OGH 10ObS253/98y

OGH10ObS253/98y20.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Bayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Wolfgang R*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen, Linke Wienzeile 48-52, 1061 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung eines Arbeitsunfalles, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 1998, GZ 7 Rs 263/97v-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. August 1997, GZ 32 Cgs 77/97f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die vom Kläger am 15. 6. 1996 erlittene Gesundheitsstörung (Verletzung des linken Sprunggelenkes) Folge eines Arbeitsunfalles sei, abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens sämtlicher Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1. 11. 1995 bei der H***** K***** Seilbahn- und Lift GesmbH & Co KG als Prokurist tätig. Seine Arbeitgeberin, die im Sommer sieben bzw im Winter sechzig Personen beschäftigt, ist zusammen mit anderen Liftbetreibergesellschaften der D*****region Mitglied der ARGE D***** (im folgenden kurz ARGE genannt). Zu den Aufgaben dieser ARGE gehören unter anderem die gemeinsame Werbung sowie die Prospekt- und Preisgestaltung.

Die K***** Zeitung veranstaltete im Jahr 1996 (wie auch schon im Jahr davor) in G***** den sogenannten Business Tennis Cup, ein sich über vier Samstage erstreckendes Tennisturnier, an dem ausschließlich aus Führungskräften, aber auch aus Freiberuflern wie Rechtsanwälten und Steuerberatern gebildete Betriebsmannschaften aus allen wirtschaftlichen Bereichen des Landes S***** teilnehmen konnten. Durch dieses Turnier, das auch auf mediales Interesse stößt, sollen Personen aus dem Geschäftsleben zusammengebracht werden. Im Jahr 1996 nahmen dreißig Mannschaften teil, die jeweils aus zumindest drei Personen gebildet wurden. Am ersten Turniertag wurden die Mannschaften im Rahmen einer Veranstaltung im Casino G***** gegeneinander ausgelost, wobei letztlich jeder gegen jeden spielen sollte (zwei Einzel und ein Doppel) der vierte Turniertag endete schließlich mit einer Siegerehrung, die wieder im Casino G***** stattfand.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag des Klägers findet sich keine Verpflichtung, an derartigen Sportveranstaltungen teilzunehmen. Die Teilnahme des Klägers entspricht jedoch der "Unternehmensphilosophie" seiner Arbeitgeberin, die von ihren Arbeitnehmern verlangt, auch an den Wochenenden für Werbe- und Sportveranstaltungen zur Verfügung zu stehen. Die Sportlichkeit des Klägers war auch ein Kriterium für die Begründung des Arbeitsverhältnisses. Im konkreten Fall erhielt der Kläger vom Geschäftsführer den Auftrag, am Business Tennis Cup teilzunehmen. Seiner Arbeitgeberin ging es dabei primär um Werbung und Imagepflege sowie die Initierung weiterer Werbeveranstaltungen und Geschäftsanbahnungen. Auch die anderen Liftbetreibergesellschaften entsandten jeweils einen Teilnehmer. Das Nenngeld von S 12.000,-- pro Mannschaft wurde von der ARGE aus einem von den Mitgliedern dotierten Marketingtopf bezahlt. Es umfaßte neben der Teilnahme am sportlichen Bewerb auch die Beteiligung am Buffet, verschiedenen Rahmenveranstaltungen und Siegerehrung. Die ARGE legte bei der Veranstaltung diverse Prospekte auf und brachte auch ein Transparent an, das alle Liftbetreibergesellschaften namentlich nannte.

Der Kläger reiste zum Turnier mit seinem Privat-PKW an, wobei ihm die Fahrtkosten ersetzt wurden. Sonstige Vergütungen erhielt er nicht, insbesondere auch keinen Zeitausgleich oder Sonderurlaub. Der Kläger konnte schon am ersten Turniertag viele geschäftliche Kontakte knüpfen, wofür sonst gesonderte Reisen erforderlich gewesen wären. Beim Business Tennis Cup im Jahr davor konnten sogar zwei Unternehmen gewonnen werden, ihre Firmenschitage in das Schigebiet der Arbeitgeberin des Klägers zu verlegen.

Am 15. 6. 1996, dem zweiten Turniertag, zog sich der Kläger während eines Tennisspiels eine Verletzung am linken Sprunggelenk zu und befand sich anschließend bis 24. 6. 1996 im Krankenstand.

Am 25. 10. 1996 wurde (wie auch schon im Vorjahr) von der K***** Zeitung ganzseitig über das Tennisturnier berichtet. Das Team der ARGE bzw der Kläger wurden in Wort und Bild erwähnt.

