Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 199,87 (darin enthalten EUR 33,31 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung der Beklagten mit ihrem auf § 12 Abs 5 des Kollektivvertrages der Angestellten der Industrie gestützten Rückforderungsanspruch hinsichtlich des zufolge vorzeitigen Austritts der Klägerin nach § 25 KO zu viel bezahlten "Urlaubsgeldes" zutreffend bejaht (sog Austrittsaliquotierung), sodass auf die Begründung der Berufungsentscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Der Revisionswerberin, die im Wesentlichen nochmals die bereits vom Berufungsgericht widerlegten Argumente aus der Berufung wiederholt, ist ergänzend und zusammenfassend Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin war bei der S***** GmbH beschäftigt, wobei ihr Arbeitsverhältnis dem Kollektivvertrag der Angestellten der Industrie (KV) unterlag. Im Juni 2001 wurde ihr das "Urlaubsgeld" (als 14. Monatsgehalt; zum Begriff siehe Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9 530) für das gesamte laufende Kalenderjahr ausgezahlt. Mit Beschluss des LG Wels vom 26. 6. 2001, AZ 20 S 318/01t, wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin der Anschlusskonkurs eröffnet; die Beklagte wurde zur Masseverwalterin bestellt. In der Folge wurde das gemeinschuldnerische Unternehmen geschlossen. Am 9. 7. 2001 erklärte die Klägerin den Austritt gemäß § 25 KO. Gegen den Gehaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. 7. bis 9. 7. 2001 rechnete die Beklagte mit dem auf § 12 Abs 5 KV gestützten Rückforderungsanspruch hinsichtlich des zuviel bezahlten Urlaubsgeldes auf. Rechtlich ist davon auszugehen, dass Angestellten ein Anspruch auf Sonderzahlungen, etwa ein Urlaubsgeld, nicht schon auf Grund des Gesetzes, sondern nur auf Grund einer Vereinbarung (Arbeits- oder Kollektivvertrag) gebührt (Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 305 mwN). Flankierend dazu normiert § 16 Abs 1 AngG, dass Angestellte, falls sie Anspruch auf eine Sonderzahlung haben, diese auch dann gebührt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Fälligkeit des Anspruches gelöst wird, und zwar in dem Betrag, der dem Verhältnis zwischen der Dienstperiode, für die die Entlohnung gewährt wird, und der zurückgelegten Dienstzeit entspricht. § 16 AngG schafft damit keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Sonderzahlung; er kommt vielmehr nur zur Anwendung, falls ein solcher Anspruch schon auf Grund des Arbeits- oder Kollektivvertrages besteht. In einem solchen Fall besitzt § 16 AngG allerdings zwingende Wirkung (§ 40 AngG), sodass eine Abbedingung der bereits ins Verdienen gebrachten Aliquotierung vertraglicher bzw kollektivvertraglicher Sonderzahlungen unbeachtlich ist (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 305 mwN; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 233). Sofern also den Arbeitnehmern laut Arbeits- oder Kollektivvertrag eine Sonderzahlung gebührt, haben sie auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Jahres Anspruch auf jenen Teil der Sonderzahlung, der ihrer Dienstzeit während des laufenden Jahres entspricht. Aus der zwingenden Wirkung des Gesetzes ergibt sich auch, dass Vereinbarungen, wonach der Anspruch des Arbeitnehmers auf den aliquoten Teil der bereits ins Verdienen gebrachten periodischen Sonderzahlung unter gewissen Voraussetzungen (zB wenn die Kündigung von ihm bzw vom Arbeitgeber erklärt wurde) entfällt, unwirksam sind (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 307 f mwN; Schwarz/Löschnigg aaO 637 mwN).
