OGH 3Ob669/82

OGH3Ob669/8224.11.1982

SZ 55/183

Normen

ImmMV §4 Abs3
KSchG §3
ImmMV §4 Abs3
KSchG §3

 

Spruch:

Dem Verbraucher, der sich auf Grund einer erkennbar von einem Immobilienmakler eingeschalteten Zeitungsanzeige zum bekanntgemachten Besichtigungstermin zum Kaufobjekt begab und dort mit dem Vermittler Vorgespräche aufnahm, steht das Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG nicht zu

OGH 24. November 1982, 3 Ob 669/82 (OLG Wien 11 R 136/82; LGZ Wien 15 Cg 178/81)

Text

Die klagende Immobilienmaklerin wollte den Verkauf der Liegenschaft T-Straße 226 in Wien vermitteln und kundigte in einem Zeitungsinserat einen Besichtigungstermin an. Auf Grund dieser Anzeige begab sich die Beklagte am 26. 4. 1981 zu dem zum Kauf angebotenen Haus.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Vermittlungsprovision von 99 120 S samt Zinsen. Die Beklagte habe am 26. 4. 1981 ein Anbot unterfertigt, die Liegenschaft um 1 400 000 S zu kaufen, und sich verpflichtet, der Klägerin eine mit Annahme des Kaufanbots fällig werdende Provision von 84 000 S (6% des Kaufpreises) und 18% Umsatzsteuer zu bezahlen. An dieses Anbot sei die Beklagte bis zum 26. 5. 1981 gebunden gewesen. Die Klägerin habe der Beklagten am 4. 5. 1981 mitgeteilt, daß ihr Kaufanbot angenommen wurde und die vorgesehene Bausparfinanzierung gesichert sei. Am 8. 5. 1981 habe die Beklagte durch ihren Rechtsvertreter den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Ein Rücktrittsrecht der Beklagten, die selbst das Geschäft angebahnt habe, sei ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, weil das Geschäft von der Klägerin angebahnt wurde, die Beklagte über den Inhalt der von ihr gefertigten Urkunde getäuscht war und die Klägerin ohne Auftrag der Beklagten versucht habe, ihre finanzielle Lage auszuforschen. Die Beklagte habe daher am 4. 5. 1981 mündlich und am 8. 5. 1981 schriftlich den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Der Verkäufer habe am 13. 5. 1981 erklärt, er wolle nicht mehr verkaufen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit dem auf Antrag der allein zur mündlichen Streitverhandlung erschienenen Beklagten gefällten Urteil nach dem § 399 ZPO ab. Der Beklagten als Verbraucherin stehe nach § 3 Abs. 1 KSchG das Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten. Sie habe nicht die Initiative zum rechtsgeschäftlichen Kontakt ergriffen, wenn sie dem Inserat des Immobilienmaklers zur Besichtigung der käuflich erwerbbaren Liegenschaft gefolgt sei, und daher das Geschäft nicht angebahnt. Der am 8. 5. 1981 in Schriftform erklärte Rücktritt sei nach der am 4. 5. 1981 erfolgten Mitteilung von der Annahme des Kaufanbotes rechtzeitig. Aus ihrem Kaufanbot habe die Beklagte keine Rechtsfolgen zu tragen.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Klägerin das Urteil auf und verwies die Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Zugleich sprach es aus, daß dieses das Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen habe (§ 519 Z 3 ZPO). Es sei zwischen dem Vermittlungsvertrag, den die Beklagte mit der Klägerin abschloß, und dem von der Klägerin vermittelten Kaufvertrag zu unterscheiden. Ob dieser in den Geltungsbereich des Konsumentenschutzgesetzes falle, könne ebenso offen bleiben wie der Umstand, ob sich der Rücktritt der Beklagten auch auf den Vermittlungsvertrag erstrecken sollte. Mit ihrer in einer Zeitungsanzeige an einen unbestimmten Personenkreis gerichteten Bekanntgabe, daß eine bestimmte Liegenschaft verkäuflich sei und zu einem Termin besichtigt werden könne, habe die Klägerin das konkrete Geschäft noch nicht angebahnt. Dazu gehöre die Aufnahme des Kontaktes mit dem individuellen Interessenten. Da die Beklagte selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer angebahnt habe, als sie die Initiative ergriff und sich zu der in der Zeitungsanzeige genannten Örtlichkeit begab, um den Kontakt mit dem Verkäufer oder seinem Beauftragten herzustellen, stehe ihr ein Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG nicht zu. Auf den Rücktritt nach § 3 Abs. 1 KSchG könne die Abweisung der Klage nicht gegrundet werden. Das Erstgericht werde sich daher mit den anderen Einwendungen der Beklagten, insbesondere einer listigen Irreführung, zu befassen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das ihr das Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG nicht zuerkannte, weil im Aufsuchen der Besichtigungsgelegenheit ein Anbahnen der geschäftlichen Verbindung mit dem Immobilienmakler iS des § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG zu erblicken sei. Sie meint, es habe sich gerade um die Überrumpelung beim Geschäftsabschluß "zwischen Tür und Angel" gehandelt, der § 3 Abs. 1 KSchG entgegenwirken wolle.

Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers, der seine Vertragserklärung weder in den vom Unternehmer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benützten Räumen noch bei einem von diesem dafür auf einer Messe oder einem Markt benützten Stand abgegeben hat, fand sein Vorbild in der ähnlichen vorausgegangenen Regelung des § 4 Ratengesetz; diese sollte, weil eine Überrumpelung durch einen ungebetenen, unangesagten Vertreter nicht nur durch die Vorstellung ermöglicht werde, den angebotenen Gegenstand gleich zu bekommen und erst später bezahlen zu müssen (Abzahlungsgeschäft), sondern auch Bargeschäfte unter derartigen Umständen oft so geschlossen werden, daß dem Verbraucher keine hinreichende Überlegung möglich ist, ob das Geschäft für ihn sinnvoll ist, für alle Verbrauchergeschäfte Geltung erlangen (RV 744 BlgNR, XIV. GP Zum § 3 Z 1; JAB 1223 BlgNR, XIV. GP). Die Bestimmung des § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG ist dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 RatG, wonach dem Käufer das Rücktrittsrecht nicht zustand, wenn er selbst die zu dem bestimmten Abzahlungsgeschäft führende geschäftliche Verbindung mit dem Verkäufer oder einem von diesem mit der Vermittlung oder Schließung von Geschäften betrauten Vertreter angebahnt hat, sehr eng nachgeformt. Unter Anbahnen ist nicht eine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern ein Verhalten zu verstehen, durch das dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, man wolle in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Geschäftes treten (Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz 56). Das Verhalten des Verbrauchers muß einen eindeutigen Schluß auf seine Initiative und die Bereitwilligkeit zum Abschluß eines bestimmten Verbrauchergeschäftes zulassen (1 Ob 637/82 Nr 96 dieses Bandes). Bei der Umschreibung der Ausnahmen vom Rücktrittsrecht folgte der Gesetzgeber dem Ratengesetz. Es handle sich um Fallgruppen, bei denen typischerweise eine Überrumpelung ausgeschlossen sei (RV 744 BlgNR, XIV. GP zu § 3 Abs. 3 KSchG).

Die Fragestellung ist hier durch den engen Zusammenhang zwischen Kauf der Liegenschaft und Vermittlungsvertrag gekennzeichnet, weil die Beklagte, hat sie durch die Klägerin von der Kaufgelegenheit Kenntnis erlangt und sich deren Leistung zugewendet, indem sie wirksam kaufte, selbst dann zur Zahlung einer Provision verpflichtet wäre, wenn sie den Vermittlungsauftrag nicht ausdrücklich erteilt hätte. Aus der Zeitungsanzeige war für einen unbestimmten großen Personenkreis ersichtlich, daß die Klägerin als Immobilienmakler zu einem öffentlich bekanntgegebenen Zeitpunkt eine Besichtigung des zum Kauf gebotenen Hauses ermöglichte. In dieser Bekanntmachung einer Geschäftsgelegenheit kann die Anbahnung der geschäftlichen Verbindung mit der Beklagten noch nicht erblickt werden. Die Anlehnung an die Bestimmung gleichen Inhalts des § 4 Abs. 2 RatG rechtfertigt es, die bereits früher in der Rechtsprechung entwickelte Ansicht aufrechtzuhalten, Inseraten- und Werbematerial spielten bei Lösung der Frage, ob der Unternehmer oder der Verbraucher (Verkäufer oder Ratenkäufer) das Geschäft angebahnt habe, keine Rolle (Schilcher in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 293). So liegt eine Anbahnung durch den Verbraucher vor, wenn er die Antwortkarte einer Postwurfsendung dem Unternehmer übermittelt, um die Vorführung des annoncierten Gerätes zu erreichen (SZ 44/163), oder wenn ein Verbraucher sich auf Grund einer Zeitungsanzeige, in welcher ein Kraftfahrzeug zum Verkauf angeboten war, telefonisch beim Unternehmer meldet (RZ 1967, 74). Die Vertragsanbahnung durch den Verbraucher muß allerdings kongruent sein, der Konsument muß erkennen lassen, daß er die Initiative zum Eintritt in Vorbesprechungen zwecks Schließung eines bestimmten Vertrages ergriffen hat (Martinek - Schwarz, Kommentar zum RatG 53 f.; Welser, Anmerkungen zum Konsumentenschutzgesetz, JBl. 1979, 454; Schilcher in Krejci, Handbuch 293; 1 Ob 637/82 = SZ 55/96).

