Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss des bestätigten Teils wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf die Klage gerichtet ist, wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreits aufgetragen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Personen in Abgabeverfahren außerhalb der Befugnis gemäß § 136 Abs 3 GewO gewerbsmäßig zu vertreten, also Dienstleistungen zu erbringen, die gemäß § 3 Abs 1 Z 3 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind, solange sie nicht über die entsprechende Berechtigung verfügt.
Das Mehrbegehren, der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreits aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ganz allgemein Dienstleistungen zu erbringen, die gemäß den §§ 2 bis 5 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind, insbesondere die gewerbsmäßige Vertretung von Parteien außerhalb der Befugnis gemäß § 136 Abs 3 GewO, wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 558,54 EUR (darin 97,59 EUR USt) bestimmten anteiligen Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.608,93 EUR (darin 268,16 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin wurde zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder errichtet (§ 145 Abs 1 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, WTBG). Ihr Wirkungsbereich umfasst unter anderem die Vertretung und Förderung von Interessen, Rechten und Angelegenheiten der Gesamtheit ihrer Mitglieder (§ 146 Abs 2 Z 1 WTBG). Ordentliche Mitglieder der Klägerin sind alle jene, die durch Bestellung oder Anerkennung zur selbstständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs berechtigt sind (§ 163 Abs 2 WTBG). Wirtschaftstreuhandberufe sind die freien Berufe des Wirtschaftsprüfers, des Buchprüfers, des Steuerberaters und des selbstständigen Buchhalters (§ 1 WTBG). Der Berechtigungsumfang dieser Berufe sowie die den zu ihrer Ausübung Berechtigten vorbehaltenen Tätigkeiten sind in den §§ 2 bis 5 WTBG geregelt.
Die Beklagte ist berechtigt, die Gewerbe der Unternehmensberatung gemäß § 136 GewO und des gewerblichen Buchhalters gemäß § 102 GewO auszuüben. Sie ist nicht Mitglied der Klägerin und verfügt über keine Berufsberechtigung für den Wirtschaftstreuhandberuf des Steuerberaters oder eines anderen in den §§ 2 bis 5 WTBG genannten Berufs. Der Berechtigungsumfang des gewerblichen Buchhalters gemäß § 102 Abs 1 GewO umfasst die pagatorische Buchhaltung (Geschäfts- oder Finanzbuchhaltung) einschließlich der Lohnverrechnung und der Erstellung von Saldenlisten für Betriebe im Rahmen der doppelten Wertgrenzen des § 125 BAO und der Einnahmen- Ausgabenrechnung iSd § 4 Abs 3 EStG. Zum Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen), ausgenommen im Rahmen der Einnahmen-Ausgabenrechnung sowie zur Vertretung vor Behörden, sind gewerbliche Buchhalter nicht berechtigt. Zur Abgrenzung von den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe, insbesondere von selbstständigen Buchhaltern, haben sich gewerbliche Buchhalter in der äußeren Bezeichnung und im geschäftlichen Verkehr als "gewerbliche Buchhalter" zu bezeichnen (§ 102 Abs 2 GewO).
