OGH 4Ob102/98y

OGH4Ob102/98y5.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****verband *****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Georg S*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg und Dr. Milan Vavrousek, Rechtsanwälte in Sankt Johann im Pongau, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 550.000,--; Revisionsinteresse S 275.000,--), infolge außerordentlicher Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. Februar 1998, GZ 6 R 236/97m-33, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. August 1997, GZ 7 Cg 188/95y-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 44.130,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.146,80 USt und S 13.250,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Vereinszweck des Klägers ist es (ua), unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Dem Kläger gehören ausschließlich Unternehmer und eine Teilorganisation der Handelskammer als Mitglieder an.

Der Beklagte erzeugt Kondome und betreibt Kondom- und andere Warenautomaten. Kondome der Marke "E*****" bezieht der Beklagte von der Firma A***** aus Deutschland; diese Kondome werden in durchsichtige Kunststoffsäckchen verschweißt geliefert. In seinen Automaten verwendet der Beklagte ei- oder kugelförmige Kunststoffbehälter, auf denen die Anfangsbuchstaben seines Namens ("GS") aufgeprägt sind.

Am 26.1.1995, am 28.4.1995 und am 18.6.1995 befanden sich in einem in der Herrentoilette der Cafe-Konditorei S***** in S*****aufgestellten, mit einem den Namen und die Anschrift des Beklagten enthaltenden Aufkleber versehenen Automaten Kondome, welche in eine weißlich-durchsichtige Kunststoffhülle mit der Aufschrift "E*****" eingeschweißt waren, die ihrerseits wieder in einer eiförmigen Kunststoffverpackung enthalten waren. Der Automat wurde jedoch nicht vom Beklagten, sondern von Josef V***** betrieben, dem der Beklagte den Automaten verkauft hatte.

Der Beklagte verwendet für den Vertrieb von Kondomen der Marke "E*****" eine Konsumentenpackung in Form einer viereckigen Schachtel, in die das versiegelte Kondom ausgebreitet und nicht geknickt eingelegt ist. In der Packung befindet sich eine Gebrauchsanweisung, in welcher darauf hingewiesen wird, daß Chargennummer und Ablaufdatum auf der Einzelpackung angegeben sind.

