus doch entgegen der Auffassung der Revision mit hinreichender Deutlichkeit hervor, der Inserent wolle einen Kaufvertrag abschließen. Dagegen kann nicht gesagt werden, es würde zumindest auch ein Vermittlungsauftrag angestrebt. Das folgt schon daraus, dass eine solche Vorgangsweise ein höchst umständlicher und kostspieliger Weg der Anbahnung eines Vermittlungsauftrags wäre, können doch Makleradressen unschwer und kostenlos aus Branchenverzeichnissen entnommen werden.

Zu den allgemeinen Fragen der Beweislast (vgl dazu auch Rechberger in

Rechberger, ZPO**2 Rz 11 Vor § 266 mN) kann auf die zutreffenden

Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Demnach kommt es

im vorliegenden Fall des Vertragsrücktritts des Verbrauchers nach § 3

KSchG darauf an, ob das Anbahnen durch ihn als Tatbestandsmerkmal der

das Rücktrittsrecht ausnahmsweise ausschließenden Rechtsnorm oder

aber das Fehlen der Anbahnung als Tatbestandsmerkmal der das

Rücktrittsrecht begründenden Norm zu sehen ist. Die Struktur der

Regelung unterscheidet sich wesentlich von der ebenfalls negativ

formulierten Voraussetzung des Rücktrittsrechts in § 3 Abs 1 KSchG

("weder in den vom Unternehmer ... benützten Räumen noch bei einem

von diesem ... benützten Stand"), womit die konstituierenden Merkmale

der typischen Überrumpelungssituation für den Verbraucher bzw dessen

situativer Unterlegenheit umschrieben werden (SZ 71/125 = ecolex

1999, 14 = EvBl 1998/205 = RdW 1998, 609 mwN). Dabei handelt es sich

eben um den Grundtatbestand dieses Rücktrittsrechts, der durch die vier Ausnahmetatbestände des § 3 Abs 3 KSchG wieder eingeschränkt wird (SZ 65/37 = ImmZ 1993, 54 = JBl 1992, 796 = KRES 1b/31 = MietSlg XLIV/14). Dem entsprechend neigte der Oberste Gerichtshof in der soeben angeführten Entscheidung dazu, die Beweislast für den Vertragsabschluss in anderen als in Abs 1 leg cit genannten Örtlichkeiten (ebenso wie für seine Verbrauchereigenschaft) demjenigen aufzuerlegen, der sich auf das Rücktrittsrecht beruft.

Dagegen ordnet § 3 Abs 3 Z 1 KSchG, wie in SZ 65/37 dargelegt, einen Ausschluss vom Rücktrittsrecht in Form einer Ausnahme vom Grundtatbestand an, weshalb der Unternehmer das Vorliegen von deren Voraussetzung, nämlich des Anbahnens des Geschäftes durch den Verbraucher, zu beweisen hat. Das entspricht auch der einhelligen Lehre (Krejci in Rummel, ABGB**2 Rz 25, 29 zu § 3 KSchG; Apathy in Schwimann, ABGB**2 Rz 6 zu § 3 KSchG; Fischer-Czermak, Das Konsumentenschutzgesetz und der Liegenschaftsverkehr, NZ 1991, 115 [119]).

Daraus folgt, dass die Vorinstanzen zu Recht der klagenden Partei die Beweislast für die Geschäftsanbahnung durch die Beklagte auferlegt und auf Grund der Negativfeststellung in diesem Punkt das Begehren auf Provisionszahlung abgewiesen haben. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist aus der Entscheidung SZ 65/37 nichts für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu gewinnen, weil darin eben zur Beweislast für das Anbahnen in keine Weise Stellung genommen wurde. Mag auch den Ausführungen von Deixler-Hübner (Konsumentenschutz**2 Rz 17) in Wahrheit keine die oben dargelegte Beweislastverteilung befürwortende Aussage zu entnehmen sein, ändert das nichts daran, dass die Ansicht der Lehre (soweit sie sich mit dem Problem befasst) einheitlich ist. Schließlich kann auch keineswegs gesagt werden, die beklagte Verbraucherin stünde im gegebenen Zusammenhang überhaupt näher zum Beweis der Tatsache, sie habe nicht angebahnt, weil die Anbahnung zwangsläufig auch der klagenden Partei bekannt geworden sein müsste. Es ist daher auch nicht dazu Stellung zu nehmen ist, unter welchen Umständen diese Beweisnähe zu einer Beweislastverschiebung führen kann (dazu jüngst 2 Ob 156/99a; 4 Ob 1638/95; SZ 60/218 = EvBl 1988/31; kritisch Fasching, Lehrbuch**2 Rz 884).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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