Die Beklagte hat zumindest für einen Steuerpflichtigen bei einem Wiener Finanzamt einen Antrag auf Regelbesteuerung gestellt. Außerdem hat sie in einem weiteren Fall gegen einen Bescheid gemäß § 84 BAO, mit dem sie als Bevollmächtigte abgelehnt worden ist, Berufung an das Finanzamt erhoben. In diesem Rechtsmittel brachte sie vor, sie vertrete ihre Kunden vor der Finanzbehörde in Steuersachen und sei hiezu auch berechtigt.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreits im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu verbieten, solange sie nicht über die entsprechende Berechtigung verfügt, Dienstleistungen, die gemäß den §§ 2 bis 5 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind, insbesondere die gewerbsmäßige Vertretung von Personen außerhalb der Befugnis gemäß § 136 Abs 3 GewO, zu erbringen. Da die Beklagte nur über die Gewerbeberechtigungen "Unternehmensberatung" und "gewerblicher Buchhalter" verfüge, sei sie nicht berechtigt, ihre Mandanten vor Behörden in Form einer "umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung" zu vertreten; vielmehr handle es sich hierbei um eine Dienstleistung, deren Erbringung in den Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuhandberufe falle. Die Beklagte wendete ein, die Vertretung vor Behörden sei keine den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltene Tätigkeit. Gemäß § 136 Abs 3 GewO seien auch Unternehmensberater in einem bestimmten Ausmaß zur Parteienvertretung befugt. Da der Steuerpflichtige nach einem Antrag auf Regelbesteuerung gemäß § 6 Abs 3 UStG für die nächsten 5 Jahre an den Antrag gebunden sei, müsse anhand betriebswirtschaftlicher Überlegungen und Prognoserechnungen geprüft werden, welche Besteuerungsform günstiger sei. Ein Antrag auf Regelbesteuerung sei daher Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Beratung über die Vor- und Nachteile der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer. Eine derartige Beratung gehöre zu den typischen Leistungen eines Unternehmensberaters. Diejenige Vertretungshandlung, die unmittelbar Ausfluss dieser Beratung sei, sei von der Berechtigung nach § 136 Abs 3 GewO umfasst.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ihre Mandanten vor Behörden in Form einer "umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung" zu vertreten. Außenkontakte des Unternehmensberaters namens seines Auftraggebers würden nur solange den Rahmen der Gewerbebefugnis nicht überschreiten, als sie zur Erfüllung ihrer berufstypisch zu erbringenden Leistung erforderlich seien. Ein Antrag auf Regelbesteuerung sei für die Erfüllung der Leistung als Unternehmensberater nicht erforderlich, sondern deren Ergebnis, und daher von der Vertretungsbefugnis des § 136 Abs 3 GewO nicht umfasst. Durch das Ignorieren dieser Vorschrift und Umgehen der Bestellungsvoraussetzungen für Wirtschaftstreuhandberufe verschaffe sich die Beklagte einen Wettbewerbsvorteil vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern und verstoße daher gegen § 1 UWG.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe, dass es die Wendung "insbesondere im Abgabeverfahren" in das Unterlassungsgebot einfügte. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil es nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten gebe der Spruch nicht lediglich den Gesetzeswortlaut des § 136 Abs 3 GewO wieder, sondern es werde ihr konkret untersagt, in den Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuhandberufe einzugreifen, nämlich die den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltenen Vertretungsrechte auszuüben. Lediglich zur Verdeutlichung werde die Formulierung "insbesondere im Abgabeverfahren" in den Spruch aufgenommen. Die beanstandeten Vertretungshandlungen der Beklagten überstiegen den Umfang ihrer Berufsberechtigung und seien als den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltene Tätigkeiten zu sehen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht ein zu weites Unterlassungsgebot erlassen hat; das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.
Die Beklagte macht geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Umfang der Befugnisse der Unternehmensberater gemäß § 136 Abs 3 GewO.
1. Der Oberste Gerichtshof hat in der E 4 Ob 26/03g (= ZIK 2003, 170
= RdW 2003, 700) unter Berufung auf Vorentscheidungen (4 Ob 145/04d =
EvBl 2002/6 = RdW 2002/16; 4 Ob 265/99w = JBl 2000, 441 [Staudegger]
= RdW 2000, 208 = ecolex 2000, 107; 4 Ob 44/02b = ZIK 2002, 141 = wbl
2002, 422 = RdW 2002, 535 = ÖBl 2002, 270 - Unternehmensberater) zum
Berufsbild der Unternehmensberater festgehalten, dass deren Tätigkeit schon ihrem Wesen nach in einem Tätigwerden im Innenverhältnis (zum Auftraggeber) besteht und der Unternehmensberater typischerweise von seinem Auftraggeber weder Entscheidungsbefugnis noch die Ermächtigung erhält, die beschlossenen Problemlösungen (etwa als dessen bevollmächtigter Vertreter) nach außen durchzusetzen und für den Auftraggeber zu realisieren. Dies obliegt danach vielmehr dem Auftraggeber selbst, der sich dazu wiederum beauftragter Hilfspersonen (im Rahmen von deren Befugnissen) bedienen kann. Außenkontakte des Unternehmensberaters namens seines Auftraggebers bleiben demnach nur solange im Rahmen der Gewerbebefugnis, als sie zur Erfüllung der vom Unternehmensberater berufstypisch zu erbringenden Leistungen (Erarbeitung von Konzepten und Problemlösungen) erforderlich sind. Mit der Bestimmung des § 136 Abs 3 GewO wird nur die Ausnahme vom allgemeinen Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte und - was das Abgabeverfahren anlangt - auch der Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe zum Ausdruck gebracht. Damit ist klargestellt, dass der Gesetzgeber Unternehmensberatern keine umfassende berufsmäßige Parteienvertretung - etwa auch zur Vertretung in Abgabeverfahren - ermöglichen wollte (4 Ob 26/03g mwN). Die Abgabe von Erklärungen des Klienten gegenüber dem Finanzamt (hier: Antrag auf Regelbesteuerung), die sich als Ergebnis der Beratungstätigkeit der Beklagten als sinnvoll erweisen, fällt daher nicht in die oben beschriebene eingeschränkte Befugnis des Unternehmensberaters nach § 136 Abs 3 GewO. Die sich in dieser, der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsprechenden Auslegung ergebende Befugnis zur Parteienvertretung ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht verschwindend klein, sondern umfasst die im Zuge der Beratungstätigkeit und Konzepterstellung erforderlichen Handlungen gegenüber Behörden, etwa Auskunftsersuchen oder Akteneinsicht.
