OGH 8ObA200/02y

OGH8ObA200/02y10.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer & Dr. Fassl Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Peter P*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 47.116,12 sA, infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juni 2002, GZ 8 Ra 80/02x-58, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. November 2001, GZ 7 Cga 163/98y-47, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der außerordentlichen Revision der beklagten Partei und aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Partei werden die angefochtenen Urteile und das diesen vorangegangene Verfahren bezüglich eines Begehrens von EUR 47.116,12 samt 4 % Zinsen seit 1. 2. 1998 als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen.

Im Übrigen - hinsichtlich eines Begehrens von 4 % Zinsen aus EUR 11.046,12 vom 1. 2. 1998 bis 1. 3. 2000 - wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teils zu lauten haben:

"Die Klagsforderung besteht im Umfang von 4 % Zinsen aus EUR 11.046,12 vom 11. 11. 1998 bis 30. 11. 1998 und aus EUR 526 vom 1. 12. 1998 bis 1. 3. 2000 zu Recht.

Die bis zur Höhe der Klagsforderung eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus EUR 11.046,12 vom 11. 11. 1998 bis 30. 11. 1998 und aus EUR 526 vom 1. 12. 1998 bis 1. 3. 2000 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von 4 % Zinsen aus EUR 11.046,12 vom 1. 2. 1998 bis 10. 11. 1998 und aus EUR 10.520,12 vom 1. 12. 1998 bis 1. 3. 2000 wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 9.291,49 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und der Berufungsverfahren (darin enthalten EUR 1.452,95 Umsatzsteuer; 573,82 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.544,84 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 2.123 Barauslagen, EUR 403,64 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bei der Klägerin ab 7. 1. 1969 als Angestellter beschäftigt. Er wurde am 26. 1. 1994 zum 30. 6. 1994 von der Klägerin gekündigt.

Dagegen erhob er beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 24 Cga 199/94y eine Klage auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen aufrecht fortbestehe. Das dazu erhobene Eventualbegehren lautete auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten vom 7. 1. 1969 bis zum Betriebsübergang der als Druckvorstufe zusammengefassten Abteilungen der Beklagten, in welchen der Kläger beschäftigt gewesen sei, auf die I***** GmbH aufrecht bestanden habe. Schließlich wurde ein Eventualbegehren auf Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung erhoben. Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. 2. 1995 wurde ausgesprochen, dass das Dienstverhältnis ungeachtet der Kündigung vom 26. 1. 1994 fortbestehe. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Der Oberste Gerichtshof änderte diese Entscheidungen mit Urteil vom 22. 10. 1997 (9 ObA 151/97i) im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Feststellungsbegehrens und des dazu erhobenen Eventualbegehrens ab und wies das Eventualbegehren auf Rechtsunwirksamerklärung der Aufkündigung zurück. Dieses Urteil wurde den Parteien am 15. 1. 1998 zugestellt.

In der Zwischenzeit hatte der Beklagte zu 29 Cga 256/95v beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eine Leistungsklage eingebracht. Gestützt auf das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zu 24 Cga 199/94y vom 24. 2. 1995 begehrte er für den Zeitraum 1. 7. 1994 bis 31. 1. 1996 Gehaltszahlungen in Höhe von insgesamt S 910.296,43 brutto, wovon er die aufgrund der Endabrechnung zum 30. 6. 1994 ausbezahlten Beendigungsansprüche von brutto S 697.415,14 unter Behauptung einer außergerichtlichen Aufrechnungserklärung in Abzug brachte. Mit Urteil vom 7. 2. 1996 wurde dem Beklagten der begehrte Betrag von S 212.881,29 brutto rechtskräftig zugesprochen. Am 29. 4. 1998 brachte der Beklagte eine Leistungsklage über S 697.415,14 brutto beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 28 Cga 91/98a gegen die Klägerin ein. Diesen Betrag forderte er aus dem Titel der Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Die Klägerin wendete in diesem Verfahren ein, die vom Beklagten begehrten Beendigungsansprüche in Höhe von S 697.415,14 brutto bereits bezahlt zu haben. Die vom Kläger im Verfahren 29 Cga 256/95v erklärte Aufrechnung der bereits bezahlten Beendigungsansprüche sei unzulässig, weil der Rechtsgrund für die Zahlung des laufenden Entgelts durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Verfahren 24 Cga 199/94y weggefallen sei. Darüber hinaus habe die Klägerin dem Beklagten zwischen 1. 7. 1994 und 30. 1. 1998 Gehaltszahlungen in Höhe von S 800.330 geleistet, die nun gemäß § 1435 ABGB zurückzuzahlen seien: Für die Zeit der vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund des erstinstanzlichen Urteils im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien gebühre dem Arbeitnehmer zwar das Entgelt; allerdings bleibe gemäß § 61 Abs 2 ASGG ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers unbeschadet dieser Wirkung des erstinstanzlichen Urteils bestehen. Die Klägerin könne daher die zwischen 1. 7. 1994 bis 31. 1. 1998 geleisteten Gehaltszahlungen zurückfordern.

Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. 9. 1998 wurde das Begehren des Beklagten auf Zahlung der Beendigungsansprüche von brutto S 697.415,14 abgewiesen. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien traf die Feststellung, dass die Klägerin abgesehen von den Beendigungsansprüchen in Höhe von S 697.415,14 brutto vom 1.7. 1994 bis 31. 1. 1998 S 800.330 netto an Gehaltszahlungen erbracht habe. Dem Beklagten stünden keine Beendigungsansprüche mehr zu. Über Berufung des Beklagten "bestätigte" das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht das angefochtene Urteil "mit der Maßgabe", dass es zu lauten habe wie folgt: "Die Klagsforderung besteht mit S 697.415,14 brutto zu Recht. Die Gegenforderung besteht bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht." Davon ausgehend gelangte das Oberlandesgericht Wien ebenfalls zu einer Abweisung des Zahlungsbegehrens. Die "Maßgabebestätigung" des Berufungsgerichtes beruhte auf der Überlegung, dass die im Verfahren 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien rechtskräftig zugesprochenen Gehaltszahlungen wegen der Rechtskraft des Leistungsurteiles nicht rückforderbar seien. Daraus resultiere auch, dass die vom Kläger (hier Beklagter) erfolgte Anrechnung der von der Beklagten (hier Klägerin) ursprünglich als Abfertigung etc bezahlten S 697.415,14 brutto auf diese Entgelte aufrecht bleibe. Der Kläger (hier Beklagter) habe somit noch keine Abfertigung erhalten. Es stünden ihm daher die Beendigungsansprüche zu.

Gegen dieses Urteil erhob nur der Beklagte Revision. Mit Urteil vom 1. 12. 1999 (9 ObA 283/99d = SZ 72/200) bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass die Entgeltleistungen des Dienstgebers durch Wegfall des fiktiv fortbestandenen Arbeitsverhältnisses nach Abänderung des der Kündigungsanfechtungsklage stattgebenden ersten Urteils generell rückforderbar seien. Auch wenn die Leistung des Entgelts aufgrund der Rechtskraft eines Leistungsurteils erfolgt sei, das die Vorfrage des fiktiv aufrechten Arbeitsverhältnisses aufgrund des der Kündigungsanfechtung stattgebenden ersten Urteils und der Verbindlichkeitswirkung des § 61 ASGG habe beantworten müssen, stehe dies der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruches mangels Identität des Anspruches nicht entgegen. Die Rückforderbarkeit sei die gesetzliche Folge des § 1435 ABGB iVm § 61 Abs 2 ASGG. Mit der nun vorliegenden Klage begehrte die Klägerin zunächst Zahlung von S 800.330. Sie habe aufgrund ihrer Verpflichtung gemäß § 61 Abs 1 Z 1 ASGG netto S 800.330 an Gehaltszahlungen für den Zeitraum 1. 7. 1994 bis 31. 1. 1998 erbracht. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22. 10. 1997, 9 ObA 151/97i, sei klargestellt, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen rückwirkend zum 30. 6. 1994 geendet habe. Der Rechtsgrund für die erfolgten Gehaltszahlungen in Höhe von S 800.330 netto sei daher weggefallen. Die Klägerin habe bereits am 30. 6. 1994 mit entsprechender Widmung an den Beklagten Beendigungsansprüche in Höhe von S 697.415,10 (brutto) bezahlt. Der entsprechende Nettobetrag laute auf S 651.735,17. Daraus ergebe sich, dass der Beklagte nach Beendigung seines Dienstverhältnisses (also seit 1. 7. 1994) insgesamt S 1,452.065,17 netto erhalten habe, wovon dem Beklagten nur die - bereits bezahlten - Beendigungsansprüche zustünden, nicht aber die nun eingeklagten Gehaltszahlungen. Im Verfahren 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sei die Abfertigungszahlung der Klägerin einvernehmlich auf die laufenden Gehälter "umgewidmet" worden.