Strittig ist im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht der Anspruch der Klägerin auf das der tatsächlichen Dienstzeit entsprechende, also bereits ins Verdienen gebrachte aliquote Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2001, sondern nur die Frage der Rückzahlung des zufolge vorzeitigen Austritts der Klägerin nach § 25 KO zu viel bezahlten Urlaubsgeldes für dieses Kalenderjahr. Dabei ist davon auszugehen, dass es den Kollektivvertragspartnern nicht nur freisteht, die Bedingungen für einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Sonderzahlungen festzulegen (Arb 11.395 mwN; RIS-Justiz RS0048332); es steht ihnen auch frei, das Ausmaß des Anspruches auf Urlaubsgeld von der Dauer der absolvierten Dienstzeit innerhalb jener Periode, für die die Sonderzahlung gewährt wurde, abhängig zu machen (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 308 mwN; Schwarz/Löschnigg aaO 352 mwN). Der Kollektivvertrag kann demzufolge auch die Rückzahlung aliquoter Teile des zunächst voll ausgezahlten Urlaubsgeldes vorsehen (Spielbüchler aaO 233; RdW 1997, 351 [= 9 ObA 2041/96d] ua). Von dieser Möglichkeit haben die Kollektivvertragsparteien Gebrauch gemacht. § 12 Abs 1 KV legt zwar zunächst fest, dass allen Angestellten neben dem 13. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration) einmal in einem Kalenderjahr auch ein 14. Monatsgehalt gebührt, und dass dieses nach § 12 Abs 4 KV bei Antritt eines gesetzlichen Urlaubs auszuzahlen ist. Nach § 12 Abs 5 KV gebührt aber den während des Kalenderjahres austretenden Angestellten nur der aliquote Teil entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit. Angestellte, die das 14. Monatsgehalt bereits erhalten haben, aber noch vor Ablauf des Kalenderjahres ausscheiden, ist nach § 12 Abs 5 KV der verhältnismäßig zu viel bezahlte Anteil, der auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfällt, bei der Endabrechnung wieder in Abzug zu bringen. Zweck der Regelung ist, nur jenen Arbeitnehmern das volle Urlaubsgeld zuzugestehen, die auch das volle Dienstjahr zurückgelegt haben (RdW 1997, 351 [= 9 ObA 2041/96d]). Letzteres war hier nicht der Fall. Der Klägerin wurde im Juni 2001 das Urlaubsgeld für das gesamte laufende Kalenderjahr voll ausgezahlt. Kurz danach erklärte sie am 9. 7. 2001 den Austritt gemäß § 25 KO. Nun bestreitet sie die Zulässigkeit der Aufrechnung der Beklagten bei der Endabrechnung nach § 12 Abs 5 KV. Sie räumt zwar ein, dass diese kollektivvertragliche Bestimmung nicht nach der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert (vgl infas 1996, A 152), und will auch nicht verkennen, dass der OGH die Statuierung einer solchen Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers im Kollektivvertrag bisher für zulässig angesehen hat. Sie meint jedoch, dass kein Kollektivvertrag einen solchen Rückforderungsanspruch für die hier vorliegende Beendigungsart des vorzeitigen Austritts nach § 25 KO wirksam vorsehen könne.
