OGH 8Ob134/63

OGH8Ob134/6325.6.1963

SZ 36/92

Normen

ABGB §481
ABGB §1500
ABGB §481
ABGB §1500

 

Spruch:

Stillschweigende Dienstbarkeitsbestellung bei Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums an zwei Liegenschaften.

Entscheidung vom 25. Juni 1963, 8 Ob 134/63.

I. Instanz: Kreisgericht Krems a. d. Donau; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß ihm und den jeweiligen Eigentümern der Parzelle 243, Bauarea, Haus Nr. 118, der EZ. 115 KG. H. als herrschenden Gutes die Dienstbarkeit des Fahrtrechtes durch die Toreinfahrt des im Eigentum des Beklagten stehenden Hauses Nr. 57, Parzelle 244/1, Bauarea, der EZ. 54 KG. H. als dienenden Gutes zustehe, und Verurteilung des Beklagten, in die Einverleibung dieses Fahrtrechtes als Dienstbarkeit ob der EZ. 54 KG. H. als dienendem Gut zugunsten des Klägers und der jeweiligen Eigentümer der Parzelle 243, EZ. 115 KG. H., einzuwilligen.

Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen: Die beiden benachbarten Häuser H., G.-Straße Nr. 118 und 57 seien vom Vater des Beklagten und Schwiegervater des Klägers, Johann L., errichtet worden. Nach dessen Tod im Jahre 1930 sei sein Vermögen in das Alleineigentum seiner Frau, Karoline L., übergegangen; ihr Nachlaß sei im Jahre 1932 ihren vier Kindern, nämlich dem Beklagten, der Karoline W., der Maria Sch. und der Gattin des Klägers Hedwig Sch. eingeantwortet worden. Letztere habe im gleichen Jahre die Anteile der übrigen Miterben am Hause Nr. 118 gekauft, während das Haus Nr. 57 weiter im gemeinsamen Eigentum der vier Erben verblieben sei. Im Jahre 1946 sei sie gestorben. Durch Erbübereinkommen sei das Haus Nr. 118 in das Alleineigentum des Klägers übergegangen, während die vier Kinder der Verstorbenen den Viertelanteil ihrer Mutter am Hause Nr. 57 zu gleichen Teilen erhalten hätten. Nach einem Teilungsprozeß sei das Haus Nr. 57 am 12. Februar 1960 öffentlich versteigert und vom Beklagten als Meistbietendem erworben worden. Im Hause Nr. 118 befinde sich zu ebener Erde ein Bäckerei- und Gemischtwarengeschäft des Klägers. Das Haustor bestehe aus zwei Flügeln und sei 2.25 m breit und 3.20 m hoch; zum Gehsteig hin bestehe eine Stufe von 14 cm Höhe; vom Gehsteig führe eine 45 cm breite gepflasterte Abfahrt schräg zur Straße. Durch das Tor gelange man in eine 14 m lange gepflasterte Einfahrt, die die gleiche Breite wie das Tor habe und zum Hofe des Hauses zu durch eine Holzwand abgeschlossen sei; diese Holzwand habe zwei Seitenflügel, die geöffnet werden können; außerdem habe sie eine kleine Türe von 1 m Breite. Etwa 5 m vor dieser Holzwand sei die Einfahrt durch eine andere nicht bis zur Decke reichende Holzwand untergeteilt, in der sich ebenfalls eine Türe in der Breite von ungefähr 1 m befinde. Rechts vor dieser Wand führe eine Tür in die Küche. Zwischen dieser Trennungswand und der Wand zum Hofe hin befinde sich der Stiegenaufgang zu den Wohnräumen des Klägers und eine Eingangstüre zu den Geschäftsräumen. In der Einfahrt befinde sich rechts anschließend an die Torflügel eine hohe Stellage, in der verschiedene Gegenstände gelagert wären, die zum Verkaufe im Geschäfte des Klägers bestimmt seien. Auf der anderen Seite der Einfahrt seien auf einer Holzunterlage Säcke mit Mehl und dergleichen gelagert. Auch in dem Raume nach der hölzernen Trennungswand seien verschiedene Gegenstände, wie Rechen, Körbe und Mehlsäcke, gelagert. Durch die rückwärtige Türe der Einfahrt gelange man in den gepflasterten Hof des Hauses. An der der Einfahrt gegenüberliegenden Seite des Hofes stehe ein Holzschuppen und das frühere Stallgebäude. Die Toreinfahrt des Hauses Nr. 57 sei 1.90 m breit und 2.22 m hoch. Zum Gehsteig führe eine schräge betonierte Fläche von 45 cm Breite. Vom Gehsteig zur Straße sei ebenfalls eine schräge gepflasterte Abfahrt vorhanden. Durch das Haustor gelange man in eine 10 m lange Hauseinfahrt, die zum Hofe hin durch ein zweiflügeliges Holztor abgeschlossen sei. Der Hof sei zum Nachbargrundstück