OGH 10ObS318/02s

OGH10ObS318/02s22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Hermann P*****, vertreten durch Poschinger - Taucher - Berchtold, Rechtsanwaltsgemeinschaft in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2002, GZ 7 Rs 130/02w-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Dezember 2001, GZ 35 Cgs 84/01s-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde (hier:

unterlassene Wiedereröffnung bzw Beweiswiederholung und -ergänzung betreffend das berufskundlliche Gutachten und die Einvernahme des Klägers [Seite 7 f der Berufungsentscheidung bzw Seite 3 f der Revision]), können nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates - die die Revision selbst zitiert - auch in einer Sozialrechtssache nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek aaO Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; MGA ZPO15 E 38 zu § 503 mwN; SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Die Revision verkennt, dass ein Mangel des Berufungsverfahrens nur dann gegeben sein könnte, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (MGA aaO E Nr 40 mwN; 10 ObS 263/02b; 10 ObS 276/02i; 10 ObS 310/02i uva).

Beide Fälle sind hier jedoch nicht erfüllt, weil sich das Gericht zweiter Instanz mit der Mängelrüge auseinandergesetzt und diese mit einer ausführlichen, der Aktenlage nicht widersprechenden Begründung (Seite 7 bis 10 der Berufungsentscheidung) als nicht berechtigt erkannt hat.

Davon abgesehen gehört die Frage, ob weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, zur - irrevisiblen - Beweiswürdigung der Vorinstanzen (vgl SSV-NF 7/12 mwN, RIS-Justiz RS0043320) und kann daher - wie auch die zum medizinischen Leistungskalkül, zu den Anforderungen in den Verweisungsberufen und den Tätigkeiten, welche der Versicherte aufgrund seines Leidenszustandes noch verrichten kann, getroffenen Feststellungen, die allesamt ausschließlich dem Tatsachenbereich angehören (RIS-Justiz RS0043118 [T2 und T4], RS0084399 [T5]) - im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0043061 [T11], RS0040046 [T10 bis T13]; zuletzt: 10 ObS 253/02g und 10 ObS 310/02i).

Die Revisionsausführungen stellen somit den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (RIS-Justiz RS0040046; 10 ObS 184/02k mwN); kann der auch in der Rechtsrüge geltend gemachte Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels (dass das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen habe [Kodek aaO Rz 4 zu § 496 ZPO]) doch nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema - wie hier - ohnehin Feststellungen getroffen wurden, diese den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers aber zuwiderlaufen (10 ObS 355/01f mwN zuletzt: 10 ObS 276/02i und 10 ObS 310/02i).

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, darauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes entgegen zu halten:

Nach den zum Leistungskalkül und den Berufsanforderungen getroffenen detaillierten Feststellungen ist der Kläger nicht mehr in der Lage, den Beruf eines Inbetriebsetzungsingenieurs/Elektrotechnikers ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiter auszuüben. Der Kläger kann jedoch die Tätigkeit eines Elektrotechnikers in den Bereichen Konstruktion, Dokumentation, Projektion oder Vertrieb bzw Qualität verrichten. Dass die Revision in ihrer Rechtsrüge geltend macht, das Berufungsgericht hätte die Spezialisierung des Klägers im "eigenständigen" (zuletzt [bis Ende 1986] ausgeübten) Berufsbereich "Automatisierungstechnik des Fachbereiches Dampfturbinen" berücksichtigen müssen, zeigt, dass der Revisionswerber weiterhin das Wesen des Berufsschutzes eines Angestellten verkennt: Hier geht es nicht um einen bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit maßgeblichen Tätigkeitsschutz im Sinne des - zum Stichtag 1. 4. 2000 noch in Geltung stehenden - § 253d Abs 1 Z 4 ASVG (arg. "diese Tätigkeit"), sondern um den Berufsschutz in einer durch "ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten" umschriebenen Berufsgruppe (§ 273 Abs 1 ASVG). Von dem befürchteten Verlust des Berufsschutzes nach § 273 ASVG durch die Verweisung in die vom Erstgericht ermittelten Berufe kann daher keine Rede sein. Die Beurteilung, dass der Kläger, der der Berufsgruppe der technischen Angestellten angehört und (wie der erkennende Senat bereits in der - ebenfalls den Kläger betreffenden - Entscheidung 10 ObS 66/98y = SSV-NF 12/32 dargelegt hat) angesichts des medizinischen Leistungskalküls noch auf verschiedenste Verwendungen als technischer Angestellter verweisbar ist, ist somit nicht zu beanstanden. Was aber die Frage der Zumutbarkeit einer - nach den Feststellungen möglichen - Einschulung und eines sozialen Abstiegs betrifft, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass Berufstätige, die ihren Beruf längere Zeit nicht ausgeübt haben, später nur mehr in geringer eingestuften Berufstätigkeiten eingesetzt werden. Stand ein Versicherter jahrelang vor dem Stichtag nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, dann ist bei Prüfung der Verweisbarkeit der soziale Wert wesentlich, den die Kenntnisse und Fähigkeiten, die bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen des Stichtags haben. Ein vom Kläger allenfalls zu erleidender sozialer Abstieg bei Aufnahme einer anderen technischen Angestelltentätigkeit wäre nach diesen Grundsätzen keinesfalls unzumutbar (SSV-NF 12/32 mwN).

Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich daran zwischenzeitig nichts geändert hat, weil der Kläger nach wie vor keiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, ist nicht zu beanstanden. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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