OGH 6Ob269/04h

OGH6Ob269/04h25.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen Patrick H*****, hier vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirke 17, 18, 19, 1190 Wien, Gatterburggasse 14, als Unterhaltssachwalter, über dessen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. September 2004, GZ 43 R 452/04w-35, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 8. April 2004, GZ 32 P 47/04t-15, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Minderjährige und seine Mutter sind Staatsangehörige von Serbien und Montenegro. Thomas H*****, der die Vaterschaft zu dem Kind am 23. 3. 1999 anerkannt hat, ist österreichischer Staatsangehöriger. Mit Beschluss vom 13. 3. 2000 verpflichtete ihn das Bezirksgericht Döbling zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 188,95 EUR. Am 25. 2. 2004 beantragte der Unterhaltssachwalter die Gewährung eines monatlichen Unterhaltsvorschusses in dieser Höhe und verwies auf die Verordnung (EG) Nr 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen.

Das Kind trägt den Namen des Vaters aufgrund einvernehmlicher Bestimmung der Eltern.

Mit Beschluss vom 8. 4. 2004 gewährte das Erstgericht, dem die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN übertragen worden war, den begehrten Unterhaltsvorschuss gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 2. 2004 bis 31. 1. 2007.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien erhobenen Rekurs Folge und änderte den Beschluss im Sinn einer Antragsabweisung ab. Das Kind und seine Mutter hätten zwar ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sie seien jedoch nicht österreichische Staatsangehörige und auch nicht Bürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft, die wie Inländer zu behandeln wären. Die zitierte Verordnung (EG) Nr 859/2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen über Familienleistungen auf Drittstaatsangehörige wirke sich nicht zugunsten des Minderjährigen aus, weil diese Verordnung keine Anwendung in Situationen finde, die mit keinem Element über die Grenze eines einzigen Mitgliedstaats hinauswiesen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen - wie hier - ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweise. Die zitierte Verordnung finde Anwendung, wenn in einem Mitgliedstaat Ansprüche erworben worden wären, in einem anderen Mitgliedstaat aber aufgrund der Staatsbürgerschaft einem Drittstaatsangehörigen nicht gewährt würden. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu dieser Rechtsfrage keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts ist zu verweisen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO). Die dieser zugrundeliegende Rechtsauffassung hat der Senat bereits in seiner, einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden Entscheidung vom 21. 10. 2004, 6 Ob 151/04f, gebilligt und dort ausgeführt:

Eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG ist zwar eine Familienleistung im Sinn von Art 4 Abs 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung. Daher haben die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnenden Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß deren Art 3 unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung (SZ 74/61). Serbien und Montenegro ist aber kein Mitgliedstaat, sodass diesem Staat angehörige Kinder, die in Österreich wohnen, gemäß § 2 Abs 1 UVG keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Aus Art 1 der im Antrag des Unterhaltssachwalters zitierten Verordnung (EG) Nr 859/2003 lässt sich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Unterhaltssachwalters nichts gewinnen. Der letzte Halbsatz dieser Bestimmung ("... wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist") bringt vielmehr zum Ausdruck, dass die Anwendung der Verordnung, wie in Punkt 12. ihrer Erwägungen unmissverständlich ausgeführt wird, eine Beziehung der Situation zur einem weiteren Mitgliedstaat voraussetzt, wenn der Anspruchsweber ein Drittstaatsangehöriger ist.

In Österreich findet diese Verordnung zudem nur auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die die Voraussetzungen des österreichischen Rechts für einen dauerhaften Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllen (Anhang II der Verordnung Nr 859/2003). Ob diesem (weiteren) Erfordernis entsprochen ist, ist hier nicht ausschlaggebend, weil mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit des Kindes ein reiner Inlandsbezug vorliegt. Das Kind fällt daher auch nach Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Wanderarbeitnehmerverordnung nicht unter deren Bestimmungen. In den nicht vom Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung erfassten Fällen ist der nationale Gesetzgeber grundsätzlich frei, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft (4 Ob 260/02t; 10 Ob 60/03a). Nach dem hier daher allein zur Anwendung kommenden innerstaatlichen Recht hat das Kind keinen Anspruch auf Vorschüsse, weil es weder österreichischer Staatsangehöriger noch staatenlos ist (§ 2 Abs 1 UVG).

Der antragsabweisende Beschluss des Rekursgerichts ist daher zu bestätigen.

Stichworte