Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:
Der Vater ist schuldig, zum Unterhalt seiner Kinder in Abänderung seiner bisherigen Unterhaltsverpflichtung von monatlich jeweils EUR 585,02 ab 1. April 2002 für jedes der Kinder monatlich EUR 575,- zu Handen des Amtes für Jugend und Familie für den 22. Bezirk, 1229 Wien, Schrödinger Platz 1, als Vertreter der Kinder zu bezahlen.
Das Mehrbegehren des Vaters, den Unterhalt hinsichtlich Matthias monatlich um weitere EUR 49,50 auf EUR 525,50 und hinsichtlich Julia monatlich um weitere EUR 25,80 auf monatlich EUR 549,20 herabzusetzen, wird ebenso abgewiesen, wie das Begehren der Kinder, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters a) hinsichtlich Matthias ab 1. Jänner 2000 und b) hinsichtlich Julia ab 1. Oktober 2001 auf jeweils EUR 680,- zu erhöhen.
Text
Begründung
Die Kinder Julia und Matthias werden von der Mutter, deren Ehe mit dem Vater am 23. 6. 1998 einvernehmlich geschieden wurde, versorgt und betreut. Der Vater, der unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von EUR 5.232,44 erzielt, verpflichtete sich im Scheidungsvergleich, den Kindern Unterhalt von monatlich jeweils S 8.050 (= EUR 585,02) zu bezahlen.
Über Antrag des genannten Amtes für Jugend und Familie als Vertreter der Kinder erhöhte das Erstgericht die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber Matthias ab 1. 1. 2000 und gegenüber Julia ab 1. 10. 2001 jeweils auf EUR 680 und wies einen (am 5. 3. 2002 beim Erstgericht eingelangten, nicht bezifferten) Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters ab.
Das von diesem (der im Rekurs sein Herabsetzungsbegehren insofern konkretisiert hat, als er den Unterhaltsanspruch von Matthias mit EUR 525,50 und den von Julia mit EUR 549,20 bezifferte) angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe der ständigen Rechtsprechung folgend den Unterhalt der Kinder jeweils ab Vollendung des 10. Lebensjahres im Hinblick auf die Höhe des Einkommens des Vaters nicht nach der Prozentsatzmethode ermittelt, sondern jeweils mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs Zehn- bis Fünfzehnjähriger festgesetzt. Damit sei bereits eine steuerliche Entlastung des Vaters gewährleistet, sodass keine weitere Anrechnung der (von der Mutter bezogenen) Transferleistungen im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zu erfolgen habe.
Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Form und Höhe der Berücksichtigung von Transferleistungen bisher nicht vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.
Mit seinem Revisionsrekurs begehrt der Vater, die Beschlüsse erster und zweiter Instanz aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen; in eventu möge der angefochtene Beschluss dahin abgeändert werden, dass der Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen und dem Antrag auf Unterhaltsherabsetzung vollinhaltlich Folge gegeben werde.
Das Amt für Jugend und Familie-Rechtsfürsorge Bezirk 22, hat als Unterhaltssachwalter von der ihm eingeräumten Möglichkeit, zum Rechtsmittel des Vaters namens der Minderjährigen Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht und beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Obersten Gerichtshofs und mehrerer zweitinstanzlicher Gerichte in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben. Dadurch ist das vom Obersten Gerichtshof gegen die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/02, als geboten erachtete steuerliche Entlastung getrennt lebender Geldunterhaltspflichtiger durch (teilweise) Anrechnung der vom betreuenden Elternteil bezogenen Familienbeihilfe auf den Unterhalt erblickte Hindernis weggefallen. Bereits in zahlreichen, jüngst ergangenen Entscheidungen (4 Ob 45/02x; 4 Ob 52/02d; 7 Ob 167/02p, JBl 2003, 107; 7 Ob 174/02t, JBl 2003, 111 [dort irrtümlich als 7 Ob 147/02t bezeichnet]; 7 Ob 193/02m, JBl 2003, 113; uva) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die im Wege der Weiterverrechnung eines Teiles der (vom betreuenden Elternteil - hier der Mutter - bezogenen) Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) vorzunehmende, verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des getrennt lebenden Geldunterhaltspflichtigen nach folgender Formel errechnet werden kann:
Der nach rein unterhaltsrechtlichen Aspekten zu bemessende Geldunterhalt dividiert durch zwei, mal (um ca 20 %) vermindertem Grenzsteuersatz des Geldunterhaltspflichtigen (also 25 % bei 31 %, 33 % bei 41 % und 40 % bei 50 % Grenzsteuersatz; vgl § 33 Abs 1 EStG 1988), minus Unterhaltsabsetzbetrag, ergibt jenen (Teil-)Betrag der Transferleistungen, der auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist.
