OGH 1Ob311/98m

OGH1Ob311/98m24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gerhard T*****, geboren am *****, und Georg T*****, geboren am *****, beide vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten als Unterhaltssachwalterin, infolge Rekurses des Vaters Josef T*****, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgerichts vom 19. August 1998, GZ 10 R 170/98x-68, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Amtstetten vom 29. Juni 1998, GZ 1 P 2720/95h-64, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater war seit dem Beschluß des Erstgerichts vom 7. Oktober 1996 verpflichtet, seinen ehelichen Kindern Gerhard, geboren am 22. Okober 1981, und Georg, geboren am 18. Oktober 1984, einen Unterhaltsbeitrag von je 3.300 S monatlich zu bezahlen.

Am 31. Juli 1997 hatten der mj. Gerhard eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags auf 6.500 S und der mj. Georg eine solche auf 5.500 S je ab dem 1. Mai 1996 beantragt. Der mj. Gerhard dehnte dieses Begehren am 26. Mai 1998 auf einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 10.900 S, der mj. Georg auf einen solchen von 9.250 S aus. Sie brachten vor, der Vater habe im Frühjahr 1996 mindestens 5 Mio S in der Klassenlotterie gewonnen und damit einerseits Schulden bezahlt und andererseits Liegenschaften erworben. Er habe in einem der Häuser zunächst drei Bestandobjekte vermietet und diese Liegenschaft sodann um 3,5 Mio S verkauft. Der Vater müsse die Unterhaltsberechtigten an der Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse teilhaben lassen.

Der Vater stimmte einer Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags für den mj. Gerhard auf 5.400 S und für den mj. Georg auf 4.800 S je ab dem 1. Juli 1998 zu und wendete gegen das Mehrbegehren seiner Kinder ein, er habe bloß 2,1 Mio S in der Klassenlotterie gewonnen. Die „Höhe des Gewinns“ wolle er „auf keinen Fall belegen“. Die gekauften Häuser seien renovierungsbedürftig und seine Mietzinseinnahmen seit der letzten Unterhaltserhöhung unverändert geblieben. Zwei der drei erworbenen Liegenschaften habe er wieder veräußert. Die ihm daraus zugeflossenen Mittel werde er veranlagen. Unter Zugrundelegung eines jährlichen Zinssatzes von 6 bis 7 % erhöhe sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage auf insgesamt rund 30.000 S - 15.000 S Arbeitseinkommen und 15.000 S Kapitalertrag - jeweils monatlich. Er schulde seinem Vater noch 600.000 S, habe weiters jene Schulden getilgt, die eine der veräußerten Liegenschaften belastet hätten, und habe Renovierungskosten für jenes Haus aufzuwenden, in dem er künftig wohnen wolle. Die Mutter beziehe ein monatliches Einkommen von rund 17.000 S. Die Kinder verfügten, würde ihrem Erhöhungsbegehren stattgegeben, über höhere Mittel als ihre Mutter. Deren „Mitnaschen“ am Unterhalt der Kinder sei in einer solchen Situation unvermeidlich. Es schade auch dem Wohl der Kinder, wenn diesen plötzlich der fast dreifache Betrag des bisher bezahlten Unterhalts zukomme.

Das Erstgericht erkannte dem mj. Gerhard für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 1996 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 5.100 S und ab 1. November 1996 einen solchen von 5.700 S, dem mj. Georg dagegen einen solchen von 5.100 S ab 1. Mai 1996 zu und wies das Mehrbegehren ab. Es traf Feststellungen zu den Liegenschaftstransaktionen des Vaters, dessen Investitionsaufwendungen und Leistungen zur Schuldentilgung. Als Klassenlotteriegewinn des Vaters unterstellte es einen Betrag von 3 Mio S und legte seiner Entscheidung rechtlich nicht nur dessen tatsächliches Einkommen, sondern auch solche Einkünfte zugrunde, die er im Falle einer gewinnbringenden Anlegung seines Lottogewinns erzielt hätte. Dem Vater wäre die Vermietung der „gekauften Häuser“ zwecks Erzielung eines zusätzlichen Einkommens von 15.000 S monatlich zumutbar gewesen.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung, soweit die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsbeiträge 5.400 S für den mj. Gerhard und 4.800 S für den mj. Georg übersteigt, auf, verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück, trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß „der ordentliche Revisionsrekurs“ zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Unterhaltspflicht des Vaters bestimme sich nach der Höhe seines Lotteriegewinns, an dem er seine Kinder teilhaben lassen müsse. Ein solcher Gewinn bewirke in intakten Familienverhältnissen eine deutliche wirtschaftliche Besserstellung aller Familienmitglieder. Der Vater sei daher jedenfalls „auf ein erzielbares monatliches Einkommen aus einer möglichst gut gewählten Anlageform anzuspannen“. Nicht möglich sei dagegen eine Anspannung auf Mietzinseinnahmen aus Liegenschaften, die nicht mehr Eigentum des Vaters seien. Maßgeblich sei daher, ob der Vater in der Staatslotterie 2,1 Mio S, wie er behauptet habe, oder mindestens 5 Mio S, wie seine Kinder vorgebracht hätten, gewonnen habe. Das Erstgericht habe nicht alle Mittel zur zweifelsfreien Ermittlung der Gewinnhöhe ausgeschöpft. Es werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst eine Anfrage an die Lottogesellschaft zu richten und dabei auf die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Kinder sowie darauf zu verweisen haben, daß deren Interesse an der Offenlegung der Gewinnhöhe jenes des Vaters an deren Geheimhaltung überwiege. Sei durch die Lottogesellschaft dennoch keine Auskunft zu erlangen, so könne der Vater gemäß § 19 AußStrG durch die Androhung und schließliche Verhängung von Ordnungsstrafen „zur Vorlage der Gewinnbelege“ verhalten werden. Die Rechtsprechung habe sich, wenn die Abgabe von Erklärungen bzw die Vorlage von Urkunden verweigert worden sei, schon mehrfach der Anwendung des § 19 AußStrG bedient.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Vaters ist zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber bekämpft nicht die Ansicht des Rekursgerichts, daß sein Spielgewinn in der Klassenlotterie für die Unterhaltsbemessungsgrundlage von Bedeutung ist. Er wehrt sich lediglich gegen dessen weitere Ansicht, gemäß § 19 Abs 1 AußStrG durch die Verhängung von Beugestrafen zur Vorlage urkundlicher Belege über die Höhe seines Lotteriegewinns gezwungen werden zu können. Dabei läßt sich sein Standpunkt kurz dahin zusammenfassen, es bedürfe der Anwendung von Zwangsmitteln deshalb nicht, weil er die Höhe seines Gewinns „freimütig“ ohnehin selbst mit 2,1 Mio S angegeben habe. Sein Wort und die vom Erstgericht festgestellten Ausgaben müßten als Nachweise genügen, weil schlüssig schon daraus eine Gewinnhöhe von bloß 2,1 Mio S folge.

Die Klassenlotterie ist gemäß § 10 GSpG eine dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegende Ausspielung, die durch die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H., die ihren Sitz in Wien hat, als Konzessionär veranstaltet wird. Der Konzessionär hat gemäß § 16 Abs 1 GSpG für die übertragenen Glücksspiele Spielbedingungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind (Schwartz/Wohlfahrt, Glücksspielgesetz - Kurzkommentar Anm I.1 zu § 16 und Anm I. zu § 26), aufzustellen und sie dem Bundesminister für Finanzen zur Genehmigung vorzulegen. Die von diesem bewilligten Spielbedingungen sind im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren. Gemäß § 16 Abs 4 Z 3 GSpG gehören zum Mindestinhalt der Spielbedingungen Regelungen über die Geltendmachung und die Auszahlung der Gewinne. Diese Spielbedingungen, deren Volltext zuletzt im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 28. März 1998 veröffentlicht wurde und die in ihren hier maßgeblichen Punkten auch schon 1996 in Geltung standen, lauten auszugsweise:

10. GEWINNAUSZAHLUNG

10.1 ... Alle Gewinne werden von der Geschäftsstelle, bei der das Los erworben wurde, gegen Rückgabe der dem Spielteilnehmer ausgefolgten Gewinnlose bzw. Depotbestätigungen ausgezahlt.

