OGH 6Ob315/04y

OGH6Ob315/04y15.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Lazar L*****, und Milica L*****, hier vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirk 3, 1030 Wien, Sechskrügelgasse 11, als Unterhaltssachwalter, über dessen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. September 2004, GZ 48 R 335/04a-34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 22. Juli 2004, GZ 1 P 19/03g-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährigen und ihre Eltern sind Staatsangehörige von Serbien und Montenegro und haben ihnen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Der Vater ist zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 72,67 EUR (1.000 S) für Lazar und von 150 EUR für Milica verpflichtet. Am 9. 7. 2004 beantragte der Unterhaltssachwalter die Gewährung von monatlichen Unterhaltsvorschüssen in dieser Höhe nach §§ 3, 4 Z 1 UVG.

Das Erstgericht wies diese Anträge mangels Vorliegens der österreichischen Staatsbürgerschaft der Kinder (§ 2 Abs 1 UVG) ab. Eine grenzüberschreitende Situation sei nicht gegeben, sodass sich die Verordnung (EG) Nr 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, nicht zugunsten der Minderjährigen auswirke.

Das Rekursgericht bestätigte diesem vom Unterhaltssachwalter bekämpften Beschluss.

Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG seien zwar Familienleistungen im Sinn von Art 4 Abs 1 lit h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zuwandern und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ("Wanderarbeitnehmerverordnung"). Die Ausdehnung dieser Verordnung auf Drittstaatsangehörige durch die vom Erstgericht zitierte Verordnung komme aber hier nicht zum Tragen, weil sämtliche Beteiligte in einem einzigen Mitgliedsland, nämlich in Österreich, wohnten. Soweit im Rekurs dagegen eingewendet werde, hiedurch würden Drittstaatsangehörige, die von ihrem Heimatstaat direkt nach Österreich eingereist seien und hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt genommen hätten, gegenüber jenen benachteiligt, die über einen anderen EWR-Mitgliedsstaat nach Österreich gekommen seien, sei zunächst auf den ausdrücklichen Wortlaut des Art 1 der zitierten Verordnung zu verweisen. Unerheblich sei auch, ob EWR-Recht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 2 StGG und Art 7 BVG verstoßen würde, weil dieser nur für österreichische Staatsbürger und inländische juristische Personen gelte. Einen gewissen Diskriminierungsschutz unabhängig von der Staatsbürgerschaft ziehe zwar das BVG betreffen das Verbot rassistischer Diskriminierung (BGBl 1973/390) vor, aus dem der Verfassungsgerichtshof ableite, dass der Gleichheitssatz auch auf das Verhältnis der Ausländer untereinander ausgedehnt worden sei, sodass sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Regelungen für Staatsangehörige verschiedener Staaten verfassungswidrig seien. Jedoch werde der EU-Beitrittsvertrag (BGBl 1995/45) sowie der EWR-Vertrag (EWR-Abkommen, BGBl 1993/909 und das Anpassungsprotokoll zu EWR-Abkommen, BGBl 1993/910) von Lehre und Rechtsprechung als eine solche sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern angesehen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu dieser Rechtsfrage keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts ist zu verweisen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO). Die dieser zugrundeliegende Rechtsauffassung hat der Senat bereits in seinen gleichgelagerte Sachverhalte betreffenden Entscheidungen vom 21. 10. 2004, 6 Ob 151/04f, und vom 25. 11. 2004, 6 Ob 269/04h, gebilligt.

Eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischem UVG ist zwar eine Familienleistung im Sinn von Art 4 Abs 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zuwandern und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung. Daher haben die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnenden Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß deren Art 3 unter den selben Voraussetzungen wie Inländeranspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung (SZ 74/61). Serbien und Montenegro ist aber kein Mitgliedstaat, sodass diesem Staat angehörige Kinder, die in Österreich wohnen, gemäß § 2 Abs 1 UVG keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Aus Art 1 der im Antrag des Unterhaltssachwalters zitierten Verordnung lässt sich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Unterhaltssachwalters nichts gewinnen. Der letzte Halbsatz dieser Bestimmung ("... wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweise") bringt vielmehr zum Ausdruck, dass die Anwendung der Verordnung, wie in Punkt 12. ihrer Erwägungen unmissverständlich ausgeführt wird, eine Beziehung der Situation zur einem weiteren Mitgliedstaat voraussetzt, wenn der Anspruchsweber ein Drittstaatsangehöriger ist.

In Österreich findet diese Verordnung zudem nur auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die die Voraussetzungen des österreichischen Rechts für einen dauerhaften Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllen (Anhang II der Verordnung Nr 859/2003). Ob diesem (weiteren) Erfordernis entsprochen ist, ist hier nicht ausschlaggebend, weil mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit des Kindes ein reiner Inlandsbezug vorliegt. Die Kinder fallen daher auch nach Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Wanderarbeitnehmerverordnung nicht unter deren Bestimmungen. In den nicht vom Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung erfassten Fällen ist der nationale Gesetzgeber grundsätzlich frei, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft (4 Ob 260/02t; 10 Ob 60/03a). Nach dem hier daher allein zur Anwendung kommendem innerstaatlichen Recht hat das Kind keinen Anspruch auf Vorschüsse, weil es weder österreichischer Staatsangehöriger noch staatenlos ist (§ 2 Abs 1 UVG).

Soweit im Revisionsrekurs abermals mit dem Benachteiligungsverbot von Ausländern, die direkt nach Österreich einreisen, gegenüber jenen, die über einen anderen Mitgliedsstaat eingereist sind, argumentiert wird, ist auf die bereits vom Rekursgericht zutreffend dargelegte Rechtsprechung zu verweisen, dass sich der Gleichheitsgrundsatz nur auf österreichische Staatsbürger erstreckt (RIS-Justiz RS0053598) und eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern, die aus dem Beitritt zur Europäischen Staatengemeinschaft resultiert, sachlich gerechtfertigt ist (10 ObS 185/03h mwN).

Der antragsabweisende Beschluss des Rekursgerichts ist daher zu bestätigen.

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