OGH 10ObS137/02y

OGH10ObS137/02y27.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Mag. Dr. Thomas Keppert (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred R*****, Geschäftsführer, *****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 2002, GZ 7 Rs 289/01a-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Oktober 2001, GZ 32 Cgs 289/01s-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist geschäftsführender (Allein-)Gesellschafter der Manfred R***** Event-, PR- & Werbe GesmbH (im Folgenden kurz "R***** GmbH"), ein auf den Event- und Marketingbereich spezialisiertes Unternehmen mit Gewerbeberechtigungen als Public Relations-Berater und als Werbeagentur. Hinsichtlich dieser Tätigkeit ist der Kläger - wie sich aus dem Anstaltsakt ergibt - in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG, in der Unfallversicherung nach dem ASVG teilversichert.

Die R***** GmbH wurde von der Bundesliga mit der Vermarktung des m*****-Hallencups beauftragt. Darin ist auch eine Kundin der R*****GmbH, die B*****-Union mit der Marke P***** involviert. Im März 2001 wurde der Kläger als Vertreter der R***** GmbH zu einem von der Brauerei P***** am 20. 4. 2001 veranstalteten "Medienturnier" (Hallenfußballturnier) mit der Bezeichnung "P***** Champions-Hallencup" in der Posthalle in G***** eingeladen, wobei er im "G*****-Team" spielen sollte. Insgesamt nahmen zehn Mannschaften an dem Turnier teil, das in Form von Gruppenspielen und einem Finalspiel abgewickelt wurde. Die siegreiche Mannschaft erhält kleine Sachpreise, etwa im Jahr 2000 Polos mit dem Logo der Brauerei P*****. Eine vertragliche Verpflichtung der R***** GmbH oder des Klägers zur Teilnahme an dem Turnier bestand nicht. Es stellte vielmehr eine Ehre dar, an dem Turnier teilnehmen zu dürfen; die R***** GmbH war die einzige Agentur in der Steiermark, die bei dem Turnier vertreten war. Das Turnier bietet eine Plattform, um mit Chefredakteuren des ORF und von anderen Unternehmen in Kontakt zu treten. Für den Kläger persönlich stand nicht das Fußballspiel im Vordergrund, sondern die Kontaktpflege mit den anderen anwesenden Personen. Der Kläger nahm an dem Turnier mit der Intention teil, hiebei seiner Erwerbstätigkeit nachzukommen. Während der einzelnen Spiele war das Buffet exklusiv den teilnehmenden Spielern vorbehalten; man ist dort zusammen gesessen bzw gestanden und hat sich unterhalten.

Hätte der Kläger nach Erhalt der Einladung dem Veranstalter mitgeteilt, dass er aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, am Fußballturnier selbst aktiv teilzunehmen, wäre er nicht mehr ausgeladen worden. Etwa 90 % der Teilnehmer an der Veranstaltung waren auch aktive Teilnehmer am Fußballturnier selbst. Diejenigen anwesenden Personen, die nicht aktiv am Fußballturnier teilnahmen, waren eher Begleitpersonen wie Ehefrauen etc. Auch dem Kläger wäre es möglich gewesen, zu der Veranstaltung eine Begleitperson mitzunehmen. Der Kläger hat für die Veranstaltung zwei Gesprächstermine vereinbart gehabt, die zwar konkret beim Turnier noch zu keinem Geschäftsabschluss führten; als Folge davon gelang es der R***** GmbH jedoch, einen Medienpartnerschaftsvertrag mit der K*****-Zeitung betreffend den G***** Firmenlauf sowie einen neuen Vertrag mit der Brauerei P***** hinsichtlich des m*****-Hallencups abzuschließen. Die R***** GmbH ist auch für die Veranstaltung und Ausrichtung des Business Tenniscup verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine mit dem Medienturnier vergleichbare Veranstaltung, bei der anstelle von Fußball Tennis das Mittel zum Zweck ist.

Im Zuge der Teilnahme an einem Gruppenspiel des Medienturniers sprang der Kläger nach einem Kopfball unglücklich mit dem rechten Bein auf, wodurch sich das Knie verdreht hat und er sich Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks zuzog.