Richtig ist der Hinweis der Revisionswerberin, dass der OGH die Rechtmäßigkeit der Statuierung einer Rückzahlungspflicht bisher ausdrücklich - dies jeweils fallbezogen - bei ungerechtfertigter Entlassung eines Arbeitnehmers (ZAS 1982, 23 [Runggaldier] = DRdA 1982/6 [Wachter]; vgl auch Runggaldier, Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts, 119) und bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses (RdW 1997, 351 [= 9 ObA 2041/96d]) anerkannt hat. Zum Schicksal des im Voraus voll gezahlten Urlaubsgeldes bei vorzeitigem Austritt eines Arbeitnehmers (nach § 25 KO oder einem anderen Grund) liegt noch keine Rechtsprechung des OGH vor. Der Versuch der Revisionswerberin, einen wesentlichen Unterschied zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ungerechtfertigte Entlassung, bei der der Arbeitgeber zuviel bezahltes Urlaubsgeld rückfordern kann, und dem vorzeitigen Austritt, bei dem dies (nach Meinung der Revisionswerberin) nicht möglich sein soll, herauszufinden, fällt nicht überzeugend aus, bietet aber auch keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Die Revisionswerberin stützt ihre gegenteilige Auffassung insbesondere auf Martinek/Schwarz/Schwarz (aaO 308), die zwar die Rückzahlung des aliquoten Urlaubszuschusses im Fall der Lösung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahres grundsätzlich bejahen, sofern dies der Kollektivvertrag ausdrücklich bestimmt, jedoch Bedenken äußern, diesen Grundsatz auf alle Beendigungsarten anzuwenden. Sie argumentieren, dass eine solche Vereinbarung dann unzulässig sei, wenn der Angestellte die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht verschuldet habe bzw nicht selbst kündige; Kollektivverträge dürften nämlich nicht in den Vertrauensgrundsatz eingreifen.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat mit der von der Revisionswerberin daraus gezogenen Konsequenz nicht anzuschließen. Der Vertrauensschutz soll selbstverständlich nicht in Frage gestellt werden; in diesen wird im vorliegenden Fall aber auch nicht eingegriffen. Auf Grund der völlig unmissverständlichen Regelung des gegenständlichen Kollektivvertrages musste der Klägerin stets klar sein, dass das Urlaubsgeld nur unter einer auflösenden Bedingung gewährt wird, nämlich dem aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Periode, auf die sich das Urlaubsgeld bezieht. Die Klägerin musste daher den allfälligen Eintritt der auflösenden Bedingung und eine daraus resultierende anteilige Rückzahlungsverpflichtung zumindest in Betracht ziehen (vgl Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht Bd 24 81 f; ZAS 2000/18 [Spitzl]). Werden im Laufe eines Jahres Sonderzahlungen geleistet, die grundsätzlich für das ganze Jahr gebühren, jedoch zu einem früheren Zeitpunkt als dem Jahresende fällig werden, muss sich der Arbeitnehmer also darüber im Klaren sein, dass ihm dieser Betrag unter der entsprechenden Zweckwidmung nur zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis das ganze Jahr dauert, und dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Jahresende im Sinne einer Aliquotierung ein Teil dieses Betrages gegen später fällig werdende Ansprüche aufgerechnet wird. Unter diesen Umständen kommt daher ein gutgläubiger Verbrauch von Sonderzahlungen nicht in Frage (Rummel in Rummel, ABGB² § 1437 Rz 12; ARD 4547/6/94; ZAS 2000/18 [Spitzl]; RIS-Justiz RS0033749), wobei aber auch die Revisionswerberin abschwächt, einen gutgläubigen Verbrauch ohnehin nicht geltend gemacht zu haben (S 5 d. Rev). Es liegt aber entgegen ihrer Auffassung auch weder ein Eingriff in bereits "wohlerworbene" Rechte (vgl DRdA 2000/22 [Runggaldier]), noch eine Verletzung der guten Sitten vor.
Kritisch zur Rückzahlungspflicht äußern sich auch Schwarz/Löschnigg (aaO 353), und zwar in jenen Fällen, in denen der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aufkündigt oder ungerechtfertigt beendet bzw wenn ihn ein Verschulden am Austritt des Arbeitnehmers trifft. Ein derartiger Fall liegt aber nicht vor; selbst die Revisionswerberin geht nämlich davon aus, dass das Arbeitsverhältnis nicht aus Verschulden der Gemeinschuldnerin beendet wurde (S 6 d. Rev; vgl auch Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österr. Insolvenzrecht Bd I4 § 25 KO Rz 33; vgl Arb 10.093).
