OGH 9Ob77/02t

OGH9Ob77/02t17.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ.Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sparkasse *****, vertreten durch Gruböck & Gruböck Rechtsanwälte OEG in Baden, gegen die beklagten Parteien 1.) Gerhard W*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Helmut Steiner ua, Rechtsanwälte in Baden, 2.) Ing. Kurt H*****, Baumeister, *****, vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 37.643,95 sA (vormals ATS 517.992,10 sA) und Feststellung (Streitwert EUR 7.267,28; Gesamtstreitwert EUR 44.911,23), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2001, GZ 13 R 212/01t-38, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Parteien auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortungen wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit Teilurteil bestätigte das Berufungsgericht infolge Berufung der Klägerin

I.) die Abweisung des Klagebegehrens gegen den Erstbeklagten (1. Zahlung ATS 517.992,10 sA, 2. Feststellung) und den Zweitbeklagten (1. Zahlung ATS 253.317,40 sA, 2. Feststellung), sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Feststellungsbegehrens ATS 52.000, nicht aber ATS 260.000 übersteige, und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, und II.) hob im Übrigen das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des Zahlungsbegehrens gegen den Zweitbeklagten über weitere ATS 264.674,70 sA auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Ausspruch über den Wert des Feststellungsbegehrens beruhe auf § 500 ZPO; die ordentliche Revision (gegen I.) sei nicht zuzulassen gewesen, da keine Rechtsfragen iS des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen seien, weil die Entscheidung im Wesentlichen im Tatsachenbereich falle und das Berufungsgericht im Übrigen auf der Grundlage der Judikatur des OGH entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Hat das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, so kann nach § 505 Abs 4 ZPO - soweit hier relevant - nur in Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand insgesamt ATS 260.000 übersteigt, dennoch eine Revision erhoben werden (außerordentliche Revision). Durch Art 94 Z 15 des 2. Euro-JuBeG wurde der Betrag von ATS 260.000 durch EUR 20.000 ersetzt; dieser Betrag ist jedoch erst anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz nach dem 31.12.2001 liegt (Art 96 Z 6 des 2. Euro-JuBeG; Stohanzl, ZPO15 Anm zu § 505), was hier nicht der Fall ist. Im vorliegenden Fall ist daher noch die Wertgrenze von ATS 260.000 maßgeblich.

Der Wert des Zahlungsbegehrens übersteigt hier die Wertgrenze von ATS 260.000; der Wert des Feststellungsbegehrens übersteigt (infolge Bewertung durch das Berufungsgericht) diese Grenze nicht. Es liegt jedoch zufolge § 55 Abs 1 JN ein einheitlicher Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes vor (Kodek in Rechberger, ZPO² § 502 Rz 1 mwN), weshalb der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes auch insgesamt die Wertgrenze von ATS 260.000 übersteigt (§ 505 Abs 4 ZPO). Zulässig ist daher im vorliegenden Fall jedenfalls eine außerordentliche Revision; nicht zulässig ist hingegen infolge des Ausspruches des Berufungsgerichtes eine ordentliche Revision; die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels ist jedoch unerheblich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist (§ 84 Abs 2 ZPO); die "Revision" der Klägerin ist daher als "außerordentliche" Revision zu behandeln.

Gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO sind in einer außerordentlichen Revision (§ 505 Abs 4 ZPO) gesondert die Gründe anzugeben, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird. Jede außerordentliche Revision muss daher eine Zulassungsbeschwerde enthalten. Das Unterlassen der gesonderten Ausführung der sich aus dem übrigen Rechtsmittelvorbringen ergebenden Gründe, warum der Revisionswerber die außerordentliche Revision für zulässig erachtet, löst kein Verbesserungsverfahren aus (Kodek aaO § 506 Rz 3 mwN; 4 Ob 2128/96m ua). Die im vorliegenden Fall von der Revisionswerberin angegebenen Gründe reichen jedoch nicht aus, um eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO darzutun. Eine solche liegt vor, wenn das Berufungsgericht etwa von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine Rechtsfrage dieser Qualität wird aber von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt:

Sämtliche Überlegungen, die die getroffenen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen anzweifeln und die Glaubwürdigkeit einzelner Ergebnisse abwägen, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil dem OGH die Überprüfung der Beweiswürdigung entzogen ist (Kodek aaO § 503 Rz 1).

Eine erhebliche Rechtsfrage iS der vorgenannten Bestimmung wird auch nicht durch die bloße Behauptung dargetan, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes sei "unrichtig". Bei der Beurteilung des Verschuldensgrades sind jeweils die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, denen in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukommt, wie dies im allgemeinen bei Entscheidungen über die Schwere des Verschuldens der Fall ist (RIS-Justiz RS0026555, RS0044262, RS0089215); eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes liegt nicht vor. Eine erhebliche Rechtsfrage gelangt auch nicht damit zur Ausführung, dass die Annahme von Schutzgesetzen iS des § 1311 ABGB eingefordert wird, ohne überhaupt die Bezug habenden Gesetzesstellen zu benennen (arg die "relevanten" Bestimmungen). Soweit die Revisionswerberin auf § 18 Abs 4 AWG abzielt, ist davon auszugehen, dass der Erstbeklagte nach den Feststellungen für die Inanspruchnahme seines Eigentums keine Vergütung iS des § 18 Abs 4 AWG bezogen hat. Im Übrigen übergeht sie, dass § 18 Abs 4 AWG auf Abs 2 verweist; die Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht folglich nur "nach Maßgabe des § 32", dh nach Erteilung eines behördlichen Behandlungsauftrages an ihn. Abs 4 begründet keine unmittelbare Handlungspflicht des Liegenschaftseigentümers; für diese Auslegung spricht die passiv formulierte Voraussetzung (arg "herangezogen"; Kind/List/Schmelz, AWG § 18 Anm V. 1.). Die diesbezüglichen Schutzgesetzüberlegungen können daher dahingestellt bleiben.

Das Feststellungsbegehren der Klägerin zielt auf eine Haftung der beiden Beklagten für Schäden und Kosten "durch die konsenswidrige Verfüllung" ab; mit der Verfüllung hatte der Zweitbeklagte allerdings unstrittig nichts zu tun, sodass in der Abweisung kein Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes erkannt werden kann. Im Übrigen reicht es aber nicht aus, den OGH bloß um "Überprüfung" dieser Frage hinsichtlich des Zweitbeklagten zu ersuchen, ohne darzutun, worin die krasse Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht liegen soll. Die Beklagten erstatteten Revisionsbeantwortungen, bevor ihnen dies vom OGH freigestellt wurden. Eine vor Zustellung der Mitteilung iS des § 508a Abs 2 ZPO erstattete Revisionsbeantwortung gilt im Falle der Verwerfung der Revision als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 508a Abs 2 zweiter Satz ZPO; RIS-Justiz RS0043690, RS0113633).

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