OGH 10Ob406/01f

OGH10Ob406/01f19.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Kalivoda, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Edith O*****, vertreten durch Dr. Jürgen Zwerger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) Anton S*****, und 2.) Gertrude S*****, beide vertreten durch Dr. Bernhard Kettl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 304.861,62 (= 22.155,16 EUR) sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. September 2001, GZ 4 R 124/01k-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 19. März 2001, GZ 3 Cg 185/99m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin hat die Beklagten in Verwaltungssachen, Amtshaftungssachen und Vertragssachen vertreten und hiefür von den Beklagten ein Honorar von S 400.000 erhalten. Weitere S 39.600 hat sie auf Grund eines Kostenzuspruchs durch den Verfassungsgerichtshof von den dortigen Verfahrensgegnern erhalten. Aus einem zu Gunsten der Beklagten bei ihr treuhändig erlegten Kaufpreis hat sie Beträge von S

430.835 und von S 60.000 als Honorar einbehalten.

Die Klägerin begehrt zuletzt ein weiteres Honorar von insgesamt S 304.861,62 (= 22.155,16 EUR) sA. Sie sei von den Beklagten mit der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Gemeinde Tiefgraben und gegen das Land Oberösterreich beauftragt worden. Die von ihr diesbezüglich erbrachten anwaltlichen Leistungen seien auf einer Bemessungsgrundlage von S 2,366.836 abzurechnen, sodass die mit der Klage geltend gemachte Honorarforderung noch offen sei. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, sie hätten mit der Klägerin ein Pauschalhonorar von S 400.000 für die Vertretung im Verfahren betreffend die Bausperre vereinbart, sodass sich die Klägerin mit dem Erhalt von S 400.000 zufrieden geben müsse. Hinsichtlich des nachfolgenden Amtshaftungsverfahrens habe die Klägerin zugesagt, dass diese Vertretungskosten bis zu einem Aufforderungsschreiben noch im Pauschalhonorar enthalten seien. Der Einbehalt von S 460.835 (= S

430.835 und die Hälfte von S 60.000) aus dem Treuhanderlag sei zu Unrecht erfolgt. Weiters beanstandeten die Beklagten die von der Klägerin herangezogene Bemessungsgrundlage und Einzelpositionen ihrer Honorarabrechnung als überhöht. Hinsichtlich des ihrer Meinung nach zu Unrecht einbehaltenen Betrages von S 460.835 (= 33.490,19 EUR) wandten die Beklagten eine Gegenforderung in dieser Höhe aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als mit S 17.182,80 (= 1.248,72 EUR) als zu Recht und mit dem weiteren Betrag von S 287.678,82 (= 20.906,44 EUR) als nicht zu Recht bestehend und wies infolge der, beurteilt bis zur Höhe der aufrechten Klagsforderung, ebenfalls mit S 17.182,80 (= 1.248,72 EUR) als berechtigt erkannten Gegenforderung das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es traf zu der von den Beklagten behaupteten Pauschalpreisvereinbarung im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Beklagten sind Eigentümer einer über 50.000 m2 großen Liegenschaft, die im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Tiefgraben zumindest teilweise als Bauland gewidmet war. Aus Anlass einer vom Gemeinderat verhängten Bausperre setzten sich die Beklagten mit der Klägerin zwecks Anfechtung der Bausperre etwa um den 9. Mai 1995 in Verbindung. Nachdem die Klägerin zunächst eine von ihr selbst als erfolglos eingeschätzte Berufung und Vorstellung eingebracht hatte, erörterten die Beklagten am 29. 12. 1995 mit der Klägerin in deren Kanzlei die Frage der Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde. Sie fragten auch nach den voraussichtlichen Kosten der Klägerin, die diese mit etwa S 600.000 schätzte. Die Zweitbeklagte meinte, dass dies zu teuer sei. Der Erstbeklagte schlug vor: Pauschal S 200.000 für den Fall der Erfolglosigkeit der Beschwerde und S 400.000 im Erfolgsfall. Die Klägerin war damit einverstanden. Die Überlegung des Erstbeklagten war, dass er im Erfolgsfall einige Bauparzellen verkaufen und dadurch auch das Honorar für die Klägerin aufbringen könne. Mit diesem Pauschalbetrag sollten die gesamten Kosten der Klägerin im Zusammenhang mit der Bausperre abgegolten sein. Der Erstbeklagte sagte der Klägerin auch noch zu, er werde sich bemühen, dass sie im Verkaufsfall auch die Aufträge zur Errichtung der Kaufverträge erhalte. Eine Vereinbarung dahin, dass die Beklagten die Klägerin mit der Errichtung sämtlicher Kaufverträge beauftragen müssen, wurde nicht getroffen. Die Klägerin verlangte dies auch nicht und machte eine solche Verpflichtung auch nicht zur Bedingung für die pauschale Honorarvereinbarung. Die Beklagten haben der Klägerin nie erklärt, dass sie im Erfolgsfall das gesamte Bauland verkaufen würden. Die Klägerin hatte dies allerdings angenommen, ohne darüber mit den Beklagten detailliert zu sprechen. Die Beklagten dachten etwa an den Abverkauf von fünf Parzellen, hatten sich aber noch nicht konkret festgelegt.