10.3 Es besteht keine Verpflichtung, die Berechtigung des Vorweisers zu überprüfen; die Gewinnauszahlung kann aber zurückgehalten werden, wenn Bedenken gegen die Verfügungsgerechtigung bestehen. ... .

14. SCHLUSSBESTIMMUNGEN

14. 1 Die Gesellschaft und die Geschäftsstellen der Klassenlotterie sowie deren Klassenlosverkaufsstellen sind zur Wahrung des Spielgeheimnisses verpflichtet, insbesondere darf der Name eines Spielteilnehmers nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung bekanngegeben werden.“

Die Regelung in Pkt. 14. 1 beruht auf § 51 Abs 1 und Abs 2 Z 4 GSpG. Nach Abs 1 haben die Veranstalter von Glücksspielen, die - wie die Klassenlotterie - dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, ihre Organmitglieder, Beschäftigten, Vertragspartner sowie die für die Veranstalter sonst tätigen Personen über die Spieler und deren Teilnahme am Spiel (Gewinn oder Verlust) Verschwiegenheit zu bewahren (Spielgeheimnis). Gemäß Abs 2 Z 4 besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Spielgeheimnisses dann nicht, wenn der Spielteilnehmer der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich zustimmt.

Keine solche Verpflichtung existiert gemäß § 51 Abs 2 Z 1 und 2 GSpG aber auch in Verfahren vor Zivil- und Strafgerichten und gegenüber Verlassenschaftsabhandlungs- und Pflegschaftsgerichten. Daß die Nämlichkeit von Spielteilnehmern, deren Lose gewannen, dem Konzessionär der Klassenlotterie bzw seiner im Einzelfall maßgeblichen Geschäftsstelle unbekannt geblieben sein könnten (Gewinneranonymität), ist weder dem Glücksspielgesetz noch den Spielbedingungen zu entnehmen.

Aufgrund dieser Rechtslage kann sich aber die Frage der Anwendung von Zwangsmitteln gegen den Vater gemäß § 19 Abs 1 AußStrG gar nicht stellen, weil aufgrund einer entsprechenden Anfrage des Pflegschaftsgerichts bereits der Konzessionär der Klassenlotterie bzw auch seine im Einzelfall maßgebliche - über den Konzessionär eruierbare - Geschäftsstelle, bei der das Gewinnlos erworben wurde, zur Auskunft über die Höhe des Spielgewinns gesetzlich verpflichtet ist. Der Gesetzgeber hat daher im Glücksspielgesetz unter anderem auch schon auf das rechtliche Interesse eines Unterhaltsberechtigten, die Gewinnhöhe eines Unterhaltsverpflichteten im Pflegschaftsverfahren in Erfahrung zu bringen, Bedacht genommen.

Daß nicht schon das Wort des Vaters zur Klärung der Höhe seines Spielgewinns genügen kann, liegt aufgrund seines im Verfahren dokumentierten Interesses, die monatlichen Unterhaltszahlungen trotz seines Lotteriegewinns möglichst gering zu halten, auf der Hand. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren - entsprechend dem Auftrag des Gerichts zweiter Instanz - eine Auskunft des Konzessionärs der Klassenlotterie bzw seiner hier maßgeblichen Geschäftsstelle über die tatsächliche Höhe des Spielgewinns des Vaters einzuholen haben, ohne deren Kenntnis eine abschließende rechtliche Beurteilung der Unterhaltserhöhungsanträge der Kinder nicht möglich ist.

