OGH 1Ob25/04i

OGH1Ob25/04i18.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner, Dr. Rohrer und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Angelika B*****, vertreten durch Dr. Alois Nußbaumer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte und gefährdende Partei Markus B*****, vertreten durch Dr. Adolf Brandl, Rechtsanwalt in Mondsee, wegen Unterhalts, infolge ordentlicher Rechtsmittel (Revision und Revisionsrekurs) der klagenden und gefährdeten Partei gegen die Entscheidungen des Landesgerichts Wels als Berufungs- und Rekursgericht vom 6. Oktober 2003, GZ 21 R 254/03g-30, mit denen die Entscheidungen des Bezirksgerichts Frankenmarkt (Endurteil und Beschluss) vom 18. Juni 2003, GZ 1 C 31/02s-24, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie in Ansehung des Unterhaltsbegehrens einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt wie folgt lauten:

"a) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum 1. 2. 2002 bis 13. 7. 2002 EUR 334,88 und für den Zeitraum 14. 7. 2002 bis 24. 1. 2003 EUR 1.242,78 binnen 14 Tagen sowie ab dem 25. 1. 2003 monatlich EUR 270, die bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die zukünftig fällig werdenden jeweils im Voraus am Monatsersten, zu zahlen.

b) Das Begehren auf Zahlung weiterer Unterhaltsbeträge, nämlich von EUR 2.648,26 für den Zeitraum 1. 2. 2002 bis 13. 7. 2002, von EUR 2.326,01 für den Zeitraum 14. 7. 2002 bis 24. 1. 2003 und von EUR 286,67 monatlich ab dem 25. 1. 2003 wird abgewiesen.

c) Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei EUR 183,10 (darin EUR 30,52 USt) an Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen".

