OGH 1Ob280/03p

OGH1Ob280/03p23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christoph M*****, vertreten durch Dr. Stephan Petzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Martin G*****, und

2. Elisabeth G*****, beide vertreten durch Dr. Wilfrid Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen 6.104,52 EUR sA infolge Revision der beklagten Parteien (Revisionsstreitwert 3.052,26 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2003, GZ 36 R 324/02t-75, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 26. März 2002, GZ 4 C 860/93w-67, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagten ließen als jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft das Dachgeschoß des darauf errichteten Hauses ausbauen und zwei Wohnungen errichten. Sie beabsichtigten, eine dieser Wohnungen bzw die diese repräsentierenden Liegenschaftsanteile in Verbindung mit dem noch zu begründenden Wohnungseigentum zu veräußern. Der Kläger führte die Beklagten 1990 mit einem Kaufinteressenten zusammen, der letztlich als Vertreter einer Gesellschaft mbH einen Kaufvertrag abschloss, der 1993 verbüchert wurde. Bereits mit Schreiben vom 23. 11. 1990 hatten die Beklagten dem Kläger erklärt, die Beendigung jeglicher geschäftlichen Beziehung mit ihm zu wünschen. Der Kläger begehrte die Zahlung eines Honorars von 84.000 S (= 6.104,52 EUR) für seine rechtsfreundliche Vertretung und Beratung im Zuge des Verkaufs der oben genannten Wohnung. Bereits anlässlich einer Besprechung vom 13. 7. 1990 sei ein Pauschalhonorar in der Höhe von 70.000 S vereinbart worden. Der Kläger habe die von ihm zu erbringenden Leistungen erbracht.

Die Beklagten gestanden zu, mit dem Kläger für den Fall der ordnungsgemäßen Abwicklung des Vertrags ein Pauschalhonorar von 70.000 S vereinbart zu haben, wendeten aber ein, dass der Kläger keine Leistungen erbracht habe; der ihm erteilte Auftrag sei mit Schreiben vom 23. 11. 1990 widerrufen worden, und allfällige Teilleistungen seien für sie wertlos gewesen. Darüber hinaus habe er den Vertragsabschluss um mehr als zwei Jahre verzögert, weshalb ihnen einen Zinsenverlust von zumindest 300.000 S bzw Prozesskosten - im Rahmen von Rechtsstreiten, die mit der Wohnungskäuferin geführt worden seien - im Betrag von 278.038,40 S entstanden seien, welche Beträge der Klagsforderung aufrechnungsweise entgegengehalten wurden. Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 2.979,59 EUR (= 41.000

