OGH 1Ob102/04p

OGH1Ob102/04p23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Renate S*****, vertreten durch Dr. Ursula Schwarz, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wider den Antragsgegner DI Dr. Heribert S*****, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 10. März 2004, GZ 3 R 29/04b-30, womit der (Teil-)Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 29. Dezember 2003, GZ 1 C 32/02x-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 2.206,75 EUR (darin 367,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 15. 1. 2001 aus dem alleinigen Verschulden des Antragsgegners geschieden. Das Scheidungsurteil wurde den Vertretern der Parteien jeweils am 10. 4. 2001 zugestellt und lediglich im Verschuldensausspruch und im Kostenpunkt vom Antragsgegner angefochten.

Am 14. 1. 2002 begehrte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, wobei sie den Zuspruch einer Ausgleichszahlung von 203.721,01 EUR anstrebte. In diesem Antrag wies sie unter anderem darauf hin, eine bestimmte, in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft unterliege nicht der Aufteilung, weil sie der Antragstellerin von deren Mutter während aufrechter Ehe geschenkt worden sei und die während der Ehe vorgenommenen Investitionen auf diese Liegenschaft "keinen auszugleichenden Wert" mehr darstellten.

Der Antragsgegner wurde am 15. 4. 2002 vom Erstgericht aufgefordert, sich binnen drei Wochen zum Aufteilungsantrag zu äußern. Unter Hinweis auf außergerichtliche Vergleichsgespräche ersuchte er zweimal um Fristerstreckung, letztlich bis zum 15. 7. 2002. Am 25. 7. 2002 erstattete er einen Gegenvorschlag, in dem er die Liegenschaft, die die Antragstellerin als nicht der Aufteilung unterliegend angeführt hatte, in die Aufteilungsmasse einbezog, weil diese zumindest teilweise entgeltlich übergeben worden sei und er viel in diese Liegenschaft investiert habe; insgesamt stehe ihm eine Ausgleichszahlung von 150.000 EUR zu.

Das Erstgericht wies mit "Teilbeschluss" den Antrag des Antragsgegners, "das Haus H***** in K*****" (in der Folge: strittige Liegenschaft) in die Aufteilung einzubeziehen, als verspätet ab. Die Antragstellerin habe von zwischen dem Antragsgegner und ihrem Vater geführten Gesprächen, die auf eine außergerichtliche Bereinigung offener Fragen abgezielt hätten, nichts gewusst und sei damit auch nicht einverstanden gewesen. An einer Erledigung der Angelegenheit im Wege der Mediation habe kein Interesse bestanden. Der Antrag sei iSd § 95 EheG verfristet, zumal der Antragsgegner selbst zu dem Zeitpunkt, als die Antragstellerin Vergleichsgespräche dezidiert in Abrede gestellt habe, mit seinem Aufteilungsbegehren noch mehr als eineinhalb Monate zugewartet habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Die Fassung eines Teilbeschlusses sei aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig. Die Antragstellerin habe dezidiert in Abrede gestellt, dass die strittige Liegenschaft in die Aufteilungsmasse fiele. Eine Einbeziehung der Liegenschaft aus dem Grund, dass sie von der Antragstellerin genannt worden sei, komme demnach nicht in Frage. Die Antragstellerin habe keinen Verstoß gegen Treu und Glauben zu vertreten, denn es sei nicht aktenkundig, dass die Vertreterin der Antragstellerin bereits am 16. 5. 2002 gewusst habe, der Antragsgegner habe sich auf laufende Vergleichsverhandlungen berufen. Vergleichsverhandlungen, die die Antragstellerin zu vertreten hätte, hätten nicht stattgefunden, und der Antragsgegner habe zu lange zugewartet, nachdem der letzte Zweifel an der mangelnden Vergleichsbereitschaft seiner vormaligen Ehegattin beseitigt gewesen sei. Das Begehren des Antragsgegners auf Einbeziehung der strittigen Liegenschaft sei demnach verfristet. Es käme aber im Zuge der Aufteilung auch eine spätere Berücksichtigung der Liegenschaft nach Billigkeit nicht in Frage.

