OGH 13Os135/04

OGH13Os135/041.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Manuel U***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 3. Mai 2004, GZ 33 Hv 23/04m-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Andreas M***** (zu I und II) und Manuel U***** (zu II und III) wurden des - teils in Form versuchter Bestimmung nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB begangenen - Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, (auch) dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie (jeweils zu IV) des Vergehens nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG schuldig erkannt.

Das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) lautet (wörtlich wiedergegeben) wie folgt:

Es haben in V*****, M*****, S***** und anderen Orten gewerbsmäßig (ausgenommen Fakten I.1 und 2.) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge aus- und eingeführt und anschließend durch Weitergabe in Verkehr gesetzt bzw zur Aus- und Einfuhr zu bestimmen versucht, wobei die in Punkt II. bezeichnete Tat in Bezug auf ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge ausmacht, begangen wurde, und zwar

I. Andreas M***** alleine

1. im Mai 2002 100 Gramm Marihuana aus der Schweiz nach Österreich eingeführt;

2. im Juli/August 2002 200 Gramm Marihuana aus der Schweiz nach Österreich eingeführt;

3. im September 2002 1.000 Gramm Cannabisharz aus der Schweiz nach Österreich eingeführt;

4. Ende Dezember 2002 2.500 Gramm Marihuana und 500 Gramm Cannabisharz aus der Schweiz nach Österreich eingeführt;

5. zwischen September 2002 und Ende Jänner 2003 in mehreren Angriffen

2.500 Gramm Canabisprodukte an David B***** weitergegeben;

6. zwischen September 2002 und Ende Jänner 2003 200 Gramm Cannabisprodukte an Thomas W***** weitergegeben;

7. zwischen Ende Dezember 2002 und Ende Jänner 2003 in mehreren Angriffen insgesamt 1.200 Gramm Cannabisprodukte an Manuel U***** weitergegeben;

8. zwischen September 2002 und Jänner 2003 500 Gramm Cannabisprodukte an Michael S***** weitergegeben;

9. zwischen September 2002 und Jänner 2003 300 Gramm Cannabisprodukte an Andreas F***** weitergegeben;

10. zwischen Dezember 2002 und Ende Jänner 2003 1.000 Gramm Cannabisprodukte an Martin St***** weitergegeben;

11. zwischen September 2002 und Anfang Februar 2003 1.000 Gramm Cannabisprodukte an Mathias D***** weitergegeben;

12. am 3. Februar 2003 100 Gramm Cannabisprodukte an Philipp De***** weitergegeben;

13. im Juni 2002 200 Gramm Cannabisprodukte an einen gewissen "Raffael" weitergegeben;

14. Ende Jänner 2003 500 Gramm Cannabisprodukte an David B***** weitergegeben, wobei es beim Versuch geblieben ist;

15. zwischen September 2002 und Ende Jänner 2003 unbekannte Mengen an unbekannt gebliebene Abnehmer weitergegeben;

16. zu einem unbekannten Zeitpunkt 100 Gramm Marihuana an Philipp P***** weitergegeben;

II. Andreas M***** und Manuel U***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken

1. am 31. Jänner 2003 8.000 Gramm Marihuana aus der Schweiz nach Österreich eingeführt;

2. zwischen Herbst 2002 und Ende Jänner 2003 versucht, den marokkanischen Staatsbürger Hassan Da***** zur Aus- und Einfuhr von 20 kg Cannabisharz aus Marokko nach Österreich zu bestimmen, indem sie mit dem Genannten vereinbarten, ihnen das Suchtgift nach Österreich zu schicken und diesem den Betrag von rund 15.000 Euro überwiesen/bezahlten;

III. Manuel U***** alleine

1. im Dezember 2002 100 Gramm Cannabisprodukte an einen gewissen "Florian" weitergegeben;

2. zwischen Dezember 2002 und Februar 2003 250 Gramm Cannabisprodukte an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer aus M***** weitergegeben;

3. nach dem 31. Jänner 2003 200 Gramm Cannabisprodukte an einen gewissen "Leonhard" weitergegeben;

4. bis Anfang Februar 2003 1.000 Gramm Cannabisprodukte an unbekannt gebliebene Abnehmer weitergegeben;

IV. Andreas M***** und Manuel U***** jeweils den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, nämlich Cannabisprodukte bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen.

Den Entscheidungsgründen ist die Feststellung zu entnehmen, das von den Angeklagten eingeführte und in Verkehr gesetzte Suchtgift habe einen Reinheitsgrad von zumindest 6 % aufgewiesen. Auch die 20 kg Cannabisharz, welche Hassan Da***** nach Österreich hätte senden sollen, hätten wenigstens eine derartige Konzentration aufweisen sollen. Der Vorsatz der Angeklagten habe sich "auf die festgestellten Mengen und Qualitäten" bezogen, und weiter: "Bereits im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit Da***** entschlossen sie sich und beabsichtigten dies auch, sich durch wiederholte Importe und anschließenden Handel mit großen Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen."