Zu den im Verfahren außer Streitsachen erlaubten Methoden zur Erlangung wesentlicher Beweismittel sei im übrigen folgendes angemerkt:

Der Oberste Gerichtshof sprach zuletzt in der Entscheidung 9 Ob 342/97b unter Berufung auf grundlegende Erörterungen in den Vorentscheidungen SZ 45/22 und SZ 54/124 aus, im Verfahren auf Festsetzung bzw Erhöhung des Geldunterhalts für ein Kind gelte gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG unmißverständlich der Untersuchungsgrundsatz. Danach sei das Gericht verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt ohne Rücksicht auf das Parteiverhalten zu erforschen. Unterließen die Beteiligten die freiwillige Vorlage der erforderlichen und verlangten Urkunden, habe das Gericht von den Parteien oder deren Vertretern alle Urkunden zur Ermittlung der aufzuklärenden Tatsachen „abzufordern“. Die Befolgung eines solchen Auftrags sei gegenüber den Parteien und ihren Vertretern auch unter Anwendung des § 19 Abs 1 AußStrG erzwingbar. Das Gericht sei in der Wahl der Mittel zur Aufklärung aller Voraussetzung einer gesetzmäßigen Entscheidung nicht beschränkt. § 183 Abs 1 AußStrG stehe der allgemeinen Vorlagepflicht nicht entgegen, weil diese Bestimmung nicht nur auf „Auskünfte“ abstelle, sondern auch auf „deren Überprüfung“ etwa durch das Abfordern von Urkunden.

Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht bei. Der Vater könnte daher, wäre eine verläßlich Auskunft über die Höhe seines Lotteriegewinns nicht schon auf dem dargestellten Weg von Dritten erlangbar, auch durch Zwangsmittel gemäß § 19 Abs 1 AußStrG zur Herausgabe eines urkundlichen Gewinnbelegs verhalten werden.

Ferner sei darauf verwiesen, daß die Auswirkungen eines Lotteriegewinns auf den Unterhaltsanspruch eines Kindes bereits in der Entscheidung 6 Ob 526/93 (= EFSlg 70.670 = ÖA 1994, 25) erörtert wurden. Dort ging es um einen Gewinn des unterhaltspflichtigen Vaters von rund 4,3 Mio S, wovon er nach unwidersprochenen Behauptungen 350.000 S an Schulden bezahlt und 200.000 S für Bekleidung, 1,050.000 S für die Verbesserung seiner Wohnverhältnisse, 130.000 S für verschiedene Anschaffungen, weitere 130.000 S für (Gebrauchs-)Schmuck, 200.000 S für Geräte der Unterhaltungselektronik, 1,000.000 S für Kraftfahrzeuge, 120.000 S für Versicherungsprämien sowie 300.000 S für Urlaubsreisen ausgegeben hatte. Um weitere 100.000 S hatte er Geschenke gemacht, darunter 70.000 S für ein Hochzeitsgeschenk an seinen Bruder aufgewendet. Als Geldwert verblieb ihm ein Restbetrag von 740.000 S. Davon zählte er seinem Vater und seinem Freund je 100.000 S und seiner Großmutter 40.000 S als Darlehen zu und legte einen Betrag von 500.000 S in Immobilienaktien an.