Mit Bescheid vom 14. 8. 2001 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass der Unfall vom 20. 4. 2001 nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird und dass ein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG nicht besteht. Der Unfall sei nicht im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung als geschäftsführender Gesellschafter der R***** GmbH gestanden; der Unfall habe sich bei einem nicht unter Versicherungsschutz stehenden sportlichen Wettkampf ereignet. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung einer Versehrtenrente ab dem Stichtag, in eventu auf Feststellung des Unfalls vom 20. 4. 2001 als Arbeitsunfall gerichtete Klagebegehren ab. Die Frage, ob die Verletzung, die sich der Kläger beim Fußballspielen im Rahmen eines Medienturniers zugezogen habe, im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung gestanden sei, beurteile sich nach subjektiven und objektiven Kriterien. Im gegenständlichen Fall könne zwar die subjektive Seite - nämlich dass der Kläger an dem Turnier mit der Intention teilgenommen habe, seiner Erwerbstätigkeit nachzukommen - gegeben sein. Dagegen könne die Teilnahme an dem Fußballturnier objektiv, von der Warte eines Außenstehenden her betrachtet, nicht als Ausübung oder Ausfluss der Erwerbstätigkeit angesehen werden. Bei einem Fußballspiel handle es sich um eine Sportart mit Wettkampfcharakter, die schon aufgrund dieses Umstands prinzipiell nicht unfallversicherungsgeschützt sei. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil unter Zulassung des Rekurses auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass als Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit alle jene Tätigkeiten anzusehen seien, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienten. Die nähere Ausgestaltung seiner Erwerbstätigkeit müsse dem Selbständigen selbst überlassen bleiben. Daher sei nicht zu überprüfen, ob die Ausübungshandlung für die jeweilige Erwerbstätigkeit notwendig gewesen sei. Für den vorliegenden Fall sei zunächst davon auszugehen, dass Fußballspielen in der Freizeit regelmäßig aus persönlichen Gründen erfolge, den privaten unversicherten Interessen diene und zu den sogenannten eigenwirtschaftlichen Handlungen gehöre, die grundsätzlich nicht von der Unfallversicherung geschützt seien.

Das betriebliche Interesse des Klägers als Geschäftsführers einer Werbeagentur, die sich auf den Event- und Marketingbereich spezialisiert habe und zum Beispiel den max-Hallencup vermarktet und den Business-Tenniscup ausgerichtet habe, habe in der Wahrnehmung zweier Termine mit Kunden anlässlich dieses Turniers sowie in der Kontaktnahme und -pflege mit anderen Medienvertretern und Kunden bestanden. Wenn auch das eigentliche Fußballspiel nicht der konkreten Geschäftsanbahnung gedient habe, habe eine Verbindung zwischen dem Unternehmensgegenstand (Ausrichtung von [Fußball]Events und Marketing) und Fußballsport bestanden, sodass die Teilnahme am Fußballturnier neben dem Wettkampf als solchem letztlich auch der Anbahnung weiterer Kontakte und Geschäfte gedient habe; es habe sich um eine den Geschäftsbeziehungen zumindest auch wesentlich dienende Tätigkeit gehandelt, die daher unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden sei.

Da die Frage, ob dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente gebühre, noch nicht beantwortet werden könne, sei das Ersturteil aufzuheben.

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zulässig, weil es prozessökonomisch erscheine, den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, die Rechtsansicht des Berufungsgerichts sofort durch den Obersten Gerichtshof überprüfen zu lassen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Urteil des Erstgerichts zu bestätigen.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 47 Abs 2 ASGG iVm § 46 Abs 3 Z 3 ASGG); er ist aber nicht berechtigt.

Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend.

Im Rekurs wird von der beklagten Partei der Standpunkt vertreten, dass zwischen der von der Gewerbeberechtigung umfassten und in diesem Umfang geschützten Vermarktung von Sport- und Fußballveranstaltungen einerseits und dem regelmäßig in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht geschützten Risiko der Verletzungsgefahr bei sportlichen Wettkämpfen zu unterscheiden sei. Auch das Fußballturnier mit Finalspiel und Sachpreisen sei vom Wettkampf geprägt gewesen. Unter den gegebenen Umständen könne die Anwesenheit bei dem Fußballturnier betrieblichen Interessen gedient haben und insoweit Versicherungsschutz bei den vom Kläger vereinbarten geschäftlichen Gesprächsterminen bestanden haben; dies gelte jedoch nicht für die aktive Teilnahme des Klägers am Fußballturnier selbst.

Dazu hat der Senat erwogen:

Die unfallverursachende aktive Teilnahme des Klägers an einem Fußballturnier gehört zwar nicht zum Kern der versicherten Tätigkeit, steht aber doch in einem inneren Zusammenhang damit. Die Frage, ob es sich bei der sportlichen Betätigung des Klägers um eine Tätigkeit handelte, die in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung als geschäftsführender Gesellschafter eines Event-, PR- und Werbeunternehmens stand, beurteilt sich nach der ständigen

höchstgerichtlichen Judikatur (10 ObS 281/98s = SZ 71/144 = SSV-NF

12/115; 10 ObS 253/98y = SSV-NF 12/138 = DRdA 1999/30, Schrammel =

ZAS 1999/17, Jöst; zuletzt 10 ObS 109/02f) nach subjektiven und objektiven Kriterien. Die betreffende Handlung muss vom Versicherten mit der Intention gesetzt werden, seiner - versicherungspflichtigen - Erwerbstätigkeit nachzukommen (subjektive Seite). Die Handlung muss darüber hinaus auch objektiv, das heißt von der Warte eines Außenstehenden, als Ausübung oder als Ausfluss dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können.

