Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die hinsichtlich der die Obsorge betreffenden Entscheidung sowie der übrigen Besuchsrechtsregelung als unbekämpft unberührt bleiben, werden hinsichtlich der Anordnung, die Mutter habe die Kinder zu den betreffenden Zeiten jeweils zum Vater zu bringen, aufgehoben und die Pflegschaftssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Stefan und Christoph sind die unehelichen Kinder von Mag. Elisabeth E***** und DI Franz D*****, die durch Namensgebung den Familiennamen des Vaters erhalten haben. Die Eltern lebten seit ca 14 Jahren in Lebensgemeinschaft, bis die Mutter im Februar 2004 mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haushalt in Wörschach auszog und zunächst in eine dem Vater gehörende Wohnung nach L***** übersiedelten, in der die Familie früher gewohnt hatte. Mitte Juli 2004 übersiedelte die Mutter mit den Kindern dann zu ihren Eltern nach Haag in Niederösterreich.
Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, der Mutter die Obsorge für die beiden Söhne zu entziehen und ihm zu übertragen, ab. Unter einem regelte es das Besuchsrecht des Vaters dergestalt, dass es a) die Mutter verpflichtete, die Kinder an jedem zweiten Freitag, erstmals am 17. 9. 2004, bis längstens 16.00 Uhr zum Vater zu bringen und b) den Vater verpflichtete, die Kinder am darauffolgenden Sonntag bis längstens 19.00 Uhr jeweils wieder zur Mutter zurückzubringen.
Das von beiden Elternteilen angerufene Gericht zweiter Instanz gab dem gegen die Obsorgeentscheidung gerichteten Rekurs des Vaters ebenso nicht Folge, wie dem gegen die Besuchsrechtsregelung - soweit angeordnet wurde, die Kinder jeweils dem Vater zu bringen - erhobenen Rekurs der Mutter. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Während die Entscheidung über die Obsorge unbekämpft blieb, erhob die Mutter außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie den Beschluss des Rekursgerichtes insoweit anficht, als ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Gerichtes zweiter Instanz keine Folge gegeben wurde. Sie beantragt die Entscheidungen erster und zweiter Instanz im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen; in eventu möge der angefochtene Beschluss dahin abgeändert werden, dass ihre Verpflichtung, die Kinder dem Vater zur Ausübung dessen Besuchsrechtes zu bringen, ersatzlos zu entfallen habe.
Der Vater beantragt in der ihm freigestellten Stellungnahme zum Revisionsrekurs, das Rechtsmittel der Mutter zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und im Sinne des in erster Linie erhobenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Es entspricht allgemein anerkannter psychologischer und soziologischer Erkenntnis, dass die Aufrechterhaltung ausreichender persönlicher Kontakte zu beiden Elternteilen grundsätzlich für die gedeihliche Entwicklung von Kindern erforderlich ist und damit im wohlverstandenen Interesse der Kinder liegt (RIS-Justiz RS0048072 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 3 Ob 264/03z).
Es entspricht nun ständiger, von der Lehre gebilligter (Stabentheiner in Rummel3, § 148 ABGB Rz 9; Pichler in Klang3 § 148 ABGB Rz 4) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass der besuchsberechtigte Elternteil grundsätzlich das Kind von dessen ständigem Aufenthaltsort abzuholen und dorthin zurückzubringen hat (RIS-Justiz RS0048002, zuletzt etwa 1 Ob 58/03s). Diesbezüglich sind auch durch das KindRÄG 2001 keine Änderungen erfolgt (2 Ob 236/01x; 7 Ob 134/02k ua). Für die Regelung des Besuchsrechtes ist allerdings allein das Wohl des Kindes ausschlaggebend (RIS-Justiz RS0047958 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen), dem sich die Interessen der Elternteile unterzuordnen haben (vgl RIS-Justiz RS0048062). Im Hinblick auf den Vorrang des Kindeswohles kann in Ausnahmefällen daher ein Besuchsrecht auch in der Form eingeräumt werden kann, dass der obsorgeberechtigte Elternteil das Kind dem Besuchsberechtigten zu bringen hat. Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof schon betont, dass unter besonderen Umständen etwa Eltern ein Besuchsrecht auch in der Form eingeräumt werden könne, dass ihnen Pflegeeltern das Kind zu bringen hätten (3 Ob 529/89; 7 Ob 134/02k).
Die von der Revisionsrekurswerberin bekämpfte Entscheidung, wonach sie die beiden Kinder dem Vater zur Ausübung dessen Besuchsrechtes zu bringen (und dieser sie ihr sodann wieder zurückzubringen) hat, soll nach Auffassung der Vorinstanzen im Interesse der Kinder konfliktbereinigend und vertrauensbildend wirken. Die Vorinstanzen sind, den Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen für Kinder- und Jugendpsychologie folgend, davon ausgegangen, dass durch die den beiden Elternteilen wechselseitig auferlegten Verpflichtungen zum Hin- und Zurückbringen der - durch die Ereignisse im Zuge der Trennung irritierten und verunsicherten - Kinder diesen gezeigt werden könne, dass sowohl die Mutter mit der Verbringung des Wochenendes beim Vater einverstanden sei, als auch letzterer seine Zustimmung zur Rückkehr der Minderjährigen zur Mutter erteile. Die angefochtene Entscheidung orientiert sich demnach vorrangig und ausdrücklich am - nach den Umständen des vorliegenden Falles zu beurteilenden - Kindeswohl.
Nicht außer Acht gelassen werden kann nun aber, dass das Wohl der mj Stefan und Christoph nicht allein durch den erwähnten, beabsichtigten psychologischen Aspekt der Besuchsrechtsregelung bestimmt wird, sondern - auch im Kindesinteresse - noch eine Reihe weiterer, vor allem wirtschaftliche und organisatorische Faktoren, zu beachten sind, die eine Regelung praktikabel macht. Im Hinblick darauf, dass die Kinder und der besuchsberechtigte Vater hier in relativ kleinen Orten relativ weit voneinander entfernt wohnen, weshalb die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kaum möglich erscheint, müssen das Transportproblem und der mit den Fahrten verbundene Zeitaufwand und in diesem Zusammenhang auch finanzielle und berufliche Rücksichten mit ins Kalkül gezogen werden. Auch diese Aspekte können bei einer Gesamtbetrachtung im Sinne des Kindeswohls nicht völlig vernachlässigt werden.
Die betreffenden Umstände, wie die von der Revisionsrekurswerberin angesprochene Frage der Kostentragung, sind hier aber ungeklärt. Der erkennende Senat erachtet daher eine entsprechende Verbreiterung der Tatsachengrundlage für erforderlich, um verlässlich abschließend beurteilen zu können, ob die von der Mutter bekämpfte Besuchsrechtsregelung den (wie nochmals zu betonen ist: vorrangigen) Kindesinteressen insgesamt tatsächlich gerecht wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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