Der Beklagte betreibt (ua) einen Warenautomaten im Bräustübl K*****. Das Gerät hat zwei Warenspender, einen davon ausschließlich für Kondome, den anderen mit der Aufschrift "Sex Gags" für verschiedene Kleinwaren. Die in eine Klarsichthülle eingeschweißten Kleinwaren sind in kugelförmige Behälter aus hartem Kunststoff verpackt, von denen eine Hälfte durchsichtig, die andere Hälfte farbig ist. Unter den Kleinwaren sind in Klarsichtfolie eingeschweißte Kondome, die auf einem Beipackzettel als "Peter Meter - The rubber with a ruler" bezeichnet sind. Sonstige Angaben, wie Chargennummer oder Ablaufdatum, sind nicht enthalten. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß es sich bei den Kondomen um Kondome der Marke "E*****" handelte.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ab sofort zu unterlassen, Kondome unter der Bezeichnung "E*****" anzubieten und in Verkehr zu bringen, die den Bestimmungen der Kondomprüfungsverordnung vom 9.10.1990, BGBl 1990/630, nicht entsprechen, insbesondere deren Verpackung nicht gemäß § 11 Z 8 leg cit in das Kondomregister eingetragen ist, nicht gemäß § 12 Z 8 und 9 leg cit durch ein Gutachten bzw. toxikologisches Gutachten geprüft und registriert sind, deren Verpackung den §§ 4 bis 6 leg cit nicht entspricht, insbesondere die entgegen dieser Bestimmung in einer eiförmigen teilbaren und übereinanderschiebbaren Plastikverpackung u-förmig zusammengefaltet verpackt sind, wodurch Beschädigungen des Kondoms durch Knicken und Biegen sowie durch Verletzung der übereinander zu schiebenden Verpackungshälften zu befürchten sind; weiters in Konsumentenpackungen, die den Bestimmungen der §§ 8 und 9 leg cit zuwiderhandeln, insbesondere bei welchen der Name oder die Firma sowie Anschrift des Herstellers der Kondomtype, die Markenbezeichnung und Registrierungsnummer der Kondomtype, die Chargennummer und das Ablaufdatum nicht angeführt sind und denen keine Gebrauchsanweisung beiliegt. Der Kläger begehrte weiters, ihn zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen. Der Vertrieb von Kondomen, die der Kondomprüfungsverordnung nicht entsprechen, sei wettbewerbswidrig. Der Beklagte betreibe nicht nur in der Cafe-Konditorei S*****, sondern (ua) auch im Bräustübl K***** einen Kondomautomaten. Die Kondome seien in nicht lichtgeschützten durchsichtigen Einzelverpackungen enthalten, denen kein Beipackzettel beigefügt sei und bei denen die Gefahr bestehe, daß sie durch ihre scharfen Kanten die Kondome beschädigten.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert; der Beklagte sei nur Hersteller des in der Cafe-Konditorei S***** aufgestellten Automaten, er betreibe ihn aber nicht. Er habe seine Kondome 1994 ordnungsgemäß registrieren lassen; kugel- oder eiförmige Kunststoffverpackungen verwende er nicht mehr. Die aus dem Bräustübl K***** stammenden Kondome seien einem Scherzartikelautomaten entnommen worden; daß es sich um Scherzartikel handle, sei für jedermann klar erkennbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe zwar bewiesen, daß die in der Cafe-Konditorei S***** vertriebenen Kondome der Kondomprüfungsverordnung nicht entsprechen; der Beklagte sei jedoch nicht Betreiber dieses Automaten. Bei den vom Beklagten im Bräustübl K***** als "Sex Gags" vertriebenen Artikeln sei aufgrund ihrer Form nicht auszuschließen, daß sie als Kondome verwendet werden. Ihr Vertrieb verstoße gegen die Kondomprüfungsverordnung, weil sie die für Scherzkondome vorgeschriebenen Angaben nicht aufwiesen. Der Beklagte habe demnach gegen § 1 UWG verstoßen; den Wettbewerbsverstoß durch den Vertrieb dieser Kondome erfasse das Begehren jedoch nicht, weil es auf den Vertrieb von Kondomen unter der Bezeichnung "E*****" abgestellt sei.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Beklagten verbot, Kondome zu verkaufen oder sonst zu überlassen, deren Verpackung nicht den §§ 4 bis 6 der Kondomprüfungsverordnung vom 9.10.1990, BGBl 1990/630 idF BGBl 1996/130 entspricht, insbesondere zusammengefaltet in einer eiförmigen teilbaren und übereinander schiebbaren Plastikverpackung, wodurch Beschädigungen des Kondoms durch Knicken und Biegen sowie durch Verletzung durch die übereinander zu schiebenden Verpackungshälften zu befürchten sind; weiters in Konsumentenpackungen, die den Bestimmungen der §§ 8 und 9 der Kondomprüfungsverordnung nicht entsprechen, insbesondere bei welchen Name oder Firma sowie Anschrift des Herstellers der Kondomtype, die Markenbezeichnung und Registrierungsnummer der Kondomtype, die Chargennummer und das Ablaufdatum nicht angeführt sind und denen keine Gebrauchsanweisung beiliegt. Das Berufungsgericht wies das Mehrbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Bezeichnung "E*****" sei im Urteilsbegehren nur illustrativ angeführt; werde sie weggelassen, so werde dem Kläger dadurch nicht etwas anderes zugesprochen, als er begehrt habe. Nach dem festgestellten Sachverhalt habe der Beklagte jedenfalls in seinem Automaten im Bräustübl K***** Kondome verkauft, deren Verpackung und Kennzeichnung der Kondomprüfungsverordnung nicht entsprochen habe. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Unterlassungstitel, der jeden möglichen Verstoß gegen die Kondomprüfungsverordnung erfasse. Das Unterlassungsbegehren könne nur in jenen Punkten erfolgreich sein, in denen der Kläger einen Verstoß gegen die Kondomprüfungsverordnung nachgewiesen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung zu § 405 ZPO widerspricht; die Revision ist auch berechtigt.

