OGH 5Ob51/04t

OGH5Ob51/04t14.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Biel & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, unter Nebenintervention auf Seite der beklagten Partei Firma Ing. Werner F*****, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 19.208,12 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 7. Juli 2003, GZ 15 R 276/02x-71, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 19. September 2002, GZ 22 Cg 280/97a-63, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.063,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 177,30 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zuzulassen sei, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung die Kriterien für die Gehilfenzurechnung auf Seiten des geschädigten Werkbestellers noch nicht ausreichend geklärt seien; konkret fehlten zur Beurteilung, wann sich ein Bauherr Fehler anderer Unternehmer analog § 1313a ABGB zurechnen lassen müsse, eindeutige Abgrenzungskriterien.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass vom beklagten Verein eine in sich geschlossene technische Leistung, nämlich die Errichtung einer Flutlichtanlage in verschiedene Einzelaufträge geteilt wurde, wodurch sich zwischen den Leistungen der verschiedenen Professionisten Schnittstellen ergaben und der Beklagte als Bauherr es übernommen hatte, diese Schnittstellen zu koordinieren. Jene Mängel und Probleme, die letztendlich zum Schaden (Umstürzen eines Mastens der Flutlichtanlage) führten, ergaben sich gerade in der Schnittstelle der verschiedenen Leistungen, nämlich bei der Montage des von der Klägerin gelieferten Mastes. Die Klägerin lieferte die Flutlichtmasten und erstellte fehlerhafte statische Unterlagen für die Herstellung des Fundaments, weil darin Vorgaben über die Ausführung der Befestigung des Mastes an Ankerschrauben (unter der Bodenplatte des Stahlmastes wären Kontermuttern aufzubringen gewesen) fehlten. Fest steht die Höhe des dem Beklagten entstandenen Schadens; die Quoten der Beteiligten beim Zusammenwirken für die Schadensursache sind unbestritten. Dem Beklagten wurde dabei als Gehilfenhaftung die Tätigkeit der von ihm selbst bei der Montage beigestellten Arbeiter zugerechnet.

Die Handlungen der übrigen Professionisten wurden dem Beklagten nicht zugerechnet, weil sie von ihm nicht zur Erfüllung vertraglicher Obliegenheiten gegenüber der Klägerin eingesetzt worden seien.

In Frage steht die Zurechnung (vertraglichen) Verschuldens des Baumeisters P*****, der die Fundamente errichtet hatte, des Dipl. Ing. F*****, der die Statik für die Fundamente erstellt hatte und des Nebenintervenienten, der die Masten an Ort und Stelle zusammengebaut, aufgestellt und bei der Befestigung mitgewirkt hatte. Dazu ist folgendes zu erwägen:

Seit der Entscheidung 4 Ob 283/98s (= ecolex 1999/155 [mit Anm Spunda] = RdW 1999, 2000) entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich ein Werkbesteller nicht jedes mitwirkende Verschulden einer von ihm beigezogenen Person anrechnen lassen muss, sondern ein anzurechnendes Mitverschulden nur dann in Betracht kommt, wenn dieser sachverständige Gehilfe Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (vgl RIS-Justiz RS0021766; insbesondere 3 Ob 293/00k; 3 Ob 34/02z jeweils mwN). Es wäre bei Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Schädiger und Geschädigten bei der Zurechnung von Gehilfenverhalten (vgl Karollus, Gleichbehandlung ÖJZ 1994, 257 ff; Koziol, Haftpflichtrecht I 3 Rz 12/64 mwN; Dullinger, Mitverschulden von Gehilfen in JBl 1990, 20 ff) nicht zu rechtfertigen, dass der Werkbesteller durch das Einschalten von Gehilfen besser oder schlechter gestellt würde, als wenn er selbst handelte (vgl auch ecolex 1999/155). Es wäre aber eine Schlechterstellung des Bestellers, müsste er sich uneingeschränkt Fehler weiterer von ihm beigezogener Personen zurechnen lassen, obwohl deren Verschulden einen Bereich betrifft, für den ihm dem Werkunternehmer gegenüber keine Verantwortung trifft.

Im Rahmen des § 1304 ABGB ist bei Beurteilung der Frage, wer als "Bewahrungsgehilfe" dem Geschädigten zurechenbar ist (und damit den Schädiger entlastet) jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Betreffende mit Willen des Geschädigten zumindest partiell die Gewahrsame über dessen Rechtsgut ausgeübt oder sich der Geschädigte seiner zur Wahrnehmung seiner vertraglichen Obliegenheiten gegenüber dem Schädiger bedient hat (RIS-Justiz RS0026815; RS0111710; RS0021766).

Die Beurteilung dieser von der Rechtsprechung in Anschluss an die Lehre (vgl oben) entwickelten Kriterien bedarf einer Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls. Nur wenn dabei tragende Grundsätze dieser dargestellten Zurechnungskriterien verletzt werden, ist die Frage revisibel.

Wenn das Berufungsgericht beim vorliegenden Sachverhalt von mehreren für den Schaden kausalen Tätern ausgegangen ist, die von einander unabhängig als Nebentäter handelten, und ein Mitverschulden des Geschädigten bejaht, aber eine weitere Gehilfenzurechnung auf Seite des Geschädigten abgelehnt hat, findet es sich durchaus im Einklang mit den dargestellten Judikaturgrundsätzen.

Im Übrigen entspricht es gesicherter Rechtsprechung, dass dann, wenn der Geschädigte nur einen von mehreren Nebentätern belangt, eine Gesamtabwägung, deren quotenmäßiges Ergebnis im späteren Verfahren gegen andere Nebentäter nicht bindend wäre, zu unterbleiben hat. Die Schadenersatzpflicht wird einem solchen Fall allein nach dem Grundsatz der Einzelabwägung bemessen. Der gesondert in Anspruch genommene Schädiger haftet dem Geschädigten in jenem Ausmaß, indem er haften würde, wenn er allein gehaftet hätte (RIS-Justiz RS0017470 insbesondere 2 Ob 221/97g; 6 Ob 2144/96d mwN); seine Quote (hier unstrittig 10 %) ist mit der Mitverschuldensquote des Geschädigten (hier 30 %) ins Verhältnis zu setzen. Es ist unzutreffend, dass eine solche Haftungsermittlung von der Rechtsprechung ausschließlich in EKHG-Fällen vorgenommen worden wäre, wie die beiden zuletzt zitierten Entscheidungen belegen. Es ist daher die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Parteien im Verhältnis 1:3 am Schadenseintritt mitgewirkt und somit der Beklagte von der Klägerin den Ersatz eines Viertels des Schadens verlangen kann, den er der Werklohnforderung des Klägers als Gegenforderung entgegensetzen kann.

Insgesamt erweist sich damit das Rechtsmittel der klagenden Partei als unzulässig. Es bedurfte der Klärung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit hingewiesen.

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