hin nicht abgeschlossen; beide Häuser hätten vielmehr ein einheitliches Hofgrundstück. Die Eigentumsgrenze verlaufe in der Fluchtlinie der Feuermauer des Hauses Nr. 118. Es besäßen also beide Häuser Toreinfahrten, durch die man in den gemeinsamen Hof gelangen könne. Gegenwärtig sei die Einfahrt durch das Haus Nr. 57 ohne weiteres möglich, während beim Hause Nr. 118 infolge des Höhenunterschiedes zum Gehsteige erst eine betonierte Ausfahrt geschaffen werden müßte (was ohne Schwierigkeiten und besonderen Kostenaufwand geschehen könnte), ferner die Einfahrt geräumt werden müßte und die Trennungswände entfernt werden müßten. Die Einfahrt des Hauses Nr. 118 sei schon seit mehr als 40 Jahren stets als Magazin verwendet worden. Seither sei immer durch die Einfahrt des Hauses Nr. 57 gefahren worden. Der Beklagte habe etwa drei Monate nach dem Erwerb dieses Hauses das Haustor absperren lassen und den Schlüssel dem im Hause wohnenden Ludwig Sch. übergeben; der Kläger habe sich den Schlüssel bei diesem immer ausleihen müssen, wenn er zur Abfuhr von Müll, Schutt oder des Senkgrubeninhaltes durch die Einfahrt des Hauses Nr. 57 habe fahren müssen. Etwa 1960 habe der Kläger ein neues Mehlmagazin gebaut und könne seither in dieses das Mehl durch eine Rutsche von der oberhalb des Hauses gelegenen Straße einlagern. In der Einfahrt würde neben Futtermitteln und anderen Waren nur jenes Mehl gelagert, das im Geschäfte des Klägers verkauft werde. Der Beklagte (der jetzt 68 Jahre alt sei) sei im Alter von 10 Jahren von H. weggekommen und habe nur seine Ferien dort verbracht. In der Folgezeit habe er niemals (ständig) in H. gewohnt, sondern sei nur selten dorthin gekommen. Seine im Hause Nr. 118 wohnende Schwester habe er gelegentlich besucht; hiebei sei er durch die Einfahrt des Hauses Nr. 57 in das Haus Nr. 118 gelangt, weil die Einfahrt des Hauses Nr. 118 immer gesperrt gewesen sei. Weder in den Versteigerungsbedingungen bezüglich des Hauses Nr. 57 noch im Grundbuchsauszug sei etwas über eine Dienstbarkeit enthalten gewesen. Auch im Schätzungsgutachten sei das Durchfahrtsrecht nicht erwähnt und bei der Schätzung selbst nicht berücksichtigt worden. Der Beklagte habe aber den Bestand der Dienstbarkeit des Fahrtrechtes gekannt.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Beklagte zunächst geltend, daß ihm deshalb Gutgläubigkeit nicht abgesprochen werden könne, weil er als Ersteher der Liegenschaft originäres Eigentum erworben und nur die in den Versteigerungsbedingungen angeführten Lasten übernommen habe. Die Gutgläubigkeit des Beklagten wird aber durch die Feststellung der Untergerichte ausgeschlossen, daß er den Bestand der Dienstbarkeit des Durchfahrtrechtes durch die Toreinfahrt des Hauses Nr. 57 gekannt habe.

Der Beklagte kann sich daher schon deshalb nicht darauf berufen, daß in den Versteigerungsbedingungen das Fahrrecht nicht erwähnt worden ist (JBl. 1959, S. 349 u. a.). Überdies finden bei Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft - darum handelte es sich beim Erwerbe des Hauses Nr. 57 durch den Beklagten - die Bestimmungen des § 170 Z. 5 EO. keine Anwendung (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO[3]., § 352, S. 1094, GlUNF. 4918); dingliche Rechte und Lasten bleiben den Berechtigten ohne Rücksicht auf den Kaufpreis vorbehalten, sie müssen vom Ersteher übernommen werden (Neumann - Lichtblau, a. a. O., S. 1096, GlUNF. 1377). Es erübrigt sich aus diesem Gründe auch, darauf einzugehen, ob dem Kläger, wie die Revision meint, ein Verschulden an der Nichtaufnahme der Servitut in die Versteigerungsbedingungen anzulasten sei, da er im Versteigerungsverfahren als Vertreter seiner minderjährigen Kinder aufgetreten sei. Auf die Entscheidung GlU. Nr. 14.427 kann sich der Beklagte ebenfalls nicht berufen, da es sich hiebei um einen völlig anders gelagerten Fall, nämlich um die Bestreitung einer nicht verbücherten, aber aus dem Schätzungsprotokoll ersichtlichen Servitut gehandelt hat.