Dabei geht es bei unselbständig Erwerbstätigen in erster Linie um Handlungsweisen, die in Erfüllung des Arbeitsvertrages verrichtet werden und die der Arbeitgeber auf Grund seiner Weisungsbefugnis anordnen kann. Dazu gehören aber auch solche Handlungsweisen, zu denen kein Weisungsrecht besteht, die der Versicherte aber auf Grund seiner persönlichen Abhängigkeit nicht ablehnen kann (SSV-NF 13/92, 7/39 mwN ua; RIS-Justiz RS0084668).

Bei Selbständigen - dieser Gruppe ist der Kläger zuzuzählen - richtet sich die Frage, was zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehört, in erster Linie nach berufsrechtlichen Bestimmungen. Daneben bleibt noch ein weiter Bereich von Tätigkeiten, die auf dem freien Willensentschluss des Selbständigen beruhen. Als Ausübung der Erwerbstätigkeit sind hier alle jene Tätigkeiten anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen. Die nähere Ausgestaltung seiner Erwerbstätigkeit muss dem Selbständigen selbst überlassen bleiben (Tomandl in Tomandl, SV-System, 13. ErgLfg, 280 [Punkt 2.3.2.3.1.2.]). Entscheidend ist daher (auch bei Selbständigen) allein, ob sich das Verhalten als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (10

ObS 224/89 = SSV-NF 3/90 [Betriebsfußballmeisterschaft], 10 ObS

2086/96 = SSV-NF 10/49 [Freundschaftsspiel zweier

Firmenmannschaften], 10 ObS 281/98s = SSV-NF 12/115 = SZ 71/144

[Fußballspiel Politiker gegen Journalisten]), ist die aktive Teilnahme an einem Fußballspiel, insbesondere an einem Fußballturnier im Allgemeinen vom gesetzlichen Versicherungsschutz ausgenommen. Andererseits wurde eine sportliche Betätigung mit Wettkampfcharakter als unter Unfallversicherungsschutz stehend angesehen, wenn betriebliche Interessen der Teilnahme im Vordergrund stehen und die sportliche Betätigung die eigene wirtschaftliche Existenz des Versicherten entscheidend zu fördern geeignet ist (10 ObS 203/97v = SSV-NF 11/134 [Mountainbike-Staatsmeisterschaft]; ähnlich 10 ObS 260/93 = SSV-NF 8/8 [Teilnahme an einer Schimeisterschaft durch einen Angehörigen des alpinen Kaders der Zollwache] und 10 ObS 301/92 = SSV-NF 6/151 [Einberufung in Fußball-Nationalmannschaft]). Im konkreten Fall bildete das als "Medienturnier" bezeichnete Fußballturnier nach den Feststellungen eine Plattform für Medienkontakte. Der Kläger wurde dazu als Vertreter eines auf den (Sport)Event- und Marketingbereich spezialisierten Unternehmens eingeladen. Vorwiegend haben daran Personen teilgenommen, die der Zielgruppe der unternehmerischen Tätigkeit der R***** GmbH zuzurechnen sind. Der Kläger hat für die Veranstaltung zwei entsprechende Gesprächstermine vereinbart gehabt. Er nahm an dem Turnier in der Intention teil, damit seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Mit der letztgenannten Feststellung ist das subjektive Kriterium für den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang der sportlichen Betätigung mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung erfüllt. Im Hinblick auf die enge Verbindung zwischen dem Unternehmensgegenstand der R***** GmbH und dem Zweck der Veranstaltung ("Plattform, um mit Chefredakteuren des ORF bzw auch anderen Medien in Kontakt zu treten") kann aber die "akzessorische" sportliche Betätigung im Rahmen der Veranstaltung auch objektiv, also aus der Sicht eines Außenstehenden, als Ausübung oder als Ausfluss dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden. Selbst wenn es an sich möglich gewesen wäre, an der Veranstaltung lediglich "passiv" teilzunehmen, impliziert der Zweck der Veranstaltung die aktive Teilnahme am Fußballturnier selbst, da dies der angestrebten Kontaktaufnahme mit den ebenfalls aktiv am Turnier teilnehmenden Personen aus dem Medienbereich förderlich ist. Die Teilnahme am Spiel dient neben dem sportlichen Wettkampf auch der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre für spätere geschäftliche Unterredungen und Anbahnungen. Aufgrund dieser Umstände konnte sich der Kläger der aktiven Teilnahme am Fußballspiel selbst kaum entziehen. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht den örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang zwischen der sportlichen Betätigung des Klägers und der die Versicherung begründenden Beschäftigung als geschäftsführender Gesellschafter eines Event-, PR- und Werbeunternehmens bejaht. Dem Auftrag des Berufungsgerichts, Feststellungen zur unfallsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers zu treffen, kann daher nicht entgegengetreten werden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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