Der Beklagte stellte zuletzt die von der Klägerin angegebene Summe von S 1,452.065,17 netto außer Streit (Beendigungsansprüche netto S 651.735,17 zuzüglich Gehaltszahlungen bis 31. 1. 1998) und wendete ein, dass ihm infolge seiner Arbeitsbereitschaft auch für die Zeit vom 1. 7. 1994 bis 15. 1. 1998 ein Entgeltanspruch zustünde. Überdies habe die Klägerin die Rechtskraftwirkung des vom Beklagten erwirkten Leistungsurteiles zu 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zu beachten. Der Beklagte wies ferner darauf hin, dass durch die rechtskräftige Erledigung des Verfahrens 28 Cga 91/98a des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien rechtskräftig und bindend feststehe, dass der dem Beklagten dort zuerkannte Betrag von S 697.415,14 durch die von der Klägerin dort eingewendete Gegenforderung getilgt worden sei. Die Klägerin habe bis 15. 1. 1998 insgesamt S 800.330 netto an Gehaltszahlungen geleistet. Davon seien durch die Aufrechnung netto S

655.570 (richtig: S 651.735,17) getilgt worden. Der aufgrund dieser Berechnung des Beklagten verbleibende Differenzbetrag (S 144.760 netto) zuzüglich Zinsen aus diesem Betrag für den Zeitraum 1. 12. 1998 bis 28. 2. 2000 (S 7.238) wurde während des Verfahrens an die Klägerin bezahlt. Entgegen der ausdrücklichen Widmung eines Betrages von S 7.238 auf Zinsen durch den Beklagten schränkte die Klägerin in der Folge (ON 22) das Klagebegehren um den vom Beklagten insgesamt überwiesenen Betrag von S 151.998 auf S 648.332 samt 4 % Zinsen aus S

800.330 vom 1. 2. 1998 bis 1. 3. 2000 und aus S 648.332 seit 2. 3. 2000 ein.

Der Beklagte wendete ferner aus dem Titel des Schadenersatzes Arbeitsentgelt für den Zeitraum ab 1. 7. 1994 als nicht näher bezifferte Kompensandoforderung ein: Dazu bezieht sich der Beklagte zusammengefasst darauf, das die Klägerin den Arbeitsplatz des Beklagten an ein Tochterunternehmen ausgegliedert habe. Der Beklagte sei gekündigt worden, weil er nicht einverstanden gewesen sei, in diesem Tochterunternehmen seine Tätigkeit gegen ein wesentlich geringeres Entgelt fortzusetzen. Der Beklagte habe im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sein Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung auch auf eine gegen § 3 Abs 1 AVRAG verstoßende Kündigung gestützt. Über den schadenersatzrechtlichen Aspekt des Betriebsüberganges gemäß § 3 Abs 1 AVRAG habe der Oberste Gerichtshof nicht entschieden. Dem Beklagten sei es nicht verwehrt, entsprechende Schadenersatzansprüche einzuwenden.

Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass die Klagsforderung mit S 508.532,90 netto zu Recht bestehe, die kompensando eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von S 508.532,90 samt 4 % Zinsen seit 1. 2. 1998. Das Mehrbegehren von S 139.799,10 netto und das Zinsenmehrbegehren wies das Erstgericht ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Ergebnissen der Vorverfahren gelangte das Erstgericht zur rechtlichen Beurteilung, dass der im Verfahren 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zugesprochene Betrag in Höhe von S 212.881,29 brutto (S 147.037,10 netto) nicht rückforderbar sei, weil der Rückforderung die Rechtskraftwirkung des Urteils entgegenstehe. Es ergebe sich daher folgende Berechnung des der Klägerin noch zustehenden Betrages:

Von der Klägerin an den Beklagten gezahlte

Entgelte vom 1. 7. 1994 bis 15. 1. 1998 S 800.330,-- netto abzüglich vom Beklagten zurückgezahlter S 144.760,-- netto abzüglich des nicht rückforderbaren

