OGH 14Os29/04

OGH14Os29/0414.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard K***** wegen der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20. November 2003, GZ 31 Hv 68/03p-203, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Bernhard K***** und seines Verteidigers Mag. G***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

II. Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch a), demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und insoweit gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Bernhard K***** ist schuldig, er hat von Sommer 1999 bis April 2001 in Mondsee, Tamsweg und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider wiederholt Suchtgift anderen überlassen, indem er insgesamt mindestens 190 Stück Ecstasy-Tabletten an Johann P*****, Corina M*****, Martin M*****, Elke Z***** und Manuel R***** weitergab, und hiedurch die Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG begangen. Er wird hiefür sowie für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch b) weiterhin zu Last liegenden Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 19. April 2001, 18 Uhr 07, bis 20. April 2001, 20 Uhr 50, und vom 21. April 2001, 16 Uhr 03, bis 23. April 2001, 15 Uhr 55, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Bernhard K***** im zweiten Rechtsgang der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG schuldig erkannt. Danach hat er von Sommer 1999 bis April 2001 in Mondsee, Tamsweg und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwar

a) durch die wiederholte Weitergabe von insgesamt mindestens 190 Stück Ecstasy-Tabletten an Johann P*****, Corina M*****, Martin Mo*****, Elke Z***** und Manuel R*****;

b) durch die wiederholte Weitergabe von insgesamt mindestens 2,2 kg Cannabis-Harz bzw Cannabis-Kraut an Johann P*****, Walter H*****, Corina M*****, Tereza Z*****, Sabrina L*****, Florian F*****, Hannes W*****, Martin Mo*****, Jürgen He*****, Michael Fe*****, Manfred S*****, Manuel R***** und Erwin Kr*****.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht. Entgegen der Mängelrüge (Z 5) begründete das Erstgericht die - nach irriger Meinung der Beschwerde durch die im Rechtsmittel wiedergegebene Wortwahl (US 9: Insgesamt "erscheinen" daher die Angaben der Abnehmer nicht als glaubwürdig) keineswegs relativierte - Unglaubwürdigkeit der Mengenangaben der vom Angeklagten belieferten Konsumenten nicht damit, dass diese generell die Unwahrheit sagen. Vielmehr ging es - fallbezogen und mit den Denkgesetzen sowie mit grundlegenden Erfahrungssätzen nicht im Widerspruch stehend - davon aus, dass sich die Suchtgiftabnehmer bereits bei ihren vor der Sicherheitsbehörde ohne Wahrheitspflicht deponierten Verantwortungen als Verdächtige durch ein Geständnis im Umfang der von ihnen konkret übernommenen erheblichen Suchtgiftmengen selbst in Richtung einer Suchtgiftweitergabe hätten belasten können. Tatsächlich habe einer der Abnehmer (Florian F*****) im Hinblick darauf Kontakte zum Beschwerdeführer überhaupt geleugnet (US 8 f).

