OGH 10ObS276/02i

OGH10ObS276/02i17.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gustav Liebhart (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz B*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. April 2002, GZ 8 Rs 47/02v-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. November 2001, GZ 7 Cgs 67/01h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 12. 1. 2001 wurde der Antrag des am 13. 5. 1945 geborenen Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung der Invaliditätspension ab dem 1. 7. 2000 gerichtete Klagebegehren mangels Invalidität der Klägers im Sinne des § 255 Abs 3 ASVG ab. Der Kläger, der keine qualifizierte Berufsausbildung erworben habe und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 180 Monate als Kraftfahrer beschäftigt gewesen sei, könne mit dem erstellten Leistungskalkül seinen bisherigen Beruf weiterhin ausüben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verneinte die in der Berufung gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Selbst wenn der Kläger Berufsschutz genießen würde, sei ihm die bisher ausgeübte Tätigkeit weiter zumutbar. "Basierend auf" den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen, sei die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens daher nicht erforderlich. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, dass in der Übernahme der (in der Berufung gar nicht bekämpften) Feststellungen des Erstgerichts (wonach Schwerarbeiten nicht angefallen sind sodass der Kläger mit dem erstellten Leistungskalkül seinen bisherigen Beruf weiterhin ausüben könne [Seite 6 und 7 des Ersturteils]) durch das Berufungsgericht schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen kann (Kodek in Rechberger² Rz 4 Abs 3 zu § 503 ZPO). Davon abgesehen kann eine in der Berufung unterlassene Aktenwidrigkeitsrüge in der Revision nicht nachgetragen werden (Kodek aaO Rz 4 zu § 503 ZPO; RIS-Justiz RS0041773; zuletzt: 10 ObS 194/02f), sodass sich ein weiteres Eingehen auf ihre Berechtigung auch aus diesem Grunde erübrigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt ebenfalls nicht vor. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde (hier: unterlassene Beiziehung eines weiteren Sachverständigen), können nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch in einer Sozialrechtssache nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek aaO Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; MGA, ZPO15 E 38 zu § 503 mwN; SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (MGA aaO E Nr 40 mwN ua; zuletzt: 10 Ob S 263/02b); beide Fälle liegen hier nicht jedoch vor:

Die Frage, ob weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, gehört nämlich nicht zur rechtlichen Beurteilung sondern zur - irrevisiblen - Beweiswürdigung der Vorinstanzen (vgl SSV-NF 7/12 mwN); auch die Feststellungen zum medizinischen Leistungskalkül, zu den Anforderungen in den Verweisungsberufen und den Tätigkeiten, welche der Versicherte aufgrund seines Leidenszustandes noch verrichten kann, gehören zum Tatsachenbereich (RIS-Justiz RS0043118 [T2 und T4]).

Die Revisionsausführungen erschöpfen sich insgesamt in der - von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung abweichenden, in der Revision erstmals aufgestellten - Behauptung, der Kläger sei zur Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit als Kraftfahrer deshalb nicht mehr in der Lage, weil diese "mit dem Heben und Tragen von schweren Lasten verbunden" gewesen sei (Seite 3, 6 oben und 7 f der Revision); "in diesem Fall" sei die Frage des Berufsschutzes als Kraftfahrer zu prüfen (Seite 8 der Revision). Sie stellen daher den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (RIS-Justiz RS0040046; 10 ObS 184/02k mwN); kann der in der Rechtsrüge erhobene Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels (dass das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen habe [Kodek aaO Rz 4 zu § 496 ZPO]) doch nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema - wie hier - ohnehin Feststellungen getroffen wurden, diese den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers aber zuwiderlaufen (10 ObS 355/01f mwN). Trotz Benennung des Revisionsgrundes des § 503 Z 4 ZPO enthält die Revision somit keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge, weil ihr ein feststellungsfremder Sachverhalt zugrundeliegt (Kodek aaO Rz 5 zu § 503 ZPO und Rz 2 zu § 506 ZPO). Kann nämlich der Versicherte die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten noch verrichten, dann stellt sich nach stRsp (SSV-NF 3/2) die Frage der Verweisung auf andere Tätigkeiten gar nicht (10 ObS 22/99d; RIS-Justiz RS0110071 [T1]), sodass auch der in der Revision erörterte Berufsschutz nicht geprüft werden muss (zuletzt: 10 ObS 164/02v).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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