OGH 10ObS310/02i

OGH10ObS310/02i17.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gustav Liebhart (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2002, GZ 11 Rs 141/02p-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 2002, GZ 10 Cgs 22/01k-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde (hier:

unterlassene "nochmalige Ergänzung des Gutachtens Dris. L***** unter Durchführung einer neuerlichen Untersuchung des Klägers" [Seite 5 f der Berufungsentscheidung bzw Seite 3 der Revision]), können nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch in einer Sozialrechtssache nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek aaO Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; MGA, ZPO15 E 38 zu § 503 mwN; SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (MGA aaO E Nr 40 mwN ua; zuletzt: 10 Ob S 263/02b). Beide Fälle liegen hier jedoch nicht vor, weil sich das Gericht zweiter Instanz mit der Mängelrüge ausreichend auseinandergesetzt hat; wurde diese doch (auch) mit der (in der Revision nicht berücksichtigten und daher gar nicht in Zweifel gezogenen) Begründung verworfen, dass der Kläger eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes während des Verfahrens als Voraussetzung für die Notwendigkeit seiner neuerlichen Untersuchung nicht einmal behauptet hat.

Davon abgesehen gehört die Frage, ob weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, zur - irrevisiblen - Beweiswürdigung der Vorinstanzen (vgl SSV-NF 7/12 mwN, RIS-Justiz RS0043320) und kann daher - wie auch die zum medizinischen Leistungskalkül, zu den Anforderungen in den Verweisungsberufen und den Tätigkeiten, welche der Versicherte aufgrund seines Leidenszustandes noch verrichten kann, getroffenen Feststellungen, die allesamt ausschließlich dem Tatsachenbereich angehören (RIS-Justiz RS0043118 [T2 und T4], RS0084399 [T5]) - im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0043061 [T11], RS0040046 [T10 bis T13].

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, darauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Berufsschutz eines angelernten Berufskraftfahrers in vergleichbaren Fällen (SSV-NF 2/66, 4/80, 8/17, 9/63; 13/107; zuletzt: 10 ObS 304/01f), wonach dessen Kenntnisse und Fähigkeiten am Berufsbild des Lehrberufes "Berufskraftfahrer" zu messen sind (RIS-Justiz RS0084792 [T10]; SSV-NF 13/107).

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Kläger (erst) am 4. 5. 1999 die Lehrabschlussprüfung zum Berufskraftfahrer abgelegt. Zuvor war er (in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1. 6. 2000) ab dem Jahr 1989 als Kraftfahrer bei verschieden Dienstgebern beschäftigt, wobei er im Wesentlichen Schweinetransporte und andere Viehtransporte durchgeführte, bei all seinen Tätigkeiten nur im Inland arbeitete und mit der Verzollung von Waren nie etwas zu tun hatte. Er ist hauptsächlich mit LKW über 7,5 Tonnen, zum Teil auch mit Anhängern, gefahren und hat dabei vor Ablegung der Lehrabschlussprüfung vorwiegend nur Ausliefer- und Zustelltätigkeiten abgewickelt, die keine besonderen Qualifikationen außer dem Erwerb des Führerscheins erforderten.

Wenn die Revision daran festhält, der Kläger genieße aufgrund der angelernten, Spezialwissen erfordernden Tätigkeit im Bereich Tiertransporte Berufsschutz, wird übersehen, dass von einem angelernten Beruf nur dann auszugehen ist, wenn die qualifizierten, in der Praxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten an Qualität und Umfang jenen in einem Lehrberuf gleichzuhalten sind. Bildet die Berufstätigkeit des Versicherten, die er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend ausübte, - wie hier - einen Teil eines Lehrberufs, so ist zur Lösung der Frage des Berufsschutzes dieser Lehrberuf zum Vergleich heranzuziehen (RIS-Justiz RS0084433 [T7]; SSV-NF 4/158, 7/71; 10 ObS 103/99s; 10 ObS 56/02m; zuletzt: 10 ObS 142/02h).

Selbst wenn man der Beurteilung zugrunde legen wollte, dass die vom Kläger überwiegend ausgeübte Tätigkeit im Bereich Vieh- und Fleischtransporte mit Lebendtieren besondere Kenntnisse erforderte, wäre daher auf Grund der festgestellten Spezialisierung davon auszugehen, dass der Kläger mit wesentlichen Teilen des Berufsbildes eines Berufskraftfahrers nichts zu tun hatte. Für seine Tätigkeit als LKW-Fahrer (die, wie bereits das Erstgericht aufgezeigt hat, keine qualifizierten Service- und Reparaturarbeiten umfasste und sich im Wesentlichen auf Viehtransporte mit ausschließlichem Arbeitseinsatz im Inland beschränkte) waren daher Kenntnisse und Fähigkeiten, die den im genannten Lehrberuf erworbenen gleichzuhalten sind, nicht erforderlich.

Da die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers nur auf Teilbereiche des Berufsbildes erstrecken, weshalb ihm ein Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nicht zukommt (RIS-Justiz RS0084638 und RS0084792 [T11]; SSV-NF 13/107; zuletzt: 10 ObS 244/01f [ausschließlich im Personenverkehr tätiger Autobuschauffeur] und 10 ObS 304/01f [LKW-Transporte nur innerhalb von Österreich ohne Reparaturen am Wagen] jeweils mwN), somit nicht zu beanstanden ist, würde er nur unter den in § 255 Abs 3 ASVG genannten Voraussetzungen als invalid gelten, die jedoch wegen der in der Revision gar nicht in Frage gestellten Verweisbarkeit unstrittig nicht vorliegen. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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