Betrages von S 147.037,10 netto. Das Mehrbegehren von S 139.799,10 netto sei daher abzuweisen. Darauf, ob der Beklagte arbeitsbereit gewesen sei oder die Arbeitsbereitschaft nur vorgetäuscht habe, komme es nicht an. Aufgrund des auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses und des nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes der im Sinne des § 61 Abs 1 Z 1 ASGG geleisteten Zahlungen bestehe ein Rückforderungsanspruch. Die nicht ziffernmäßig aufgeschlüsselte Kompensandoforderung bestehe nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Es teilte im Wesentlichen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, dass das im Hinblick auf das rechtskräftig gewordene Leistungsurteil zu 29 Cga 265/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien geleistete Arbeitsentgelt nicht rückforderbar sei. Im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sei rechtskräftig festgestellt worden, dass kein Verstoß gegen das AVRAG vorliege. Der Beklagte könne daher auf einen solchen Verstoß keine Schadenersatzansprüche gründen.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien außerordentliche Revisionen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte weist im Rahmen der Ausführungen zur Rechtsrüge auf die Rechtskraftwirkung der Entscheidung im Vorverfahren 28 Cga 91/98a des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien hin. Er macht damit inhaltlich den tatsächlich auch vorliegenden Nichtigkeitsgrund der entschiedenen Rechtssache geltend. Die unrichtige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe ist unerheblich (Kodek in Rechberger ZPO² vor § 461 Rz 13; RIS-Justiz RS0111425). Nach einhelliger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeit stets eine Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (vgl ÖBl 1998, 254 ua).

Auch die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig:

Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 72/200) die Entgeltleistungen des Dienstgebers durch Wegfall des fiktiv fortbestandenen Arbeitsverhältnisses nach Abänderung des der Kündigungsanfechtungsklage stattgebenden ersten Urteils generell rückforderbar sind, wobei der Rückforderbarkeit auch die Rechtskraft eines Leistungsurteiles nicht entgegensteht, welches die Vorfrage des fiktiv aufrechten Arbeitsverhältnisses aufgrund des der Kündigungsanfechtung stattgebenden ersten Urteils und der Verbindlichkeitswirkung des § 61 ASGG habe beantworten müssen. Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels der Klägerin hatte auch im Umfang der Klageabweisung die Prüfung der durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfenen Nichtigkeitsfrage zu erfolgen (vgl 1 Ob 159/02t).

Im Verfahren 28 Cga 91/98a des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien (in der Folge: Vorverfahren) wendete die Klägerin als dort Beklagte gegen das Begehren des Beklagten als Kläger auf Zahlung von S 697.415,14 brutto an Beendigungsansprüchen eine Gegenforderung von S 800.330 für von der Klägerin geleistete Gehaltszahlungen ab 1. 7. 1994 bis 31. 1. 1998 ein. Diesen Rückforderungsanspruch begründete die Klägerin (ebenso wie in dem hier zu beurteilenden Verfahren) damit, dass ihr infolge der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, mit welchem das Feststellungsbegehren und das Kündigungsanfechtungsbegehren des nunmehrigen Beklagten rechtskräftig abgewiesen worden sei, gemäß § 61 Abs 2 ASGG ein Bereicherungsanspruch zustehe. Im Vorverfahren wurde rechtskräftig festgestellt, dass die vom nunmehrigen Beklagten geltend gemachte Klagsforderung für Beendigungsansprüche in Höhe von S 697.415,14 brutto zu Recht bestehe und dass die von der nunmehrigen Klägerin eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe dieser Beendigungsansprüche ebenfalls zu Recht bestehe.

