Spruch:
1. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 18. August 2004, ON 50, wird zurückgewiesen.
2. Der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 16. November 2004, ON 66, wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Zwischen den Parteien ist ein Verfahren über die Scheidung ihrer am 15. Juli 1999 geschlossenen Ehe anhängig. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2004, ON 57, wies das Erstgericht die einstweilige Benützung der Ehewohnung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO der Beklagten zu.
Zu 1. Mit Beschluss vom 18. Juni 2004, ON 35, verständigte das Erstgericht im Sinne des § 6a ZPO das Pflegschaftsgericht davon, dass bei der Beklagten im Scheidungsverfahren Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf das Scheidungsverfahren bestünden. Dies ergäbe sich nicht nur aus persönlichen Eindrücken der Erstrichterin, sondern auch aus einem ärztlichen Schreiben vom 9. Juni 2004, demzufolge die Beklagte an Depressionen und an einem phobischen Angstsyndrom leide. Sie scheine zu einer eigenständigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage sowie zur Bildung eines eigenen Willens nicht in der Lage, sondern überlasse die Initiative völlig ihrem „Liebhaber", der als Vertrauensperson zugelassen sei. Gleichzeitig setzte das Erstgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts aus.
Das Rekursgericht bestätigte mit Beschluss vom 18. August 2004, ON 50, diese Entscheidung und sprach unter Hinweis auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Die Überprüfung der Prozessfähigkeit der Beklagten sei auf Grund der Aktenlage und des persönlichen Eindrucks der Erstrichterin gerechtfertigt.
Der gegen diesen Beschluss gerichtete „außerordentliche" Revisionsrekurs der Beklagten ist jedenfalls unzulässig.
Die „Aussetzung" des Verfahrens bis zur pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung, ob für die Beklagte ein Sachwalter zu bestellen ist, findet ihre grundsätzliche Stütze in § 6a ZPO. Diese Bestimmung enthält zwar keine Regelung darüber, welche Maßnahmen das Prozessgericht in Ansehung seines Verfahrens anzuordnen hat und sieht insbesondere keinen Unterbrechungsbeschluss vor. Der Oberste Gerichtshof hat aber schon wiederholt ausgesprochen, dass diese planwidrige Unvollständigkeit in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO zu schließen sei, indem das Prozessgericht das bei ihm geführte Verfahren zu unterbrechen habe (so, wenngleich ohne nähere Begründung, bereits 8 Ob 700/86 = SZ 60/56 und 6 Ob 613/85 = EvBl 1986/162; wie hier 3 Ob 2322/96h; 4 Ob 329/98f = JB1 1999, 536). Als solche Unterbrechung ist es auch anzusehen, wenn das Gericht - wie hier das Erstgericht - das Verfahren „aussetzt", weil es nicht auf das verwendete Wort, sondern auf die damit verbundenen Rechtsfolgen ankommt (4 Ob 329/98f = JBl 1999, 536 unter Hinweis auf Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 789, der die Worte „Unterbrechung" und „Aussetzung" als Synonyme ansieht). Handelt es sich aber um die Anordnung einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 190 Abs 1 ZPO, so ist der Beschluss gemäß § 192 Abs 2 ZPO anfechtbar (1 Ob 632/87 = RZ 1988/39; 3 Ob 2322/96h; 4 Ob 329/98f = JBl 1999, 536; Maurer/Tschugguel, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis² Rz 22 zu § 6a ZPO; Schubert in Fasching² § 6a ZPO Rz 6, 11; Fink in Fasching² § 158 ZPO Rz 2).
Allerdings ist dann der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier - der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Zu 2. Am 14. Mai 2004 beantragte der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, alle Handlungen zu unterlassen, die zu einem Verlust der ehelichen Wohnung führen oder die den Anspruch des Klägers auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses an dieser Wohnung gefährden könnten. Der Gemeinnützigen S***** AG als Vermieterin möge verboten werden, eine Kündigung der Beklagten entgegen zu nehmen. Sollte die Beklagte bereits über die Wohnung verfügt haben, möge ihr verboten werden, über den von der Vermieterin auszuzahlenden „Zuschuss" zu verfügen; der Vermieterin möge verboten werden, diesen Zuschuss auszuzahlen oder darüber in anderer Weise zu verfügen. Zur Begründung führte der Kläger aus, die Beklagte sei Mieterin der ehelichen Wohnung, bezahle jedoch keinen Mietzins und wolle außerdem die Wohnung gegen eine andere - kleinere und damit billigere - Wohnung austauschen, wodurch es zur teilweisen Rückzahlung des Baukostenzuschusses bzw Genossenschaftsbeitrags durch die Vermieterin kommen würde. Er habe ein dringendes Wohnbedürfnis an der ehelichen Wohnung, durch das Verhalten der Beklagten sei jedoch deren Verlust zu befürchten.
