OGH 8Ob24/02s

OGH8Ob24/02s28.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Kuras und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Georg P*****, vertreten durch Dr. Kreibich-Kleibl, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dipl. Ing. Michael R*****, vertreten durch Seirer & Wechselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, wegen 29.795,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2001, GZ 1 R 194/01g-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25. Juni 2001, GZ 3 Cg 219/00p-11, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision der Beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte wendete sich im Sommer 1998 an den klagenden Rechtsanwalt - seinem Cousin, mit dem er freundschaftliche Kontakte pflegte - mit dem Ersuchen um Hilfe beim Zustandebringen eines außergerichtlichen Ausgleiches. Daraufhin erklärte der Kläger, er werde versuchen sich zunächst einmal einen Überblick zu verschaffen und ließ sich in weiterer Folge vom Beklagten eine schriftliche Vollmacht unterfertigen, in welcher unter anderem die Anwendbarkeit der AHR festgehalten ist. Nähere Erklärungen über das Anwaltshonorar gab er dem Beklagten nicht, sondern erklärte nur bei Unterfertigung der Vollmacht auf die Frage, wie viel seine Tätigkeit kosten würde, dass man sich hinsichtlich seines Honorars vorläufig keine Sorgen machen müsste. Nach Aufnahme seiner Tätigkeit im August 1998 stand Ende 1998 fest, dass ein außergerichtlicher Ausgleich nicht zustande zu bringen war, weshalb der Kläger dem Beklagten zu einem gerichtlichen Ausgleichsverfahren riet, das dann schließlich auch am 17. 5. 1999 zur einem gerichtlichem Ausgleich führte, der am 28. 7. 1999 bestätigt wurde.

Der Kläger übersandte dem Beklagten dann am 3. 9. 1999 eine Honorarforderung in Höhe von S 1,402.529 samt 20 % USt sohin S 1,683.039,40 mit einem detailliertem Kostenverzeichnis, in dem er als Bemessungsgrundlage S 2,2 Mio annahm. Erstmals am 27. 9. 1999 kam es zu einem Gespräch zwischen den Streitparteien über dieses Honorar, bei dem der Beklagte äußerte, dass ihm der geforderte Betrag recht hoch vor käme und der Kläger sich ohne nähere Erläuterungen bereit erklärte, sich mit netto S 1,2 Mio zufrieden zu geben. Auf die zaghafte Frage des Beklagten, wie er diesen Betrag zahlen solle, verwies ihn der Kläger darauf, dass aus dem Verkauf der Liegenschaft ohnehin noch ein Kaufpreis im Ausmaß von S 960.000 treuhändig erliege und auch beim Ausgleichsverwalter noch S 230.000 übrig seien und der Beklagte auch noch die Vorsteuer geltend machen könne. Der Kläger erhielt dann aus dem Kaufpreis insgesamt S 969.256 überwiesen ohne dass der Beklagte dem widersprochen hätte. Der beim Ausgleichsverwalter liegende Betrag wurde aber auf das Konto des Beklagten überwiesen. Der Kläger forderte dann den Beklagten auf, den offenen Betrag von S 470.744 zu bezahlen, worauf der Beklagte vorerst nicht reagierte. Erst bei einem freundschaftlichen Zusammentreffen fragte der Kläger dann den Beklagten, wie er den Restbetrag zu zahlen gedenke, woraufhin der Beklagte sagte, dass er noch nicht bezahlt habe, da er Kosten im Zusammenhang mit einer Übersiedlung seines Büros habe. Sodann fragte die Ehegattin des Beklagten, ob nicht ein weiterer Nachlass von S 100.000 möglich sei, woraufhin der Kläger einen Nachlass von brutto S 60.000 zusagte. Dazu notierte sich der Beklagte auf dem Forderungsschreiben des Klägers, dass ein Nachlass von S 60.000 vereinbart worden sei. Einen Streit über die Angemessenheit der Forderung gab es nicht, der Kläger war auch mit der Zahlung in zwei Raten, und zwar die erste innerhalb einer Woche und der zweiten nach einem Monat einverstanden. Als nach einem Monat beim Kläger noch keine Zahlung eingelangt war, wurde er vom Beklagten vertröstet, jedoch setzte der Kläger schließlich schriftlich eine Zahlungsfrist bis längstens 24. 3. 