Das Erstgericht traf weitere umfangreiche Feststellungen, insbesondere zu den von der Klägerin außerhalb des Verfahrens betreffend die Bausperre und des Amtshaftungsverfahrens erbrachten anwaltlichen Leistungen, auf die verwiesen wird.

In seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht dar, dass die Klägerin an die Pauschalpreisvereinbarung gebunden sei. Diese umfasse auch ihre Vertretungsleistungen im Amtshaftungsverfahren bis hin zu den Aufforderungsschreiben. Außerhalb dieser Vertretungsleistungen stehe der Klägerin ein Honoraranspruch auf der nach § 5 Z 37 AHR ermittelten Bemessungsgrundlage von S 120.000 zu. Nach detaillierter Auflistung und Bewertung von Einzelleistungen gelangte das Erstgericht zu einer berechtigten Honorarforderung der Klägerin in Höhe von S 17.182,80. Dieser berechtigten Honorarforderung stehe die berechtigte Gegenforderung der Beklagten infolge des zu Unrecht vorgenommenen Einbehaltes von rund S 430.000 gegenüber. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin rechtzeitig Berufung mit dem Antrag, das Ersturteil nach Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und die eingewendete Gegenforderung abgewiesen werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es beurteilte die vom Erstgericht zu der behaupteten Pauschalpreisvereinbarung getroffenen Feststellungen in Anbetracht der vorliegenden Beweisergebnisse als unbedenklich. Selbst wenn die Beklagten an den Abverkauf von fünf Parzellen gedacht und diese Absicht auch gegenüber der Klägerin geäußert hätten, wäre eine solche Äußerung nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 914f ABGB nur als unverbindliche und widerrufliche Absichtserklärung und nicht als Eingehen einer Verpflichtung zu werten.

Eine Befassung mit den weiteren Berufungsausführungen der Klägerin, wonach für die Honorierung ihrer anwaltlichen Leistungen, die nicht das Amtshaftungsverfahren bzw das Verfahren gegen die Erlassung der Bausperre betreffen, gemäß § 5 AHR eine Bemessungsgrundlage von jedenfalls S 2,366.836 (= Streitwert für das Amtshaftungsverfahren) heranzuziehen sei und vom Erstgericht in verschiedenen Positionen ihr Honoranspruch zu Unrecht gekürzt worden sei, hielt das Berufungsgericht für entbehrlich. Der Ausspruch des Erstgerichtes über das Zurechtbestehen der Klagsforderung mit S 17.182,80 sei von den Beklagten nicht bekämpft worden. Auch die Klägerin komme in ihrer Rechtsrüge auf den sie belastenden Ausspruch über das Zurechtbestehen der Gegenforderung mit S 17.182,80 nicht mehr zurück. Das Berufungsgericht habe sich daher inhaltlich im Rahmen der Rechtsrüge nur mit dem bekämpften erstgerichtlichen Ausspruch zu befassen, wonach die Klagsforderung mit einem Teilbetrag von S 287.678,82 nicht zu Recht bestehe. Die Klärung der Frage nach der richtigen Bemessungsgrundlage und nach dem Honoraranspruch für die in der Berufung erörterten, von der Pauschalvereinbarung nicht erfassten Einzelleistungen könne jedoch unterbleiben, weil selbst bei Übernahme der von der Klägerin dazu vertretenen Rechtsansicht ihre restliche Honorarforderung den von ihr einbehaltenen Betrag nicht übersteigen würde, weshalb die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht im Ergebnis jedenfalls berechtigt sei. Eine ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem weiterhin aufrecht erhaltenen Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und die eingewendete Gegenforderung abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in der Frage, ob die Berechtigung der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Klagsforderung im Hinblick auf die Höhe der von den Beklagten eingewendeten Gegenforderung zu überprüfen ist, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Hinsichtlich der Auslegung der von den Parteien getroffenen Honorarvereinbarung kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sollte mit dem vereinbarten Pauschalbetrag das gesamte Honorar der Klägerin im Zusammenhang mit der Bausperre abgegolten sein. Die Äußerung des Erstbeklagten gegenüber der Klägerin, er werde sich bemühen, dass sie im Verkaufsfall auch die Aufträge zur Errichtung der Kaufverträge erhalten werde, war nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichtes nur als unverbindliche Verwendungszusage und nicht als Eingehen einer Verpflichtung zu werten.