Der Beklagte ist der Auffassung, daß das Urteilsbegehren allein auf den Vertrieb von Kondomen unter der Bezeichnung "E*****" abgestellt sei; sein Weglassen sei keine zulässige bloße Klarstellung. Mit dem nicht auf Kondome unter der Bezeichnung "E*****" beschränkten Unterlassungsgebot habe das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen. Nach den Feststellungen vertreibe der Beklagte die Kleinwaren als "Sex Gags" in kugelförmigen Behältern; ihm könne nicht der Vertrieb in eiförmigen Verpackungen verboten werden.

Den Ausführungen des Beklagten ist zuzustimmen:

Gemäß § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. "Antrag" im Sinne dieser Bestimmung meint nicht nur das Klagebegehren allein, es ist auch der Inhalt der Klage zu beachten. Das Gericht darf dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im wesentlichen mit seinem Begehren deckt (stRsp ua ÖBl 1973, 56 - Linzer Hochhaus; ÖBl 1981, 159 [Schönherr] - Gae-Wolf-Jacken; SZ 65/49 = MR 1992, 238 [Michel M. Walter] - Servus Du; RIS-Justiz RS0039357; Rechberger in Rechberger, ZPO § 405 Rz 2 mwN).

Der Kläger begehrt, dem Beklagten zu verbieten, Kondome unter der

Bezeichnung "E*****" anzubieten und in Verkehr zu bringen, die den

Bestimmungen der Kondomprüfungsverordnung BGBl 1990/630 nicht

entsprechen, insbesondere ... die ... in einer eiförmigen teilbaren

... Plastikverpackung ... verpackt sind. Gegenstand der Klage ist

demnach der Vertrieb bestimmt bezeichneter Kondome durch den Beklagten, die in verschiedenen Punkten der Kondomprüfungsverordnung BGBl 1990/630 widersprechen. Der Kläger hat nicht bewiesen, daß der Beklagte die beanstandeten Kondome unter der Bezeichnung "E*****" vertreibt und daß die vom Beklagten vertriebenen Kondome in einer eiförmigen Verpackung enthalten sind. Damit ist es dem Kläger nicht gelungen, jenen Sachverhalt zu beweisen, den das Begehren umschreibt; mit der Stattgebung der Klage würde dem Beklagten ein Verhalten verboten, von dem gar nicht feststeht, daß er es begangen hat.

Das Berufungsgericht hat dem Spruch daher eine vom Begehren abweichende Fassung gegeben, es hat damit aber die Grenzen überschritten, die § 405 ZPO zieht. Seine Neufassung weicht in wesentlichen Punkten vom Begehren ab; dem Beklagten wird mit dem allgemein gehaltenen Verbot, Kondome zu vertreiben, die der Kondomprüfungsverordnung BGBl 1960/630 widersprechen, mehr verboten, als der Kläger mit seinem Begehren, dem Beklagten den Vertrieb bestimmt bezeichneter und auf eine bestimmte Weise verpackter Kondome zu verbieten, verlangt hat. Damit hat das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen.

Der Kläger hält dem - wie auch schon in der Berufung - entgegen, daß das Erstgericht seine Anleitungspflicht verletzt habe, weil es den Kläger nicht angehalten hat, sein Begehren den Beweisergebnissen anzupassen. Die Anleitungspflicht des Gerichtes ist jedoch durch den geltend gemachten Anspruch begrenzt; keine Anleitungspflicht besteht, soweit der Kläger angehalten werden müßte, sein Begehren zu ändern. Der Grundsatz, daß das Gericht die Parteien nicht mit seiner Rechtsansicht überraschen darf, erweitert die Anleitungspflicht nicht (ÖJZ-LSK 1998/61). Das Erstgericht war daher nicht verpflichtet, den Kläger darauf hinzuweisen, daß er mit seinem Anspruch nur durchdringen könne, wenn er das Klagebegehren ändere.

Demnach ist das Klagebegehren zur Gänze unbegründet. Da die Revision des Beklagten schon aus diesem Grund erfolgreich ist, braucht auf die von ihm behauptete Mangelhaftigkeit durch Unterlassung seiner ergänzenden Vernehmung nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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