Das Erstgericht erließ ohne Anhörung der Beklagten eine einstweilige Verfügung, mit der der Beklagten Handlungen verboten wurden, die zu einem Verlust der ehelichen Wohnung führen würden. Der Vermieterin wurde verboten, eine Kündigung der ehelichen Wohnung durch die Beklagte entgegen zu nehmen bzw - sollte die Beklagte bereits über die eheliche Wohnung verfügt haben - den „auszuzahlenden Zuschuss (Finanzierungsbeitrag oder Baukostenzuschuss) an die Beklagte auszuzahlen oder in anderer Weise darüber zu verfügen. Der Beklagten wurde schließlich verboten, über den allenfalls bereits erhaltenen Zuschuss zu verfügen. Die Parteien hätten in der ehelichen Wohnung zusammengelebt. Die Hausverwaltung und auch die Vermieterin selbst seien nicht bereit, Mietzinszahlungen des Klägers anzunehmen. Für den Baukostenzuschuss für die eheliche Wohnung sei ein Kredit aufgenommen und dieser dann während aufrechter Ehe - wenn auch nur zum Teil - zurückgezahlt worden. Der von der Beklagten geplante Wohnungstausch würde dazu führen, dass die eheliche Wohnung ebenso wie der Finanzierungsbeitrag „weg wären". Die einstweilige Verfügung betreffe Gegenstände, die der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterlägen, nämlich die Ehewohnung selbst und den Baukostenzuschuss infolge der teilweisen Tilgung des zu seiner Zahlung aufgenommenen Kredits.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das in § 82 Abs 2 EheG geforderte dringende Wohnbedürfnis des Klägers an der ehelichen Wohnung sei behauptet und vom Erstgericht auch zugrunde gelegt worden, ein allenfalls mangelndes Wohnbedürfnis wäre ebenso im Widerspruchsverfahren zu erörtern wie die Gründe für den Wohnungstausch. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, ein rein passives Verhalten ihrerseits könne keine Gefährdung begründen, sei ihr entgegen zu halten, dass sie ja selbst den Wohnungstausch anstrebe, der zum Verlust der ehelichen Wohnung führen würde. Sie strebe auch die Kompensation offener Mietbeträge mit dem Baukostenzuschuss an, wodurch die Aufteilungsmasse verringert würde. Außerdem schaffe Untätigkeit gegenüber einer vertraglichen oder gesetzlichen Handlungspflicht, wie etwa der Zinszahlungspflicht, eine relevante Gefährdung, weil die Kündigung durch die Vermieterin und damit der Verlust der ehelichen Wohnung die Folge wären.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist unzulässig.
In formeller Hinsicht ist zunächst klarzustellen, dass - wie dies bereits zu 1. dargelegt worden ist - das gegenständliche Ehescheidungsverfahren im Hinblick auf das Vorgehen des Erstgerichts nach § 6a ZPO - analog zu § 190 Abs 1 ZPO - unterbrochen ist. Das ändert allerdings nichts daran, dass das Rekursgericht zulässigerweise meritorisch über den von der Beklagten - nach Eintritt der Unterbrechung - erhobenen Rekurs entschieden hat. Eine Unterbrechung des Verfahrens wegen Präjudizialität eines anderen Rechtsstreits (§ 190 ZPO) ist nämlich mit dem Zweck des Provisorialverfahrens, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar. Das Sicherungsverfahren wird zwar ex lege unterbrochen, wenn über das Vermögen einer Partei das Konkursverfahren eröffnet wird (RIS-Justiz RS0002386; vgl auch Fink in Fasching² § 159 ZPO Rz 42 ff; E. Kodek in Angst § 378 EO Rz 17) oder es zu einem Stillstand der Rechtspflege gemäß § 161 ZPO kommt (4 Ob 316/76 = RIS-Justiz RS0005214; Gitschthaler in Rechberger² Vor § 155 ZPO Rz 4; Fink aaO Vor §§ 155 - 167 ZPO Rz 24); es kann aber nicht wegen Präjudizialität eines anderen Rechtsstreits unterbrochen werden (4 Ob 2386/96b = EvBl 1997/152; 4 Ob 2391/96p = SZ 70/1; E. Kodek aaO § 378 EO Rz 17). Da somit etwa auch im durchaus vergleichbaren Fall des Verlusts der Prozessfähigkeit gemäß § 158 ZPO ein Provisorialverfahren nicht unterbrochen wird, hat nichts anderes für den Fall des Vorgehens des Gerichts gemäß § 6a ZPO zu gelten.
