OGH 9ObA79/91

OGH9ObA79/9124.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Klaus Hajek und Dr. Carl Hennrich als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** R*****, R*****a*****, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt in *****, wegen Feststellung des aufrechten Weiterbestehens des Dienstverhältnisses (Streitwert S 15.000,-), in eventu wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 1990, GZ 5 Ra 166/90-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Juni 1990, GZ 34 Cga 149/89-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 2.718,-

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 453,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 12. 2. 1979 (mit einer Unterbrechnung durch ihren Karenzurlaub vom 10. 6. 1988 bis 14. 4. 1989) bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt im Bereich der Landesstelle ***** als Reinigungskraft beschäftigt. Ihr letzter monatlicher Bruttolohn betrug rund S 12.000,-. Mit Schreiben vom 23. 11. 1989, das der Klägerin am 27. 11. 1989 ausgehändigt wurde, hat die Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. 12. 1989 aufgekündigt.

Die Klägerin begehrt primär die Feststellung, daß die Kündigung gemäß § 105 Abs 2 ArbVG rechtsunwirksam sei und das Dienstverhältnis über den 31. 12. 1989 hinaus weiterbestehe; hilfsweise begehrt sie den Ausspruch, daß die Kündigung gemäß § 20 der Dienstordnung (gemeint: Dienstordnung C für die Arbeiter bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs = DO.C) unzulässig sei und, wiederum hilfsweise, daß die Kündigung sozialwidrig und damit rechtsunwirksam sei und das Dienstverhältnis über den 31. 12. 1989 hinaus weiterbestehe.

Zwischen der Verständigung des Betriebsrats und dem Aussprechen der Kündigung sei die Fünftagefrist des § 105 Abs 1 ArbVG nicht eingehalten worden. Die Klägerin sei gemäß § 20 Abs 1 Z 4 DO.C unkündbar, weil ihr die Beklagte die Zeit ihres Karenzurlaubes auf die Frist zur Erlangung der Unkündbarkeit angerechnet habe. Schließlich sei die Kündigung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin auch sozialwidrig. Die Klägerin sei unverheiratet, habe für zwei minderjährige Kinder zu sorgen und erhalte von ihrem Lebensgefährten für das zweite Kind nur S 1.500,- monatlich. Da sie gegen ihren Lebensgefährten keinen Anspruch auf Unterhalt habe, sei sie auf ein entsprechendes Einkommen angewiesen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß das Kündigungsschreiben aus betriebsinternen Gründen bereits am 23. 11. 1989 verfaßt, der Beklagten aber erst nach Vorliegen der Stellungnahme des Betriebsrates am 27. 11. 1989 persönlich überreicht worden sei. Die Zeit des Karenzurlaubes sei der Klägerin auf die Frist des § 20 Abs 1 Z 4 DO.C unter der Bedingung angerechnet worden, daß sie nach Beendigung des Karenzurlaubes den Dienst wieder antrete und mindestens so lange zufriedenstellend versehe, als der Karenzurlaub gedauert habe. Eine Beschäftigung mit einer unter 30 Stunden liegenden Wochenarbeitszeit sei gemäß § 20 Abs 1 Z 5 DO.C nicht auf die zehnjährige Dienstzeit anzurechnen. Der Klägerin sei es leicht möglich, auf dem Arbeitsmarkt eine gleichartige Tätigkeit zu finden. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei betriebswirtschaftlich nicht mehr möglich gewesen, da sie für eine volle Arbeitsleistung entlohnt worden sei, pro Woche jedoch höchstens 20 Stunden gearbeitet habe.

Das Erstgericht wies das Haupt- und die Eventualbegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin findet die Dienstordnung C für die Arbeiter bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs Anwendung. Die Klägerin war ursprünglich für eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden eingestellt und auch dementsprechend entlohnt worden. Als Ende 1979 eine Arbeitskollegin in Karenzurlaub ging, mußte die Klägerin vier bis sechs Wochen hindurch sämtliche Reinigungsarbeiten allein verrichten. Die Streitteile vereinbarten deshalb eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden. Dementsprechend wurde auch der Lohn angehoben.