Die besonders auf den Urlaubszweck abstellenden Überlegungen der Revisionswerberin gebieten ebenfalls kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechungslinie. Das 13. und 14. Monatsgehalt sind in Österreich so üblich geworden, dass sie ein fixer Bestandteil der Lohnpolitik sind und der ursprüngliche Anlass (Weihnachten bzw Urlaubsbeginn) im Laufe der Zeit und der Entwicklung des Arbeitsrechtes an Bedeutung zurückgetreten ist (Schwarz/Löschnigg aaO 350; ARD 4810/27/97). Nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG können durch Kollektivverträge ua die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geregelt werden (ausführlich dazu Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 1 Rz 27 ff). Die gegenständliche kollektivvertragliche Regelung liegt - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - in diesem Rahmen; Urlaubsgeldregelungen sind als aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Ansprüche im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG zu beurteilen.
Richtig ist der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung Kollektivvertragsbestimmungen, die die Kündigungsfreiheit unzulässigerweise einschränken, unwirksam sind; so etwa, wenn für den Fall der Selbstkündigung des Arbeitnehmers der Verlust durch die erbrachte Arbeitsleistung bereits verdienter Sonderzahlungen vorgesehen ist (vgl die Nachweise bei Runggaldier, RdW 1997, 340; Schwarz/Löschnigg aaO 637; DRdA 1993/12 [Grillberger]; ecolex 1997, 798 ua). Dies gilt jedoch entgegen der Befürchtung der Revisionswerberin nicht für die Verpflichtung des Arbeitnehmers, durch die erbrachte Arbeitsleistung noch nicht verdiente Sonderzahlungen rückzuerstatten. Es überzeugt auch nicht die Mutmaßung der Revisionswerberin, dass sich ein Arbeitnehmer durch die gegenständliche kollektivvertragliche Regelung über eine allfällige Austrittsaliquotierung von seinem Rücktrittsrecht nach § 25 KO abhalten lassen könnte. Eine teleologische Reduktion der Regelung um den Fall des Austritts nach § 25 KO ist nicht geboten. Faktische Überlegungen des Erstgerichtes, die rückzuerstattende Austrittsaliquotierung könne von der Klägerin ohnehin durch die Eintrittsaliquotierung im anschließenden Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber wieder hereingebracht werden, können dahingestellt bleiben.
Zur Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 293 Abs 3 EO (Einbringung eines Vorschusses) und dem Nichtvorliegen eines Verzichtes der Beklagten auf eine Abrechnung nach § 12 Abs 5 KV wird die Revisionswerberin auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Richtig ist zwar der Hinweis der Revisionswerberin, dass die Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage, in dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden, zurückwirkt (Rummel aaO § 1438 Rz 14 mwN); in diesem Zusammenhang ist aber auch zu beachten, dass die Gegenforderung mit der wirksamen Aufrechnung erlischt, sodass der Aufrechnungsgegner nicht nachträglich seinerseits mit einer anderen Forderung gegen die Gegenforderung aufrechnen kann (Rummel aaO § 1438 Rz 18 mwN).
Der Einwand der Revisionswerberin, dass bezüglich der ausgedehnten Klageforderung von den Parteien ein Teiler 30 (statt wie angenommen 31) vereinbart worden sei, läuft letztlich auf den Vorwurf hinaus, das erstinstanzliche Verfahren sei zufolge Nichtvernehmung einer von der Klägerin beantragten Zeugin (ON 5, AS 17) mangelhaft. Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Berufung nicht gerügt wurden, können jedoch in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 23/352, SZ 66/95; 9 ObA 198/01k, 9 Ob 76/02w ua). Richtig ist, dass die von einer Partei behaupteten Tatsachen insoweit keines Beweises bedürfen, als sie vom Gegner - wenn schon nicht ausdrücklich (§ 266 Abs 1 ZPO) - zumindest konkludent, etwa durch unsubstantiierte Bestreitung, zugestanden wurden (§ 267 Abs 1 ZPO; Rechberger in Rechberger, ZPO² §§ 266, 267 Rz 5 mwN). Die Würdigung, ob (k)ein Geständnis vorliegt, ist mit Mängelrüge überprüfbar (Rechberger aaO §§ 266, 267 Rz 6 mwN; SZ 66/59); eine solche wurde nicht erhoben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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