OGH 4Ob136/02g

OGH4Ob136/02g2.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer und Dr. Peter Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei "P*****"***** GesmbH, H*****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. April 2002, GZ 1 R 62/02x-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Streitteile geben Regionalzeitungen für Haushalte im Bundesland Salzburg heraus. Die Klägerin ist Medieninhaberin der in fünf Regionalzeitungen, darunter die "Tennengauer Nachrichten", erscheinenden "Salzburger Woche", die Beklagte Verlegerin und Medieninhaberin der in sieben Lokalausgaben erscheinenden "Salzburger Bezirksblätter", darunter das "Bezirksblatt Tennengau".

Die Beklagte vergleicht in einer ihrer Zeitungen und in einem Werbefolder die Reichweite von Zeitungen in Salzburg an Hand der Leser pro Nummer. In diesem Reichweitenvergleich ordnet sie ihren "Salzburger Bezirksblättern" 54 % zu, der "Salzburger Woche" der Klägerin 51 %. Als Quelle wird die "Regioprint 2001" genannt, eine vom Verband der Regionalmedien Österreichs in Auftrag gegebene Untersuchung. Die Klägerin ist nicht Mitglied dieses Verbands und damit auch nicht Auftraggeberin der Reichweitenuntersuchung; die Leserzahlen ihrer Zeitschrift werden dennoch in dieser Untersuchung miterhoben.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, die Leser pro Nummer (LpN) der "Salzburger Bezirksblätter" mit denen der "Salzburger Woche" zu vergleichen. Der beanstandete Reichweitenvergleich sei in zwei Punkten unzulässig und wettbewerbswidrig gem §§ 1, 2 UWG: Weil die Klägerin nicht Mitglied des Verbands der Regionalmedien Österreichs sei, würde in der Untersuchung "Regioprint 2001" die Leser pro Nummer der "Salzburger Woche" nicht veröffentlicht. Der von der Beklagten angestellte Leservergleich sei damit nicht überprüfbar. Auch kenne die Klägerin die angewendeten Erhebungsmethoden (wie etwa Fragestellung uä) nicht. Weil zwar die Zeitungen der Beklagten, nicht aber jene der Klägerin in der Stadt Salzburg erschienen, würden darüber hinaus verschiedene Verbreitungsgebiete miteinander verglichen, ohne dass dies aus dem Vergleich ersichtlich sei. Es werde der unrichtige Eindruck erweckt, die "Salzburger Bezirksblätter" besäßen mit ihren Regionalausgaben auch in den einzelnen Gauen von Salzburg eine Spitzenstellung.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Regioprint 2001 enthalte auf S 33 auch die LpN der "Salzburger Woche" (Beil./4). Zwar gäbe es keine eigene Regionalausgabe der "Salzburger Woche" für die Stadt Salzburg, doch könnten die Regionalzeitungen der "Salzburger Woche" auch in der Stadt Salzburg bezogen werden. Die beanstandete Aussage führe demnach insoweit nicht irre, weil darin hinreichend klargestellt sei, dass sich der Reichweitenvergleich auf das gesamte Bundesland Salzburg beziehe. Das Begehren sei zu weit gefasst.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Ankündigung sei nicht zur Irreführung geeignet, weil unschwer zu erkennen sei, dass sich der Leservergleich auf das gesamte Bundesland Salzburg (und nicht auf einzelne Teile davon) beziehe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Das Sicherungsbegehren orientiere sich nicht am konkreten Wettbewerbsverstoß. Es enthalte keinen Hinweis auf eine konkrete Verletzungshandlung. Ein Vergleich von Leserzahlen ganz allgemein sei nicht wettbewerbswidrig und könne daher nicht untersagt werden. Die abweisende Entscheidung sei daher im Ergebnis zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Zutreffend verweist die Klägerin auf die Rechtsprechung, wonach das Gericht gem § 405 ZPO, der auch im Provisorialverfahren zu beachten ist (ÖBl 1978, 146 - Milde Sorte; 4 Ob 235/99h; 4 Ob 3/00w; Kodek in Angst, EO § 378 Rz 18; Rechberger in Rechberger, ZPO² § 405 Rz 7 jeweils mwN), nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. "Antrag" im Sinne dieser Bestimmung meint aber nicht nur das Klagebegehren allein, es ist auch der Inhalt der Klage zu beachten (4 Ob 102/98y; 4 Ob 239/01b). Das Gericht darf deshalb - innerhalb der Grenzen der genannten Bestimmung - dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im wesentlichen mit seinem Begehren deckt (stRsp ua ÖBl 1973, 56 - Linzer Hochhaus; ÖBl 1981, 159 [Schönherr] - Gae-Wolf-Jacken; SZ 65/49 = MR 1992, 238 [Walter] - Servus Du; SZ 71/216; 4 Ob 239/01b; Kodek aaO § 389 Rz 2 mwN). Gegen § 405 ZPO wird demnach erst verstoßen, wenn ein "plus" oder "aliud" zugesprochen wird (Rechberger aaO Rz 1; 4 Ob 51/99z), nicht hingegen, wenn im Spruch nur verdeutlicht wird, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist (4 Ob 2242/96a).