2. a) Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

b) Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und gefährdeten Partei EUR 24,97 (darin EUR 4,16 Ust) an Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Während aufrechter Ehe - die mit am 13. 7. 2002 in Rechtskraft erwachsenem Teilurteil des Erstgerichts aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden wurde - schlossen die Streitteile im Zuge eines Unterhaltsprozesses am 19. 10. 2001 einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin ab 1. 11. 2001 monatlich S 2.200 (EUR 159,88) an Unterhalt zu zahlen. Bei Abschluss dieser Vereinbarung, die für die Zeit der aufrechten Ehe gelten sollte, gingen die Streitteile übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte weiterhin für die frühere gemeinsame Ehewohnung und den Haushalt der Klägerin sowie der Kinder Zahlungen leisten werde, die zu einem Fünftel, also mit monatlich (umgerechnet) EUR 158,78 weitere Unterhaltsleistungen an die Klägerin darstellen sollten. Die Klägerin begehrte nun, den Beklagten schuldig zu erkennen, ab 1. 2. 2002 Geldunterhalt von 556,67 EUR monatlich zu leisten; zugleich begehrte sie die Zuerkennung dieses Betrags als einstweiligen Unterhalt. Die maßgeblichen Verhältnisse hätten sich seit dem abgeschlossenen Unterhaltsvergleich nicht geändert; damals seien die Streitteile von "Naturalunterhaltsleistungen" im Wert von S 5.462 monatlich neben dem vereinbarten Geldunterhalt ausgegangen. Der Beklagte habe seine Zahlungen zumindest teilweise eingestellt, weshalb die Klägerin zur Gänze Anspruch auf Unterhaltsleistung in Geld im begehrten Ausmaß habe. Entgegen verbreiteter Judikatur stehe ihr ab der Rechtskraft der Ehescheidung insgesamt die Hälfte des gemeinsamen Einkommens beider Ehegatten zu. Angesichts ihrer erheblichen Belastung durch Kinderbetreuung, Haushaltsführung und Berufstätigkeit seien ihre eigenen Einkünfte bei der Unterhaltsbemessung nur mit 50 % (angemessen) zu berücksichtigen. Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, er leiste regelmäßig den der Klägerin gebührenden Unterhalt. Da keine Unterhaltsverletzung vorliege, sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Sein Einkommen habe sich gegenüber jenem bei Vergleichsabschluss vermindert. Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, der Klägerin ab 1. 2. 2002 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung über die mit Vergleich vom 19. 10. 2001 festgesetzten Unterhaltsbeträge von monatlich EUR 159,88 hinaus weitere monatliche Unterhaltsbeträge von EUR 62,49 zu zahlen; dieser Zuspruch erwuchs ebenso in Rechtskraft wie der inhaltsgleiche Ausspruch im Provisorialverfahren. Mit Endurteil - sowie inhaltsgleicher Provisorialentscheidung - erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, der Klägerin ab 25. 1. 2003 monatliche Unterhaltsbeiträge von je EUR 64,34 "abzüglich nach dem 24. 1. 