Spruch:
Auch wenn über Auslegung und Rechtswirkungen eines im Zuge eines Wasserrechtsverfahrens nach § 111 Abs. 3 WRG getroffenen Übereinkommen allein die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden hat, ist doch für eine auf die Behauptung, ein solches Übereinkommen sei nicht getroffen worden, gestützte Löschungsklage der Rechtsweg zulässig
OGH 14. Oktober 1974, 1 Ob 143/74 (OLG Linz 4 R 60/74; LG Linz 1 Cg 150/73)
Text
Nach dem Klagsvorbringen hat die beklagte Partei (die Österreichische D-Kraftwerke-AG) im Jahre 1970 beim Landeshauptmann von Oberösterreich als Wasserrechtsbehörde erster Instanz den Antrag auf Enteignung einer Reihe von Grundstücken der klagenden Partei, u.
a. auch der Grundstücke 2138/1 Wald und 2138/2 Wiese je KG S, gestellt. Über diesen Antrag habe am 27. Mai i970 eine Verhandlung stattgefunden, bei welcher zwischen den Streitteilen ein übereinkommen geschlossen worden sei, das von der Wasserrechtsbehörde im Bescheid vom 15. Juni 1970 dazu auch beurkundet worden sei. Dieses Übereinkommen enthalte im wesentlichen das Anerkenntnis der klagenden Partei daß die beklagte Partei hinsichtlich der im genannten Antrag angeführten Grundstücke die dauernde Inanspruchnahme begehren könne, die Erklärung der klagenden Partei, diese Grundstücke an die beklagte Partei abzutreten (bzw. Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der letzteren), die Zustimmung zur sofortigen Benutzung dieser Grundstücke durch diese, ferner die Zustimmung zur Anmerkung der Enteignung und Verpflichtung zur Unterfertigung der dafür notwendigen Urkunden, die Vereinbarung über Höhe und Fälligkeit der Entschädigungen hinsichtlich aller Grundstucke mit Ausnahme der eingangs genannten beiden Grundstücke und schließlich die Vereinbarung, daß über die Entschädigung für diese beiden Grundstücke die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde begehrt werde. In dem genannten Bescheid vom 5. Juni 1970 sei auch die Entschädigung für den reinen Grundwert der Grundstücke 2138/1 und 2138/2 mit dem Betrage von 850.014 S festgesetzt die Mehrforderung auf Entschädigung des in diesen Grundstücken enthaltenen verwertbaren Schottervorkommens jedoch abgewiesen worden. Die von der klagenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Berufung habe nur teilweise Erfolg gehabt. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft habe mit Bescheid vom 7. September 1971 den Entschädigungsbetrag auf 944.460 S erhöht, im übrigen aber, also hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens, den angefochtenen Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz bestätigt über Anrufung des Verfassungsgerichtshofes durch die klagende Partei habe dieser den genannten Ministerialbescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im Umfang der Anfechtung das heißt in jenem Teil aufgehoben, der im Spruch lautete:" Im übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben." Der Verfassungsgerichtshof habe seine Entscheidung damit begrundet, daß die Wasserrechtsbehorde zur Festsetzung einer Entschadigung für die mehrfach genannten beiden Grundstücke nicht zuständig gewesen sei, weil diese Grundstücke bisher nicht (bescheidmäßig) enteignet worden seien. In Bindung an diese Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes habe das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 28. Dezember 1972 ausgesprochen daß die Mehrforderung der klagenden Partei mangels Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde nicht abgewiesen, sondern zurückgewiesen werde. Ein Übereinkommen der Streitteile über die Höhe der Entschädigung für die Abtretung der beiden Grundstücke sei, wie die klagende Partei weiter ausführte bis heute nicht erzielt worden, wiewohl sie den erwähnten Betrag von 944.460 S als Akontozahlung angenommen habe. Auch eine Enteignung der Grundstücke sei bis heute nicht ausgesprochen worden. Auf Antrag der beklagten Partei und auf Grund des Bescheides der Wasserrechtsbehörde vom 15. Juni 1970 seien mit Beschluß des BG L/Land vom 3. Mai 1973 die streitverfangenen Grundstücke nach Abschreibung von der EZ 326 der oberösterreichischen Landtafel der neueröffneten Einlage EZ 811 KG S zugeschrieben und das Eigentumsrecht der beklagten Partei einverleibt worden. Der dagegen von der klagenden Partei erhobene Rekurs sei ohne Erfolg geblieben.
