OGH 1Ob156/03b

OGH1Ob156/03b18.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Agrargemeinschaft "Nachbarschaft A*****", vertreten durch den Obmann Ludwig I*****, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Agrargemeinschaft "Nachbarschaft K*****", vertreten durch den Obmann Hans-Peter E*****, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 47.237,34 sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 28. April 2003, GZ 2 R 70/03s-10, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gem § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus die Klagebehauptungen maßgebend; ohne Einfluss ist, was der Beklagte einwendet. Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein Anspruch erhoben wird, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Wird mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, dann ist gemäß § 1 JN, sofern nicht die Sache durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg zulässig. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, dann muss dies in einem besonderen Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde anordnen, ist unzulässig (4 Ob 524/93; SZ 44/165; SZ 47/108; JBl 1974, 483; ÖBl 1991, 127; WoBl 1992/74; SZ 64/57; MuR 1992, 154; SZ 45/139; JBl 1994, 422; EvBl 1993/194; JBl 1992, 108; 1 Ob 22, 23/80; vgl VfSlg 10.219; vgl 1 Ob 652/90; 1 Ob 588/94; uva).

Die Klägerin hat sich in ihrer Klage in zweifacher Hinsicht auf eine Vereinbarung als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs berufen. Einerseits sei im Hauptteilungsverfahren über den auf dem Teilungsgebiet vorhandenen Holzvorrat eine Einigung dahin erzielt worden, dass beide Agrargemeinschaften die künftige Berechnung eines eventuellen Holzausgleichs durch bestimmte Fachleute anerkannt hätten. Andererseits sei in der Folge eine Reduktion des einverständlich mit ATS 867.473,93 ermittelten Ausgleichsbetrags auf ATS 650.000,- beschlossen worden, weil bei der ursprünglichen Wertermittlung Aufforstungskosten unberücksichtigt geblieben seien. Das Hauptteilungsverfahren sei rechtskräftig beendet; der Umstand dass der ursprünglich ermittelte Betrag in einem noch anhängigen Einzelteilungsverfahren abgegolten werden sollte und dort die zweite Vereinbarung getroffen wurde, begründe nicht die Unzulässigkeit des Rechtswegs.

Der Oberste Gerichtshof hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH 7.800; VfSlg 15.352 ua) bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei den auf § 34 Abs 4 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 (FlVfGG) beruhenden landesgesetzlichen Vorschriften, so insbesondere auch § 72 Abs 5 TirFLG, um Sonderbestimmungen im eingangs dargestellten Sinn handelt (SZ 59/212; 4 Ob 158/02t u.a.). Nach lit c dieser Gesetzesstelle erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde, die gemäß § 71 TirFLG auch die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Regulierungen oder Teilungen umfasst, auch auf Streitigkeiten über Gegenleistungen für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Gemäß Absatz 4 erfasst diese Zuständigkeit (auch) die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung unter anderem der Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen, jedoch nur für die Zeit von der Einleitung bis zum Abschluss unter anderem eines Regulierungsverfahrens. Während dieses Zeitraums ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Nach Abschluss des Verfahrens ist die Zuständigkeit der Agrarbehörde nur mehr für die - hier auch nicht ansatzweise gegebenen - Angelegenheiten des § 73 TirFLG gegeben.

Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits mehrfach entschieden, dass in Angelegenheiten bürgerlichen Rechts nach Verfahrensbeendigung die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs zu bejahen ist (RIS-Justiz RS 0108939). Auch der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Sinn erkannt und zudem klargestellt, dass die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Agrarbehörden nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfen (VfSlg 1392; 10219). Das von der Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang zitierte Erkenntnis VfSlg 13987 hat einen Wiedereinsetzungsantrag in einem Strafverfahren nach dem AuslBG zu Gegenstand und kann daher für den hier zu behandelnden Problemkreis in keiner Weise nutzbar gemacht werden.

Wie unstrittig feststeht, ist das Hauptteilungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen, sodass die sich daraus ergebende Zuständigkeit der Agrarbehörde nicht mehr besteht. Auch der Umstand, dass sich zwei Agrargemeinschaften gegenüberstehen, begründet für sich allein keine den Rechtsweg ausschließende Zuständigkeit der Agrarbehörde, ist doch diese gemäß § 37 Abs 7 TirFLG nur für Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern und zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis gegeben.

Der Umstand, dass im Hauptteilungsverfahren die Abgeltung des festzustellenden Holzausgleichs im Einzelteilungsverfahren vereinbart wurde, kann schon deshalb den Rechtsweg nicht verschließen, weil es nicht in die Hand der Parteien gelegt ist, Angelegenheiten beliebig in die restriktiv auszulegende Ausnahmezuständigkeit der Agrarbehörden zu verschieben. Abgesehen davon steht im Hauptteilungsverfahren eine Agrargemeinschaft der anderen, im Einzelteilungsverfahren jedoch eine Agrargemeinschaft ihren Mitgliedern gegenüber (§ 42 TirFLG), sodass schon aus der mangelnden Parteienidentität auf eine außerhalb der Zuständigkeit der Agrarbehörde getroffene privatrechtliche Vereinbarung zu schließen ist.

Das Begehren der Klägerin fußt nicht auf einer von der Agrarbehörde autoritativ festgesetzten Entschädigung, sondern auf einer privatautonom getroffenen Vereinbarung, also einem privatrechtlichen Titel, sodass über daraus abgeleitete Ansprüche die ordentlichen Gerichte zu befinden haben (SZ 34/183; 1 Ob 627/94; vgl. auch 4 Ob 333/99w).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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