2003 geleisteter Beträge" zu zahlen und wies das Mehrbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin führte während der ehelichen Gemeinschaft den Haushalt und betreute die drei gemeinsamen Kinder. Die Betreuung einer Tochter ist aus Gesundheitsgründen besonders aufwändig. Wegen einer Verätzung muss ihre Speiseröhre täglich mit einem Bogierstab gedehnt werden; sie muss alle zwei Stunden Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen. Darüber hinaus muss das Mädchen regelmäßig in die Kinderklinik gebracht werden, wo unter Vollnarkose weitere Speiseröhrendehnungen erfolgen; auch wegen ihrer psychischen Belastung ist sie weniger leistungsfähig und benötigt Nachhilfeunterricht, den die Klägerin bezahlt. Freizeit hat die Klägerin nur alle 14 Tagen, wenn sich die Kinder am Wochenende beim Vater befinden. Die Klägerin ist als Altenfachbetreuerin teilzeitbeschäftigt und bezog (von Februar 2002 bis Jänner 2003) ein Jahresnettoeinkommen von EUR 9.860,63. Der Beklagte erzielte als Angestellter beim Oberösterreichischen Bauern- und Nebenerwerbsbauernbund ein Jahresnettoeinkommen von EUR 25.386,12 und als Bürgermeister eine Entschädigung von jährlich EUR 5.888,96. Unter Berücksichtigung von Sitzungsgeldern und (anteiligen) Taggeldern betrug sein jährliches Nettoeinkommen EUR 31.034,28. Für die Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung ergebe sich die Unterhaltspflicht des Beklagten der Höhe nach aus dem abgeschlossenen Vergleich sowie der damit verbundenen schlüssigen Vereinbarung über die Anrechnung bestimmter Zahlungen des Beklagten an Dritte auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin. Der somit geschuldete Unterhalt von EUR 318,66 monatlich ergebe für den Zeitraum von 163 Tagen, nämlich vom 1. 2. bis 13. 7. 2002 EUR 1.707,67. Unter Berücksichtigung der bereits existierenden Unterhaltstitel (Vergleich und rechtskräftiger Teilzuspruch) über (umgelegt auf 163 Tage) EUR 1.191,66 sowie der der Klägerin zugute kommenden "Direktzahlungen" von EUR 647,69 verbleibe kein restlicher Geldunterhaltsanspruch mehr.

Es sei unstrittig, dass der bei aufrechter Ehe geschaffene Unterhaltstitel nicht über die Ehescheidung hinaus wirken sollte, sodass für den Zeitraum nach Rechtskraft der Ehescheidung der Unterhaltsanspruch neu zu berechnen sei. Nach ständiger Rechtsprechung betrage der Unterhaltsanspruch eines berufstätigen Ehegatten 40 % der Summe der Einkommen der Parteien abzüglich des Einkommens der unterhaltsberechtigten Person. Von diesem Prozentsatz seien für jedes Kind, für das der Unterhaltspflichtige Unterhalt zu leisten hat, 3 % bis 4 % in Abzug zu bringen, sodass der der Klägerin gebührende Prozentsatz am Familieneinkommen im Hinblick auf die Sorgepflichten des Beklagten für vier minderjährige Kinder mit 26 zu bemessen sei. Ausgehend von einem Jahreseinkommen des Beklagten von EUR 31.034,28 und der Klägerin von EUR 9.860,63 ergebe sich eine Summe von EUR 40.894,91. 26 % davon machten EUR 10.632,77 aus, woraus sich bei Abzug des Jahreseinkommens der Klägerin ein jährlicher Unterhaltsanspruch von EUR 772,05 errechne. Im Zeitraum zwischen dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils und dem Schluss der Verhandlung erster Instanz (195 Tage) ergebe sich ein Unterhaltsanspruch von EUR 412,47. Da der Beklagte in diesem Zeitraum Kreditrückzahlungen von EUR 2.445,88 geleistet habe, von denen ein Fünftel, nämlich EUR 488,18, auf den Unterhalt der Klägerin anzurechnen sei, ergebe sich für diesen Zeitraum kein offener Unterhaltsanspruch. Für den Zeitraum nach Schluss der Verhandlung sei der Unterhaltsanspruch mit einem Zwölftel des errechneten jährlichen Anspruchs, also mit EUR 64,34, festzusetzen.