Die klagende Partei vertritt nun den Standpunkt, daß sie nach wie vor Eigentümerin dieser beiden Grundstücke sei und einen Anspruch auf Löschung des bucherlichen Eigentums der beklagten Partei habe, weil es dieser an einem rechtsgültigen Titel auf Eigentumsübertragung mangle. Auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes sei klargestellt, daß die streitverfangenen Grundstücke nie formell enteignet worden seien; das von der Wasserrechtsbehörde beurkundete Übereinkommen vom 27. Mai 1970 regle nicht die Frage der Entschädigung und sei lediglich in der Erwartung beider Parteien abgeschlossen worden, daß die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Entschädigung festsetzen werde. Diese Geschäftsvoraussetzung sei aber weggefallen, weil sich die Unzuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Festsetzung einer Entschädigung herausgestellt habe. Mit der vorliegenden Klage wird nun aus den angeführten Gründen begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, in die Löschung ihres Eigentumsrechtes an den beiden genannten Grundstücken einzuwilligen und zu bewirken, daß diese beiden Grundstucke wieder dem Gutsbestand der klagenden Partei zugeschrieben werden.
Der Erstrichter hat, ohne das Verfahren auf den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu beschränken, zunächst in der Sache selbst verhandelt, sodann aber den Beschluß auf Abstandnahme von weiteren Beweisaufnahmen wegen Unerheblichkeit verkundet und schriftlich mit Beschluß die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Er begrundete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß über die Auslegung und Rechtswirkungen des Übereinkommens vom 27. Mai 1970 gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden habe. Im Interesse einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde obliege auch die Feststellung der Ungültigkeit eines im Wasserrechtsverfahren getroffenen Übereinkommens der Wasserrechtsbehörde, da es hier nicht um eine Anfechtung des Übereinkommens aus zivilrechtlichen Gründen gehe. Es sprächen aber auch rechtspolitische Gründe für die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde. Im übrigen dürfe eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges nur dann zurückgewiesen werden, wenn dasselbe Begehren bei einer anderen Behörde eingebracht werden könnte. Da die Wasserrechtsbehörde gemäß § 70 Abs. 2 WRG 1959 die Rückübertragung enteigneter Grundstücke aussprechen könne, könnte sie auch einen solchen Ausspruch mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Übereignung ex tunc verbinden.
Das Rekursgericht änderte den erstrichterlichen Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verwarf und dem Erstrichter die Entscheidung in der Hauptsache auftrug. Es handle sich vorliegend um eine Löschungsklage nach § 61 GBG, zu deren Entscheidung grundsätzlich die Gerichte berufen seien. Es gebe keine Rechtsnorm, zufolge welcher der geltend gemachte Anspruch auf bücherliche Rückübertragung im Verwaltungsverfahren durchgesetzt werden könnte. Der Hinweis des Erstrichters auf § 70 Abs. 2 WRG 1959 gehe fehl, weil die zitierte Bestimmung eine Rückübereignung durch die Wasserrechtsbehörde nur für den Fall des Erlöschens einer wasserrechtlichen Bewilligung vorsehe. Titel für die Einverleibung des Eigentumsrechtes der beklagten Partei an den beiden Grundstücken sei nicht ein rechtsgestaltender Bescheid einer Behörde gewesen, sondern ein durch die zuständige Behörde beurkundeter Vertrag, dessen Inhalt und Wirkungen nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Die Wasserrechtsbehörde könnte zwar - würde man sie gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 mit der Feststellung der Rechtswirkungen des von ihr beurkundeten Übereinkommens befassen - etwa die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Übereinkommens feststellen, oder allenfalls gemäß § 68 AVG die Bestätigung der Rechtskraft des Bescheides vom 15. Juni 1970 aufheben, doch wäre ein solcher Bescheid keine verbücherungsfähige Urkunde nach § 33 Abs. 1 lit. d GBG; er könnte lediglich den Anlaß zu einem gerichtlichen Verfahren auf Berichtigung des Grundbuches gemäß § 136 GBG geben. Es konnte also das Klagebegehren in einem Verwaltungsverfahren nicht unmittelbar durchgesetzt werden. Mit der allfälligen Möglichkeit der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 111 Abs. 3 WRG 1959 sei deshalb nichts gewonnen, weil das Gericht im Rahmen seiner Entscheidungspflicht Vorfragen, deren Lösung vom Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde übertragen wurde, selbständig beurteilen könne und müsse. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein präjudizielles Verwaltungsverfahren über diese Vorfrage noch gar nicht anhängig ist. Mit dem Vorbringen der klagenden Partei, daß sich die Erwartung beider Parteien, die Wasserrechtsbehörde werde eine angemessene Entschädigung festsetzen, nicht erfüllt habe, weshalb eine Geschäftsvoraussetzung für die Wirksamkeit des Übereinkommens vom 27. Mai 1970 weggefallen sei, werde ein zivilrechtlicher Anfechtungsgrund geltend gemacht, dessen tatsächliche Voraussetzungen im Einzelfall vom Gericht meritorisch zu prüfen seien.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist - wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat - in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend (SZ 19/199; SZ 23/81; SZ 36/79; EvBl. 1967/23; SZ 44/138; SZ 44/165; EvBl. 1972/204; 1 Ob 240/72; 8 Ob 217/72; EvBl. 1974/54; Fasching I, 63). Maßgeblich ist das Wesen des geltend gemachten Anspruches; ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (JBl. 1948, 17; EvBl. 1974/54), ebensowenig aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es hingegen nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (EvBl. 1972/204; EvBl. 1974/54).