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass der erkennende Senat an seiner Rechtsansicht, es bestehe schon aus Gründen der Verfahrensökonomie für den Außerstreitrichter kein Hindernis, im nachehelichen Aufteilungsverfahren einen nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG und somit verspätet gestellten Gegenantrag des Antragsgegners, der nur bereits zufolge Fristablaufs erloschene Ansprüche zum Gegenstand hat, sofort abzuweisen (EvBl 2000/62), festhält. Eine solche Entscheidung stellt für die zu treffende Aufteilungsentscheidung keinen Teil-Zwischenbeschluss dar, der § 393 Abs 1 ZPO unterstellt werden könnte (EvBl 2000/62). Der Entscheidung 7 Ob 279/00f, in der ausgesprochen wurde, dass eine "Teil-Zwischenentscheidung" im Außerstreitverfahren - und damit auch im Aufteilungsverfahren - unzulässig sei und keine Bindungswirkung entfalte, lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde: Dort sprach das Erstgericht aus, ein bestimmter Bereicherungsanspruch sei in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen, wogegen im vorliegenden Fall und auch in der Entscheidung EvBl 2000/62 der Antrag über einen bereits erloschenen Anspruch sofort abgewiesen wurde. Der Entscheidung 6 Ob 89/02k ist lediglich zu entnehmen, dass nach ständiger Rechtsprechung im außerstreitigen Verfahren Zwischenentscheidungen "über den Grund des Anspruchs" iSd § 493 (gemeint: 393) Abs 1 ZPO unzulässig seien; derartige Beschlüsse berührten die Rechtssphäre der Parteien nicht. Diese Entscheidung geht auf den in EvBl 2000/62 abgehandelten Sonderfall nicht weiter ein, weshalb kein Anlass zu vertiefenden Ausführungen besteht, zumal auch die Parteien die Zulässigkeit einer Entscheidung wie der hier vorliegenden nicht in Zweifel ziehen. Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Nach herrschender Auffassung ist die Frist des § 95 EheG eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Fall-, Ausschluss- oder Präklusivfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt, ohne dass auch nur eine Naturalobligation bestehen bliebe. Diese Frist wurde vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf das Interesse an der ehesten Klärung der Vermögensverhältnisse der vormaligen Ehegatten, das nicht nur diese selbst, sondern auch dritte Personen an einer alsbaldigen Klarstellung der vermögensrechtlichen Verhältnisse haben, festgesetzt. Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen soll an sich auch hier jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, die sich sonst ergeben könnten, und zwingt so den Antragsteller, seinen Antrag noch zu einer Zeit geltend zu machen, in der beiden Ehegatten in der Regel die zur einwandfreien Klarstellung des Sachverhalts notwendigen Beweismittel und dergleichen noch zur Verfügung stehen. Möglichst rasch sollen demnach klare Verhältnisse über die Vermögenslage der vormaligen Ehegatten geschaffen werden (4 Ob 285/01t; SZ 74/70; EvBl 2000/62; SZ 73/45; JBl 2000, 252). Grundsätzlich wird die Aufteilungsmasse durch die bei Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG vorliegenden Parteienanträge bindend festgelegt; sie bestimmen den Verfahrensgegenstand quantitativ, also in Ansehung der der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile (JBl 2003, 54; 4 Ob 285/01t; 9 Ob 248/01p uva, Stabentheiner in Rummel, ABGB3, Rz 2 zu § 95 EheG; Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft8, Rz 180). Eine Präzisierung des Begehrens, nicht jedoch eine Ausdehnung ist nach Ablauf der materiellrechtlichen Fallfrist des § 95 EheG zulässig (9 Ob 248/01p; SZ 74/70; JBl 2000, 252). Die Frage, welchen Sachverhalt und welches Begehren ein Antrag enthält und wie ein solches insgesamt zu verstehen ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (9 Ob 248/01p; 10 Ob 222/00w). Nun hat die Antragstellerin in ihrem rechtzeitig eingebrachten Aufteilungsantrag ausdrücklich erklärt, die strittige Liegenschaft unterliege nicht der Aufteilung, und sie hat diese Ansicht auch begründet. Jedenfalls innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG hat der Antragsgegner keine Ausführungen, die darauf schließen ließen, die strittige Liegenschaft wäre in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, erstattet. Soweit die Vorinstanzen die Ansicht vertraten, die strittige Liegenschaft sei vor Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG von beiden Parteien nicht in die Aufteilungsmasse einbezogen worden, ist ihnen daher kein Rechtsirrtum anzulasten, sie hielten sich vielmehr im Rahmen der von der Judikatur entwickelten und oben dargestellte Grundsätze des Aufteilungsverfahrens (vgl 4 Ob 285/01t; SZ 74/70; mit nahezu identischem Sachverhalt 10 Ob 222/00w).

