OGH 5Ob142/03y

OGH5Ob142/03y26.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika H*****, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei "F*****", *****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen EUR 196.500,59 sA, infolge der Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19. März 2003, GZ 2 R 244/02v-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. September 2002, GZ 2 Cg 12/01s-16, aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin hat von der beklagten Partei mit Kaufvertrag vom 10./25. 8. 1993 130/2456tel Anteile der Liegenschaft EZ ***** GB *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung top 20 erworben.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat zwischen September 1994 und Mai 1999 mehrfach von der Beklagten eine Behebung von Mängeln des Bauwerks begehrt, wobei im Oktober 1998 eine Ersatzvornahme angedroht wurde.

Unter Übermittlung eines Kostenvoranschlages einer Drittfirma verlangte am 9. 11. 2000 die von der Wohnungseigentümergemeinschaft bevollmächtigte Hausverwaltung von der Beklagten die Bezahlung von EUR 211.000.

Am 16. 1. 2001 brachte die Wohnungseigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ ***** GB ***** gegen die Beklagte die vorliegende Klage auf Zahlung von EUR 194.500,59 aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes mit der zusammengefassten Begründung ein, die Beklagte habe auf der bezeichneten Liegenschaft ein Gebäude mit Eigentumswohnungen samt Tiefgaragen errichtet und die entsprechendem Anteile samt verbundenem Wohnungseigentum an die nunmehrigen Wohnungseigentümen verkauft. In der Folge seien Baumängel in Form von Wassereintritten in der Tiefgarage und an den Balkonen aufgetreten. Trotz zahlreicher Verbesserungsversuche habe die Beklagte bisher die Mängel nicht beheben können und lehne nunmehr jede weitere Verbesserung ab. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei daher gezwungen, Dritte mit der Sanierung zu beauftragen, wobei bereits ein Kostenvoranschlag in Höhe des geltend gemachten Klagsbetrags eingeholt worden sei.

Die Beklagte trat dem Begehren unter anderem mit der Begründung entgegen, der Wohnungseigentümergemeinschaft mangle es an der Aktivlegitimation, weil die Beklagte mit ihr nie kontrahiert habe. Die Gemeinschaft könne lediglich in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung tätig werden. Der verfahrensgegenständliche Anspruch werde aber aus den Einzelverträgen der Wohnungseigentümer mit der Beklagten abgeleitet.

In Erledigung eines Zwischenantrages der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Feststellung ihrer aktiven Klagslegitimation sprach das Oberlandesgericht Linz zu 2 R 239/01g aus, dass in einem Fall wie dem gegenständlichem nur der einzelne Erwerber zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger berechtigt sei, auch wenn Mängel allgemeine Teile des Hauses beträfen. Im Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass im Fall der Klagsführung einzelner Wohnungseigentümer ein Mehrheitsbeschluss erforderlich sei.

Am 18. 7. 2002 beantragte daraufhin die Klägerin gemäß § 235 Abs 5 ZPO die Richtigstellung der Parteienbezeichnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf sich selbst mit der Begründung, das Klagebegehren sei von Beginn an auf die zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern und der Beklagten abgeschlossenen Kaufverträge und daraus abgeleitete Ansprüche auf Gewährleistung und Schadenersatz gestützt worden.

Die Beklagte sprach gegen die Zulässigkeit einer Richtigstellung der Parteibezeichnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Klägerin aus.

Das Erstgericht ließ die begehrte Klagsänderung durch Berichtigung der Parteienbezeichnung auf die Klägerin zu (Beschluss vom 26. 9. 2002). Mit gleichzeitig ergangenen Urteil wies das Erstgericht das gesamte Klagebegehren ab.

Die Klägerin habe zwar ein wirtschaftliches Interesse daran, dass Mängel am Gesamtobjekt behoben würden, weil davon auch ihr Miteigentumsanteil betroffen sei. Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, die allgemeine Teile des Hause beträfen, seien aber Gesamthandforderungen der Liegenschaftseigentümer im Sinn der §§ 848 Satz 2, 890 ABGB, die nur von der Gesamtheit der Miteigentümer geltend gemacht werden könnten. Sollte eine Zustimmung hiezu nicht erlangbar sein, könnte eine solche im außerstreitigen Verfahren durchgesetzt werden. Eine Minderheit der Miteigentümer sei jedenfalls ohne Zustimmung nicht klagsbefugt, somit auch nicht ein einzelner Wohnungseigentümer.

Einem gegen die Zulassung der Richtigstellung der Parteibezeichnung von der Beklagten erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge (Beschluss des OLG Linz als Rekursgericht vom 15. 1. 2003, GZ 2 R 244/02v-23).