Der in der Literatur vertretenen Auffassung, bei der Unterhaltsberechnung seien 50 % des Familieneinkommens zu berücksichtigen, sei die Rechtsprechung bisher nicht gefolgt. Auch das Begehren, im Hinblick auf die besondere Belastung der Klägerin ihr eigenes Einkommen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, finde in der ständigen Rechtsprechung keine Deckung und würde überdies zu einer unzulässigen Verquickung des Unterhaltsprozesses mit dem nachehelichen Aufteilungsverfahren führen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Auch wenn dem Unterhaltsberechtigten infolge zumindest teilweiser Einstellung der zugesicherten Naturalleistungen das Recht zukomme, einen Titel über den gesamten Unterhalt in Geld zu begehren, beziehe sich dies nur auf zukünftige Leistungen, während die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geleisteten Beträge mit Unterhaltscharakter im Spruch zu berücksichtigen bzw wertmäßig in Abzug zu bringen seien. Zu Recht habe das Erstgericht für die verschiedenen Zeiträume dem jeweiligen Gesamtunterhaltsanspruch die tatsächlich erbrachten Leistungen mit Unterhaltscharakter gegenübergestellt. Für die Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung ergebe sich die Höhe des geschuldeten Unterhalts aus dem Vergleich, in dem der Unterhaltsanspruch der Klägerin einschließlich der "Naturalleistungen" mit insgesamt EUR 318,66 monatlich festgelegt worden sei. Da sich die finanzielle Situation des Beklagten gegenüber den Verhältnissen bei Vergleichsabschluss nicht verbessert habe, bleibe für eine neuerliche Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin während aufrechter Ehe kein Raum. Bei der Unterhaltsbemessung für die Zeit nach Rechtskraft des Scheidungsurteils sei von den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der Streitteile im Zeitpunkt der Scheidung auszugehen. Wegen des verringerten Einkommens des Beklagten müsse es zu einer Neubemessung des Unterhalts gemäß § 66 EheG kommen, wobei sich aber auch dieser Unterhaltsanspruch nach den Grundsätzen des § 94 ABGB richte. Auch bei der Unterhaltsbemessung nach § 66 EheG orientiere sich die Rechtsprechung in Durchschnittsfällen an Prozentsätzen und trage im Übrigen den Umständen des Einzelfalls in einem mehr oder weniger breiten Ermessensrahmen Rechnung. Die in der Rechtsprechung entwickelten Prozentsätze sollten bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruchs die Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle im Sinne einer Orientierungshilfe gewährleisten. Nach der in der Rechtsprechung entwickelten Prozentmethode betrage der Unterhaltsanspruch der schuldlos geschiedenen Ehegattin grundsätzlich 40 % des gemeinsamen Einkommens abzüglich der eigenen Einkünfte, wobei das Eigeneinkommen nicht nur "angemessen", sondern in vollem Umfang zu berücksichtigen sei. Ein Abzug von (bis zu) 4 % für jedes neben der geschiedenen Ehefrau unterhaltsberechtigte Kind bewege sich im Rahmen des dem Gericht eingeräumten Ermessensspielraums. Damit erweise sich die vom Erstgericht vorgenommene Unterhaltsbemessung als richtig. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei nicht erkennbar, worin der konkrete Fall vom Durchschnitt besonders abweichen und worin eine Erhöhung des Prozentsatzes auf 50 % begründet sein sollte. Der in der Lehre teilweise vertretenen Ansicht, der Unterhaltsanspruch der mitverdienenden Ehegattin liege grundsätzlich bei 50 % des Familieneinkommens, habe sich das Höchstgericht bisher nicht angeschlossen. Auch dem Rekurs gegen die (inhaltsgleiche) Provisorialentscheidung komme damit keine Berechtigung zu. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine definitive Aussage des Höchstgerichts zu der in der Lehre teilweise vertretenen Ansicht, der Anteil der Ehegatten am Familieneinkommen solle gleich hoch sein, vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt. Soweit sich die Revision auf den Unterhalt für die Zeit bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils bezieht, zeigt sie keine unrichtige Beurteilung durch die Vorinstanzen auf. Die Vereinbarung bestand darin, dass der Beklagte während aufrechter Ehe - unter den gegebenen (Einkommens-)Verhältnissen - zusätzlich zu den weiterhin zu leistenden Zahlungen an Dritte im Zusammenhang mit der Ehewohnung, die zu einem Fünftel als Unterhalt an die Klägerin anzusehen seien, eine direkte Zahlung von S 2.200 (= EUR 159,88) monatlich leisten sollte. Da sich die Einkommensverhältnisse der Streitteile nicht in einer für den Unterhaltsanspruch der Klägerin günstigen Weise verändert haben, steht der abgeschlossene Vergleich ihrem Begehren auf Zuspruch höheren Unterhalts entgegen. Warum die Klägerin aufgrund der (teilweisen) Einstellung von Zahlungen des Beklagten an Dritte Anspruch auf einen "Unterhaltstitel ohne jede Bindung an den getroffenen Vergleich" haben sollte, ist nicht zu erkennen, besteht doch eine Bindung an getroffene Vereinbarungen auch dann, wenn ein Vertragsteil sie nicht (vollständig) einhält. Der andere Vertragsteil ist dann darauf verwiesen, das Fehlende einzufordern. Einen Rechtsgrund für ein "Außerkrafttreten" des Vergleichs vermag die Revisionswerberin auch nicht anzugeben.