Die durch den Ablauf der Präklusivfrist begünstigte Antragstellerin müsste die Ausübung des Rechts des Antragsgegners auch nach verstrichener Frist nur dann noch zulassen oder das bereits erloschene Recht als bestehend hinnehmen, wenn die Berufung auf diese Ausschlussfrist wieder Treu und Glauben verstieße. Dazu wäre aber ein Verhalten der Antragstellerin, durch das der Antragsgegner veranlasst wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen, erforderlich (4 Ob 285/01t; EvBl 2000/62; Stabentheiner aaO, Rz 4 zu § 95 EheG). Von einem derartigen Verstoß der Antragstellerin kann keine Rede sein. Sie hat bereits im Aufteilungsantrag ausdrücklich dargelegt, ihrer Ansicht nach unterliege die strittige Liegenschaft nicht der Aufteilung. Sie hat Vergleichsgespräche stets abgelehnt und ihrem Vater sogar ausdrücklich verboten, mit dem Antragsgegner zu verhandeln (S 6 der erstinstanzlichen Entscheidung). Mit der Behauptung, die Antragstellerin habe durch die Entgegennahme der Fristerstreckungsanträge des Antragsgegners davon informiert sein müssen, dass dieser seinerseits die Führung von Vergleichsgesprächen behaupte, entfernt er sich von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Gerichts zweiter Instanz, der Vertreterin der Antragstellerin seien die Fristerstreckungsanträge selbst nicht, sondern lediglich die darüber absprechenden Beschlüsse, zugestellt worden und diese keine Begründung für die Fristerstreckung enthalten hätten; es sei daher nicht aktenkundig, dass die Vertreterin der Antragstellerin - und diese hätten selbst - bereits am 16. 5. 2002 gewusst, der Antragsgegner berufe sich auf laufende Vergleichsverhandlungen (S 5 der Entscheidung des Rekursgerichts). Im Übrigen hätte auch die allfällige Information über die Behauptung von Vergleichsgesprächen bei der Antragstellerin keinesfalls die Verpflichtung ausgelöst, plötzlich eine (weitere) Behauptung über die strittige Liegenschaft aufzustellen, denn über diese hatte sie schon ein eindeutiges Vorbringen, dem der Antragsgegner auch gar nicht entgegengetreten war, erstattet.

Aus den Feststellungen ergibt sich auch eindeutig, dass keine Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien geführt wurden, jedenfalls aber nicht solche, die der Antragstellerin in irgendeiner Form zuzurechnen wären. Wenn also auch die allgemeine Verjährungsbestimmung des § 1497 ABGB auf die Präklusivfrist des § 95 EheG analog anzuwenden ist (7 Ob 325/01x; SZ 73/45; Deixler-Hübner aaO), so trat doch hier eine Unterbrechung der Frist nicht ein, weil keine vom Willen der Antragstellerin getragenen außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen stattgefunden haben.

Es ist für die hier zu treffende Entscheidung nicht von Bedeutung, ob die strittige Liegenschaft im Rahmen der gerichtlichen Billigkeitsentscheidung "mitberücksichtigt" werden muss, weil der erkennende Senat nur darüber zu befinden hat, ob die Einbeziehung der strittigen Liegenschaft ins Aufteilungsverfahren zu erfolgen hat. Dennoch ist klarzustellen, dass auch zu der vom Rekursgericht aufgezeigten, seiner Meinung nach bedeutsamen Rechtsfrage der "späteren Berücksichtigung nach Billigkeit" Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliegt, die die deren eingeschränkte Mitberücksichtigung bei der Billigkeitsentscheidung gestatten (siehe hiezu EvBl 2000/62; JBl 2000, 252).

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG wurde nicht aufgezeigt und liegt auch nicht vor, weshalb der Revisionsrekurs des Antragsgegners zurückzuweisen ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Es entspricht der Billigkeit, ihr die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzuerkennen, zumal sie im Zwischenstreit über die allfällige Einbeziehung der strittigen Liegenschaft zur Gänze obsiegt hat.

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