OGH 1Ob83/03t

OGH1Ob83/03t29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Prim. Dr. Sigurd Markus H*****, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher und Dr. Klaus J. Karner, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Landeshauptstadt Klagenfurt, Klagenfurt, Neuer Platz 1, vertreten durch Mag. Dr. Friedrich Studentschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert EUR 30.000,-), hier: Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 19. Februar 2003, 1.) GZ 6 R 25/03y-13 und 2.) GZ 6 R 26/03w-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei werden gem. §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.): Die Schlüssigkeit einer Klage oder eines Sicherungsantrags kann jeweils nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden. Ob eine Klage oder ein Sicherungsantrag schlüssig ist, also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt einwandfrei abzuleiten ist, ist daher - von grober, hier aber nicht gegebener, Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 bzw § 528 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0037780; RS0116144). Entgegen dem weitestgehend unsubstantiierten Vorbringen der Revisionsrekurswerberin hat der Kläger die Lage der Quellfassungen und des Quelleinzugsgebiets sowie den Verlauf der Leitungen zumindest für den Bereich des Provisorialverfahrens nach den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausreichend genau angegeben. Es kann auch keine Rede davon sein, dass das Klagebegehren überhaupt nicht exequierbar sei.

Völlig unrichtig ist auch die Unterstellung der Rechtsmittelwerberin, der Kläger habe keinen oder einen unzutreffenden Rechtsgrund für seinen Anspruch angegeben, beruft er sich doch auf Seite 6 der Klage ausdrücklich auf die noch darzustellende Rechtsprechung.

Gemäß § 381 Z 2 zweiter Fall EO kann zur Sicherung eines anderen Anspruchs als einer Geldforderung eine einstweilige Verfügung dann erlassen werden, wenn dies zur Abwehr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Es ist dabei die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung zu fordern. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die diese Voraussetzungen begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (SZ 64/153 mwN; 6 Ob 155/99h). Ein Schaden ist dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil am Vermögen, an Rechten oder Personen eintritt, die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (SZ 64/153 mwN). Gerade die Gefährdung der Gesundheit kann selbstverständlich unwiederbringlicher Schade im Sinn der genannten Gesetzesstelle sein (RIS-Justiz RS0005319).

Auch bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung kommt es immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0005118; zuletzt 6 Ob 155/99k). In der Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt liegt - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO. Der von den Vorinstanzen auf der Grundlage dieser Rechtsprechung gezogene Schluss, das vom Kläger bescheinigte Abschneiden eines Wohngebäudes von der Versorgung mit reinem Trink- und Brauchwasser sei eine - vom Kläger im Einzelnen beschriebene - Gefährdung im dargestellten Sinn ist nicht zu beanstanden.

Bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, entsteht nach herrschender Ansicht eine Dienstbarkeit auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung. Dabei wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (1 Ob 58/97d; SZ 57/38 [grundlegend] = NZ 1987, 22 [Hofmeister]; JBl 1989, 751; SZ 49/31; SZ 36/92; SZ 34/128 ua; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 480 sowie Rz 6 und 7 zu § 481; Klang in Klang2 II 551; Hofmann in Rummel, ABGB3 Rz 2 zu § 480; aM Koziol/Welser, Grundriß II10 168). Im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks müssen Anlagen - so etwa ein Abwasserkanal (MietSlg 32.030 [Regenrinne und Abwasserkanal]) - vorhanden sein, die den Zweck des Dienens offenkundig machten. Der Erwerber der dienenden Liegenschaft muss somit die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit entweder gekannt haben oder aber er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit zumindest kennen müssen (SZ 36/92; 1 Ob 58/97d; 1 Ob 292/98t; RIS-Justiz RS0011618; RS0011643).

Die Offenkundigkeit des Wasserbezugsrechts wurde von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommen. Entgegen der von der Revisionsrekurswerberin vertretenen Ansicht wird auf Grund des Vorhandenseins funktionsfähiger Anlagen, wie Quellfassungen, schon nach allgemeiner Lebenserfahrung auch das für deren Speisung notwendige Einzugsgebiet in den Bereich der Offenkundigkeit einbezogen. Zumindest für das Provisorialverfahren ist daher die gänzliche Einbeziehung der in Frage kommenden Grundstücke in die Sicherungsgebote nicht zu beanstanden. Bei dieser Sachlage muss nicht weiter erörtert werden, ob der Beklagten als Voreigentümerin Art und Umfang des Wasserbezugs zudem nicht ohndies bekannt sein musste.

Zu 2.): Da über den Antrag auf Bewilligung der Streitanmerkung vom Prozessgericht nach den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0060516), ist der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts gemäß § 126 GBG und § 14 AußStrG zwar nicht jedenfalls unzulässig, es wird in ihm jedoch ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG geltend gemacht:

Zu den neuerlichen Ausführungen über die angebliche Unschlüssigkeit der Klage ist auf die Begründung zu 1.) zu verweisen.

Es entspricht nunmehr gesicherter Rechtsprechung, dass die Klage auf Einwilligung in die bücherliche Einverleibung einer durch Grundstücksteilung entstandenen offenkundigen Dienstbarkeit in analoger Anwendung des § 70 GBG im Grundbuch angemerkt werden kann (RIS-Justiz RS0111159). Kann eine Streitanmerkung gemäß § 70 GBG selbst im Falle eines Klagebegehrens auf "Zuerkennung eines dinglichen Rechtes" wegen Ersitzung bewilligt werden, so führt ein Größenschluss als Mittel der Analogiebildung (F. Bydlinski in Rummel aaO Rz 3 und 6 zu § 7; Posch in Schwimann aaO Rz 15 zu § 7) zum Ergebnis, dass dieselbe Rechtsfolge auch für den noch gewichtigeren Fall einer schon durch Grundstücksteilung entstandenen offenkundigen Dienstbarkeit gelten muss, was von den Vorinstanzen zutreffend erkannt wurde. Damit entspricht aber auch die Klage auf Einwilligung in die Verbücherung einer nach dem Klagevorbringen offenkundigen, jedoch vom Eigentümer des dienenden Guts bestrittenen, Dienstbarkeit in Anspruchsgrund und Wirkung einem Klagetypus, der - entgegen der Ansicht der Beklagten - einer Streitanmerkung zugänglich ist (1 Ob 292/98t).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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