Soweit sie darauf hinweist, dass ein Rechtsschutzinteresse des Unterhaltsberechtigten an der Festsetzung eines Geldunterhalts bestehe, übersieht sie offenbar, dass dieses Rechtsschutzinteresse jedenfalls nur jenen Teil des Unterhaltsanspruchs erfassen kann, der nicht bereits durch einen Exekutionstitel gedeckt ist. Es besteht kein Grund, dem Unterhaltsberechtigten, der einen Teil seines Unterhaltsanspruchs aufgrund eines Vergleichs betreiben könnte, die Möglichkeit einzuräumen, einen neuen Titel zu schaffen, der auch die bereits titulierten Forderungen abdecken soll. Einem solchen Unterhaltsberechtigten steht vielmehr nur die Klage auf Zahlung weiterer, über den bereits titulierten Betrag hinausgehender, Unterhaltsforderungen offen. Soweit die Klägerin daher einen weiteren Titel über die bereits im Vergleich enthaltenen EUR 159,88 anstrebt, ist ihr Begehren nach überwiegender Rechtsprechung (Nachweise bei Gitschthaler in Rechberger2, § 206 ZPO Rz 12 f) abzuweisen, sodass sich die Auffassung der Vorintanzen auch insoweit als zutreffend erweist.

Auch die Anrechnung der bis zur Rechtskraft der Ehescheidung vom Beklagten geleisteten Zahlungen mit Unterhaltscharakter auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin begegnet keinen Bedenken, auch wenn diese schließlich zu einer entsprechenden (teilweisen) Klageabweisung führt. Für diesen Zeitraum hat es daher bei dem schon im ersten Rechtsgang erledigten Zuspruch von insgesamt EUR 334,88 (EUR 62,49 monatlich) und der Abweisung des Mehrbegehrens zu verbleiben. Die Vorinstanzen haben auch in keiner Weise bezweifelt, dass dem Unterhaltsberechtigten für die Zeit nach Schluss der Verhandlung erster Instanz das Recht auf einen Exekutionstitel über den vollen Unterhaltsanspruch zusteht. Dies erscheint schon deshalb sachgerecht, weil niemals mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden kann, ob auch bisher regelmäßig geleistete Zahlungen in Zukunft weiterhin erbracht werden. Die Berücksichtigung vor Schluss der Verhandlung erster Instanz erbrachter Unterhaltsleistungen bei der Entscheidung über das Unterhaltsbegehren entspricht jedoch dem allgemeinen Grundsatz, dass nur jene (bereits fälligen) Ansprüche zuerkannt werden können, die zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt überhaupt noch bestehen. Steht hingegen ein (teilweises) Erlöschen fest, kommt eine Verurteilung des Beklagten zur (neuerlichen) Erfüllung der (bereits getilgten) Verbindlichkeit naheliegenderweise nicht in Betracht. Auch in einer Oppositionsklage könnte der Verpflichtete nur Umstände ins Treffen führen, die sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung ereignet haben. Welchen Sinn es haben soll, die zwischen Klageeinbringung und Schluss der mündlichen Streitverhandlung geleisteten Zahlungen in einem Urteilsspruch festzuhalten, der jedoch zuvor den vollen Geldunterhaltsanspruch zu definieren habe, ist nicht zu erkennen; die Vorinstanzen haben ihre Berechnungsweise im Übrigen in der Entscheidungsbegründung nachvollziehbar dargelegt. Eine Benachteiligung der Klägerin gegenüber der von ihr ins Treffen geführten Formulierung des Urteilsspruchs zu 7 Ob 616/91 - die weiters zitierte Entscheidung ÖA 1992/U 43 ist nicht einschlägig - vermag der erkennende Senat nicht zu sehen. Dort wurde der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geschuldete Unterhalt in Monatsbeträgen ausgedrückt und die in diesem Zeitraum erbrachten Teilleistungen im Spruch der Entscheidung ausdrücklich als Abzugsposten angeführt, wogegen das Berufungsgericht im vorliegenden Fall lediglich das Ergebnis dieser Rechenoperation in den Spruch aufgenommen hat. Dem schutzwürdigen Interesse des Unterhaltsberechtigten nach einem Titel über den gesamten Geldunterhaltsanspruch wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Entscheidung über die zukünftigen Unterhaltsforderungen den gesamten (monatlich zu entrichtenden) Geldunterhalt erfasst. Soweit die Revisionswerberin schließlich moniert, die Vorinstanzen hätten die vom Beklagten geleisteten Rückzahlungsraten für das im gemeinsamen Eigentum stehende Wohnhaus sowie Prämien zur Haushaltsversicherung zu Unrecht als Naturalunterhaltsleistungen qualifiziert, ist ihr entgegenzuhalten, dass jedenfalls ihr Unterhaltsbedarf durch die genannten Zahlungen insoweit sinkt, als sie diese Wohnkosten nicht - wie andere Unterhaltsberechtigte - aus dem eigenen Einkommen bzw dem erhaltenen Geldunterhalt zu begleichen hat; wenn die Vorinstanzen die vom Beklagten geleisteten Zahlungen, die unter anderem auch die Wohnversorgung der Klägerin sicherstellen sollen, ihr zu einem Fünftel zugerechnet hat, so kann darin keine Fehlbeurteilung erblickt werden (vgl dazu auch RIS-Justiz RS009578). Zutreffend weist die Revisionswerberin jedoch darauf hin, dass es sich bei der von der Rechtsprechung entwickelten "Prozentmethode" um eine bloße grundsätzliche Orientierungshilfe handelt (RIS-Justiz RS0012492, RS0047419), die sich an durchschnittlichen und typischen Konstellationen orientiert (vgl auch SZ 72/74). Atypische Fälle erfordern hingegen eine den konkreten Verhältnissen angepasste individuelle Berücksichtigung der Bemessungskriterien (ÖA 1994, 69, 8 Ob 506/95, 5 Ob 168/02w ua). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen hier derartige atypische Verhältnisse vor, ist doch die Klägerin durch die Haushaltsführung, die (über das gewöhnliche Maß hinaus intensive) Kinderbetreuung sowie ihre Teilzeitbeschäftigung in besonderem Maße belastet; nach den maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen kommt sie überhaupt nur jedes zweite Wochenende in den Genuss von Freizeit. Sie verweist daher auch mit Recht darauf, dass sie angesichts ihrer Betreuungspflichten ein Ausmaß an Erwerbstätigkeit ausübt, das an sich von ihr nicht verlangt werden könnte, sodass es nicht gerechtfertigt wäre, die übliche Prozentmethode zur Unterhaltsberechnung anzuwenden und dabei ihr volles Einkommen zu berücksichtigen.