Dieser Beschluss ist damit in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hob das Berufungsgericht infolge Berufung der klagenden Partei das das Klagebegehren abweisende erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung zurück.

Zunächst bejahte das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin. Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche allgemeine Teile des Hauses betreffend könnten, wenn sie auf Einzelverträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger resultierten, nicht von der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern nur von den einzelnen Erwerbern geltend gemacht werden. Auch die Bedachtnahme auf die Interessen anderer Wohnungseigentümer zwinge nicht zur Verneinung der Klagslegitimation eines einzelnen Wohnungseigentümers, allerdings dürften diese Interessen - etwa bei der Wahl zwischen Verbesserung und Preisminderung - nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb bei Bestehen einer dinglichen Rechtsgemeinschaft am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses festzuhalten sei. Allenfalls sei die Erwirkung eines Beschlusses eines Außerstreitrichters möglich. Nur dann, wenn die Beteiligten ihre Wahl bereits getroffen hätten, also keine Möglichkeit eines Interessenskonfliks mehr bestehe, sei die Forderung nach einem Mehrheitsbeschluss obsolet. Das sei etwa dann der Fall, wenn nach einem gescheiterten Verbesserungsversuch die Sanierung der bestehenden Mängel bereits veranlasst und das dafür eingesetzte Deckungskapital begehrt würde.

Zwar habe sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht auf das Bestehen eines solchen Mehrheitsbeschlusses berufen. Die Tatsache, dass die ursprüngliche Klagserhebung allerdings durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt sei, die sich auf einen in der Hausversammlung gefassten Beschluss berufen habe, lasse die Schlussfolgerung zu, die Beteiligten hätten ihre Wahl bereits getroffen.

Infolge einer im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisergänzung stellte das Berufungsgericht fest, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zwischen September 1994 und Mai 1999 mehrfach eine Mängelbehebung von der Beklagten begehrt habe, auch eine Ersatzvornahme angedroht habe und am 9. 11. 2000 schließlich Zahlung von EUR 211.000 begehrt habe.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich daraus ergebe, dass sich die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits auf die Inanspruchnahme von Geldersatz festgelegt habe. Damit könne aber keine unterschiedliche Interessenslage mehr bestehen, weshalb es der Vorlage eines formellen Mehrheitsbeschlusses tatsächlich nicht mehr bedürfe.

Das Berufungsgericht meinte noch, dass selbst dann, wenn ein solcher Mehrheitsbeschluss erforderlich gewesen wäre, es Sache des Erstgerichtes gewesen wäre, unter Fristsetzung an einen solchen von der Klägerin zu verlangen. Die Abweisung des Klagebegehrens mangels Aktivlegitimation der Klägerin erweise sich jedenfalls als verfehlt. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die erhobenen Ansprüche auf ihre Berechtigung zu überprüfen haben.

Dabei werde aber noch zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin einen auf Geld gerichteten und damit teilbaren Anspruch geltend mache, somit nur den auf ihren Anteil entfallenden Teil des Deckungskapitals begehren könne. Es könne keinen Unterschied machen, ob Deckungskapital oder ein Vorschuss verlangt werde. Eine Abtretung der Ansprüche der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer an sie habe die Klägerin nicht behauptet.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen seine aufhebende Entscheidung für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt nicht vorliege.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse beider Streitteile.

Die Klägerin bekämpft zwar nicht die Aufhebung selbst, wohl aber die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen, wonach der Klägerin nur 130/2456tel des Klagebegehrens zuerkannt werden dürfe. Hilfsweise wird eine Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung begehrt.

Die Beklagte begehrt mit ihrem Rechtsmittel eine Abänderung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses und eine Wiederherstellung der erstinstanzlichen abweisenden Entscheidung.

Beide Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Zum Rekurs der Klägerin:

Zulässigerweise bekämpft die Klägerin die sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergebenden Aufträge und Bindungen des Erstgerichtes (Stohanzl, ZPO15 § 519 E 65 und 66 mwN). Mit dem Argument, die den einzelnen Wohnungseigentümern als Partner des Werkvertrags für das ganze Haus geschuldete Gewährleistung sei unteilbar, betont sie ihre Berechtigung, das gesamte Deckungskapital bzw die Bevorschussung eines solchen zu begehren, ohne auf ihren Anteil beschränkt zu sein. Dabei beruft sie sich auf die Entscheidungen MietSlg 52.548 und 52.550, insbesondere auf die Entscheidung 1 Ob 282/99y sowie 5 Ob 274/97y.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Nach nunmehr ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung stehen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus einem von Erwerber einer Wohnung mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrag nur dem Erwerber und nicht der Wohnungseigentumsgemeinschaft zu (SZ 70/129; RIS-Justiz RS0082907; RS0013214; uva; H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 100 f zu § 18 WEG).