Legt man diese Leitsätze der Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles zugrunde, dann erweist sich der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch die beklagte Partei tatsächlich als nicht stichhältig.
Die klagende Partei behauptet in der Klage, nach wie vor Eigentümerin der Grundstücke Nr. 2138/1 Wald und Nr. 2138/2 Wiese je KG S zu sein, weil die beklagte Partei keinen rechtswirksamen Titel auf Übertragung des Eigentumsrechtes an diesen beiden ihr zugeschriebenen Grundstücken habe. Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, handelt es sich somit um eine Löschungsklage nach § 61 GBG, zu deren Entscheidung grundsätzlich die ordentlichen Gerichte berufen sind.
An der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges ändert auch der Umstand nichts, daß die Zustimmungserklärung der klagenden Partei zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der beklagten Partei an den strittigen Grundstücken im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens abgegeben und dieses Übereinkommen im Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich als Wasserrechtsbehörde beurkundet wurde. Es trifft zwar zu, daß gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens im Streitfalle die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden hat, sofern den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse bilden, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig wäre. Nun haben aber die Streitteile einverständlich nur festgehalten, daß die Entschädigungsleistung der beklagten Partei für die streitverfangenen Grundstücke im Übereinkommen nicht geregelt, hierüber vielmehr die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde begehrt werde. Wenngleich die Wasserrechtsbehörde bzw. das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft dieser Bestimmung des Übereinkommens folgend den Entschädigungsbetrag bescheidmäßig festgesetzt haben, so mangelt doch dem Übereinkommen - zumindest in Ansehung der beiden genannten Grundstücke - die Rechtswirksamkeit. Ob überhaupt ein rechtswirksames Übereinkommen vorliegt, ist eine Frage, die von jener, welche Wirkungen ein rechtswirksames Übereinkommen hervorruft, zu unterscheiden ist. Es ist unbestritten, daß bisher ein behördlicher Ausspruch über die Enteignung der Grundstücke nicht erfolgt ist. Der behördliche Ausspruch über die Einräumung eines Zwangsrechtes wird aber durch ein Übereinkommen nur dann ersetzt, wenn dieses Übereinkommen alle jene Elemente umfaßt, die Gegenstand der behördlichen Entscheidung sein müßten. Ist dies nicht der Fall, so liegt ein Übereinkommen im Sinne des § 111 Abs. 3 WRG 1959 gar nicht vor. Wie nun der Verfassungsgerichtshof, aber schon vorher auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. März 1958, Slg. 4.596/A, ausgesprochen haben, ist die Wasserrechtsbehörde nicht berufen, den Gegenwert der für einen Wasserbau beanspruchten Liegenschaften zu bestimmen, hinsichtlich welcher Zwangsrechte nicht begrundet sind; die "gütliche Übereinkunft" im Sinne des § 60 Abs. 2 WRG 1959 muß sich auf das beanspruchte Objekt und den zu leistenden Gegenwert erstrecken. Das Wasserrechtsgesetz sieht - der Oberste Gerichtshof schließt sich hier der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes an - die behördliche Bestimmung der Leistung von Entschädigung nur in bestimmten Fällen vor, zu denen der auf Grund gütlicher Übereinkommen (§ 60 Abs. 2 WRG 1959) zustande gekommene oder erst durchzuführende Übergang von Liegenschaften nicht zählt (so auch Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 452). Da gegenständlich weder ein behördlicher Ausspruch über die Enteignung der streitverfangenen Grundstücke vorlag noch in Übereinkommen deren Gegenwert festgelegt wurde, kann in der seinerzeitigen Vereinbarung über die beiden Grundstücke kein Übereinkommen im Sinne des Wasserrechtsgesetzes erblickt werden. Mangelt es aber an einem solchen Übereinkommen, dann besteht auch keine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde im Sinne des § 111 Abs. 3 WRG 1959.
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