Hiebei ist noch zu beachten: Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen nicht unerheblichen Teilbetrag der nächstniedrige Grenzsteuersatz maßgebend ist (5 Ob 36/02h; 2 Ob 191/02f ua).
Im vorliegenden Fall wurde zwar nur das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters festgestellt. Im Hinblick darauf, dass das daraus zu errechnende Jahresnettoeinkommen jährlich mit EUR 62.789,28 bereits das zu einem Grenzsteuersatz von 50 % führende jährliche Bruttoeinkommen von EUR 50.870 deutlich übersteigt, ist evident, dass der Grenzsteuersatz des Vaters 50 % beträgt und auch sein gesamter Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchstbesteuerten Einkommensteil Deckung findet. Damit sind alle Umstände bekannt, deren Kenntnis zur Berechnung der dem Vater nach den dargelegten Grundsätzen gebührenden steuerlichen Entlastung durch Anrechnung der von der Mutter bezogenen Transferleistungen auf die Geldunterhaltsverpflichtung notwendig ist.
Zu beachten ist, dass der Vater ein überdurchschnittlich hohes Einkommen erzielt, welcher Umstand nach ständiger Rechtsprechung dazu veranlasst, die Prozentkomponente bei der Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen (RIS-Justiz RS0007138), sodass die exakte Höhe des Einkommens des Vaters (ebenso wie eine allfällige weitere Unterhaltsverpflichtung) unerheblich ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen (RIS-Justiz RS0047447). Diese "Luxusgrenze" wird im Allgemeinen im Bereich des 2 bis 2,5-fachen des Regelbedarfes liegend angenommen, wobei dies nach hM allerdings keine absolute Obergrenze darstellt (vgl Schwimann, Unterhaltsrecht², 32 f; Stabentheiner in Rummel³ Rz 5d zu § 140 ABGB; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 254 ff; 1 Ob 311/98m mwN; 2 Ob 193/00x ua).
Unter Beachtung dieser "Luxusgrenze" haben die Vorinstanzen die Unterhaltsverpflichtung des Vaters zutreffend mit dem etwa 2,5-fachen des Regelbedarfs mit jeweils monatlich EUR 680 (für Matthias ab 1. 1. 2000, hinsichtlich Julia ab 1. 10. 2001) ausgemessen.
Die Meinung des Rekursgerichts, durch diese Festsetzung des Unterhalts an der Luxusgrenze sei bereits dem Erfordernis der steuerlichen Entlastung des Vaters Genüge getan, kann nicht beigepflichtet werden: Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (7 Ob 193/02m; 2 Ob 37/02h; 7 Ob 13/02s; 7 Ob 77/02b; 7 Ob 91/02m; vgl auch 4 Ob 52/02d ua) ändert der Umstand, dass die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten durch die sogenannte Luxusgrenze limitiert werden, nichts daran, dass der (tatsächliche) Unterhaltsanspruch bzw die vom Unterhaltspflichtigen (tatsächlich) zu fordernde Unterhaltsleistung in diesen Fällen Maßstab für die dem Unterhaltspflichtigen zu gewährende steuerliche Entlastung sein und bleiben muss. Die verfassungsmäßig gebotene Anrechnung der Transferleistungen muss auch jenen Unterhaltspflichtigen zugute kommen, deren Leistungsfähigkeit zufolge der Luxusgrenze nicht ganz ausgeschöpft wird. Der Geldunterhaltspflichtige hat auch in diesem Fall Anspruch darauf, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden. Eine (von Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltansprüche, JBl 2003, 16 praktisch geforderte) fiktive Anhebung der Luxusgrenze, um trotz Anrechnung der Transferleistungen zu keiner Unterhaltsherabsetzung unter die Luxusgrenze zu kommen, muss daher auch in jenen Fällen abgelehnt werden, in denen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen isoliert betrachtet ein solches Vorgehen rechtfertigen könnte.