Gemäß § 411 Abs 1 zweiter Satz ZPO ist die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung der Rechtskraft (nur) bis zur Höhe des Betrages teilhaft, mit welchem aufgerechnet werden soll. Die Entscheidung über die Aufrechnungseinrede begründet nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bis zur Höhe des Betrages, mit dem aufgerechnet wurde, die Rechtskrafteinrede (RIS-Justiz RS0041281; insbesondere SZ 68/31; zuletzt 10 Ob 406/01f; Rechberger in Rechberger ZPO² § 411 Rz 14). Mit dieser Rechtsprechung stehen jene Entscheidungen, die ausführen, dass in einem dreigliedrigen Urteil, das aufgrund der Einwendung einer Gegenforderung ergeht, weder die Entscheidung über die Klagsforderung noch jene über die Gegenforderung für sich allein, sondern nur die sich daraus ergebende Entscheidung über das Klagebegehren der Rechtskraft fähig ist (MietSlg 50.746; EvBl 1992/193 ua), nur scheinbar in Widerspruch. Diese Entscheidungen behandeln nur die Rechtskraftfähigkeit in jenem Verfahren, in welchem die Gegenforderung eingewendet wurde, insbesondere bei Anfechtung nur einzelner Teile des dreigliedrigen Urteiles im Rechtsmittelverfahren, nicht jedoch die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft als Prozesshindernis für eine neue Klage (vgl dazu 2 Ob 248/97b; ferner Anm Dullinger zu JBl 1996, 254). Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist die anhand des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts und seiner rechtlichen Qualifikation festgestellte Rechtsfolge. Die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft, die eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die bereits entschiedene Hauptfrage verhindert, liegt nur dann vor, wenn der Streitgegenstand der neuen Klage und der Urteilsgegenstand des vorliegenden Urteils gleich sind, also sowohl das Begehren inhaltlich dasselbe (oder bloß ein quantitatives Minus) fordert, was bereits rechtskräftig zuerkannt oder aberkannt wurde, als auch - unter Zugrundelegung der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie - die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen den im Prozess festgestellten entsprechen (vgl RIS-Justiz RS0039347 und RS0041281; wobl 2001/15; Fasching LB² Rz 1513). Die noch aufrechte Klagsforderung von S 648.332 (EUR 47.116,12) stellt ziffernmäßig ein bloßes Minus zu der im Vorverfahren geltend gemachten Gegenforderung dar. Es wird ein identer anspruchsbegründender Sachverhalt (Gehaltszahlungen 1. 7. 1994 bis 31. 1. 1998) vorgebracht. Auch der Rechtsgrund (Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruches, gestützt auf § 61 Abs 2 ASGG) ist mit jenem des Vorverfahrens ident. Der neuerlichen Klage der Klägerin steht daher die in materielle Rechtskraft erwachsene Vorentscheidung über das Bestehen der dort eingewendeten (und somit zur Aufrechnung verbrauchten) Gegenforderung entgegen. Dass der Beklagte trotz des in der Folge außer Streit gestellten Betrages von S 651.735,17 netto an ihm zustehenden Beendigungsansprüchen der Klägerin lediglich S 144.760 netto als Differenzbetrag (zwischen den der Klägerin zustehenden Gehaltsrückforderungsansprüchen und dem dem Beklagten zustehenden Beendigungsanspruch) überwies, wirkt sich hier deshalb nicht aus, weil die Klägerin unter Außerachtlassung der sie bindenden (§ 1416 ABGB) Widmung des Beklagten im Umfang der weiteren bezahlten S 7.238 auf Zinsen für den Zeitraum 1. 12. 1998 bis 28. 2. 2000 eine Einschränkung des Kapitals um den insgesamt überwiesenen Betrag von S