Mit Bescheid vom 2. 4. 1997 sprach die Beklagte aus, daß der Vorfall vom 15. 6. 1996 gemäß § 175 ASVG nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und Leistungen gemäß § 173 ASVG nicht gewährt werden. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger zuletzt nach Einschränkung die Feststellung, daß es sich beim Ereignis vom 15. 6. 1996 um einen Arbeitsunfall handle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, und sprach aus, daß die vom Kläger am 15. 6. 1996 erlittene Gesundheitsstörung (Verletzung des linken Sprunggelenks) Folge eines Arbeitsunfalls sei. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Kläger bei einer Arbeitgeberin beschäftigt sei, deren Unternehmenszweck sportlichen Interessen diene. Eine Teilnahmeverpflichtung des Klägers ergebe sich zwar nicht aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag, wohl aber aus dem Unternehmensgegenstand und der Unternehmensphilosophie. Bei der Veranstaltung sei das betriebliche Interesse eindeutig im Vordergrund, der Wettkampfcharakter hingegen im Hintergrund gestanden. Es liege daher ein Arbeitsunfall vor.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Entscheidend sei, daß die vom Kläger über Weisung seiner Arbeitgeberin vorgenommene, wenn auch betriebsfremde Tätigkeit, fremdwirtschaftlichen Interessen und nicht überwiegend dem Eigeninteresse des Klägers gedient habe. Wenn auch die Arbeitgeberin des Klägers mit Tennis "relativ wenig" zu tun habe, dürfe nicht übersehen werden, daß "sich Sportler zumeist nicht auf eine Sportart beschränken, sondern in mehreren Sparten sportlich tätig" seien. Die Teilnahme des Klägers am Business Tennis Cup sei, auch wenn sie nicht auf dem schriftlichen Arbeitsvertrag beruht habe, als Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zu sehen. Betriebliche Interessen seien bei der Teilnahme im Vordergrund gestanden. Eine bloße Teilnahme an der Veranstaltung, ohne selbst Tennis zu spielen, wäre wenig effizient gewesen, hätte den Kläger in eine Außenseiterrolle gedrängt und gerade die Verbundenheit, die durch ein gemeinsames Tennismatch gefördert werde, verhindert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig (SSV-NF 2/143, 4/112); sie auch berechtigt.

Entscheidende Frage ist, ob es sich bei der unfallverursachenden, in der Freizeit erfolgten Teilnahme des Klägers an dem von einer Tageszeitung veranstalteten Tennisturnier im Rahmen einer von Arbeitnehmern mehrer Liftbetreibergesellschaften gebildeten Tennismannschaft um eine Tätigkeit handelte, die im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stand (§ 175 Abs 1 ASVG). Dies beurteilt sich - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (SSV-NF 4/20, 7/59, 8/8; ebenso auch Schrammel, Entscheidungsbesprechung in DRdA 1992, 352) und wovon auch die Vorinstanzen zutreffend ausgingen - nach subjektiven und objektiven Kriterien: Die betreffende Handlung muß vom Versicherten mit der Intention gesetzt werden, seiner - versicherungspflichtigen - Erwerbstätigkeit nachzukommen (subjektive Seite); die Handlung muß aber darüber hinaus auch objektiv, daß heißt von der Warte eines Außenstehenden, als Ausübung oder als Ausfluß dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können. Hiebei sind auch die Kriterien der Üblichkeit gewisser Verhaltensweisen sowie die tatsächlich oder gutgläubig angenommene Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber oder den Kollegen zu berücksichtigen (SSV-NF 7/59). Daß hiebei auch sportliche Aktivitäten unter Umständen durchaus im betrieblichen (Arbeitgeber-)Interesse liegen können, wurde vom Obersten Gerichtshof ebenfalls schon mehrfach anerkannt, und zwar vor allem unter dem Gesichtspunkt eines Ausgleiches der Arbeitnehmer für ihre (oftmals) einseitige körperliche, geistige oder nervliche Belastung (SSV-NF 3/90, 8/8).

In 10 ObS 281/98s hatte der Senat erstmals den Unfall eines Politikers im Rahmen eines Benefiz-Fußballspiels zu beurteilen, das (laut dortigem Kläger) der Förderung des Fremdenverkehrs und der Wirtschaft diente. Das Vorliegen eines Dienstunfalls wurde letztlich verneint.

Für den vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, daß Tennis spielen in der Freizeit regelmäßig aus persönlichen Gründen erfolgt, den privaten unversicherten Interessen dient und zu den sogenannten eigenwirtschaftlichen Handlungen gehört, die grundsätzlich nicht von der Unfallversicherung geschützt werden (vgl SSV-NF 7/79). Das betriebliche Interesse der Arbeitgeberin des Klägers bestand hier darin, die Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit zur Teilnahme an der Werbung und Imagepflege des Unternehmens dienenden Veranstaltungen anzuhalten. Für Verrichtungen, die sowohl in privatem wie auch in betrieblichem Interesse liegen - sogenannte gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz dann, wenn die Verrichtung dazu im Einzelfall bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen (SSV-NF 7/79). Richtig weist die Revisionswerberin dabei aber darauf hin, daß die Grenze zwischen betrieblichem und privatem Interesse an der sportlichen Betätigung dort zu ziehen ist, wo die Veranstaltung Wettkampfcharakter annimmt und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt ist (SSV-NF 3/90, 7/128, 9/45 ua).