Unter den gegebenen Umständen erscheint es daher angemessen, der Klägerin, die insbesondere durch ihren Freizeitverzicht überproportional zum "Familieneinkommen" beiträgt, grundsätzlich in gleichem Ausmaß wie den Beklagten am Gesamteinkommen zu beteiligen. Um den Unterhaltspflichtigen, den noch weitere Sorgepflichten treffen, jedoch nicht übermäßig zu belasten und ihm auch weiterhin einen Anreiz zu bieten, sein Erwerbseinkommen - auch im Interesse der Unterhaltsberechtigten - zu erhöhen, sind die für jede weitere Unterhaltspflicht abzuziehenden Prozentwert gegenüber der üblichen Vorgangsweise, der ein Anteil von bloß 40 % des gemeinsamen Einkommens - bzw von 33 % des Einkommens des allein verdienenden Unterhaltspflichtigen - unterstellt ist, etwas anzuheben. Legt man in einem Fall wie dem vorliegenden eine Erhöhung von einem Prozentpunkt je Kind zugrunde, so ergibt das einen Abzug von 18 Prozentpunkten für die weiteren Sorgepflichten des Beklagten, sodass der Klägerin ein Anspruch auf 32 % des gemeinsamen Einkommens abzüglich ihres Eigeneinkommens gebührt.

Ausgehend von den festgestellten Einkommensverhältnissen der Streitteile, nämlich von einem gemeinsamen Einkommen von rund EUR

40.900 jährlich und einem Einkommen der Klägerin von EUR 9.860 jährlich, ergibt sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von EUR 3.228 jährlich bzw von rund EUR 270 monatlich. Dass damit den Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit der Streitteile angemessen Rechnung getragen wird, zeigt auch die rechnerische Konsequenz dieser Unterhaltsbemessung. Unter Berücksichtigung seines Nettoeinkommens sowie der von den Vorinstanzen weiters festgestellten Geldunterhaltspflichten von insgesamt EUR 1.112 für die Kinder verbleibt dem Beklagten monatlich ein Betrag von etwa EUR 1.206, wogegen die Summe der der Klägerin zukommenden Einkünfte (Arbeitseinkommen und Unterhalt) monatlich EUR 1.091 beträgt. Für den Zeitraum ab Rechtskraft der Ehescheidung bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz (195 Tage) ergibt sich somit ein Geldunterhaltsanspruch von EUR 1.730,96, auf den die (der Höhe nach unstrittigen) Zahlungen des Beklagten im festgestellten Ausmaß von EUR 488,18 anzurechnen sind, sodass sich ein Rückstand von EUR 1.242,78 ergibt. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist der Beklagte zur Zahlung dieses Betrags zu verpflichten, wogegen das auf den genannten Zeitraum bezogene Mehrbegehren von EUR 2.326,01 abzuweisen ist. Für die Zeit nach dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt hat der Beklagte Geldunterhalt von EUR 270 monatlich im Voraus zu zahlen; eines gesonderten Ausspruchs, dass nach Verhandlungsschluss geleistete Zahlungen abzuziehen sind, bedarf es nicht. Das auf Zahlung weiterer EUR 286,67 monatlich gerichtete Mehrbegehren wurde schon von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen.

Da mit der vorliegenden Entscheidung das gesamte Unterhaltsbegehren der Klägerin abschließend erledigt ist, ist auch ein Bedarf nach einstweiligem Rechtsschutz weggefallen; eine Entscheidung über ihren Provisorialantrag könnte ihre Rechtsposition nicht mehr begünstigen. Sie war daher mit ihrem Revisionsrekurs auf die Revisionsentscheidung zu verweisen.

Bei der gemäß § 50 Abs 1 ZPO erforderlichen Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage das Obsiegen bzw Unterliegen der Streitteile beurteilt werden soll, wurde doch einerseits über behauptete (einer "Kapitalisierung" zugängliche) Rückstände im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz und andererseits über den für die Zukunft laufend begehrten Unterhalt entschieden. Da sich die Höhe der den Streitteilen erwachsenen Verfahrenskosten maßgeblich nach der heranzuziehenden Bemessungsgrundlage richtet, kommt dieser auch für die Verteilung der Verfahrenskosten auf die Streitteile bzw für allfällige Kostenersatzansprüche zwischen diesen Bedeutung zu. Nach § 58 Abs 1 JN (ebenso § 9 Abs 1 RATG) ist bei Ansprüchen auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge als Streitwert das Dreifache der (begehrten) Jahresleistung anzunehmen. Dies gilt auch, wenn der Kläger neben dem laufenden (zukünftigen) Unterhalt auch bereits fällig gewordene Unterhaltsraten begehrt (EFSlg 90.740 = 1 Ob 133/99m; EFSlg 94.357; 101.596; ÖJZ-LSK 2001/73 ua). Der Streitwert wird auch nicht dadurch erhöht, dass während des Prozesses anfallende Unterhaltsansprüche gesondert bewertet werden (EFSlg 90.743, SZ 69/34).

