OGH 6Ob526/93

OGH6Ob526/9315.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Klinger, Dr.Redl und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Kindes Manuela L*****, in Obsorge ihrer Mutter Ilse A*****, in Verfolgung der Unterhaltsansprüche vertreten durch das Amt für Jugend und Familie 2.Bezirk, wegen Erhöhung des vom Vater Werner L*****, geschuldeten gesetzlichen Unterhaltes infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 3. November 1992, GZ 10 P 169/89-67, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.Januar 1993, AZ 44 R 20/93(ON 72), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung derart abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß zu lauten hat:

"Werner L***** ist als Vater der minderjährigen Manuela L***** schuldig, zusätzlich zu dem ihm mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 20.September 1989, 10 P 169/89-43, auferlegten Unterhaltsbeitrag von 2.750 S ab 1.Juni 1990 einen weiteren Betrag von 2.250 S, insgesamt daher 5.000 S monatlich, zu Handen des zum besonderen Sachwalter bestellten Amtes für Jugend und Familie

2. Bezirk, 1020 Wien, Karmelitergasse 9, zu bezahlen.

Die bis zum Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge sind binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Das auf Zahlung eines monatlichen Mehrbetrages von 4.850 S gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen."

Text

Begründung

Das pflegebefohlene Mädchen steht nunmehr im 15.Lebensjahr. Die Ehe ihrer Eltern wurde geschieden, als das Kind gerade sein erstes Lebensjahr vollendet hatte. Es verblieb im Sinne einer pflegschaftsgerichtlich genehmigten Übereinkunft der Eltern in der alleinigen Obsorge der Mutter, die kurz nach ihrer Scheidung eine neue Ehe eingegangen war. Dieser zweiten Ehe der Mutter entstammt der nunmehr im 13.Lebensjahr stehende Halbbruder des Mädchens, der mit dieser im mütterlichen Haushalt heranwächst. In diesem Haushalt lebt auch der nunmehrige Lebensgefährte der Mutter, die in Teilzeitbeschäftigung monatlich ca 6.800 S netto verdient.

Der Vater des Mädchens ist ebenfalls eine zweite Ehe eingegangen. Dieser Ehe entstammt der nunmehr im 12.Lebensjahr stehende Halbbruder des Mädchens.

Das Mädchen besucht als AHS-Schülerin eine Ganztagsschule.

Der Vater ist als Sanitätsgehilfe Gemeindebediensteter. Die Festsetzung des von ihm seiner Tochter zu leistenden Unterhaltes erfolgte bisher immer einvernehmlich, zuletzt mit pflegschaftsgerichtlichem Erhöhungsbeschluß vom 20.September 1989 (ON 43), mit dem der vom Vater monatlich zu zahlende Unterhalt mit dem Betrag von 2.750 S festgesetzt wurde.

In der Folge flossen dem Vater aus einem Lottogewinn von 4,5 Mio S rund 4,3 Mio S zu.

Nach eigenen Angaben verwendete er diesen Betrag zum Teil für die Abdeckung von Verbindlichkeiten (350.000 S), zur Anzahlung für ein Reihenhaus (550.000 S), zur Anschaffung von Einrichtung für das Reihenhaus (500.000 S), zum Ankauf von Kraftfahrzeugen (1 Mio S), zum Ankauf von Unterhaltungselektronikgeräten (200.000 S), zum Ankauf von Bekleidung (200.000 S), zum Ankauf von Schmuck (130.000 S), zum Ankauf von Waffen und verschiedenen Gegenständen (130.000 S), für Lebensversicherungs- und KFZ-Versicherungsprämien (120.000 S), für Urlaube (300.000 S), für Hochzeitsgeschenke und sonstige Geschenke (100.000 S), zum Teil gewährte er seinem Vater und seinem Freund Darlehen (200.000 S) und gab er seiner Großmutter zur Zwischenfinanzierung 40.000 S. Um den Teilbetrag von 500.000 S erwarb er Immobilienaktien. Von diesen werden derzeit keine Dividenden ausbezahlt.

Das durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Kind nahm den Lottogewinn seines Vaters zum Anlaß des am 10.September 1990 bei Gericht eingelangten Antrages, die im Jahr zuvor mit dem Monatsbetrag von 2.750 S festgesetzte Unterhaltsverpflichtung des Vaters um 7.100 S auf 9.850 S zu erhöhen, weil unter der Annahme einer zinsbringenden Anlage die Gewinnsumme von 4,5 Mio S bei einer Verzinsung von 10 % im Jahr einen monatlichen Ertrag von 37.500 S erbrächte, an dem das Mädchen unter Bedachtnahme auf die konkurrierenden Sorgepflichten zu einem Anteil von 19 % teilhaben sollte, also mit abgerundet 7.100 S.

Das Pflegschaftsgericht hatte im ersten Rechtsgang den Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen; das Rekursgericht hatte einen Aufhebungsbeschluß gefaßt.