Dem weiteren (inhaltlich eine Aktenwidrigkeit behauptenden) Vorbringen zuwider stützte das Schöffengericht die Annahme, der Angeklagte habe sich bezüglich der von ihm zugestandenen Suchtgiftmengen mit den einzelnen Abnehmern abgesprochen (US 8), aktenkonform auf die Einlassung des Beschwerdeführers, der dies in der Hauptverhandlung ausdrücklich zugestanden hatte (S 660 f/IX). Die Feststellungen zum durchschnittlichen Reinheitsgehalt der von Bernhard K***** in Verkehr gesetzten Cannabis-Produkte begründeten die Tatrichter mit dem Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung des sichergestellten, aus der Hauptbezugsquelle des Angeklagten stammenden Cannabis-Krautes, das einen Reinheitsgehalt von 15 % THC aufwies, wobei sie - entgegen der Rechtsmittelbehauptung - auf die Qualität einer weiteren sichergestellten Menge Cannabis, welche aber von einem vom Beschwerdeführer nur ausnahmsweise aufgesuchten Dealer stammte (ON 77: 0,05 % und 12,5 % THC-Reinheitsgrad), ausdrücklich Bezug nahmen (US 11). Dass das erkennende Gericht dessen mindere Qualität seiner Berechnung nicht zugrunde legte, sondern vielmehr auf die THC-Konzentration des vom Hauptlieferanten des Nichtigkeitswerbers bezogenen (durchschnittliche Konzentration aufweisenden) Cannabiskrautes abstellte, solcherart auf eine annähernd gleiche Qualität des von ihm vertriebenen Cannabis-Harzes mit einem (als Durchschnittswert gerichtsnotorischen) Reinheitsgrad von 6 % THC schloss und in der Folge - zu seinen Gunsten - eine Durchschnittsqualität aller von ihm vertriebenen Cannabisprodukte von nur 10 % reinem THC annahm (US 12), widerspricht gleichfalls nicht den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen. Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) die angenommene Indizwirkung einer laufenden, Anfragen der Konsumenten jederzeit nachkommenden Suchtgiftweitergabe für einen von Anfang an bestehenden Vorsatz mit Additionseffekt im Sinne eines kontinuierlichen Inverkehrsetzens mehrfach großer Mengen Suchtgift (§ 28 Abs 6 SMG) in Frage stellt, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Im Übrigen übergeht die Beschwerde, soweit sie - im Widerspruch zu den vorangehenden Rechtsmittelausführungen - ausreichende Feststellungen zu einem solchen auf den Additionseffekt bezogenen Vorsatz vermisst, die entsprechenden Urteilskonstatierungen dazu (US 5, 11).

Die anschließende inhaltliche Kritik daran, dass vorsätzlich sukzessives Inverkehrsetzen kleiner Suchtgiftmengen, die dem Willen des Täter entsprechend insgesamt jedoch die nach § 28 Abs 6 SMG festgesetzte große Menge erreichen, als Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG zu beurteilen ist, entbehrt einer gesetzesgemäßen Beschwerdeausführung, fehlt doch dem Rechtsmittel eine Bezeichnung jener gesetzlichen Bestimmung, die nach Ansicht des Beschwerdeführers auf den konkreten Fall anzuwenden gewesen wäre.

Die Qualifikationsrüge bemängelt zwar zu Recht, dass ein Sachverhaltssubstrat für die Beurteilung des vom Schuldspruch a) erfassten Geschehens als der Ausführung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG unmittelbar vorangehende Tathandlung (§ 15 Abs 2 StGB) nicht festgestellt wurde. Sie behauptet aber bloß unsubstanziiert, dass "die festgestellte Tat ausschließlich unter § 28 Abs 2 vierter Fall SMG subsumierbar gewesen wäre". Damit führt der Beschwerdeführer den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt aus, zumal er prozessordnungswidrig offen lässt, welchem Tatbestand der konstatierte Sachverhalt zu unterstellen gewesen wäre bzw weshalb die Versuchsstrafbarkeit wegfallen sollte.

Die Strafbemessungsrüge (Z 11) geht wiederum nicht von den Urteilsannahmen aus, indem sie das als erschwerend gewertete Zusammentreffen von 12 Verbrechen bekämpft und auf Basis der (nicht prozessordnungsgemäß ausgeführten) Subsumtionsrüge eine bloß 11-fache Verbrechensverwirklichung behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen. Der aufgezeigte Mangel an Feststellungen zum Schuldspruch a) begründet aber den von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 StPO) Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die rechtsirrige Subsumtion als ein weiteres, zu den 11 vollendeten Verbrechen hinzutretendes versuchtes Verbrechen nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall SMG anstelle mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, weil dieser (wenn auch nur versuchte) Verbrechenstatbestand - wie hier klarstellend zu vermerken ist - erst bei einer durch den Additionseffekt (mengen- und vorsatzmäßig) qualifizierten Wiederholung dieser im einzelnen als Vergehen zu beurteilenden Straftaten verwirklicht werden kann:

Ob hinsichtlich eines in mehreren Teilen weitergegebenen Suchtgiftquantums, welches die große Menge noch nicht erreicht, ein oder mehrere Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster (oder siebenter) Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vorliegt, hängt davon ab, inwieweit der Täter seinen Entschluss, eine (insgesamt und im Hinblick auf die im Schuldspruch b) inkriminierten 11-fach vollendeten Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG abermals) große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (vgl 14 Os 166/03; 13 Os 10/03).

Dazu wird im Ersturteil lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte zumindest damit rechnete und sich damit abfand, durch die laufende Weitergabe kleiner Suchtgiftmengen insgesamt große Mengen in Verkehr zu setzen (US 5, 11). Nachdem das im Schuldspruch a) inkriminierte Suchtgift lediglich 52 % der nach der Suchtgift-Grenzmengen-VO festgesetzten Grenzmenge an MDMA umfasste (US 12), fehlen Urteilsannahmen, wonach ein Inverkehrsetzen weiterer Ecstasy-Tabletten unmittelbar bevorstand, die zusammen mit den bereits weitergegebenen 190 Stück eine große Menge iSd § 28 Abs 6 SMG iVm Anlage 4 der Suchtgift-Grenzmengen-VO erreichen. Derartige mit mängelfreier Begründung zu treffende Urteilsfeststellungen sind aber nach der Aktenlage auch im dritten Rechtsgang nicht zu erwarten, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, der Angeklagte habe vor seiner Verhaftung noch Zugriff auf zumindest weitere 176 Ecstasy-Tabletten (= ca 48% der Grenzmenge an MDMA) gehabt und die Weitergabe dieses auf die große Menge iSd § 28 Abs 6 SMG fehlenden Suchtgiftquantums an konkrete Abnehmer sei zeitlich unmittelbar bevorgestanden. Demgemäß war zwar das Urteil im Schuldspruch a) sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben, zugleich aber von einer Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung abzusehen (vgl Ratz in WK-StPO § 288 Rz 24) und in der Sache selbst zu Recht zu erkennen, dass Bernhard K***** durch die nunmehr im Schuldspruch a) bezeichneten Taten die Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG begangen hat.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe war das Zusammentreffen von 11 Verbrechen mit mehreren Vergehen als erschwerend zu berücksichtigen; mildernd waren hingegen der bisher ordentlicher Lebenswandel des Angeklagten und ein teilweises Geständnis. Der in der Berufung vorgebrachte Umstand, dass der Rechtsmittelwerber keine "harten" Drogen in Verkehr setzte, wird bereits durch das den inkriminierten Suchtgiften beigemessene individuelle Gefährdungspotenzial in der die Strafdrohung des § 28 Abs 2 SMG bestimmenden Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG iVm § 1 Suchtgift-Grenzmengen-VO) berücksichtigt, sodass dessen neuerliche mildernde Bewertung bei der Strafbemessung gegen das im § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot verstoßen würde (vgl 14 Os 134/03). Ungeachtet der rechtlichen Beurteilung der vom Schuldspruch a) erfassten Straftaten als bloße (allerdings mehrfach verwirklichte) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG und des Wegfalls des (vom Erstgericht nicht wahrgenommenen, auch in der Berufung nicht reklamierten) Milderungsumstandes, dass die Tat teilweise beim Versuch geblieben sei, entspricht unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) eine auch schon vom Tatgericht unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius ausgemessene Sanktion von neun Monaten dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters. Die bedingte Strafnachsicht war aus dem Ersturteil zu übernehmen. Die Vorhaftanrechnung gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das im ersten Rechtsgang gefällte Einziehungserkenntnis schon seinerzeit rechtskräftig wurde (ON 179 iVm ON 188).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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