Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen; der Beklagte hat die Kosten seines Rekurses und seiner Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Streitteile leben in aufrechter Ehe in dem auf der Liegenschaft EZ 549 Grundbuch 81133 T***** Nr. 167 errichteten Haus. Bücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft ist der Beklagte. Er ließ von Notar Dr.Helge M***** Vertragsentwürfe erstellen, in denen die unentgeltliche Übertragung der Liegenschaft samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör an seine Schwester Elfriede H*****, sowie zu seinen Gunsten der Vorbehalt des unentgeltlichen Fruchtgenußrechtes auf Lebenszeit, die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes und eines Vorkaufsrechtes vorgesehen sind. In dem Entwurf eines Optionsvertrages wurde dem Beklagten das Recht eingeräumt, die übergebene Liegenschaft mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör ohne Entgelt wieder zurückzuerwerben. Gleichzeitig wurden auch ein Pflichtteilsverzichtsvertrag und ein Kodizill entworfen. Im Pflichtteilsverzichtsvertrag verzichten die ehelichen Kinder der Elfriede H***** in bezug auf die ihrer Mutter übertragene Liegenschaft auf ihren Pflichtteil; im Kodizill vermacht Elfriede H***** die Liegenschaft dem Beklagten (seinen beiden ehelichen Kindern als Nacherben).
Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres Begehrens, den Beklagten schuldig zu erkennen, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit die Klägerin die Ehewohnung - das auf der Liegenschaft EZ 549 Grundbuch 81133 T***** errichtete Haus T***** Nr. 167 - nicht verliere, insbesondere ihm zu untersagen, die Liegenschaft zu veräußern, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die genannte, in seinem grundbücherlichen Alleineigentum stehende Liegenschaft bestehend aus den Grundstücken Nr. 922/3 und 923, mit dem darauf errichteten Wohnhaus T***** Nr. 167, zu veräußern und dieses Verbot im Grundbuch anzumerken.
Die Ehe der Streitteile sei seit einiger Zeit aus dem Verschulden des Beklagten zerrüttet. Der Beklagte versuche, durch die Übertragung der Liegenschaft an seine Schwester die Klägerin um die Ehewohnung zu bringen und ihre Aufteilungsansprüche zu vereiteln. Die Klägerin sei auf die Ehewohnung zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses dringend angewiesen.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, ohne den Beklagten gehört zu haben.
Nach § 97 EheG habe ein Ehegatte, der an der der Verfügungsgewalt des anderen Ehegatten unterliegenden Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis hat, Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Der Unterlassungsanspruch könne insbesondere durch ein Verbot gemäß § 382 Z 6 EO gesichert werden. Das Veräußerungsverbot sei gemäß § 384 Abs 2 EO von Amts wegen im Grundbuch anzumerken. Da Gefahr im Verzug sei, sei die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Beklagten zu erlassen.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Der Unterlassungsanspruch nach § 97 ABGB setze voraus, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte in einer Weise vorgehe, die zu einem Aufgeben der Ehewohnung führen könnte. Das sei hier nicht der Fall:
Selbst bei Durchführung des zwischen dem Beklagten und dessen Schwester vorgesehenen Übergabsvertrages bestehe keine Gefahr, daß die Klägerin die Ehewohnung verliere, weil dem Beklagten das unentgeltliche Fruchtgenußrecht am gesamten Übergabsobjekt eingeräumt werden solle. Auch nach Abschluß des Übergabsvertrages wären daher der Beklagte und damit auch die Klägerin berechtigt, in dem auf der Liegenschaft errichteten Haus zu wohnen. Ob die beabsichtigte Veräußerung allfällige Aufteilungsansprüche der Klägerin nach §§ 81 ff EheG gefährdet, sei nicht zu prüfen, weil nach der Aktenlage noch kein Scheidungsverfahren zwischen den Streitteilen anhängig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen; in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die vom Rekursgericht als entscheidungswesentlich erachtete Rechtsfrage, ob die Veräußerung der Ehewohnung durch einen Ehegatten bei gleichzeitigem Vorbehalt eines Fruchtgenußrechtes einen Unterlassungsanspruch des anderen Ehegatten nach § 97 EheG begründen kann, für die Entscheidung erheblich ist; er ist auch berechtigt.
Die vom Beklagten gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels geäußerten Bedenken sind nicht gerechtfertigt. Zwar ist es richtig, daß das Rekursgericht auf die mangelnde Bescheinigung eines dringenden Wohnbedürfnisses durch die Klägerin hinweist; die Klägerin hatte eine solche Bescheinigung aber nicht zu erbringen: Die Beweislast dafür, daß die Ehewohnung nicht der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten dient, trifft den Beklagten. Er hat den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedürfnisses eines Ehegatten zu beweisen (SZ 54/37). Die Bescheinigungslast im Provisorialverfahren ist gleich zu verteilen wie die Beweislast im Hauptverfahren (vgl SZ 51/39); auch im Provisorialverfahren ist daher der Beklagte dafür bescheinigungspflichtig, daß seine Ehegattin nicht auf die Ehewohnung angewiesen ist.