151.998 vornahm. Im Umfang der verbliebenen geltend gemachten Kapitalsforderung von S 648.332 netto liegt daher das sich aus der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren 28 Cga 91/98a des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ergebende Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache vor. Die Klägerin hätte im Vorverfahren das Urteil des Berufungsgerichtes, mit welchem eine "Maßgabebestätigung" erfolgte, anfechten und geltend machen müssen, dass infolge der getroffenen Feststellung über die Zahlung der Abfertigungsansprüche die im Berufungsverfahren als zu Recht bestehend erkannte Klagsforderung in Wahrheit nicht zu Recht bestehe, weshalb mit primärer Abweisung des Klagebegehrens (wegen Nichtbestehens der Klagsforderung) vorzugehen gewesen wäre. Insbesondere hätte die Klägerin die im Vorverfahren vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass die Aufrechnungserklärung des Beklagten im Verfahren 29 Cga 256/95v weiterhin wirksam und berechtigt sei, weil die Klägerin die mit Leistungsurteil zu 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zugesprochenen Gehaltszahlungen wegen der Rechtskraft dieses Urteils ohnedies nicht rückfordern könne, bekämpfen müssen. Dem nun in diesem Verfahren erhobenen Einwand, der Klägerin hätte es im Vorverfahren an einer Beschwer zur Bekämpfung des Berufungsurteiles gefehlt, kann nicht beigetreten werden: Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (siehe RIS-Justiz RS0041006) ist der Beklagte, der primär den Bestand der Klagsforderung bekämpft hat, durch eine Klageabweisung als beschwert anzusehen, die den Bestand der Klagsforderung ganz oder teilweise bejaht und ihr Erlöschen durch Aufrechnung mit der Gegenforderung annimmt. Weist daher - wie im Vorverfahren - die erste Instanz das Zahlungsbegehren mit eingliedrigem, die zweite Instanz hingegen mit dreigliedrigem Urteil ab, ist eine Revision des Beklagten nicht mangels Beschwer unzulässig (siehe dazu auch RZ 1970, 168). Ausgehend von der im Vorverfahren getroffenen Feststellung, dass die dort beklagte und hier klagende Partei dem dortigen Kläger und hier Beklagten die Beendigungsansprüche in Höhe von S 697.415,14 brutto bereits überwies, hätte sich daher die hier klagende Partei gegen die "Maßgabebestätigung" des Berufungsgerichtes im Vorverfahren (die sich inhaltlich in Wahrheit als Abänderung darstellte - RIS-Justiz RS0041258) zur Wehr setzen müssen. Durch die Unterlassung der Erhebung einer Revision im Vorverfahren war es daher auch dem Obersten Gerichtshof im Vorverfahren verwehrt, aufgrund der Feststellung, dass die Dienstgeberin die Beendigungsansprüche bereits bezahlt hatte, das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens mit eingliedrigem Spruch abzuändern. Diese Unterlassung kann die hier klagende Partei nun nicht dadurch sanieren, dass sie den ihr im Vorverfahren rechtskräftig als Gegenforderung zuerkannten und durch Aufrechnung mit der Klagsforderung verbrauchten Betrag neuerlich einklagt. Durch das rechtskräftige Urteil im Vorverfahren, welches die dort geltend gemachte Klageforderung und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung jeweils als zu Recht bestehend erkannte, wurde rechtsgestaltend die Aufrechnung vorgenommen (vgl dazu Rechberger in Rechberger ZPO² § 392 Rz 13). Dazu ist klarzustellen, dass das Berufungsgericht im Vorverfahren deshalb zur "Maßgabebestätigung" gelangte, weil es die - vom Obersten Gerichtshof im Vorverfahren gerade nicht geteilte - Rechtsauffassung vertrat, die Klägerin könne die mit rechtskräftigem Leistungsurteil im Verfahren 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zuerkannten Gehaltszahlungen nicht gemäß § 1435 ABGB iVm § 61 Abs 2 ASGG rückfordern. Daraus resultierte die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, die vom Beklagten bereits in der Klage zu 29 Cga 256/95v erklärte außergerichtliche Aufrechnungserklärung der dem Beklagten zustehenden Gehaltsforderungen mit den dem Beklagten bereits ausbezahlten Beendigungsansprüchen müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen. Daraus folgerte das Berufungsgericht im Vorverfahren, dass der Beklagte (durch die vorgenommene außergerichtliche Aufrechnung) die Beendigungsansprüche in Höhe von S 697.415,14, die die Klägerin bereits anlässlich der Endabrechnung zum 30. 6. 1994 gezahlt hatte, zurückerstattete. Die Klägerin hingegen stand im Vorverfahren - wie auch hier - auf dem Standpunkt, dass sie die Abfertigungsansprüche bereits beglichen habe, weil sich durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien die rückwirkende Beendigung des Dienstverhältnisses zum 30. 6. 1994 herausgestellt habe. Deshalb müsse der Beklagte nicht nur die mit Leistungsurteil zu 29 Cga 256/95v des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zuerkannten Zahlungen zurückerstatten, sondern es ergebe sich daraus auch, dass die dort vorgenommene Aufrechnungserklärung unwirksam gewesen sei, weshalb von einer Zahlung der dem Beklagten zugehenden Beendigungsansprüche bereits zum 30. 6. 1994 ausgegangen werden müsse.

