OGH 2Ob258/99a

OGH2Ob258/99a21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch die Obfrau Sonja R*****, diese vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen S 80.000,‑ ‑ sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5. März 1999, GZ 4 R 58/99t‑22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25. September 1998, GZ 16 C 205/98f‑16, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00258.99A.1221.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision - über Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO - mangels "ausreichend abgesicherter" höchstgerichtlicher Judikatur zu Fragen des Reiserechts, insbesondere zur grundsätzlichen Zumutbarkeit von Abänderungen der Abflug- und Ankunftszeiten sowie der Flugrouten vor allem bei Charterflügen, sowie deshalb als zulässig angesehen, weil bei der Berufungsentscheidung "zumindest laut den Behauptungen" Aktenwidrigkeiten unterlaufen und im Berufungsverfahren gewisse Verfahrensverstöße begangen worden seien.

Die behaupteten Aktenwidrigkeiten und Verfahrensmängel liegen nicht vor. Obgleich diese Beurteilung nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedürfte, ist den Revisionsausführungen kurz zu erwidern:

Die Revision rügt die unrichtige Interpretation bestimmter Urkunden durch das Berufungsgericht. Dabei wird übersehen, dass eine Aktenwidrigkeit nur dann vorliegen könnte, wenn für die bekämpften Tatsachenfeststellungen überhaupt keine beweismäßige Grundlage bestünde, nicht aber dann, wenn sie - wie hier - durch Schlussfolgerungen gewonnen wurden (Kodek in Rechberger2 Rz 4 zu § 503 ZPO). Da das Erstgericht festgestellt hat, dass die Klägerin das "übersandte" (schriftliche) Anbot der beklagten Partei vom 3. 6. 1997 (Beilage ./A) angenommen hat und mittels Fax vom 15. 10. 1997 um 15.28 Uhr (Beilage ./K) vom Vertrag zurückgetreten ist (S 4 bzw 7 der Urteilsausfertigung), hat das Berufungsgericht, wenn es diese beiden Urkunden "interpretierte", seiner Beurteilung aber auch keine vom Ersturteil abweichenden (und daher aktenwidrigen - vgl Kodek aaO Rz 4 Abs 3 zu § 503 ZPO) Feststellungen zugrunde gelegt.

Unrichtig ist die Behauptung der Revisionswerberin, aus dem (von der Klägerin angenommenen) Anbot der Beklagten (Beilage ./A) ergebe sich "keinesfalls" eine Mindestteilnehmerzahl von 60, sondern nur die Garantie von zwei Freiplätzen bei mindestens 60 Teilnehmern (AS 225). Tatsächlich hat die Beklagte dort nämlich bereits im Zusammenhang mit den angebotenen Preisen eine Mindestteilnehmerzahl von 60 festgelegt, während die Freiplätze erst als letzter (achter) Punkt unter dem Titel "Leistungen" aufscheinen (Beilage ./A).

Die Revisionsausführungen zur Aktenwidrigkeit, die unter dem Titel Verfahrensmängel wiederholt werden, stellen daher den unzulässigen Versuch einer im Revisionsverfahren ausgeschlossenen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (Kodek aaO Rz 1 zu § 503 ZPO).

Was aber die offenbar auch von der Revisionswerberin als erheblich angesehene Rechtsfrage betrifft, ob die festgestellten Vertragsänderungen wesentlich und erheblich iSd § 31c Abs 2 KSchG sind, oder ob die angebotenen Alternativmöglichkeiten im Rahmen der Zumutbarkeit liegen, sodass der Klägerin ein Rücktrittsrecht nach der zitierten Bestimmung gar nicht zustand (Punkt 3 der Revision), ist der Beklagten folgendes zu erwidern:

Gemäß § 31c Abs 2 KSchG hat der Reisende die Wahl, die Vertragsänderung anzunehmen oder vom Vertrag zurückzutreten, ohne zur Zahlung einer Vertragsstrafe oder eine Reuegeldes verpflichtet zu sein, wenn der Veranstalter ‑ soweit ihm gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen dieses Recht geben - vor der Abreise wesentliche Bestandteile des Vertrages, etwa auch den Preis, erheblich ändert. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kann nicht zweifelhaft sein, das Art und Zeit der Beförderung, Fluggerät, Flugdauer und Zwischenstopps genauso wie die Unterkunft wesentliche Bestandteile des Vertrages sind (Apathy in Schwimann VI2 Rz 5 aE zu § 31c KSchG mwN). Die im Rahmen der Auslegung des konkreten Reisevertrages zu lösende Frage, ob die hier vorliegenden wesentlichen Vertragsänderungen (im Bereich der Flugzeit, des Abflug- und Ankunftsortes und der Zwischenstopps) auch als erheblich anzusehen waren, stellt aber eine Beurteilung des Einzelfalles dar, der keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt, weil eine offenkundige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht gegeben ist (RIS‑Justiz RS0042776; RS0042871; Kodek aaO Rz 3 zu § 502 ZPO): Wenn die Berufungsentscheidung - im Ergebnis - schon den Umstand, dass die Beklagte nicht einmal in der Lage war, die von ihr selbst festgelegte Mindestteilnehmerzahl von 60 Personen in der vereinbarten Weise von Klagenfurt nach Barcelona und retour zu befördern, als erhebliche Vertragsänderung beurteilt hat, ist darin nämlich jedenfalls keine krasse Verkennung der Rechtslage zu erblicken, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste.

In der Revision wird daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel ‑ ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte