OGH 5Ob253/00t

OGH5Ob253/00t24.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dipl. Ing. Erich P*****, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger & Ing. Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in 6130 Schwaz, gegen die Antragsgegner 1.) Klaus T*****, 2.) Sivvy S*****, 3.) Oswald V*****, 4.) Margareta A*****, 5.) Peter O*****, 6.) Renate R*****, 7.) Richard W*****, 8.) Dr. Diethelm L*****, und 9.) Roland E*****, alle vertreten durch Dr. Heinz Heißl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen § 13a Abs 1 Z 1 WEG iVm § 14 Abs 1 Z 1 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. März 2000, GZ 2 R 131/00d-20, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17. Jänner 2000, GZ 11 Msch 52/99m-15, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschlusss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Das Begehren der Antragsgegner, dem Antragsteller den Ersatz der für die Revisionsrekursbeantwortung verzeichneten Kosten aufzutragen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller, Mit- und Wohnungseigentümer von 136/1501 Anteilen der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****, hat gegen den Erstantragsgegner, der selbst noch 702/1501 Anteile der genannten Liegenschaft sein Eigen nennt, unter Berufung auf dessen Funktionen als Verkäufer, Wohnungseigentumsorganisator, Bauherr und Verwalter der Wohnanlage zu 15 Cg 212/98y des Landesgerichtes Innsbruck eine Klage zur Durchsetzung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen erhoben. Die dabei geltend gemachten Mängel und Schäden betreffen auch allgemeine Teile der Wohnanlage, weshalb er - der Entscheidung des erkennenden Senates zu 5 Ob 147/97x (RdW

1997, 720 = WoBl 1998, 55/32 = JBl 1998, 51 = immolex 1998, 56/30 =

SZ 70/129 = MietSlg 49/25) folgend - im außerstreitigen Verfahren

nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG den Antrag stellte, die von ihm nicht erreichbare Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zur Klagsführung durch einen Gerichtsbeschluss zu ersetzen. Begründet wurde dieses Begehren im Wesentlichen damit, dass die drohende Verjährung der geltend gemachten Gewährleisungsansprüche diese Vorgangsweise erfordere.

Die Vorinstanzen erteilten dem Antragsteller (mit hier nicht mehr interessierenden Ausnahmen und Varianten) die Genehmigung zur Klagsführung in letztlich 8 Punkten, wovon vier noch strittig sind, und zwar in Ansehung der Verbesserung von zwei nicht niveaugleich versetzten Fußabstreifern im Erdgeschoss beim Hausgang, von undichten Leitungs- und Rohrdurchführungen im Bereich der Kellerwand Ost vor dem Kellerabteil top 12, der Dämmputzbeschichtung der Wände beiderseits der Schrägverglasung auf der Terrasse top 12 und der Verwendung von (zur Kondenswasserbildung führenden) Aluminiumleisten statt aluminiumbeschichteter Holzleisten im Bereich der Treppe vor und hinter dem Hauseingang. Diesbezüglich hatten die Antragsgegner (die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft) bestritten, dass Mängel vorliegen; zumindest gehe es nicht um erhebliche Mängel, die eine Gewährleistungs- oder Schadenersatzpflicht des Erstbeklagten auslösen könnten.

Das Rekursgericht begründete seine dem Begehren des Antragstellers stattgebende Entscheidung wie folgt:

Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 2148/96k; 5 Ob 147/97x; 5 Ob 274/97y) sei, damit die Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht unberücksichtigt bleiben, am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen (betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft) festzuhalten. Versuche die Minderheit, infolge Untätigkeit der Mehrheit einen Beschluss des Außerstreitrichters gemäß §§ 13a Abs 1 Z 1, 26 Abs 1 Z 3 WEG zu erwirken, so habe das Gericht bei seiner Entscheidung allfällige widerläufige Interessen der anderen Wohnungseigentümer zu beachten, wobei der Oberste Gerichtshof beispielhaft die unterschiedliche Wahl von Verbesserungs- und Gewährleistungsansprüchen angeführt habe.

Unter Untätigkeit der Mehrheit, die die Erwirkung eines Beschlusses des Außerstreitrichters iSd §§ 13a Abs 1 Z 1, § 26 Abs 1 Z 3 WEG rechtfertige, sei das Unterlassen von Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 3 MRG zu verstehen. Zur Erhaltung iSd § 3 MRG und damit zur ordentlichen Verwaltung gehöre auch die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands, weil nur dieser Zustand dem "ortsüblichen Standard" der vereinbarten Werkleistung entspreche (5 Ob 101/85; 4 Ob 2229/96i; 5 Ob 2148/96k; 5 Ob 147/97x ua).

Während die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen bei Vorliegen unwesentlicher Mängel eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung darstelle, treffe dies bei bloß unerheblichen Mängeln iSd § 932 Abs 2 ABGB mangels Anspruchsgrundlage nicht zu. Dies gelte auch bei Mängelfreiheit.

Im außerstreitigen Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung der Mehrheit zur gerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen habe nur eine grobe Prüfung der Aussichten einer erfolgreichen Durchsetzung der behaupteten Ansprüche vor dem Hintergrund allfälliger widerläufiger Interessen der anderen Miteigentümer zu erfolgen. Das Verfahren habe die im streitigen Verfahren durchzuführende Klärung auf der Tatsachenebene strittiger Fragen nicht vorwegzunehmen. Das gelte im gegenständlichen Fall sowohl für die Frage des Vorliegens der behaupteten Mängel als auch für die Frage ihres Ausmaßes.

Dementsprechend sei (insbesondere auch in den strittig gebliebenen Punkten) dem Antragsteller die Genehmigung zur klagsweisen Geltendmachung der (auf Verbesserung gerichteten) Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu erteilen gewesen. Während bei der Entscheidung über die pflegschaftsgerichtliche Geltendmachung einer Klage das Prozessrisiko und damit die Gefahr eines vermögensrechtlichen Nachteils für den Pflegebefohlenen zu prüfen sei, müsse im Fall der Ersetzung der Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zur gerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen nach der bereits zitierten Judikatur bedacht werden, ob die Geltendmachung dieser Ansprüche den Interessen der anderen Miteigentümer widerstreitet. Es müssten daher die behaupteten Mängel nur soweit geklärt werden, als dies die verlässliche Beurteilung der Fragen erfordert, ob eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung vorliegt und Interessen der Mehrheit beeinträchtigt werden.

Da im gegenständlichen Fall - bei offener Sachlage - die Antragsgegner das Vorliegen von Mängeln bestreiten bzw lediglich von einer unerheblichen Wertminderung iSd § 932 Abs 2 ABGB ausgehen und die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen auf Grund der verbliebenen (strittigen) Mängel nicht als aussichtslos bezeichnet werden könne, sei die Zustimmung der Mehrheit zur gerichtlichen Geltendmachung zu ersetzen gewesen. Den Antragsgegnern könnten dadurch unter Zugrundelegung ihrer erklärten Position keine Nachteile erwachsen. Die allfällige Verbesserung der verbliebenen Mängel in der vom Antragsteller gewünschten Form bedinge keine Belastung der Antragsgegner, sondern lasse vielmehr eine Qualitätssteigerung erwarten. Mangels Parteistellung im streitigen Verfahren hätten sie auch unabhängig vom Prozessausgang keine Kostenfolgen zu erwarten.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich nämlich noch nicht zum Umfang und zum Inhalt der Prüfung des Außerstreitrichters bei der Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (und Schadenersatzansprüchen) zur erstmaligen Herstellung eines mängelfreien Zustands der Wohnungseigentumsanlage geäußert.

Mit ihrem Revisionsrekurs streben die Antragsgegner in Ansehung der vier wie sie meinen unbedeutenden Mängel die Abweisung des Sachantrags auf Ersetzung der fehlenden Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zur Klagsführung des Antragstellers an. In diesem Sinn soll die rekursgerichtliche Entscheidung sogleich oder nach einer dem Rekurs- oder Erstgericht aufzutragenden Verfahrensergänzung abgeändert werden. Begründet wird dieses Rechtsmittelbegehren im Wesentlichen damit, dass mangels Untätigkeit der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer (die beschlossen haben, der Klagsführung durch den Antragsteller nicht zuzustimmen) die in der Entscheidung 5 Ob 147/97x genannten Voraussetzungen für eine Anrufung des Außerstreitrichters gar nicht vorlägen; außerdem seien die fraglichen Mängel als unerheblich iSd § 932 Abs 2 ABGB zu qualifizieren, sodass sich die Klagsführung nicht als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung zur Herstellung eines erstmalig mängelfreien Zustands der Wohnanlage darstelle. Die fehlende Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zur Geltendmachung dieser Mängel könne in einem solchen Fall nicht ersetzt werden.

Der Antragsteller hat sich dazu in einer Revisionsrekursbeantwortung geäußert und die Bestätigung der rekursgerichtlichen Entscheidung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Soweit die Rechtsmittelwerber geltend machen, für die vom Antragsteller angestrebte Entscheidung des Außerstreitrichters fehle die in der Entscheidung 5 Ob 147/97x festgelegte Voraussetzung einer Untätigkeit der Mehrheit der Miteigentümer, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist nämlich in der einzigen in diesem Zusammenhang erwähnten Hausversammlung am 6. 7. 1998 (an der der Antragsteller nicht teilnahm) lediglich beschlossen worden, auftretende Mängel dem Erstbeklagten bekanntzugeben. Als der Antragsteller mehrfach (auch schriftlich) dem Erstantragsgegner und der Hausgemeinschaft gegenüber

Mängel rügte, hat weder der Erstantragsgegner noch die Hausgemeinschaft reagiert; die Mehrheit der Miteigentümer war

vielmehr, wie das Erstgericht ausdrücklich festhielt, untätig (ON 15, 5). Selbst unter der Annahme, die Untätigkeit der Mehrheit der Miteigentümer wäre ausnahmslos eine unabdingbare materielle Voraussetzung für die Erwirkung eines die fehlende Mehrheitsentscheidung substituierenden Beschlusses des Außerstreitrichters nach § 13a Abs 1 Z 1, § 26 Abs 1 Z 3 WEG, ist daher dem Rekursgericht keine Fehlbeurteilung vorwerfbar.

Was die zweite im Revisionsrekurs angesprochene Rechtsfrage betrifft, ob Streitigkeiten über die Erheblichkeit von Mängeln an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch einen der Miteigentümer entgegenstehen, kann auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden (§ 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO). Es ist daran zu erinnern, dass der Antragsteller die Behebung der Mängel verlangt, also einen Verbesserungsanspruch nach § 932 Abs 1 ABGB geltend macht. Bei diesem Anspruch handelt es sich um den noch offen gebliebenen Anspruch auf Vertragserfüllung (Reischauer in Rummel**2, Rz 10 zu § 932 ABGB; Binder in Schwimann**2, Rz 43 zu § 932 ABGB, jeweils mwN), der somit dem Antragsteller ad personam zusteht (idS 5 Ob 147/97x; ähnlich schon SZ 54/27 mit weiteren Ausführungen). Alle Gewährleistungsansprüche erklären sich aus dem Zurückbleiben der tatsächlich erbrachten gegenüber der vertraglich geschuldeten Leistung (vgl Binder aaO, Rz 2 zu § 922 ABGB mwN) und sind damit, wenn sich Einzelpersonen als Vertragspartner gegenüber stehen (wie etwa hier der Organisator und Käufer von Wohnungseigentum) individueller Natur. Lediglich der Umstand, dass es um Mängel an allgemeinen Teilen einer gemeinschaftlichen Sache geht und jedes Mitglied einer Mit- oder Wohnungseigentümergemeinschaft auch die Interessen der übrigen Gemeinschaftsmitglieder zu wahren hat, kann in einem solchen Fall überhaupt dazu führen, die Gemeinschaft (mehrheitlich) bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen mitbestimmen zu lassen. Folgerichtig beschränkt sich diese Entscheidungsbefugnis auf die Geltendmachung von Gemeinschaftsinteressen, etwa auf die in 5 Ob 147/97x angesprochene Wahl zwischen Preisminderungs- und Verbesserungsanspruch. Soweit Gemeinschaftsinteressen nicht gefährdet sind, ist der einzelne Mit- und Wohnungseigentümer nicht gehindert, seine auch allgemeine Teile der gemeinschaftlichen Sache betreffenden Gewährleistungsansprüche allein geltend zu machen.

Im gegenständlichen Fall haben sich die Antragsgegner gar nicht darauf berufen, dem Preisminderungsanspruch gegenüber dem vom Antragsteller verfolgten Verbesserungsanspruch den Vorzug zu geben; sie lehnen vielmehr die Geltendmachung der Verbesserungsansprüche des Antragstellers nur deshalb ab, weil die von ihm behaupteten Mängel unerheblich seien. Dieser Einwand ist, wie das Rekursgericht richtig erkannte, unbeachtlich, weil den Antragsgegnern aus der Mängelbehebung kein erkennbarer Nachteil droht, sondern im Gegenteil mit einer qualitativen Verbesserung der Wohnungseigentumsanlage zu rechnen ist, wenn der Antragsteller mit seiner Klage durchdringt. Da der Antragsteller überdies das alleinige Kostenrisiko des Gewährleistungsprozesses trägt, erweisen sich die gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes vorgetragenen Argumente als nicht zielführend.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung, bei der es nur um Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegner geht, stützt sich auf § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG. Dass der (vom Rekursgericht zugelassene) Revisionsrekurs mutwillig erhoben worden wäre, trifft nicht zu.

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