OGH 8ObA4/04b

OGH8ObA4/04b29.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika S*****, vertreten durch Gabler & Gibel, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Korn & Frauenberger Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Entlassungsanfechtung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Oktober 2003, GZ 7 Ra 133/03k-62, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Mai 2003, GZ 14 Cga 112/01v-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.833,30 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 305,55 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Ab 1983 war die 1956 geborene Klägerin bei der "M*****" als Mitarbeiterin der wöchentlichen TV-Beilage von K*****-Zeitung und K***** tätig. Sie arbeitete sehr selbständig als "Schaltstelle" zwischen Textverfasser, Grafik und Layout und war für die Bildbeschaffung zuständig. Sie bearbeitete die Bilder jedoch nicht selbst und verfasste auch keine Texte. Die Klägerin konnte regelmäßig eine Fünftagewoche einhalten und hatte das Wochenende frei. Im Zusammenhang mit der Auslagerung der Beilagenproduktion wurde die Klägerin mit Schreiben vom 13. 3. 2001 zum 30. 9. 2001 gekündigt. Die Beurteilung der Sozialwidrigkeit dieser Kündigung ist Gegenstand des - bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens unterbrochenen - Kündigungsanfechtungsverfahrens zu 17 Cga 68/01w des Erstgerichtes.

Die beklagte Partei bot der Klägerin mit Schreiben vom 7. 4. 2001 ab September 2001 eine Stelle im Redaktionssekretariat der Lokalredaktion an. Es handelte sich um den Arbeitsplatz einer Redaktionssekretärin mit regelmäßigen Wochenenddiensten und üblicherweise nur einem freien Wochenende im Monat. Typische Sekretariatsarbeiten sind das Ablegen der Tageszeitungen, Kontrollieren der hereinkommenden Nachrichten, Archivierung von Bildern, Suchen nach Bildern, Telefonarbeit und Terminvereinbarungen sowie kleinere Recherchearbeiten. Der zuständige Betriebsrat stimmte der Versetzung der Klägerin - unter Wahrung ihrer bisherigen Einkommensverhältnisse - zu. Die Klägerin, die auf die gemeinsame Freizeit am Wochenende mit ihrem Lebensgefährten, der wochentags lange arbeitet, großen Wert legt und in ihrem Wohnsitz in Z***** einen "Gnadenhof" betreibt, um Pferde vor dem Schlachten zu retten, ist nicht bereit, einen Arbeitsplatz anzunehmen, an dem sie regelmäßig auch am Wochenende arbeiten müsste.

Mit Schreiben der beklagten Partei vom 19. 6. 2001 wurde die Klägerin entlassen, weil die beklagte Partei unrichtigerweise davon ausgegangen war, dass die Klägerin einen Krankenstand vortäusche.

Es ist bei der Klägerin nicht damit zu rechnen, dass sie in einem Zeitraum von einem Jahr (ab der erfolgten Entlassung im Juni 2001) einen annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz mit Gehaltseinbußen von weniger als 25 % und einer Berufsposition und Arbeitsbedingungen vergleichbar ihrer Tätigkeit bei der beklagten Partei erlangen kann.

Die Klägerin begehrt - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - die Rechtsunwirksamerklärung der mit Schreiben vom 19. 6. 2001 ausgesprochenen Entlassung. Einen Entlassungsgrund habe sie nicht gesetzt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei sozialwidrig. Der in "Scheinverhandlungen" in Aussicht gestellte neue Arbeitsplatz sei nur aus rein prozesstaktischen Überlegungen angeboten worden; selbst wenn man von einem ernst gemeinten Anbot der beklagten Partei ausgehen würde, sei das Anbot im Hinblick auf nachteilige Änderungen der Arbeitszeiten und im Hinblick darauf unzumutbar, dass die bisherige kreative eigenverantwortliche Tätigkeit der Klägerin durch eine Tätigkeit im Sekretariatsbereich ersetzt werden solle. Die beklagte Partei sei ihrer sozialen Gestaltungspflicht nicht nachgekommen.