Rechtliche Beurteilung

Deutlich genug ging das Schöffengericht auch davon aus, dass der Wille (§ 5 Abs 1 StGB) der Angeklagten von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste. In rechtlicher Hinsicht ist den Entscheidungsgründen zu entnehmen, dass das Schöffengericht nur hinsichtlich der Aus- und Einfuhr vom Erreichen des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge ausging.

Demnach ist erkennbar, dass die irrige Zusammenfassung sämtlicher strafbarer Handlungen (nämlich jener nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG einerseits und jener nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG andererseits) zu einem einzigen - teils in Form versuchter Bestimmung nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB begangenen - Verbrechen nach "§ 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG" der Sache nach je einen Schuldspruch der beiden Angeklagten wegen des - teils in Form versuchter Bestimmung nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB begangenen - Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (hinsichtlich des Schmuggels von Suchtgift) und wegen mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG (wegen des Inverkehrsetzens) zum Ausdruck bringt.

Da Andreas M***** nach den Urteilsfeststellungen insgesamt 456 g THC, Manuel U***** insgesamt 93 g THC in Verkehr gesetzt hat und Tatobjekt des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG eine große Menge ist, also eine Suchtgiftmenge, die der Grenzmenge des betreffenden Suchtgiftes entspricht (RIS-Justiz RS0117463), wurden durch jeden der beiden Angeklagten, ausgehend von einer Grenzmenge von 20g beim Suchtgift THC, mehrere Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG begangen.

§ 28 Abs 2 SMG beinhaltet drei selbständige, untereinander nicht austauschbare Tatbilder, nämlich (erstens) das Erzeugen, (zweitens) die Aus- und Einfuhr sowie (drittens) das Inverkehrsetzen von Suchtgift (statt vieler zuletzt 15 Os 83/02 = SSt 64/47). Bei von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz werden so viele Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG begründet, wie oft die Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Gesamtmenge des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes enthalten ist. Zu einer Subsumtionseinheit nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG lassen sich nur gleichartige Verbrechen zusammenfassen, also solche desselben Tatbildes, wie etwa Inverkehrsetzen, nicht aber solche verschiedenen Tatbilder, wie etwa Aus- und Einfuhr einerseits und Inverkehrsetzen andererseits (13 Os 10/03, 13 Os 156/02, 15 Os 101/03, 15 Os 134/03, 14 Os 29/04 uva).

Neben diesen Klarstellungen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 521, 633 ff und - eingehend - RZ 2003, 194 [197 f]) bleibt anzumerken, dass - aus § 281 Abs 1 Z 3 (§ 260 Abs 1 Z 1) StPO ungerügt - in Hinsicht auf den Schuldspruch der beiden Angeklagten wegen (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG keinerlei Individualisierung nach Ort und Zeit erfolgt und die Erteilung einer Weisung im Urteil dem Gesetz fremd ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 5, 5a, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manuel U*****, welcher keine Berechtigung zukommt.

Ob der Angeklagte - zu II/2 - damit gerechnet hat, dass Hassan Da***** die bestellten 20 kg Cannabisharz auch tatsächlich senden werde, ist ebensowenig entscheidend wie die Frage, ob dieser jemals daran dachte, "tatsächlich auch nur die geringste Menge Suchtmittel nach Österreich zu übersenden", dazu in der Lage war oder gar nur betrügerisch Geld herausgelockt hat. Von einer untauglichen Bestimmungshandlung iS des § 15 Abs 3 StGB könnte nämlich auch unter den vom Beschwerdeführer behaupteten Umständen keine Rede sein. Ebensowenig entscheidend ist die genaue Menge des Suchtgiftes, zu dessen Übersendung Da***** veranlasst werden sollte, solange diese - angesichts der Zusammenrechnung mit der zu II/1 bezeichneten Menge von 480g reinem THC - zumindest 20g THC ausmachen sollte, würde doch bereits dadurch das teils in Form versuchter Bestimmung nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB begangene Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG begründet (Z 5 und 5a).

Da das Gericht nach § 267 StPO an die Anträge des Anklägers nur insoweit gebunden ist, als es den Angeklagten nicht einer Tat (zu den Begriffen "Tat" und "strafbare Handlung" s WK-StPO § 281 Rz 209) schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde, ist die Anklage durch Subsumtion des Aus- und Einfuhr erfassenden Anklagesachverhaltes (S 8 der Anklage: "grenzüberschreitender Handel mit Drogen") auch unter § 28 Abs 2 dritter Fall SMG nicht überschritten worden. Im Übrigen stellt § 28 Abs 2 SMG - wie oben dargelegt - hinsichtlich Aus- und Einfuhr ein alternatives Mischdelikt dar, sodass bereits die Benennung einer dieser Varianten auch die andere erfasst (WK-StPO § 281 Rz 513).

Die Untauglichkeit des zu II/2 genannten Versuchs behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) ergänzt schließlich in unzulässiger Weise die im Urteil getroffenen Feststellungen.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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