2. Eine in zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit kann nicht (neuerlich) in dritter Instanz geltend gemacht werden (stRsp; RIS-Justiz RS0042981).
3. Die Beklagte rügt aber das von der Klägerin beantragte und von den Vorinstanzen erlassene Unterlassungsgebot zutreffend als zu weit:
Die Klägerin hat ihr Begehren sehr allgemein und weit gefasst und durch einen Beispielsfall ("insbesondere") näher konkretisiert. Dies widerspricht den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung, wonach Gegenstand des Spruchs immer nur die konkrete Verletzungshandlung sein kann und auch bei einer allgemeineren Fassung des Unterlassungsgebots der Kern der Verletzungshandlung
selbst erfasst sein muss (4 Ob 22/91 = ÖBl 1991, 216 - brennendes
Zündholz; 4 Ob 66/92 = ÖBl 1992, 273 - Mercedes - Teyrowsky, jeweils
mwN). Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist zwar notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (4 Ob 204/00d = SZ 73/162 = ÖBl 2001, 78 - Zehn Millionen-Gewinnspiel uva; RIS-Justiz RS0037733); das Unterlassungsgebot hat sich aber immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren und darf nicht völlig unbestimmt sein (stRsp 4 Ob 384/87 = SZ 60/253 = ÖBl 1988, 38 - Reiseleiterprovision uva); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie ähnliche Fälle einzuschränken (MR 2001, 242 ua). Zu weit wäre ein Verbot jedenfalls dann, wenn es auch Handlungen erfasst, die nicht wettbewerbswidrig sind (4 Ob 174/02w = ÖBl 2003, 31 - BOSS - Zigaretten IV mwN uva).
Im Zusammenhang mit Zugabenverstößen unterscheidet der Oberste Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung zwischen Zugabenverstößen durch kostenlose Sachzugaben, durch Abgabe von Waren zu Scheinpreisen oder durch Eröffnung der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, weil es sich dabei um verschiedene Werbeformen handelt, bei denen die Verwirklichung des einen Tatbestands noch nicht die Befürchtung rechtfertigt, der Beklagte werde im Falle eines Verbots zu dessen Umgehung nunmehr auf andere Formen von Zugabenverstößen ausweichen. In diesen Fällen ist das Unterlassungsgebot jeweils auf die tatsächliche Tathandlung zu
beschränken (4 Ob 278/00m = ÖBl 2002, 23 - Riesengewinnspiel; 4 Ob
28/03a = ÖBl 2004, 29 - Lebensmittelzugaben mwN).
Gleiches muss auch hier gelten: Hat die Beklagte zwar durch eine bestimmte Handlungsweise in einen beruflichen Vorbehaltsbereich eingegriffen, in dem sie im Abgabeverfahren über den Umfang ihrer Berechtigung nach § 136 Abs 3 GewO hinaus als berufsmäßige Parteienvertreterin aufgetreten ist, rechtfertigt dies im Allgemeinen noch nicht die Befürchtung anderer Eingriffe durch andere Handlungsweisen. Das Unterlassungsgebot ist daher auf die - allgemein zu umschreibende - Tathandlung einzuschränken.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat den Sicherungsantrag zu weit gefasst; mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind Unterliegen und Obsiegen jeweils mit 50 % zu bewerten (4 Ob 124/02t = MR 2002, 325 - Format Money; 4 Ob 29/03y).
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