Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß, der in seinem Punkt 1.) als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinen Punkten 2.) und 3.) dahin abgeändert, daß die Beschlüsse des Erstgerichtes wieder hergestellt werden.
Text
Begründung
Der Vater bezieht eine Notstandshilfe von S 275,90 täglich. Er bewohnt eine in einem städtischen Wohnhaus gelegene Mietwohnung, für welche er einen monatlichen Gesamtzins von S 3.262,55 (darin enthalten ein Erhaltungsbeitrag von S 883,60) zu bezahlen hat. Für Gas und Strom laufen monatlich Kosten von rund S 1.000,-- auf. Der Vater besitzt kein Vermögen, es bestehen keine weiteren Sorgepflichten. Das unterhaltsberechtigte Kind wohnt im Haushalt der Mutter, hat kein eigenes Einkommen und besucht die Schule.
Der Vater war ab 1.11.1992 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.950,-- verpflichtet. Dieser Unterhaltsbemessung lag der Bezug einer Notstandshilfe von monatlich S 8.950,-- zugrunde. Es wurde ausgesprochen, daß die Anspannung des Vaters auf ein höheres Einkommen in Anbetracht der Arbeitsmarktlage nicht möglich sei.
Aufgrund des Antrages des Vaters auf Unterhaltsneubemessung wegen Kürzung der Notstandshilfe bestimmte das Erstgericht mit Beschluß ON 209 den ab 1.3.1994 zu leistenden Unterhaltsbetrag mit S 1.800,-- mit der Begründung, es sei nunmehr von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 8.277,-- auszugehen, das für Unterhaltsleistungen an die Minderjährige mit rund 22 % belastbar sei. Die vom Vater als Abzugsposten geltend gemachten Wohnungskosten seien ebensowenig wie Rückzahlungsraten für ein Darlehen geeignet, die Unterhaltsbemessungsgrundlage zu verringern.
Mit Beschluß ON 213 bewilligte das Erstgericht gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1.5.1994 bis 31.7.1995 Unterhaltsvorschüsse in der im Titel zugesprochenen Höhe.
Den gegen die vorgenannten Beschlüsse erhobenen Rekursen des Vaters gab das Gericht zweiter Instanz mit Punkt 2. und 3. des angefochtenen Beschlusses dahin teilweise Folge, daß es die Unterhaltspflicht des Vaters ab 1.3.1994 mit monatlich S 1.500,-- festsetzte und auch den Unterhaltsvorschuß nur in dieser Höhe gewährte. Es erklärte, es sei zwar zutreffend, daß Wohnungskosten im allgemeinen bei der Unterhaltsbemessung nicht in Abzug zu bringen seien, im vorliegenden Fall könne von dieser Regel jedoch deshalb eine Ausnahme gemacht werden, weil allein der Mietzins- und Betriebskostenaufwand des Rekurswerbers monatlich rund 1/3 der Unterhaltsbemessungsgrundlage ausmache. Es erscheine daher gerechtfertigt, die Prozentkomponente nicht zur Gänze auszuschöpfen, sondern den monatlichen Unterhalt darunter, und zwar mit S 1.500,-- auszumessen. Infolge Abänderung des Unterhaltstitels sei auch der Beschluß über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen entsprechend anzupassen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Dem gegen den rekursgerichtlichen Beschluß gerichteten Rekurs des Unterhaltssachwalters kommt Berechtigung zu.
Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß Wohnungskosten nach ständiger Rechtsprechung nicht aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden sind (RZ 1991/70; ÖA 1992, 57; EFSlg 68.240 ua). Es ist ihm auch darin beizupflichten, daß die von der Judikatur bei der Unterhaltsbemessung angewendeten Prozentsätze lediglich eine Richtschnur bilden, welche bei besonders atypischen Verhältnissen korrigiert werden können (6 Ob 566/90). Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Rekursgericht aufgezeigte Relation zwischen Monatseinkommen und Wohnungskosten ein Ausmaß erreicht, das eine ausnahmsweise Berücksichtigung der letzteren im Rahmen der Unterhaltsbemessung ermöglichen könnte. Aufgrund der geltenden Rechtslage kann nämlich ohneweiteres davon ausgegangen werden, daß den Unterhaltspflichtigen die Wohnungskosten nicht in voller Höhe treffen, wenn er die Gewährung von Mietzinsbeihilfe beantragt. Gemäß § 107 EStG 1988 steht Mietzinsbeihilfe als Abeltung außergewöhnlicher Belastung unter anderem dann zu, wenn die Erhöhung des Hauptmietzinses auf mehr als 4,50 S je Quadratmeter der Nutzfläche aufgrund eines vom Vermieter eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages nach § 45 MRG erfolgt ist (§ 107 Abs.3 lit.b EStG 1988). Aus dem vom Unterhaltspflichtigen vorgelegten Schreiben AS 617 in Bd.II ergibt sich bei einem Grundzins von S 432,40 die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages von S 883,60, sodaß in Anbetracht der Nutzfläche von 94 m2 und der Höhe des bezogenen Einkommens mit der Zahlung eines Abgeltungsbetrages nahezu in Höhe des Erhaltungsbeitrages zu rechnen ist (Abs.4 der genannten Gesetzesstelle). Zusätzlich zu dieser Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen besteht nach § 8 Abs.1 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) LGBl. 11/1973 im Zusammenhalt mit § 5 Abs.2 der Verordnung LGBl 13/1973 idF der Verordnung LGBl 68/1993 bei sozialer Bedürftigkeit Rechtsanspruch darauf, den Mietbedarf durch eine Mietbeihilfe zu decken. Ob und in welcher Höhe eine derartige Sozialleistung erlangt werden könnte, muß hier nicht geprüft werden, da jedenfalls schon eine Beihilfe nach § 107 EStG 1988 so weitgehend eine Entlastung des Unterhaltspflichtigen herbeiführen könnte, daß von einer in Relation zur Einkommenshöhe atypischen Belastung durch Wohnungskosten nicht mehr gesprochen werden kann. Es bedarf keiner weiteren Erhebungen, ob der Vater bereits im Genuß einer Mietzinsbeihilfe ist, da ihn auch das Unterlassen einer entsprechenden Antragstellung im Sinne einer Anspannung auf das zumutbarerweise Erreichbare nicht entlasten könnte.
Es waren daher in Stattgebung des Rekurses des Unterhaltssachwalters die erstinstanzlichen Beschlüsse wiederherzustellen.
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