Die beklagte Partei, die im Zuge des Verfahrens ausdrücklich zugestand, dass keine berechtigte Entlassung der Klägerin erfolgt sei, weshalb auch eine Endabrechnung zum Kündigungszeitpunkt 30. 9. 2001 vorgenommen wurde, wendet zusammengefasst ein, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses nicht sozialwidrig sei, weil der Klägerin ein adäquater Erstzarbeitsplatz zu den bisherigen finanziellen Konditionen angeboten worden sei. Die "Unlustgefühle" der Klägerin im Hinblick auf die notwendige Verrichtung von Spät- und Wochenenddiensten könne Sozialwidrigkeit nicht begründen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin sei jedenfalls betriebsbedingt erfolgt, da sich die beklagte Partei entschlossen habe, die Herstellung jener TV-Beilage, bei welcher die Klägerin mitgearbeitet habe, auszulagern und in Deutschland durchführen zu lassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen erachtete es, nicht feststellen zu können, dass zum Zeitpunkt der Kündigung oder Entlassung der Klägerin im Konzernbereich der beklagten Partei dem früheren Arbeitsplatz der Klägerin vergleichbare Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden seien, um sie der Klägerin anbieten zu können. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Sozialwidrigkeit der Beendigungserklärung vom 19. 6. 2001 zwar zu bejahen sei, weil der der Klägerin angebotene Ersatzarbeitsplatz nicht der früheren langjährigen Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf den Inhalt der übertragenen Aufgaben und im Hinblick auf die zeitliche Lagerung der Arbeitszeiten entsprochen habe. Allerdings sei die Betriebsbedingtheit der Beendigungserklärung erwiesen, weil die beklagte Partei ihrer sozialen Gestaltungspflicht ausreichend nachgekommen sei. Ein der bisherigen Tätigkeit der Klägerin entsprechender Arbeitsplatz stünde nicht zur Verfügung. Die Beklagte habe aber die nächstliegende Möglichkeit genützt, um der Klägerin eine frei gewordene Stelle anzubieten.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Sozialwidrigkeit eine andere Rechtsansicht als das Erstgericht vertrete und weil der Frage des Umfangs der Gestaltungspflicht eine über diesen Fall hinausreichende Bedeutung für andere Arbeitnehmer der beklagten Partei zukommen könne. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass die Klage schon mangels Sozialwidrigkeit abzuweisen sei. Die Klägerin habe sich geweigert, den ihr angebotenen Ersatzarbeitsplatz in der Lokalredaktion anzunehmen. Diese Stelle wäre mit keiner Gehaltsverminderung verbunden gewesen. Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf die Arbeitszeiten sei nach objektiver Sicht nicht als wesentliche Interessenbeeinträchtigung zu werten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Dass das Berufungsgericht die Sozialwidrigkeit der Beendigungserklärung der beklagten Partei zum Unterschied vom Erstgericht verneinte, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage. Die Frage des Umfanges der die beklagte Partei treffenden sozialen Gestaltungspflicht bedarf hier keiner Beantwortung:

Gegenstand dieses Verfahrens ist nur die behauptete Sozialwidrigkeit der Beendigungserklärung vom 19. 6. 2001, nicht aber die Anfechtung der Kündigung vom 13. 3. 2001, die Gegenstand des unterbrochenen Verfahrens 17 Cga 68/01w des Erstgerichtes ist. Die Revisionsausführungen lassen außer Acht, dass der Klägerin hier - zum Unterschied von der Entscheidung 8 ObA 25/03i - nicht während der Kündigungsfrist bezogen auf die Beendigungserklärung vom 19. 6. 2001 ein Ersatzarbeitsplatz angeboten wurde, sondern vor dieser Beendigungserklärung, nämlich am 10. 4. 2001. Für die vorerst vorzunehmende (RIS-Justiz RS0051640) Prüfung, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des betroffenen Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, ist auf den Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Konkretisierungszeitpunkt) abzustellen (DRdA 1994/29 [Eypeltauer]; SZ 65/43; RIS-Justiz RS0051772; zuletzt 8 ObA 25/03i).

Die auf die festgestellten Umstände des Einzelfalls abgestellte Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der angebotene Ersatzarbeitsplatz - mit welchem keine Gehaltsreduktion verbunden gewesen wäre - auch im Hinblick auf die Änderung der Arbeitszeiten und der Änderung des Inhaltes der Tätigkeit nicht unzumutbar war, hält sich im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl RIS-Justiz RS0051753; 9 ObA 79/91; siehe auch 8 ObA 342/99y; 9 ObA 8/03x) . In der Verneinung der Sozialwidrigkeit der Beendigungserklärung vom 19. 6. 2001 mit der Begründung, dass der Klägerin die Annahme des angebotenen Ersatzarbeitsplatzes zumutbar gewesen sei, ist daher eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu erblicken. Die Behauptung der Klägerin, bei dem angebotenen Ersatzarbeitsplatz habe es sich um ein "Scheinanbot" der beklagten Partei gehandelt, hat sich nicht erwiesen.

Verletzt aber die Beendigungserklärung der beklagten Partei vom 19. 6. 2001 die Interessen der Klägerin nicht wesentlich, kommt es auf die Frage der Betriebsbedingtheit der Kündigung und die damit im Zusammenhang stehende Frage, ob die beklagte Partei ihrer sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, nicht mehr an

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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