Obwohl sich nach Einstellung einer neuen Kollegin die Arbeitszeit der Klägerin auf ca. 20 bis 25 Stunden pro Woche verringerte, wurde ihr Lohn nicht gekürzt. Die Klägerin wurde weiterhin auf der Grundlage einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden entlohnt. Dem früheren Direktor der Landesstelle der Beklagten war dies bekannt; er erklärte, daß er zufrieden sei, wenn dafür nur ordentlich gearbeitet werde. Mit Schreiben vom 20. 4. 1989 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie ihr die Zeit des Karenzurlaubes vom 10. 6. 1988 bis 14. 4. 1989 als Dienstzeit für alle mit Zeitablauf sich ändernden Rechte wie Vorrückung, Urlaubsausmaß, Kündigungszeitraum, Abfertigung usw. mit Wirkung vom 15. 4. 1989 unter der Bedingung anrechne, daß die Klägerin den Dienst weiterhin, zumindest aber solange wie der Karenzurlaub nach § 15 MSchG währe, zufriedenstellend versehe. Diese Regelung nahm die Klägerin zustimmend zur Kenntnis.

Die Klägerin war im Betrieb der Beklagten bisher mit flexibler Arbeitszeit beschäftigt. Sie begann ihre Arbeit zwischen 16 und 17 Uhr und beendete sie jeweils um 21 oder 22 Uhr. Den Beginn ihrer Arbeitszeit richtete die Klägerin danach aus, wann ihr 13-jähriger Sohn, der dann das einjährige Kind betreute, aus der Schule nach Hause kam.

Als dem neuen Leiter der Geschäftsstelle ***** der Beklagten die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Arbeitsleistung und den bezahlten Arbeitsstunden der Klägerin und ihrer Kollegin auffiel, ordnete er an, daß sie Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden führen müßten. Bei einer Besprechung am 3. 11. 1989 stellte der neue Direktor der Beklagten fest, daß die beiden Raumpflegerinnen im Wochendurchschnitt nur 20 bis 25 Arbeitsstunden leisteten, während ihr Lohn auf der Grundlage von 40 Arbeitsstunden errechnet werde. Er schlug daher vor, den Lohn in Form einer Änderungskündigung auf 25 Arbeitsstunden zu reduzieren oder eine Bedienerin zu kündigen und die zweite mit 40 Stunden anzustellen. Eine Einigung auf eine dieser Varianten kam mit der Klägerin nicht zustande.

Hierauf bereitete die Beklagte die Kündigung der Klägerin und der zweiten Reinigungskraft vor. Hiefür war die Zentrale der Beklagten in Wien zuständig. Von dort aus wurde der Betriebsrat von der beabsichtigten Änderungskündigung mit Schreiben vom 10. 11. 1989 verständigt, das dem Obmann des Betriebsrates am 20. 11. 1989 zugekommen ist.

Die bedingten Kündigungen (siehe Beilage A: "Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft kündigt ihr Dienstverhältnis gemäß § 29 Abs.1 DO.C per 31. 12. 1989 unter der Bedingung, daß Sie sich mit der Festsetzung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden nicht einverstanden erklären") wurden mit Datum vom 23. 11. 1989 vom Generaldirektor und vom Obmann der Anstalt in Wien unterzeichnet und sodann durch den Leiter der Personalabteilung der Beklagten an den Direktor der Landesstelle ***** gesandt. Ob ein Begleitschreiben mitgesandt wurde, das den Auftrag enthielt, vor der Ausfolgung der Kündigung das Einvernehmen mit der Personalabteilung herzustellen, konnte nicht festgestellt werden. Da der Direktor der Landesstelle ***** verreisen mußte, gab er einem Angestellten die Anweisung, die Kündigung am Montag, den 27. 11. oder Dienstag, den 28. 11. 1989 der Klägerin zu übergeben. Der Betriebsrat der Beklagten hat der Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 24. 11. 1989 ausdrücklich widersprochen. Dieses Schreiben langte am 27. 11. 1989 noch während der Dienstzeit bei der Beklagten in Wien ein. Am selben Tag übergab ein Angestellter der Beklagten das Kündigungsschreiben an die Klägerin und ihre Kollegin. Der Betriebsrat erhielt dieses Kündigungsschreiben am 28. 11. 1989. Im Zeitpunkt der Übergabe des Kündigungsschreibens an die Klägerin war die Beklagte bereits im Besitz des der Kündigungsabsicht widersprechenden Schreibens des Betriebsrates vom 24. 11. 1989.