S) ebenso wie die Gegenforderung bis zur Höhe der - als zu Recht

bestehend erkannten - Klagsforderung als zu Recht bestehend fest und wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe lediglich einen Teil seiner Verpflichtungen erfüllt, weshalb ihm gemäß § 273 ZPO die Hälfte des geforderten und vereinbarten Pauschalbetrags zustünde. Er habe aber seine vertragliche Verpflichtung zur Vertragserrichtung verletzt, weshalb er den Beklagten für den daraus entstandenen Schaden hafte; die Gegenforderung sei demnach berechtigt. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Klagsforderung mit 3.052,26 EUR als zu Recht bestehend erachtete und aussprach, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht. Demgemäß erkannte es die Beklagten schuldig, dem Kläger 3.052,26 EUR samt 11 % Zinsen seit 1. 6. 1993 zu zahlen; das Zahlungsmehrbegehren wies es - unbekämpft - ab. Es sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz stellte nach Beweiswiederholung fest, der Kläger habe den Erstbeklagten Anfang 1990 kennengelernt; dieser habe sich bei der Verwertung des Dachbodens bzw einer dort zu errichtenden Wohnung beraten lassen. Es seien mehrere Beratungsgespräche geführt worden, wobei die Beklagten darüber aufgeklärt worden seien, dass für die Begründung von Wohnungseigentum die Parifizierung des Objekts sowie eine Reihe weiterer Unterlagen erforderlich seien. Zahlreiche Telefonate hätten stattgefunden. Der Kläger habe für eine Interessentin ein Anbot verfasst und sich - nach deren Absage - um weitere Interessenten für die Wohnung gekümmert. Nachdem ein weiterer Interessent aufgetreten sei, sei es jedenfalls zu einer Besprechung zwischen dem Kläger und den Beklagten sowie dem Wohnungsinteressenten gekommen und seien auch weitere Telefonate geführt worden. Die für die Parifizierung erforderlichen Unterlagen sollten ab Anfang September 1990 zur Verfügung stehen. Der Kläger habe auch erörtert, dass die Möglichkeit bestehe, mit geschätzten Anteilen "ins Grundbuch zu gehen". Es sei beabsichtigt gewesen, dass er den Kaufvertrag für die Dachbodenwohnung errichten, die Parifizierung der Gesamtliegenschaft und die Begründung von Wohnungseigentum durchführen sollte. Durch das mit den Beklagten vereinbarte Pauschalhonorar hätten die Leistungen des Klägers an die Beklagten im Zusammenhang mit der Verwertung der Dachbodenwohnung abgegolten werden sollen. Der Kläger habe mit Schreiben vom 18. 10. 1990 die vom Erstbeklagten zugesagte Aufteilung des Wohnungskaufpreises in Grund- und Errichtungskosten urgiert. Mit Schreiben vom 23. 11. 1990 sei dem Kläger von den Beklagten mitgeteilt worden, dass sie die Beendigung jeglicher Geschäftsbeziehung wünschten. Die Beklagten seien davon ausgegangen, dass der Kläger weder in ihrem Auftrag noch in ihrem Interesse weitere Leistungen erbringe, sondern in weiterer Folge ausschließlich für die Wohnungskäuferin tätig werde. Der genaue Umfang der vom Kläger bis zu diesem Schreiben erbrachten Leistungen könne nicht festgestellt werden; jedenfalls habe er aber nicht alle vom Pauschalhonorar umfassten Leistungen erbracht. Erst mit Schreiben vom 24. 1. 1991 habe der Erstbeklagte die von ihm zugesagte Aufteilung des Kaufpreises in Grund- und Errichtungskosten bekanntgegeben. Die Wohnungskäuferin sei von den Beklagten auf Räumung - wegen titelloser Benützung - geklagt worden bzw die Wohnungskäuferin habe die Beklagten auf Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrags geklagt, wobei dieser inhaltlich im Wesentlichen dem vom Kläger erarbeiteten Entwurf entsprochen habe. Nach mehreren Verhandlungstagsatzungen seien diese Verfahren durch Unterfertigung einer Punktation beendet worden, mit der sich die Wohnungskäuferin zur Zahlung einer Zinsenpauschale von 250.000 S und des Restkaufpreises verpflichtet habe. Die Überweisung des Restkaufpreises sei Anfang Februar 1993 erfolgt, der Kaufvertrag in der Folge durchgeführt worden. Die Beklagten hätten ihrer jeweiligen Rechtsvertretung in den beiden Vorprozessen knapp 228.000 S bezahlt. Die Zinsenpauschale von 250.000 S sei an die Beklagten überwiesen worden. Seit 1. 6. 1993 nehme der Kläger bei einem Bankinstitut einen Kredit in Anspruch, der mit zumindest 6.104,52 EUR aushafte und mit 11 % verzinst sei.

In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagten als Machtgeber dem Kläger als Gewalthaber einen seiner Bemühung angemessenen Teil des vereinbarten Pauschalhonorars zu leisten hätten. Unter Bedachtnahme auf die von ihm erbrachten Leistungen, die für die Beklagten keinesfalls wertlos gewesen seien, zumal sie ihnen den erforderlichen Wissensstand vermittelt hätten, sei gemäß § 273 Abs 1 ZPO die Hälfte des vereinbarten Pauschalhonorars angemessen. Die Gegenforderung der Beklagten bestehe nicht zu Recht, weil dem Kläger das Unterbleiben der Kaufvertragserrichtung nicht zum Vorwurf gemacht werden könne. Der Erstbeklagte habe die von ihm zugesagte Leistung - Vornahme einer Aufteilung des Kaufpreises in Gebäudeerrichtungs- und Grundkosten - erst im Jänner 1991 erbracht; zu diesem Zeitpunkt habe kein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen mehr bestanden, weshalb der Kläger auch nicht verpflichtet gewesen sei, den ursprünglich geplanten Vertrag zu verfassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Die Beklagten rügen die Feststellung, dass der Kläger seit 1. 6. 1993 bei einem Bankinstitut einen mit zumindest 6.104,52 EUR aushaftenden und mit 11 % verzinsten Kredit in Anspruch nehme, als aktenwidrig. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn für die bekämpften Tatsachenfeststellungen überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht, nicht aber dann, wenn sie - wie hier - erkennbar aus einer Urkunde (Beilage ./W) bzw durch Schlussfolgerung aus dieser Urkunde gewonnen werden. Erwägungen der Tatsacheninstanz, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen wird, fallen in das Gebiet der nicht revisiblen Beweiswürdigung. In Wahrheit bekämpfen die Revisionswerber insoweit unzulässiger Weise die Tatsachenfeststellungen bzw die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (3 Ob 103/01w; SZ 74/41; 2 Ob 258/99a; 4 Ob 529/95).