Das alles sei - so der Oberste Gerichtshof - insofern von Einfluß auf den Kindesunterhalt, als die Unterhaltsbedürfnisse nach den nunmehr verbesserten Lebensverhältnissen des Vaters durch Stärkung seiner Leistungsfähigkeit zu bestimmen seien, sei doch die Verpflichtung zur Deckung der den Lebensverhältnissen (beider) Elternteile angemessenen Unterhaltsbedürfnisse eines Kindes durch die dem Unterhaltspflichtigen nach seinen Kräften zumutbare Unterhaltsleistung begrenzt. Diese Kräfte ergäben sich zunächst aus seinem tatsächlichen Verdienst, darüberhinaus aber auch aus jenen Einkünften, deren Erzielung nach den allgemeinen Marktverhältnissen und den persönlichen Umständen bei gebotener Anspannung erwartet werden dürfe, ausnahmsweise aber auch nach dem Ausmaß eines verwertbaren Vermögensstamms, auf den nach den konkreten Lebensumständen ein pflichtbewußter Familienvater zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse seiner Familienangehörigen zurückgriffe. Die Frage, wie weit ein Vermögensverlust bzw -verbrauch, den ein fürsorglicher Familienvater zu vermeiden gewußt hätte, eine hypothetische Unterhaltsbemessung aufgrund eines nicht mehr vorhandenen Vermögens erfordere, stelle sich solange nicht, als die Gewinnverwendung - im Anlaßfall die Ausgaben von insgesamt 3,580.000 S - nicht als unverantwortliche Verschleuderung bzw Verschwendung zu werten sei. Nur soweit Gegenwerte noch vorhanden seien, dienten diese der gehobenen Lebensvorsorge bzw seien als Gebrauchsgegenstände einer starken Entwertung unterworfen. Daran sei auch ein unterhaltsberechtigtes Kind angemessen zu beteiligen, weshalb der Regelbedarf kein Maßstab dafür sei, wie weit dem Unterhaltspflichtigen zur Deckung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten auch eine Veräußerung des ihm verbliebenen Vermögensstamms zugemutet werden könne. Unter Bedachtnahme darauf entspreche es einem angemessenen Teilhaben des Kindes an den gehobenen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen, wenn dessen monatlichen Unterhaltsleistungen von 2.750 S auf 5.000 S erhöht würden.

Diese Entscheidung klammert also offenkundig Gewinnbeträge, die der Unterhaltspflichtige weder verschleuderte noch verschwendete, sondern - nach der jeweiligen Beurteilung im Einzelfall - vernünftig verwendete, von der Unterhaltsbemessung überhaupt aus, soweit sie, ohne einen (Rest-)Vermögenswert zu hinterlassen, endgültig verbraucht sind. Dagegen wird dem Unterhaltspflichtigen die Veräußerung noch vorhandenen Vermögens zur Deckung der durch seine erhöhte Leistungsfähigkeit vermehrten Unterhaltsbedürfnisse des Kindes an sich zugemutet, ohne daß dargelegt würde, unter welchen näheren Umständen und bis zu welchem Anteil eine derartige Vermögenseinbeziehung geboten ist. Deshalb bleibt letztlich zweifelhaft, ob der im Anlaßfall schließlich zuerkannten Unterhaltserhöhung Einkünfte aus dem noch vorhandenen Geldkapital, die der Unterhaltspflichtige als fürsorglicher Vater hätte erzielen können, bzw eine Beteiligung am noch vorhandenen Geldwert bzw (auch) ein Anteil am Erlös einer hypothetischen Verwertung noch vorhandener, jedoch einer starken Entwertung unterworfener Sachwerte zugrundegelegt wurde. Demgemäß bedürfen die Auswirkungen eines Lotteriegewinns des Unterhaltspflichtigen auf die Geldunterhaltsbemessung für ein Kind ergänzender Erörterungen:

Die Problemlösung ist vielschichtig. Soweit der Unterhaltspflichtige Gewinn zur Tilgung von Schulden - gleichviel, ob vor oder nach deren Fälligkeit - aufwendet, die im Zeitpunkt des Lotteriegewinns bereits bestanden, hat das - als unterhaltsrechtlich neutraler Vorgang - keine Auswirkung auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage, weil der Unterhaltspflichtige durch derartige Zahlungen von finanziellen Lasten - auch im Interesse der Sicherung seiner Leistungsfähigkeit zur verläßlichen Befriedigung künftiger Unterhaltsansprüche - befreit wird.

Vor dem Hintergrund des bisherigen Umfangs der Alimentierung des Unterhaltsberechtigten gilt dagegen nicht jedenfalls gleiches einerseits für spätere - wenngleich nicht verschwenderische - Konsumausgaben, die aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen vor dem Lotteriegewinn bedeutend übersteigen, und andererseits für später erworbene Vermögensobjekte, deren Wert sich im Lauf der Zeit entweder mehren oder mindern kann. Zu unterscheiden sind dabei in Grundsatzfragen verschiedene Fälle:

Erreichte die Alimentierung des Unterhaltsberechtigten bereits vor dem Lotteriegewinn des Unterhaltspflichtigen die Luxusgrenze, die ohne eine im Bemessungssystem fest definierte Obergrenze je nach den Umständen des Einzelfalls im allgemeinen beim 2 bis 3-fachen des Durchschnittsbedarfs eines Kindes der jeweils bedeutsamen Altersgruppe angenommen wird (1 Ob 21/98i; 1 Ob 8/98b; 2 Ob 2029/96p; 6 Ob 501/96; 8 Ob 2329/96z), so vermag ein solcher Gewinn - ungeachtet seiner Verwendung - keinen Einfluß auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage auszuüben, weil der Unterhaltsschuldner, welches Ausmaß seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch haben mag, niemals Beträge als laufenden Unterhalt zu bezahlen hat, die die Luxusgrenze übersteigen und sich pädagogisch nachteilig auf das Kind auswirken könnten.

Reichte dagegen die tatsächliche bzw unter Anspannungsgrundsätzen ermittelte fiktive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters vor dem Lotteriegewinn nicht einmal aus, den Durschnittsbedarf des Kindes zu decken, hat er als pflichtbewußter und fürsorglicher Vater jedenfalls einen nicht unbeträchtlichen Teil seines - nach der allfälligen Tilgung von Schulden verbleibenden - Gewinns anzulegen, um dadurch erst Einkünfte, die bei der gebotenen Anspannung nach den allgemeinen Marktverhältnissen und den persönlichen Umständen erwartet werden dürfen, zur Verbesserung der Lebensverhältnisse seines Kindes zu erzielen, demgemäß dessen angemessene Alimentierung auch über dem Durchschnittsbedarf zu ermöglichen und es damit im Sinne des § 140 Abs 1 ABGB „nach Kräften“ an seinen eigenen Lebensverhältnissen teilhaben zu lassen.

Je höher aber die Alimentierung bereits vor dem Lotteriegewinn über dem Durchschnittsbedarf des Kindes war bzw je mehr sie sich erst durch die besprochene Erhöhung der Bemessungsgrundlage infolge des Lotteriegewinns der Unterhaltsluxusgrenze nähert, umso geringer ist - in einem beweglichen System (siehe dazu in einem anderen Anwendungsfall SZ 70/36) - die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, immer weitere Beträge seines Lotteriegewinns in der erörterten Weise zur Erzielung eines noch höheren Einkommens als Unterhaltsbemessungsgrundlage anzulegen. Der Unterhaltspflichtige muß also nicht selbst auf jeden aus einem Lotteriegewinn finanzierbaren Luxus, der bloß konsumiert wird und keine bleibenden Vermögenswerte schafft, verzichten, nur um seinem Kind jedenfalls einen Unterhalt bis zur Luxusgrenze bezahlen zu können.

Welcher Unterhaltsanspruch dem Kind innerhalb eines solchen Systems im einzelnen zuzubilligen ist, läßt sich nicht in fixen und allgemeingültigen Prozentsätzen ausdrücken, sondern ergibt sich als Funktion der näheren Umstände des Einzelfalls, dabei besonders der konkreten Unterhaltsbedürfnisse des Kindes in seiner jeweiligen Lebenssituation.

Solange ein Kind insofern reichlich alimentiert wird, kommt eine Veräußerung des durch einen Lotteriegewinn erworbenen und noch vorhandenen Vermögensstamms des Unterhaltspflichtigen - in Ergänzung der Ansicht des 6. Senats - keinesfalls in Betracht, um etwa erst dadurch eine vollständige Heranführung des Unterhaltsanspruchs an die Luxusgrenze zu ermöglichen.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher als Orientierungsgröße für den festzusetzenden erhöhten Unterhalt auch zu beachten sein, daß beispielsweise der Durchschnittsbedarf von Kindern in den Altersgruppen von 10 bis 15 Jahren und von 15 bis 19 Jahren, die hier maßgeblich sind, seit 1. Juli 1996 3.620 S (LGZ Wien EFSlg 80.631) bzw 4.280 S (LGZ Wien EFSlg 80.634) monatlich beträgt.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

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