Die Klägerin wohnt mit ihrem Lebensgefährten in einer Mietwohnung, für die sie monatlich S 1.200,- zu zahlen hat. Sie ist für ein einjähriges und ein 13-jähriges Kind sorgepflichtig; ihr Lebensgefährte ist Vater des jüngeren Kindes. Er bezieht ein Nettoeinkommen von ca. S 20.000,- monatlich und zahlt für das Kind S 1.500,- Unterhalt. Für den 13-jährigen Sohn erhält die Klägerin einen Unterhalt von S 1.000,- monatlich. Sie selbst erhält keine Unterhaltszahlungen. Sie bezieht derzeit Arbeitslosengeld von S 8.200,- monatlich inklusive Familienbeihilfe.

Seit Beginn des Jahres 1990 hat das Arbeitsamt F***** keine Arbeitsplätze für Reinigungskräfte vermittelt, die der bisherigen Arbeitszeiteinteilung der Klägerin entsprechen. Der Klägerin ist es möglich, innerhalb von drei bis vier Monaten im Raume F***** eine Arbeitsstelle zu finden, bei welcher sie, abgesehen von den derzeitigen finanziellen Bedingungen (Zahlung von 40 Wochenstunden für geleistete 20 bis 25 Wochenstunden), dieselben Rahmenbedingungen wie bei der Beklagten haben wird. Sie wird also zu denselben Zeiten beginnen und ebenfalls ca. 20 bis 25 Wochenstunden arbeiten können.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige.

Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, daß die Beklagte zwischen der Verständigung des Betriebsrats von der Kündigungsabsicht und dem Aussprechen der Kündigung die Frist von 5 Arbeitstagen (§ 105 Abs 1 ArbVG) eingehalten habe. Das Kündigungsschreiben sei mit seiner Verfassung am 23. 11. 1989 noch nicht aus dem Herrschaftsbereich der Beklagten getreten. Für den Fall, daß der Betriebsrat eine Beratung über die Kündigung verlangt hätte und diese auch erfolgreich gewesen wäre, hätte das Schriftstück bis zur tatsächlichen Übergabe an die Klägerin im Herrschaftsbereich der Beklagten angehalten und zurückgehalten werden können. Der Wille der Beklagten, die Kündigung in Wirksamkeit zu setzen, sei erst nach Ablauf der Fünftagefrist erklärt worden.

Der Karenzurlaub wäre auf die Zehnjahresfrist des § 20 Abs 1 Z 4 DO.C (laut Anrechnungsschreiben der Beklagten vom 20. 4. 1989) nur anzurechnen gewesen, wenn die Klägerin den Dienst weiterhin zumindest so lange, wie der Karenzurlaub nach § 15 MuttSchG gedauert habe, zufriedenstellend versehen hätte. Da die Klägerin diese Bedingung der Vereinbarung nicht erfüllt habe, sei die Zeit des Karenzurlaubes nicht auf die Dienstzeit anzurechnen.

Schließlich sei die Kündigung auch nicht sozialwidrig. Durch die Kündigung würden zwar wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt, da es ihr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich sein werde, mit der gleichen Arbeitsleistung auch nur annähernd den von der Beklagten gezahlten Lohn zu verlangen. Mit Ausnahme des Entgelts könne jedoch die Klägerin in absehbarer Zeit eine gleichwertige Stellung erhalten. Die Sozialwidrigkeit der Kündigung könne somit nicht darin liegen, daß die Klägerin ein Kleinkind persönlich zu betreuen und Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder habe. Einer Weiterbeschäftigung der Klägerin stünden auch betriebliche Erfordernisse entgegen, welche die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte müsse ihre Aufgaben bei sparsamer und zweckmäßiger Gebarung wahrnehmen. Gegen diese Grundsätze verstoße die Weiterbeschäftigung der Klägerin zu den gleichen Bedingungen wie bisher, erhalte sie doch für eine Arbeitsleistung von 25 Wochenstunden 40 bezahlt. Der Vorteil, den die Klägerin durch die Kündigung verliere und auf einem anderen Arbeitsplatz nicht mehr erreichen könne, decke sich mit dem Nachteil, den der Beklagte durch die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses entstünde. Das Interesse der Beklagten gehe vor, da sie für den Vorteil, den sie bisher der Klägerin gewährt habe, von dieser keine entsprechende Gegenleistung erhalten habe.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin hält an der Meinung fest, daß die Kündigung gemäß § 105 Abs 2 Satz 2 ArbVG rechtsunwirksam sei, weil sie schon mit der statutenmäßigen Unterfertigung des Kündigungsschreibens in der Zentrale der Beklagten in Wien am 23. 11. 1989 "ausgesprochen" worden sei. Die Organe der Landesstelle seien nach der Übermittlung der Kündigung an diese nur als Boten tätig gewesen. Damit sei die Fünftagefrist des § 105 Abs 1 ArbVG nicht gewahrt.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung darf die Kündigung erst nach dem Ablauf der Fünftagefrist des § 105 Abs 1 ArbVG "ausgesprochen" werden; eine diesem Grundsatz widersprechende Kündigung ist auch dann rechtsunwirksam, wenn sie dem betroffenen Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Fünftagefrist zugeht (Floretta-Strasser, Handkomm z ArbVG 670; dieselben, Kurzkomm z ArbVG2, 267 FN 19;

Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 276;

Weissenberg-Cerny, ArbVG8, 465; Mayr in Wirtschaftsverlagkomm z ArbVG 246; Arb 6042;

SZ 53/171 = ZAS 1982, 144; Arb 9998; 10.002 = ZAS 1982, 95 (Runggaldier)). "Ausgesprochen" ist die Kündigung - selbst wenn nach internen Verwaltungsvorschriften des Kündigenden für diesen Rechtsakt Schriftlichkeit erforderlich ist - nicht schon dann, wenn die Kündigungserklärung vom Kündigenden zu Papier gebracht ist, sondern erst dann, wenn sie der Kündigende aus seinem Herrschaftsbereich entläßt, also etwa zur Post gibt (Arb 9998; Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO) oder einem Boten mit dem Auftrag übergibt, das Schreiben zu überbringen oder das Schreiben dem Gekündigten selbst ausfolgt. Die an der Vorbereitung des Aussprechens der Kündigung entscheidend mitwirkenden Organe der Landesstelle waren jedoch nicht bloße Boten. Von den Organen der Landesstelle hätte das Kündigungsschreiben, falls mit dem Betriebsrat darüber Beratungen zu führen gewesen wären, immer noch zurückgehalten werden und eine Weisung der Zentrale in Wien eingeholt werden können. Tatsächlich wurde das Kündigungsschreiben auch nicht der Post oder einem Boten übergeben, sondern bis 27. 11. 1989 zurückgehalten. Die Frist des § 105 Abs 1 ArbVG ist daher gewahrt und die Kündigung aus dem geltend gemachten Grund des § 105 Abs 2 ArbVG nicht rechtsunwirksam.

Die Klägerin vermag sich auch nicht erfolgreich auf eine (vereinbarte) Unkündbarkeit zu berufen. Gemäß § 20 Abs 1 DO.C wird das Dienstverhältnis eines unbefristet beschäftigten Arbeiters, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist und nicht bereits die nach Abs 4 zulässige Höchstzahl von unkündbaren Arbeitern erreicht ist, unkündbar, wenn der Arbeiter

1. die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,

2. in seinen Dienstbeschreibungen für die beiden vorangehenden Kalenderjahre mindestens die Gesamtbeurteilung "entsprechend" erhalten hat,

3. das 28. Lebensjahr vollendet hat,

4. 10 Dienstjahre gemäß § 15 zurückgelegt hat,

5. beim letzten Eintritt in den Dienst der Sozialversicherung das 40. Lebensjahr nicht überschritten hatte, wobei die Aufnahme einer Beschäftigung mit einer unter 30 Stunden liegenden Wochenarbeitszeit nicht als Eintritt in den Dienst der Sozialversicherung im Sinne dieser Bestimmung gilt.

Die Verweisung auf § 15 DO.C in § 20 Abs 1 Z 4 DO.C bedeutet, daß bei österreichischen Sozialversicherungsträgern zurückgelegte Dienstzeiten auf die gemäß § 20 für die Erlangung der Unkündbarkeit vorgesehenen Fristen nur anzurechnen sind, soweit sie unmittelbar aneinander anschließen und die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 30 Stunden betragen hat.

Diese Voraussetzungen hat die Beklagte mangels einer Beschäftigung mit einer mindestens 30-stündigen Wochenarbeitszeit nicht erfüllt. Die Klägerin war wohl ursprünglich für eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden eingestellt worden. Ende 1979 vereinbarten die Streitteile sogar eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden.