Soweit die Beklagten rügen, dass über dem gesetzlichen Zinssatz liegende Zinsen "nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 1333 ABGB zugesprochen werden" könnten, sind sie darauf zu verweisen, dass der geschädigte Kläger den durch § 1333 ABGB nicht begrenzten Verzugsschaden als Folgewirkung des Primärschadens schon dann geltend machen kann, wenn der Ersatzpflichtige infolge leichter Fahrlässigkeit des Schädigers für den positiven Schaden einzustehen hat (SZ 71/56). Die Vermutung, dass die Beklagten die zum Teil zu Recht bestehende Honorarforderung des Klägers zumindest leicht fahrlässig nicht beglichen haben (§ 1298 ABGB), haben sie nicht entkräftet, zumal sie in Kenntnis der von ihm erbrachten Leistungen und selbstredend auch in Kenntnis der getroffenen Honorarvereinbarung waren. Den in seinem Vermögen eingetretenen positiven Schaden (Zahlung von Kreditzinsen) hat der Kläger nachgewiesen. Inwieweit die Auslegung der Pauschalhonorarvereinbarung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen wäre, ist nicht nachvollziehbar. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit der Verwertung der Dachbodenwohnung durch das mit den Beklagten vereinbarte Pauschalhonorar abgegolten werden sollten (S 13 des Berufungsurteils), und es hat auch ausführliche Feststellungen über den Umfang der vom Kläger erbrachten Leistungen getroffen (S 9 bis 12 des Urteils des Gerichts zweiter Instanz); lediglich der genaue Umfang der vom Kläger erbrachten Leistungen war nicht feststellbar (S 15 des Berufungsurteils). Verträge eines Rechtsanwalts mit seinem Klienten unterliegen in aller Regel den Bestimmungen des ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag (4 Ob 129/97t uva); wurde bei Vereinbarung eines Pauschalhonorars infolge Widerrufs der Vollmacht nicht die ganze bedungene Arbeit geleistet bzw konnte sie nicht geleistet werden, steht dem Machthaber ein angemessener Teil des vereinbarten Honorars zu (§ 1020 ABGB; RZ 1969, 69; SZ 18/59). Bei der Schätzung des Umfangs der erbrachten Leistung iSd § 273 ZPO ist dem Berufungsgericht kein erkennbarer Fehler unterlaufen; ein solcher wäre nur dann aufzugreifen, wenn er gravierend wäre und an die Grenzen des Missbrauchs ginge (1 Ob 51/01h). Ob ein bestimmtes Vorbringen ausreichend ist, um Feststellungen darauf gründen zu können, ist stets im Einzelfall zu beurteilen (3 Ob 210/03h; 1 Ob 195/00h; 10 Ob 63/00p uva). Auch insoweit ist eine Fehlbeurteilung des Gerichts zweiter Instanz nicht zu erkennen.

Zur mangelnden Einvernahme eines Zeugen hat das Berufungsgericht klargelegt, dass keine Veranlassung zu dieser Vernehmung bestanden habe, weil einerseits die Umstände, zu deren Beweis der Zeuge geführt worden sei, unstrittig gewesen seien, und andererseits der Zeuge zu rechtlichen Qualifikationen hätte aussagen sollen, was aber nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sei (S 25 des Berufungsurteils). Dies stellt weder eine vorgreifende Beweiswürdigung dar, noch ist darin ein Verfahrensmangel gelegen, dessen Vorliegen im Übrigen vom Berufungsgericht bereits verneint wurde und der daher im Revisionsverfahren nicht neuerlich aufgegriffen werden kann, weil die für die Unterlassung der Einvernahme angegebenen Gründe keineswegs rechtlich unhaltbar oder durch die Aktenlage nicht gedeckt wären (5 Ob 136/02i; SZ 71/56; 8 Ob 4/97i uva).

Auch im Zusammenhang mit der Beurteilung der Gegenforderung der Beklagten ist keine erhebliche Rechtsfrage erkennbar, die das Revisionsgericht zu prüfen hätte. Die Beklagten legten keinen Wert mehr auf die - weitere - Erbringung der Leistung durch den Kläger, die ursprünglich vereinbart war und der Pauschalhonorarvereinbarung zugrundelag. Am 23. 11. 1990 erklärten sie, die Beendigung jeglicher geschäftlichen Beziehung mit dem Kläger zu wünschen (S 3 des Berufungsurteils). Dann hat aber der Kläger - wie schon zuvor ausgeführt - Anspruch auf den seinen Leistungen entsprechenden Teil des Honorars, der ihm schließlich auch von der Berufungsinstanz zuerkannt wurde. Im Gegensatz dazu können die Beklagten aus der Nichterbringung der vollständigen Leistung des Klägers weder einen Zinsenschaden noch eine sonstige Schadenersatzforderung ableiten, haben sie doch selbst die Erbringung der Leistung des Klägers ohne dessen Verschulden klar und deutlich abgelehnt.

Inwieweit die Käuferin der Wohnung letzten Endes die grundsätzlich von den Beklagten zu tragenden Kosten (Honorar des Klägers) übernehmen sollte, ist kein Verfahrensgegenstand. In diesem Rechtsstreit ist nur die Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger aufgrund der zwischen diesen Parteien getroffenen Pauschalhonorarvereinbarung zu prüfen.

Soweit die Beklagten ins Treffen führen, der Kläger habe ihnen durch seine Beratung nicht den erforderlichen Wissensstand vermittelt, entfernen sie sich unzulässiger Weise von den vom Gericht zweiter Instanz getroffenen Feststellungen.

Die Beklagten zeigen insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf; die Revision ist demnach zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen. Deshalb hat er die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).

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