Gemessen am gesamten Inhalt des Sicherungsantrags ist nun klar erkennbar, dass sich das Unterlassungsbegehren nicht auf einen Vergleich von Leserzahlen schlechthin, sondern allein auf einen Vergleich unter den beiden näher dargestellten Bedingungen (keine Veröffentlichung der LpN der Salzburger Woche in der angegebenen Quelle regioprint 2001; Eindruck des Vergleichs verschiedener Verbreitungsgebiete) bezieht. Insoweit ist das Sicherungsbegehren zu weit gefasst und wäre nur in seinem zu weiten allgemeinen Begehren jedenfalls abzuweisen, im übrigen aber im Lichte des gesamten Vorbringens auf seine Berechtigung hin zu überprüfen gewesen.

Das Rekursgericht hat den Sicherungsantrag aber im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil er - gemessen an seinem gesamten Vorbringen - nicht berechtigt ist:

Der erkennende Senat hat sich erst jüngst mit der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit Reichweitenvergleichen befasst (MR 2000, 184 - Weitester Leserkreis) und dabei ausgesprochen, dass ein Vergleich zu Werbezwecken nur dann den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs entspricht, wenn dem angesprochenen Publikum alle wesentlichen Umstände mitgeteilt werden, die es in die Lage versetzen, sich selbst ein Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistung gegenüber der verglichenen Leistung zu bilden. Das Gleiche muss auch für die Werbung mit Reichweitenangaben gelten. Ihre Aussagekraft hängt ganz entscheidend davon ab, wie, von wem und wann sie errechnet wurden. Der Werbende muss daher die von ihm angegebene Reichweite definieren, er muss die Quelle und den Erhebungszeitraum angeben. Der Werbende wird durch die Verpflichtung zur Angabe dieser Daten nicht unzumutbar belastet, weil ihm diese ohnehin bekannt sein werden oder er sich die Kenntnis jedenfalls leicht verschaffen kann und es keinen besonderen Aufwand bedeutet, seine Werbebotschaft um diese Angabe zu ergänzen.

Der beanstandete Reichweitenvergleich enthält eine Quellenangabe. Bescheinigt ist, dass im Rahmen der als Quelle angegebenen Umfrage auch die relevanten Leserzahlen der Zeitschrift der Klägerin miterhoben worden sind. Die Richtigkeit der ausgewiesenen Leserzahl stellt die Klägerin nicht in Abrede. Damit ist es für die Zulässigkeit des Werbevergleichs nicht weiter erheblich, ob die Umfrageergebnisse insoweit etwa nicht veröffentlicht worden sind (worauf die Klägerin bei der behaupteten Wettbewerbswidrigkeit abstellt), weil es interessierten Lesern des Werbevergleichs jedenfalls möglich ist, sich durch Beschaffung der Umfragedaten von deren Inhalt zu überzeugen.

Ob eine Angabe zur Irreführung geeignet ist, hängt davon ab, wie die angesprochenen Verkehrskreise diese Angabe verstehen. Eine Angabe ist irreführend im Sinn des § 2 UWG, wenn die Vorstellungen, welche die Umworbenen über ihre Bedeutung haben, mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang stehen (MR 1995, 66 - Graz aktiv; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ 523 mwN). Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darauf an, ob die Aussage nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit irrige Vorstellungen erwecken kann (Fitz/Gamerith Wettbewerbsrecht² 23; ÖBl 1983, 43 - A/B-Schichtleser; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,- mwN; MR 1996, 118 - Steirischer Medienjumbo).

Nach seinem Gesamteindruck bezieht sich der beanstandete Werbevergleich unzweideutig auf das Verbreitungsgebiet des gesamten Bundeslandes Salzburg (und nicht auf kleinere Regionen davon); die für die Zeitung der Beklagten danach behauptete Spitzenstellung betreffend ihre Leserzahl muss daher auch nur im gesamten Bundesland gegeben sein (was von der Klägerin nicht in Frage gestellt wird). Der Vorwurf, es würden unterschiedliche Verbreitungsgebiete miteinander verglichen, ist daher unbegründet. Auch unter diesem Aspekt ist der Sicherungsantrag demnach unberechtigt; er wurde von den Vorinstanzen deshalb im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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