Für das hier vorliegende Verfahren folgt daraus, dass ab Eintritt der Rechtskraft im Vorverfahren wegen der Identität zwischen der dort eingewendeten Gegenforderung bis zur Höhe der dort geltend gemachten Klagsforderung mit dem hier zuletzt geltend gemachten Hauptbegehren das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vorliegt. In Stattgebung der außerordentlichen Revision des Beklagten und aus Anlass der (zulässigen) außerordentlichen Revision der Klägerin war daher die Nichtigkeit des durchgeführten Verfahrens im Umfang eines Begehrens von EUR 47.116,12 samt 4 % Zinsen seit 1. 2. 1998 auszusprechen.

Im Umfang des vom Nichtigkeitsgrund nicht erfassten Begehrens von S 151.997,92 (EUR 11.046,12), um welches die Klägerin das Klagebegehren in der Folge einschränkte, liegt allerdings der Nichtigkeitsgrund der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht vor: Es ist daher das noch aufrechte Zinsenbegehren zu diesem (bereits eingeschränkten) Kapitalbetrag einer meritorischen Überprüfung zu unterziehen: Dass den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen der Klägerin das vom Beklagten im Verfahren 29 Cga 256/95v erwirkte Leistungsurteil nicht entgegensteht, wurde bereits dargetan (SZ 72/200). Die Klägerin hat die vom Beklagten im Sinne des § 1416 ABGB

vorgenommene Widmung des bezahlten Betrages von S 7.238 (= EUR 526)

auf 4 % Zinsen aus S 144.760 (= EUR 10.520,12) netto für den Zeitraum 1. 12. 1998 bis 28. 2. 2000 gegen sich gelten zu lassen. Der Klägerin stehen allerdings Zinsen aus dem in der Folge eingeschränkten Kapitalbetrag von EUR 11.046,12 für den Zeitraum 11. 11. 1998 (Klagezustellung 10. 11. 1998) bis 30. 11. 1998 und aus restlichen EUR 526 für den Zeitraum 1. 12. 1998 bis 1. 3. 2000 zu. Ein Fälligkeitseintritt vor Klagezustellung wurde von der Klägerin nicht behauptet.

Die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht:

Im Verfahren 24 Cga 199/94y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien wurde rechtskräftig und somit bindend das Begehren auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis des Beklagten zur Klägerin aufrecht sei, abgewiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 2 ASGG, § 51 Abs 1 und 2 ZPO und § 43 Abs 1 ZPO iVm § 50 ZPO. Bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren lag weder der Nichtigkeitsgrund der Rechtskraft noch das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit vor. Die Kompensationseinwendung bewirkt keine Streitanhängigkeit für eine nachfolgende selbständige Leistungsklage (Rechberger aaO § 392 Rz 12). Bis zu diesem Zeitpunkt kann es keiner der Parteien im Sinne des § 51 Abs 1 ZPO als Verschulden zugerechnet werden, dass das Verfahren eingeleitet bzw fortgesetzt wurde. Ab Eintritt der Rechtskraft der Vorentscheidung und des dadurch verwirklichten Nichtigkeitsgrundes, der rückwirkend zur Unzulässigkeit der Klage führte, ist es der Klägerin als Verschulden anzulasten, dass sie trotz des ausdrücklich erhobenen Einwandes des Beklagten (vgl insbesondere S 3 und 4 in ON 23) auf der Fortsetzung des Verfahrens bestand. Dadurch, dass die Klägerin trotz dieses vom Beklagten erhobenen Einwandes keine Einschränkung des Klagebegehrens vornahm, hat sie dem Beklagten die gesamten Kosten des nichtigen Verfahrens zu ersetzen. Bis zur Einschränkung des Klagebegehrens durch die Klägerin (ON 22) ist allerdings die Klägerin mit dem in der Folge vom Beklagten bezahlten Kapitalbetrag als obsiegend anzusehen. Daraus folgt für den ersten Verfahrensabschnitt, dass die Klägerin dem Beklagten 60 % von dessen Kosten zu ersetzen hat und 20 % ihrer Pauschalgebühr erhält. Ab Einschränkung des Klagebegehrens unterlag der Beklagte nur geringfügig im Ausmaß der teilweise zugesprochenen Zinsen. Ab diesem Zeitpunkt steht ihm daher voller Kostenersatz (§ 51 Abs 1 ZPO iVm § 43 Abs 2 ZPO) zu.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 2 ASGG iVm 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO: Im Revisionsverfahren ist der Beklagte mit nur einem geringfügigen Teil des Zinsenbegehrens als unterliegend anzusehen.

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