Die Feststellung, der Beklagte habe beim Erwerbe des Hauses Nr. 57 den Bestand der Dienstbarkeit des Durchfahrtrechtes genau gekannt, kann allerdings nur dahin verstanden werden, daß der Beklagte davon Kenntnis gehabt habe, die Toreinfahrt des Hauses Nr. 57 werde ständig dazu benützt, um durch sie in das Haus Nr. 118 bzw. dessen Hof zu gelangen. Ob diese Kenntnis als solche des Bestandes einer Dienstbarkeit anzusehen ist, hängt davon ab, ob überhaupt eine Dienstbarkeit zur Entstehung gelangt ist. Wie die Untergerichte zutreffend ausgeführt haben, stehen Rechtsprechung und Lehre auf dem Standpunkte, daß bei Übertragung eines von zweien, demselben Eigentümer gehörigen Grundstücken, von denen eines dem anderen offenkundig dient, auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit entsteht (stillschweigende Dienstbarkeitsbestellung); zum Ausschluß des gutgläubigen Erwerbes muß aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob zum Zeitpunkt der Übertragung der dienenden Liegenschaft offenkundig Anlagen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens erkennen ließen (SZ. IX 137, Klang, Komm.[2] zu § 473 ABGB. II., S. 551, bei Anm. 21 f., Ehrenzweig, Sachenrecht[2], § 248 bei Anm. 22, S. 307), Im vorliegenden Falle müßten also in jenem Zeitpunkte, in dem die Gattin des Klägers, Hedwig Sch., die 3/4-Anteile des Hauses Nr. 118 von ihren Geschwistern, den Miterben nach Karoline L., erworben hat und dadurch Alleineigentümerin des Hauses Nr. 118 geworden ist, zum Ausschluß des guten Glaubens der Eigentümer der dienenden Liegenschaft solche Anlagen vorhanden gewesen sein. Das Berufungsgericht hat diese offenkundigen Anlagen darin gesehen, daß die Toreinfahrt des Hauses Nr. 118 seit jeher offenkundig als Magazin und nicht als Einfahrt verwendet wurde und dieser Umstand in Verbindung mit der räumlichen Nähe der Toreinfahrt des Hauses Nr. 57 die dienende Stellung dieses Hauses gegenüber dem Hause Nr. 118 zeigte. In der Regel wird zwar die offenkundige oder doch wenigstens sichtbare Anlage auf dem dienenden Grundstücke vorhanden sein (z. B. eine Wasserleitung über das dienende Grundstück/ZBl. 1920, Nr. 178, S. 558 f., oder eine Mauer, die das Nachbarhaus stützt, eine Rinne, die Regenwasser aufnimmt, ein Kanal, der Abfallwässer ableitet (Ehrenzweig a. a. O.). Die Anlage muß aber nicht auf dem dienenden Grundstück eingerichtet sein; es genügt auch, wenn vom dienenden Grundstücke aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden konnten, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (Ehrenzweig, a. a. O., § 249, S. 316, bei Anm. 40 a). So hat auch der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung GlU. 1322 als eine solche offenkundige Anlage eine Einrichtung angesehen, vermöge welcher das Regenwasser vom herrschenden Gründe (aus) auf das dienende Grundstück (auf das Dach des Hauses) ablaufen kann. Als solche Einrichtung, die im vorliegenden Falle vom dienenden Grundstücke, dem Hause Nr. 57, aus wahrgenommen werden konnte, hat das Berufungsgericht mit Recht die ständige Verwendung der Toreinfahrt des Hauses Nr. 118 als Magazin im Zusammenhange mit den in diese Toreinfahrt eingebauten Holzwänden und dem Fehlen einer schrägen Auffahrt vom Gehsteige her angesehen. Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß tatsächlich die Voraussetzungen für die stillschweigende Begründung einer Dienstbarkeit im Zeitpunkte des Auseinanderfallens des Eigentums an den beiden Häusern Nr. 57 und Nr. 118 gegeben gewesen sind. Die Frage der Offenkundigkeit der Einrichtungen für diese Dienstbarkeit ist daher vom Berufungsgerichte im Ergebnis richtig gelöst worden und die diesbezügliche Rüge des Beklagten ist nicht berechtigt.

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