Im zweiten Rechtsgang wies das Pflegschaftsgericht den Unterhaltserhöhungsantrag abermals ab, weil der in Immobilienaktien angelegte Teil des Lottogewinnes derzeit keine Dividenden abwerfe.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs teilweise statt und erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. Juni 1990 um 500 S auf insgesamt 3.250 S. Das Mehrbegehren von 6.600 S monatlich wies es ab. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen der zur Entscheidung über das Unterhaltserhöhungsbegehren zu lösenden Fragen nach der Berücksichtigung eines dem Unterhaltspflichtigen unerwartet zugefallenen, sein bisheriges Jahresnettoeinkommen um ein Vielfaches übersteigenden Barvermögens bei der Unterhaltsbemessung zulässig; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Die langjährigen Lebensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Vaters waren durch sein Einkommen als Sanitätsgehilfe wesentlich bestimmt. Der Zufluß eines Geldbetrages von etwas mehr als 4,3 Mio S vermochte seinen Lebensstandard nachhaltig und erheblich zu beeinflussen. Das übt insofern Einfluß auf den Unterhaltsanspruch seines Kindes, als auch die zu berücksichtigenden Unterhaltsbedürfnisse des Kindes nach den nunmehr verbesserten Lebensverhältnissen des Vaters zu bestimmen sind, was aber in dem Fall für die Unterhaltsleistung des Vaters selbst von einer bloß theoretischen Bedeutung bliebe, wenn nicht auch die Leistungsfähigkeit des Vaters eine entsprechende Stärkung erfuhr.

Die Verpflichtung zur Deckung der den Lebensverhältnissen (beider) Elternteile angemessenen Unterhaltsbedürfnisse eines Kindes ist ja dadurch begrenzt, daß einem Unterhaltspflichtigen nur eine ihm nach seinen Kräften zumutbare Unterhaltsleistung aufzuerlegen ist. Diese Kräfte bestimmen sich zuvörderst nach dem tatsächlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen, darüber hinaus aber auch nach jenem Einkommen, dessen Erzielung nach den allgemeinen Marktverhältnissen und den persönlichen Umständen bei gebotener Anspannung erwartet werden darf, ausnahmsweise auch nach dem Ausmaß eines verwertbaren Vermögensstammes, auf den nach den konkreten Lebensumständen ein pflichtbewußter Familienvater zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse seiner Familienangehörigen zurückgreifen würde.

Wieweit bei einem Verlust oder Verbrauch eines Vermögens, den ein fürsorglicher Familienvater zu vermeiden gewußt hätte, für die Unterhaltsbemessung hypothetisch von einem tatsächlich nicht mehr vorhandenen Vermögen ausgegangen werden dürfte, braucht im vorliegnden Fall nicht entschieden zu werden.

Der unterhaltspflichtige Vater hat nach seinen unwidersprochen gebliebenen Behauptungen 350.000 S zur Abdeckung von Schulden, 200.000 S zur Anschaffung von Bekleidung, 1,050.000 S zur Verbesserung seiner Wohnverhältnisse, 130.000 S für verschiedene Anschaffungen, weitere 130.000 S für (Gebrauchs-)Schmuck, 200.000 S zur Anschaffung von Unterhaltungselektronikgeräten, 1,000.000 S zur Anschaffung von Kraftfahrzeugen, 120.000 S für Versicherungsprämien und 300.000 S für Urlaubsreisen ausgegeben, für weitere 100.000 S hat er Geschenke gemacht, 70.000 S davon für ein Hochzeitsgeschenk für seinen Bruder ausgegeben. Nur der verbliebene Restbetrag von 740.000 S ist insofern als Wertanlage erhalten, als der unterhaltspflichtige Vater seinem Vater und seinem Freund je 100.000 S und 40.000 S seiner Großmutter darlehensweise zuzählte und einen Betrag von 500.000 S zur Anlage in Immobilienaktien verwendete.

Die Ausgaben im Gesamtbetrag von 3,580.000 S sind nicht als unverantwortliche Vermögensverschleuderung oder Verschwendung zu werten. Soweit noch Gegenwerte vorhanden sind, dienen sie der gehobenen Lebensvorsorge oder sind sie als Gebrauchsgegenstände einer starken Entwertung unterworfen.

An dem gehobenen Lebensstandard hat aber auch die im Haushalt der Mutter heranwachsende Tochter angemessen teilzuhaben. Dies bedeutet im Gegensatz zur rekursgerichtlichen Auffassung, daß der Regelbedarf des Kindes kein Maßstab dafür sein kann, wieweit dem unterhaltspflichtigen Vater zugemutet werden kann, zur Deckung von Unterhaltsbedürfnissen seiner Tochter auch den Stamm des ihm verbliebenen Vermögens zu veräußern.

Die zu berücksichtigenden Unterhaltsbedürfnisse des Kindes bestimmen sich nach § 140 Abs 1 ABGB nach den konkreten Lebensverhältnissen seiner Eltern, die Belastbarkeit jedes einzelnen Unterhaltspflichtigen nach seinen in Anschlag zu bringenden Kräften.

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze entspricht es einem angemessenen Teilhaben der Tochter an den gehobenen Lebensverhältnissen ihres Vaters, daß dessen monatliche Unterhaltsleistungen von 2.750 S auf 5.000 S erhöht werden.

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