Der Senat hat schon mehrfach (SSV-NF 3/90, 10/49) ausgesprochen, daß es sich beispielsweise bei der Teilnahme von Betriebsangehörigen oder Arbeitnehmern an einem Fußballspiel um eine Sportart mit Wettkampfcharakter handelt, die schon aufgrund dieses Umstandes prinzipiell nicht unfallversicherungsgeschützt ist. Auch beim vorgenannten Benefiz-Fußballspiel in 10 ObS 281/98s, das nicht in Form einer Meisterschaft oder eines Turniers ausgetragen wurde, handelte es sich doch beim Antreten zweier Fußballmannschaften gegeneinander - wenn auch primär unter den Vorzeichen einer Benefizveranstaltung zur Förderung des Fremdenverkehrs und der Wirtschaft - naturgemäß um eine auf Zwei- und Ballkampf ausgerichtete Sportart. Derartige Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem solchen ihnen geradezu typischen und immanenten Wettkampfcharakter werden aber nach der Rechtsprechung - das Gesetz gibt hiezu selbst keine weitergehenden Vorgaben - grundsätzlich vom gesetzlichen Versicherungsschutz (zu Lasten der Versichertengemeinschaft) ausgenommen.

Die gleichen Erwägungen haben auch für Tennis-Cup-Bewerbe zu gelten, in deren Verlauf Betriebsmannschaften oder Einzelsportler mehrerer Betriebe um den Sieg kämpfen. Der gesamte im Detail festgestellte Modus samt abschließender Siegerehrung war auch hier maßgeblich vom Wettkampfcharakter geprägt. Daß der intensive Einsatz der Aktiven (im Regelfall) auch günstige Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat, ist eine erfreuliche Nebenerscheinung, nicht aber der eigentliche Zweck. Primär geht es bei einem Tennisturnier, gleichgültig welches Motiv dahinterstehen mag - sei es eigener sportlicher Ehrgeiz, sei es die moralische Verpflichtung dem Arbeitgeber und/oder den Arbeits- und Sportkollegen gegenüber, sich besonders einzusetzen und ähnliches weiter - darum, den Gegner zu schlagen, dem Niveau entsprechende Spitzenleistungen zu erreichen oder den gestifteten Pokal zu gewinnen. Mit Ausgleichssport hat dies nichts mehr zu tun (Petrovic in DRdA 1986, 438 [442]).

Das eigentliche Tennisspiel diente hier weder der konkreten Präsentation der Leistungen der Arbeitgeberin des Klägers noch einer konkreten Geschäftsanbahnung. Die unfallbringende Tätigkeit kann daher auch nicht mehr als Werbetätigkeit für den Betrieb angesehen werden (vgl 10 ObS 109/98x - Unfall bei einem Tandemflug mit einem Gleitschirm). Anders als im Fall der Entscheidung 10 ObS 203/97v (Unfall bei einem Mountainbike-Rennen - teilw. veröffentlicht in ARD 4911/3/98) war der Kläger zur Teilnahme am Tennisturnier arbeitsvertraglich nicht verpflichtet. Die Arbeitgeberin hatte es nicht in der Hand, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz durch Weisungen für die Freizeit des Arbeitnehmers auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten (vgl NZS 1995, 41). Im Gegensatz zur Entscheidung 10 ObS 203/97v besteht auch keine (das Berufungsgericht spricht von "relativ wenig") Verbindung zwischen dem Unternehmensgegenstand der Arbeitgeberin des Klägers, nämlich dem Betrieb von Seilbahnen und Liften, und dem Tennissport.

Es mag sein, daß die Teilnahme am Tennisturnier neben dem Wettkampf als solchen letztlich auch der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre für spätere geschäftliche Unterredungen und Anbahnungen diente; es handelte sich jedoch um keine den Geschäftsbeziehungen zu dienen bestimmte Tätigkeit (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, § 8-82).

Der Unfall war daher unter allen diesen rechtlichen Aspekten keiner, der sich (noch) in Ausübung der in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogenen Tätigkeit des Klägers infolge seiner Funktion als Prokurist einer Seilbahn- und Liftbetreibergesellschaft begreifen ließe (vgl demgegenüber die anders gelagerte Situation bei in Alpinengebieten Dienst verrichtenden Gendarmerie- und Zollwachebeamten, die an einem Schirennen teilnahmen: ARD 4505/11/93, SSV-NF 8/8).

Mag sich der Kläger subjektiv auch in seiner Freizeit "im Dienst" gewähnt haben, so kann jedoch bei objektiver Betrachtung im Hinblick auf den Wettkampfcharakter und die beabsichtigten, dem Niveau der Teilnehmer entsprechenden sportlichen Spitzenleistungen nicht mehr davon gesprochen werden, daß es sich beim Tennis Business Cup um einen Ausfluß der Erwerbstätigkeit des Klägers handelte. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Durchführung der betrieblichen Arbeit - nach dem Arbeitsvertrag - nicht mit der Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt. Daran vermag auch die "Unternehmensphilosophie" der Arbeitgeberin des Klägers, Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit und abseits vom Inhalt des Arbeitsvertrages für Unternehmenszwecke einzusetzen, nichts zu ändern (vgl NZS 1995, 41).

Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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