Bei Ansprüchen aus solchen Vertragsverhältnissen ist das Dilemma zu lösen, dass der Anspruch dem jeweiligen Vertragspartner allein zukommt, seine Durchsetzung sich aber auf die gemeinsamen Teile der Liegenschaft auswirken kann und daher die Gefahr widersprüchlicher Rechtsausübung durch andere mit inhaltsgleichen Ansprüchen ausgestattete Wohnungseigentümer droht. Diese Problematik betrifft in der Regel Mängel an allgemeinen Teilen der Anlage. Soweit also das Vorgehen eines einzelnen Wohnungseigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, etwa bei der Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren, ist dieser gehalten, durch einen Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder durch eine diesen substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters sein Vorgehen sanktionieren zu lassen. Dies betrifft sowohl Schadenersatz- als auch Gewährleistungsansprüche (vgl RIS-Justiz RS0108158; H. Löcker aaO Rz 102 f; Prader WEG 2002 E 97 f zu § 30 WEG). Eine solche Beschlussfassung, ob Naturalersatz oder Geldersatz begehrt wird, fällt unter § 14 Abs 1 WEG 1975 (5 Ob 201/00w).

Die Begründung dafür liegt aber nicht darin, dass hier eine Gesamthandforderung der Wohnungseigentümer iS der §§ 848 Satz 2, 890 ABGB vorliegt, wie es einer überholten Judikaturlinie entsprach (vgl etwa JBl 1986, 108 [Krit Selb]; RIS-Justiz RS0013213 ua), sondern darin, dass der einzelne anspruchsberechtigte Wohnungseigentümer als Mitglied der Mit- und Wohnungseigentümergemeinschaft die Interessen der übrigen Gemeinschaftsmitglieder zu wahren hat (vgl 5 Ob 253/00t uva). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Frage bei schlichtem Miteigentum anders zu beurteilen ist (vgl 1 Ob 282/99y).

Während der Anspruch auf Mängelbeseitigung an allgemeinen Teilen des Hauses wohl eine Gesamtanspruch ist, trifft dies nicht auf die Forderung nach Verbesserungskapital für Mängelbeseitigung bzw zulässigerweise auf Begehren eines Vorschusses für Verbesserungskapital zu. Eine solche ist als Geldforderung teilbar, dem Schadenersatz wegen Nichterfüllung gleichzuhalten (vgl Reischauer in Rummel Rz 20 f, 20 g zu § 932 ABGB mwN) und damit seiner Natur nach teilbar. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner bereits in 5 Ob 296/00s vertretenen Ansicht abzugehen, dass diesfalls jeder einzelne Wohnungseigentümer nur den auf seinen Anteil entfallenden Teil des eingesetzten oder zu bevorschussenden Deckungskapitals begehren kann. Ein selbständiges Klagerecht des einzelnen Wohnungseigentümers auf das Ganze besteht nicht (vgl dazu auch Gamerith in Rummel Rz 5 zu § 848 ABGB mwN). Eine Zession wurde bisher nicht behauptet.

Damit in Einklang befinden sich die vom Berufungsgericht in seiner aufhebenden Entscheidung enthaltenen Aufträge und Bindungen.

Der Rekurs der Klägerin ist daher nicht berechtigt.

Zum Rekurs der Beklagten:

Zunächst ist richtig, dass zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Mehrheit der Wohnungseigentümer rechtlich ein fundamentaler Unterschied besteht. Die Behauptung, in einer Hausversammlung seien diverse "Beschlüsse" gefasst worden, sagt nichts darüber aus, ob es sich dabei um Mehrheitsbeschlüsse gehandelt hat, die zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung der Voraussetzungen des § 13b WEG 1975 bedurften (Hausversammlung 19. 1. 2000). Das bedeutet, dass ein Beschluss erst zustande kommt, nachdem allen Miteigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Jeder Miteigentümer ist übrigens von der beabsichtigten Beschlussfassung und ihrem Gegenstand bereits vorher durch Übersendung einer Verständigung in Kenntnis zu setzen. Daneben besteht noch die Möglichkeit der Anfechtung eines Mehrheitsbeschlusses.

Dem Berufungsgericht kann darin nicht gefolgt werden, dass aus den von ihm zusätzlich getroffenen Feststellungen bereits hervorgehe, dass ein solcher Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nach § 13b WEG vorliege; es lässt sich aus den bisherigen Feststellungen auch nicht entnehmen, ob Gemeinschaftsinteressen nicht mehr beeinträchtigt werden könnten (RIS-Justiz RS0108157, RS0108159, RS0013430, RS0013431). Auch das wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein.

Damit erweist sich auch das Rechtsmittel der Beklagten im Ergebnis als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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