Dem Inhalt der gegenständlichen Zeitungsanzeige war allem Anschein nach zu entnehmen, daß nicht nur der Kauf einer Liegenschaft möglich war, sondern daß das Zeitungsinserat von einem Immobilienmakler stammte, der im Falle eines durch seine verdienstliche Tätigkeit bewirkten Zustandekommens des vermittelten Geschäftes einen Anspruch auf Provision erwirbt (vgl. § 4 Abs. 3 der V des BMHGuI vom 16. 6. 1978, BGBl. 323/1978). Sollte sich dies aus der noch festzustellenden Textierung des Inserates für den durchschnittlich aufmerksamen Zeitungsleser ergeben haben, ist die Annahme berechtigt, daß die Beklagte, die sich zur Besichtigung des Kaufobjektes entschloß und von sich aus dort das zum Abschluß des Geschäftes führende Vorgespräch mit dem Makler aufnahm, die geschäftliche Verbindung nicht nur zwecks Schließung eines Kaufvertrages, sondern auch des Vermittlungsvertrages angebahnt hat. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist somit - vorausgesetzt, der Text der Zeitungsanzeige hatte keinen ungewöhnlichen Inhalt - dann beizupflichten, daß der Beklagten ein Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG unabhängig davon, ob es zu einer Überrumpelung kam, nicht zusteht, weil der Ausschluß des Rücktrittsrechtes nur an die Tatsache anknüpft, daß der Verbraucher selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer zwecks Schließung des bestimmten Vertrages angebahnt hat. Würde allerdings der Verbraucher nur die Verbindung mit dem vom Verkäufer beauftragten Makler zwecks Abschlusses des Kaufvertrages angebahnt, aber zu erkennen gegeben haben, daß er sich nicht der Dienste des Immobilienmaklers bedienen und dessen Entlohnung ausschließen wollte, dann aber aus Anlaß des Kaufabschlusses einen Vermittlungsvertrag geschlossen haben, könnte ein Rücktritt vom Vermittlungsvertrag nach § 3 Abs. 1 KSchG zulässig gewesen sein. Kam der Kaufvertrag zustande und bestand kein Recht zum Rücktritt von diesem, weil der Liegenschaftseigentümer den Verkauf nicht zum Betrieb seines Unternehmens vornahm (§ 1 Abs. 1 Z 1 KSchG) und daher der Kaufvertrag nicht zu den im § 1 Abs. 1 KSchG erwähnten Rechtsgeschäften zählte, für die das I. Hauptstück des KSchG Geltung hat, oder weil die Beklagte als Verbraucher die geschäftliche Verbindung mit dem Beauftragten des Verkäufers zwecks Abschlusses des Kaufvertrages selbst angebahnt hat (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG), so könnte dennoch ein Rücktritt von dem mit dem gewerbsmäßigen Immobilienmakler geschlossenen Geschäft möglich gewesen sein. In diesem Fall müßte es, weil die vom Unternehmer erbrachte Nachweisung der Kaufgelegenheit bereits erfolgt und daher die Leistung des Maklers erbracht und nicht rückstellbar war, zu einer Vergütung nach § 4 Abs. 2 KSchG kommen, soweit die Leistung dem Verbraucher zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichte.

Die Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes ist aus diesen Erwägungen berechtigt. Dieses wird im Rahmen der durch § 399 Abs. 1 ZPO bestimmten Grenzen die für die Beurteilung des Anspruches der Klägerin auf Entlohnung ihrer Leistung als Immobilienmakler und der von der Beklagten gegen diesen Anspruch erhobenen Einwände entscheidenden Tatsachen festzustellen haben, insbesondere den Ablauf der Geschäftsanbahnung und der zur Unterfertigung der Vertragserklärung der Beklagten führenden Gespräche und den Inhalt der Erklärung der Beklagten. Erst dann ist eine abschließende Beurteilung möglich, ob die Beklagte auch den Vermittlungsvertrag selbst angebahnt hat, ob sie ihr Kaufvertragsanbot nur auf Grund listiger Irreführung abgab und ihre Anfechtung durchgreift und ob es sonst zum wirksamen Abschluß des vermittelten Geschäfts als Voraussetzung für den Erwerb des Provisionsanspruches der Klägerin gekommen ist.

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