In ihrer Zulassungsbeschwerde beruft sich die Beklagte zunächst darauf, dass durch eine einstweilige Verfügung, wie sie das Erstgericht erlassen hat, der Mieter der Ehewohnung nicht gezwungen werden könne, Mietschulden einzugehen, obwohl ihm bekannt sei, dass er sie nicht bezahlen werde können; dies wäre strafrechtlich relevant. Die Beklagte übersieht dabei, dass die Vorinstanzen lediglich davon ausgegangen sind, sie komme ihrer Mietzinszahlungspflicht nicht nach. Auch der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte könne sich die Miete nicht leisten, sondern hat vielmehr vorgebracht (vgl etwa seine Ausführungen in der Rekursbeantwortung ON 63), die Beklagte verdiene ohnehin monatlich 1.150,00 EUR; damit lasse sich die eheliche Wohnung durchaus finanzieren, die monatlich 600,00 EUR koste. Soweit die Beklagte im außerordentlichen Revisionsrekurs geltend macht, sie sei ohne Beschäftigung und habe daher nur ein geringes Einkommen, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO.
Die Beklagte macht weiters geltend, durch einstweilige Verfügung könne der Vermieterin - trotz Verbots der Annahme einer Kündigung der Beklagten bzw der Verfügung über den Finanzierungsbeitrag - nicht verboten sein, bei qualifiziertem Mietzinsrückstand eine gerichtliche Räumung zu betreiben oder gegen den auszuzahlenden Finanzierungsbeitrag mit offenen Mieten und sonstigen Kosten aufzurechnen; damit werde aber das „Finanzierungsguthaben" in höchstens 1 Jahr aufgebraucht sein. Auch insoweit ist der Beklagten aber entgegen zu halten, dass sich diese Umstände dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt nicht entnehmen lassen. Der Kläger hat dazu lediglich vorgebracht und bescheinigt, dass im Zeitraum Februar bis April 2004 ein Mietzinsrückstand von 1.928,36 EUR bestanden hat. Die Höhe des „Finanzierungsguthabens" ist überhaupt nicht ersichtlich.
Unzutreffend sind die Ausführungen der Beklagten, dass die eheliche Wohnung nicht Gegenstand der bekämpften einstweiligen Verfügung sein könne. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sich eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Aufteilungsanspruchs nur auf Vermögenswerte beziehen kann, die nach §§ 81 ff EheG der Aufteilung unterliegen (RIS-Justiz RS0037061; 2 Ob 271/99p = EFSlg 90.416). Allerdings trifft - abgesehen davon, dass die Vorinstanzen ohnehin vom Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses des Klägers jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung ausgegangen sind - die Beweis- bzw Bescheinigungslast dafür, dass die eheliche Wohnung nicht der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des einen Ehegatten dient, den anderen Ehegatten - und zwar auch im Provisorialverfahren -, sodass dieser den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedürfnisses der gefährdeten Partei sowie deren Nichtangewiesensein auf die eheliche Wohnung zu beweisen bzw zu bescheinigen hat (RIS-Justiz RS0014672; 4 Ob 503/94 = EFSlg 73.843). Dem Rekursgericht ist daher beizupflichten, dass die Frage des - allenfalls fehlenden - Wohnbedürfnisses des Klägers erst im Widerspruchsverfahren zu klären wäre; dass er zwischenzeitig möglicherweise kein Interesse mehr an der ehelichen Wohnung haben könnte (vgl seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren, Band II AS 81), kann im Revisionsrekursverfahren nicht berücksichtigt werden.
Schließlich macht die Beklagte noch geltend, der Tausch einer größeren gegen eine kleinere Wohnung sei kein aktives Tun, wenn die Beklagte als Mieterin aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, die Mietzinse für die größere Wohnung zu begleichen. Damit habe aber der Kläger die konkrete Gefährdung seines Aufteilungsanspruchs nicht bescheinigt.
Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung zur Gefahrenbescheinigung im Zusammenhang mit der Sicherung von Geldforderungen gemäß § 379 Abs 2 Z 1 EO ein rein passives Verhalten, unbegründetes Nichtzahlen fälliger Forderungen, für die ein Exekutionstitel besteht, oder Zahlungsunfähigkeit keine Gefährdung begründen (RIS-Justiz RS0005400; 5 Ob 63/68 = EvBl 1968/363). Die Vorinstanzen sind jedoch durchaus nachvollziehbar davon ausgegangen, dass ein Wohnungstausch durch die Beklagte für den Kläger zum Verlust der ehelichen Wohnung führen würde. Bei Beurteilung der Anspruchsgefährdung im Sinne des § 381 EO kommt es im Übrigen auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die Bescheinigung einer konkreten Gefahr gefordert wird. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die diese Voraussetzung begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (aus jüngerer Zeit 7 Ob 34/01b = MietSlg 53.846; RIS-Justiz RS0005175; E. Kodek aaO § 389 EO Rz 6 f; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren² Rz 2/75 mwN). Dies gilt auch für eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO (4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171; 1 Ob 160/01p = EFSlg 98.584; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung § 382 EO Rz 12 mwN). Ob sich aber aus einem bescheinigten Sachverhalt eine Gefährdung des Antragstellers zwingend ableiten lässt oder nicht, ist wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage. Von einer auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann bei dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt keine Rede sein (vgl 1 Ob 160/01p = EFSlg 98.543).
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