Kurz darauf wurde aber wieder eine zweite Arbeitnehmerin als Reinigungskraft eingestellt. Von da an betrug die Arbeitszeit der Beklagten nur 20-25 Stunden. Die Beklagte veränderte jedoch den Lohn nicht, obwohl ihr dieses (regelmäßige) Arbeitsausmaß der Klägerin bekannt war. Der Landesstellendirektor erklärte vielmehr, er sei zufrieden, wenn dafür nur ordentlich gearbeitet werde. Diese nahezu zehn Jahre praktizierte Regelung kann nur als Vereinbarung einer Rahmenarbeitszeit von 20-25 Stunden (bei entsprechend höherem Entgelt) angesehen werden. Es lag daher seither ein Dienstvertrag mit einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von weniger als 30 Stunden vor. Auf die Fragen, ob die Klägerin den Dienst nach ihrem Karenzurlaub im Sinne des Schreibens vom 20. 4. 1989 "zufriedenstellend" versah und ob dieses Schreiben ihre Rechtsstellung bezüglich zeitabhängiger Ansprüche überhaupt verbessert hat, kommt es daher nicht an.

Die Kündigung der Klägerin ist aber auch nicht sozial ungerechtfertigt iS des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG. Bei der Prüfung dieser Frage muß vorerst ohne Rücksicht auf andere Voraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen geprüft werden, ob durch sie wesentliche Interessen der betroffenen Arbeitnehmerin beeinträchtigt werden (DRdA 1989/24 (Floretta); Arb 10.755). Erst dann ist zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand iS des § 105 Abs 3 Z 2 lit. a oder b ArbVG gegeben ist und daher die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers notwendigerweise in Kollision treten. Überwiegen die betrieblichen Interessen die wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes, ist die Kündigung sozial gerechtfertigt. Überwiegen dagegen die wesentlichen Interessen des Gekündigten die betrieblichen Nachteile, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt (DRdA 1989/24 (Floretta)). Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist (nur) dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, daß sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne daß aber eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müßte (Arb 10.755).

Den Vorinstanzen ist darin zu folgen, daß die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt, weil bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen von den der Klägerin bisher gewährten, wenn auch objektiv ungewöhnlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen auszugehen ist. Einer Weiterbeschäftigung der Klägerin zu diesen - objektiv ungewöhnlichen - Lohn- und Arbeitsbedingungen stehen jedoch betriebliche Erfordernisse der Beklagten entgegen; die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesen Bedingungen überwiegen die Interessen der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes unter unveränderten Bedingungen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, muß dem beklagten Sozialversicherungsträger im Interesse der Versicherten das Recht zugebilligt werden, seine Verwaltung nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und insbesondere der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer nach Maßgabe der für Arbeitnehmer der Sozialversicherungsträger geltenden Dienstordnung auszurichten. Vor allem im Interesse der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer kann es die Beklagte auf die Dauer nicht hinnehmen, einer einzelnen Arbeitnehmerin für Arbeitsleistungen im Umfang von nur 25 Wochenstunden ein Entgelt von 40 Wochenstunden zu zahlen, auch wenn die mit der Beendigung dieses Zustandes erreichten Einsparungsmaßnahmen im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand der Beklagten nur gering sind; entscheidend für die Anerkennung der überwiegenden Interessen der Beklagten an der angefochtenen Änderungskündigung ist vor allem die Vermeidung von Beispielsfolgerungen, die von anderen Dienstnehmern aus einer solchen, nicht durch besondere sachliche Gründe zu rechtfertigenden Sonderstellung einzelner Bediensteter abgeleitet werden könnten. Soweit die Klägerin darauf hinweist, daß der von ihr bezogene Lohn in Relation zu ihrer langjährigen Tätigkeit zu sehen sei, übersieht sie, daß dieser Umstand durch Vorrückungen im Rahmen des Lohnschemas zu berücksichtigen ist, aber eine Vergütung von 40 Wochenstunden bei Leistung von nur 20 bis 25 Wochenstunden ebenfalls nicht rechtfertigt. Da die Kündigung nur auf die Änderung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, braucht auf die Frage, ob es der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich sein wird, eine (mit Ausnahme des Entgelts) gleichwertige Stellung in absehbarer Zeit zu erlangen - auch dies wurde im übrigen festgestellt - nicht eingegangen zu werden. Sie kann sich ja den Arbeitsplatz bei der Beklagten bei Annahme

der - zumutbaren - Bedingungen der Änderungskündigung erhalten. Das Interesse der Beklagten an der Änderungskündigung überwiegt daher das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung ihres Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen besonderen Arbeits- und Lohnbedingungen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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