Auch aus dem Hinweis der Revisionswerberin auf die Bestimmung des § 19 RAO lässt sich für ihren Prozessstandpunkt nichts gewinnen. Der Rechtsanwalt ist gemäß § 19 Abs 1 RAO berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt ist, in Abzug zu bringen. Er ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich mit seiner Partei zu verrechnen. Zu Gunsten strittiger Honorarforderungen besitzt ein Rechtsanwalt jedoch kein Zurückbehaltungsrecht. Wird seine Honorarforderung bestritten, kann er nur zwischen der Ausfolgung dieser bei ihm eingegangenen Fremdgelder oder deren gerichtlichen Erlag wählen (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht2 Anm 3 zu § 19 RAO mwN; GesRZ 1987, 210 uva). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin entgegen der von den Vorinstanzen als erwiesen angenommenen Pauschalvereinbarung die Honorarabrechnung vorgenommen und im Hinblick auf die darin ausgewiesene Honorarforderung von einem Dritten als Treuhänderin für die Beklagten übernommene Geldbeträge einbehalten. Nach den als Feststellungen zu wertenden Ausführungen des Erstgerichtes in seiner Beweiswürdigung (vgl S 21 f des Urteils) waren die Beklagten mit dieser Vorgangsweise der Klägerin nicht einverstanden und es hat die Zweitbeklagte in einem Telefonat mit der Klägerin eine Freigabe dieser Gelder zu erreichen versucht. Von der Klägerin wurde jedoch nur ein Teilbetrag an die Beklagten überwiesen, während der restliche Betrag einbehalten wurde. Auf Grund dieser einander widersprechenden Auffassungen zwischen der Klägerin und den Beklagten waren entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht die Honorarforderungen der Klägerin im Sinn des § 19 RAO als "bestritten" anzusehen (vgl AnwBl 1970, 108).

Berechtigt ist allerdings der weitere Einwand der Revisionswerberin, dass sie selbst dann, wenn die von den Beklagten erhobene Gegenforderung in jedem Fall ihr Leistungsbegehren zum Erlöschen bringe, Anspruch auf die Feststellung von Richtigkeit und Höhe ihrer Klagsforderung habe. Denn selbst wenn die Revisionswerberin im Hinblick auf die Höhe der von den Beklagten eingewendeten Gegenforderung im Ergebnis nur die Bestätigung der Abweisung der Klage erreichen kann, so ist ihre Berufung doch auf die Feststellung einer höheren Klagsforderung, als diese vom Erstgericht festgestellt wurde und damit auf die Verwendung eines größeren Teiles der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung zur Tilgung der Klagsforderung, gerichtet. Nach § 411 Abs 1 Satz 2 ZPO wird aber über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung bis zur Höhe der als zu Recht bestehend erkannten Klagsforderung mit Rechtskraftwirkung entschieden. Dies hat zur Folge, dass die Beklagten im Rahmen dieser Rechtskraftwirkung eine Gegenforderung, soweit sie zur Tilgung der Klagsforderung herangezogen wird, nicht mehr gegen die Klägerin geltend machen können. Es besteht daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ein rechtliches Interesse der Klägerin daran, dass auf Grund ihrer Berufung durch Erhöhung der festzustellenden Klagsforderung ein höherer Teil der Gegenforderung zur Tilgung der Klagsforderung herangezogen wird und sie in Ansehung des zur Tilgung der Klagsforderung herangezogenen Teiles der Gegenforderung nicht mehr belangt werden kann (vgl ZVR 1977/71).

Da das Berufungsgericht auf Grund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht das Rechtsmittel der Klägerin nicht vollständig behandelt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen und diesem aufzutragen, neuerlich über das Rechtsmittel zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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