Da es im vorliegenden Fall um den Unterhalt von zwei Kindern geht, ist weiters auch noch zu beachten, dass hinsichtlich der Berücksichtigung des gestaffelten Unterhaltsabsetzbetrages eine Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt des "Erst- bzw Zweitgeborenen" nicht gerechtfertigt erscheint (vgl 7 Ob 167/02p ua). Der gesamte Unterhaltsabsetzbetrag für beide Kinder (EUR 25,50 plus EUR 38,20 = EUR 63,70) ist pro Kind jeweils zur Hälfte (also monatlich mit je EUR 31,85) zu berücksichtigen (7 Ob 167/02p).
Der hier also an sich jeweils in Höhe von monatlich EUR 680,- bestehende Geldunterhaltsanspruch der beiden Minderjährigen gegenüber dem Vater ist daher nach der dargestellten Berechnungsmethode wie folgt zu vermindern: 40 % des halben monatlichen Unterhaltsbetrages von EUR 340,-, ds EUR 136,- minus Unterhaltsabsetzbetrag von EUR 31,85 = EUR 104,15. Wird dieser Betrag von dem unter Berücksichtigung der "Luxusgrenze" errechneten monatlichen Unterhalt von EUR 680 abgezogen, ergibt sich ein Betrag von EUR 575,85, wobei eine Rundung auf EUR 575,- angezeigt erscheint (vgl 7 Ob 77/02b ua).
Da der Vater seinen Antrag, seinen Unterhaltsbeitrag - zukünftig - herabzusetzen, im März 2002 stellte, hat die Herabsetzung ab 1. 4. 2002 zu erfolgen. Eine über den Kinderabsetzbetrag (hinsichtlich dessen § 12a FLAG einer Anrechnung von vornherein nicht entgegen gestanden ist) hinausgehende, zum Zwecke der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen vorzunehmende Reduzierung des Unterhalts ist zwar grundsätzlich erst ab Kundmachung des Aufhebungserkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs in BGBl 2002/152 am 13. 9. 2002 möglich. Dies gilt gemäß Art 140 Abs 7 B-VG im vorliegenden "Anlassfall" jedoch nicht; dem Vater gebührt eine steuerliche Entlastung daher schon ab 1. 4. 2002.
Der Vollständigkeit halber ist noch der aktenkundige Umstand zu erwähnen, dass der Vater (persönlich) noch vor Einbringung des Revisionsrekurses mit Schriftsatz vom 25. 11. 2002 einen weiteren Unterhaltsherabsetzungsantrag mit der Begründung gestellt hat, ihn treffe eine weitere Sorgepflicht für ein am 16. 11. 2002 geborenes Kind (dessen Geburtsurkunde in Kopie vorgelegt wurde). Da nach ständiger Rechtsprechung in außerstreitigen Unterhaltssachen Neuerungen insoweit beachtlich sind, als ein entsprechendes Tatsachenvorbringen im Verfahren erster Instanz noch gar nicht möglich war (RIS-Justiz RS0110773; 2 Ob 300/00g mwN; 7 Ob 26/02b), hätte dies auch im Revisionsrekurs geltend gemacht werden können. Da dies nicht geschehen ist, muss darauf nicht weiter eingegangen werden und kann eine Stellungnahme dazu unterbleiben, ob eine weitere Sorgepflicht unter den hier gegebenen Umständen eine Unterhaltsherabsetzung rechtfertigen könnte.
In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses war spruchgemäß zu entscheiden.
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