Dieser Bescheinigungslast hat der Beklagte nicht genügt; er behauptet nicht einmal, daß die Klägerin über eine andere Wohnung verfügt. Demnach ist davon auszugehen, daß das Wohnbedürfnis der Klägerin nicht anderweitig gedeckt ist. Da auch feststeht, daß die Streitteile in aufrechter Ehe leben, ist die vom Rekursgericht als entscheidungswesentlich erachtete Rechtsfrage für die Entscheidung erheblich. Zu dieser Frage ist zu erwägen:
§ 97 ABGB gibt dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten, über die der andere Ehegatte verfügungsberechtigt ist, einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird.
Der in § 97 ABGB eingeräumte Unterlassungsanspruch hindert den verfügungsberechtigten Ehegatten, über sein Recht an der Wohnung zu verfügen, solange der andere Ehegatte an dieser Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis hat und sofern die ungeschmälerte Weiterbenützung der Wohnung gefährdet ist (SZ 50/105; SZ 52/190; JBl 1987, 518 ua). Der verfügungsberechtigte Ehegatte hat dabei das qualifizierte Interesse des anderen Teiles an der Wohnungsbenützung so zu wahren, wie ein verständiger und vorsorgender Benützer die eigenen Wohnungsinteressen wahrnähme (JBl 1982, 593; MietSlg 35.002; Schwimann in Schwimann, ABGB I § 97 Rz 6).
Diesem Erfordernis wird der vom Beklagten beabsichtigte Vertragsabschluß nicht gerecht. Der Beklagte wird nach Durchführung der Verträge nicht mehr Eigentümer des Hauses, sondern nur mehr Fruchtgenußberechtigter sein. Zwar gibt die Fruchtnießung das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen (§ 509 ABGB); für den unterhaltsberechtigten Ehegatten, der auf eine der Verfügungsgewalt des anderen Ehegatten unterliegende Wohnung angewiesen ist, macht es aber einen Unterschied, ob sein Ehepartner Eigentümer oder nur Fruchtnießer der Wohnung ist. Stirbt der verfügungsberechtigte Ehegatte, so fällt die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft in den Nachlaß; das Fruchtgenußrecht erlischt hingegen grundsätzlich mit dem Tod (§ 529 ABGB). Im vorliegenden Fall soll das Fruchtgenußrecht ausdrücklich (nur) "auf Lebenszeit" des Beklagten eingeräumt werden. Daß die Klägerin als Ehegattin erb- und pflichtteilsberechtigt ist (§ 757 Abs 1, § 762 ABGB) hilft ihr daher ebensowenig wie ihr Recht aus § 97 ABGB, weil dieses Recht auf einem familienrechtlichen Anspruch beruht, welcher mit dem Tod des verfügungsberechtigten Ehegatten erlischt (SZ 60/246 mwN).
Die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft und damit an der Wohnung, auf die die Klägerin zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen ist, ist daher trotz Vorbehalt des Fruchtgenußrechtes durch den Beklagten eine Veränderung, die die Klägerin schlechter stellt und die Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses gefährdet. Ein verständiger und vorsorgender Benützer der Wohnung würde die vom Beklagten beabsichtigte Änderung der Rechtsstellung nicht vornehmen. Der auf § 97 ABGB gestützte Unterlassungsanspruch der Klägerin ist daher berechtigt, ohne daß es darauf ankäme, ob der beabsichtigte Vertragsabschluß (auch) geeignet ist, den Aufteilungsanspruch der Klägerin zu gefährden.
Das Erstgericht hat eine Verfügung nach § 382 Z 6 EO getroffen und gemäß § 384 Abs 2 EO die bücherliche Anmerkung des Veräußerungsverbotes verfügt. Die Zulässigkeit einer solchen Verfügung und ihrer bücherlichen Anmerkung wird von der weitaus überwiegenden Rechtsprechung bejaht (SZ 50/105; SZ 52/190; JBl 1982, 593; MietSlg 38.002/42; EvBl 1987/174; s. auch Schwimann in Schwimann aaO § 97 Rz 16; aM Pichler in Rummel, ABGB2, § 97 Rz 16 unter Berufung auf die Entscheidung MietSlg. 31.007/39 = EF 32.861, 32.862, in der es jedoch um das auf § 97 ABGB gestützte Begehren auf Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes und der Dienstbarkeit der Wohnung ging und nicht, wie in der in dieser Entscheidung ausdrücklich erwähnten und nicht abgelehnten Entscheidung SZ 50/105 = MietSlg 29.011/22, um die in § 384 Abs 2 EO vorgesehene bücherliche Anmerkung einer Verfügung nach § 382 Z 6 EO).
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jener über die Kosten des Beklagten auf §§ 402, 78 EO; §§ 40, 50 ZPO.
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