Geht man von diesen Grundsätzen - die auch zu gelten haben, wenn sich die Kostenbemessungsgrundlage aus § 9 Abs 3 RATG ergibt - aus, so liegt auch bei der Beurteilung des Obsiegens und Unterliegens im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 43 Abs 1 ZPO das Schwergewicht auf der Entscheidung über den für die Zukunft begehrten (laufenden) Unterhalt, wogegen dem Prozesserfolg mit (allenfalls kapitalisierten) Rückständen nur geringe Bedeutung zukommt: Letztere haben insbesondere auf die Kostenbemessungsgrundlage keinen Einfluss. Im vorliegenden Verfahren erwies sich das von der Klägerin erhobene (und vom Beklagten schon dem Grunde nach bestrittene) Unterhaltsbegehren mit monatlich EUR 270 als berechtigt und mit monatlich EUR 286,67 als unberechtigt, sodass insoweit von einem annähernd gleichteiligen Prozesserfolg auszugehen ist, der die Kostenaufhebung gemäß § 43 Abs 1 ZPO rechtfertigt. Diese erscheint auch unter Berücksichtigung des Umstands sachgerecht, dass die Klägerin mit ihrem den rückständigen Unterhalt bis zur Rechtskraft der Scheidung betreffenden Begehren - das allerdings im Verhältnis zum Gesamtstreitwert nicht entscheidend ins Gewicht fällt - überwiegend unterlegen ist, steht dem doch der Erfolg ihres Scheidungsbegehrens gegenüber, der angesichts des Ausspruchs über das Verschulden des Beklagten gemäß § 45a Abs 2 ZPO zu dessen Kostenersatzpflicht führt. Für das erstinstanzliche Verfahren - einschließlich des Provisorialverfahrens - erscheint es daher angemessen, dass die Streitteile die ihnen erwachsenen Kosten jeweils selbst zu tragen haben. Dies gilt auch für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im ersten Rechtsgang, die vom Berufungsgericht zu weiteren Verfahrenskosten erklärt worden waren.

Im Rechtsmittelverfahren war in Ansehung des laufenden Unterhalts nach dem erstgerichtlichen Zuspruch von EUR 64,34 monatlich noch ein weiterer monatlicher Unterhalt von EUR 492,23 strittig. Die Klägerin war insoweit mit (weiteren) EUR 205,66, also mit rund 42 %, erfolgreich, wogegen das Mehrbegehren von EUR 286,57 monatlich, also rund 58 %, abgewiesen wurden. Unter Berücksichtigung des überwiegenden Unterliegens der Klägerin mit dem darüber hinaus erhobenen Begehren auf Zahlung von Unterhaltsrückständen, ist der Klägerin der Ersatz von 20 % der dem Beklagten im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen; Barauslagen im Sinne des § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO hat die Klägerin nicht verzeichnet.

Die dargelegten Grundsätze gelten auch für die für das Provisorialverfahren verzeichneten Kosten, also die Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers, und zwar ungeachtet der Zurückweisung des Revisionsrekurses wegen (nachträglichen) Wegfalls des Rechtsschutzinteresses; da der Kläger bei Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung mit einer solchen Entscheidung nicht rechnen musste, steht auch ihm im Sinne des § 50 Abs 2 ZPO Kostenersatz im Ausmaß des hypothetischen Erfolgs zu. In sinngemäßer Anwendung der Regelung in Anm 4 zu TP 3 RATG (Verbindung von Klage und Provisorialanrag) steht auch für Schriftsätze im Rechtsmittelverfahren, in denen Rechtsmittel oder Rechtsmittelbeantwortungen zur Hauptsache mit jenem im Provisorialverfahren verbunden werden, nicht eine gesonderte Honorierung, sondern nur eine "Verbindungsgebühr" von 25 % der auf den Schriftsatz in der Hauptsache entfallenden Entlohnung zu.

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