2000, worauf der Beklagte unter anderem replizierte, dass ursprünglich vom Kläger zugesagt wurde, dass man sich um das Honorar keine Sorgen machen müsse, der Beklagte auch gar nicht in der Lage sei, den eingemahnten Betrag zu überweisen. Als der Kläger jedoch auf die Zahlung beharrte schrieb ihm der Beklagte, dass ein ihm bekannter Anwalt die Honorarnote des Klägers als bodenlose Frechheit bezeichnet habe.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger nunmehr S 410.000 an restlichem offenen Honorar, ohnedies mehr aufzuschlüsseln. In weiterer Folge stützte er sich auch auf ein Anerkenntnis bzw einen Vergleich mit dem Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Honorarnote im einzelnen dargestellte unrichtige Abrechnungen und Doppelverrechnungen enthalte sowie Leistungen, die nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen seien. Auch habe ihm der Kläger ausdrücklich zugesagt, dass er sich um die Kosten keine Sorgen zu machen müsse und ein Kostenvolumen von S 200.000 bis 400.000 genannt. Im Einzelnen erhob der Beklagte dann zahlreiche konkretisierte Einwendungen gegen die vom Kläger verzeichneten Honorare. Der Kläger habe den Beklagten auch nie über seine Honoraransprüche aufgeklärt. Ein Anerkenntnis des Honoraranspruches des Klägers sei nicht erfolgt; sollte jedoch davon ausgegangen werden, so werde dieses wegen Irrtum angefochten, da der Beklagte davon ausgegangen sei, dass die Honorarforderungen tatsächlich nach den Bestimmungen des der AHR aufgrund der erbrachten Einzelleistungen abzurechnen seien, es aber zu einer entsprechende Vereinbarung gar nicht gekommen sei und der Kläger auch nicht darauf hingewiesen habe, dass er nach Einzelleistungen abrechnen werde. Die Unterlassung der Aufklärungspflicht bilde auch einen Anfechtungsgrund hinsichtlich eines Anerkenntnisses, schließlich habe der Beklagte auch aufgrund familiärer Verhältnisse davon ausgehen können, dass die Kosten im angemessenen Rahmen verrechnet werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte dabei rechtlich, dass vom Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses auszugehen sei, da doch ein Nachlass von S 60.000 "vereinbart" worden sei. Der Nachlassgewährende könne in der Regel davon ausgehen, dass damit der verbleibende Betrag nicht mehr angefochten werde. Allein eine fehlerhafte Rechnungslegung könne keine Anfechtung rechtfertigen. Es erübrige sich daher auch, das Beweisverfahren auf die Prüfung der Angemessenheit der Rechnung auszudehnen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es begründete dies zusammengefasst mit der Behandlung der Tatsachenrüge damit, dass sich der Beklagte in seiner Rechtsrüge ausschließlich auf den "Irrtumseinwand" hinsichtlich des Anerkenntnisses stütze, ein konstitutives Anerkenntnis jedoch gar nicht vorliege, da kein ernsthafter Streit oder Zweifel über die Honorarforderungen bestanden hätten. Vielmehr sei von einem teilweisen Verzicht des Klägers auf seine Honorarforderung verbunden mit einer Zahlungsvereinbarung auszugehen. Da aber kein konstitutives Anerkenntnis vorliege könne auch die vom Berufungswerber angestrebte Prüfung der Anfechtbarkeit des Anerkenntnisses wegen Irrtums nicht erfolgen, weitere Anfechtungsgründe habe der Beklagte nicht aufrechterhalten.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da bei der Beurteilung zwischen Streitteilen getroffenen Vereinbarung sowie der Grenzen der Prüfungspflicht des Berufungsgerichtes auf höchstgerichtlicher Judikatur habe zurückgegriffen werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und auch berechtigt. Das Berufungsgericht ist von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum Umfang der Prüfungspflicht bei einer ordnungsgemäß aufgeführten Rechtsrüge abgewichen. Nach ständiger Judikatur hat das Gericht bei Geltendmachung des Anfechtungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Sache nach allen Richtungen rechtlich zu beurteilen. Es ist aber nicht verpflichtet rechtserzeugende Tatbestände aufzugreifen, soweit sich das Begehren auf einen anderen Rechtsgrund stützt oder eine von mehreren selbstständigen rechtserzeugenden Tatsachen von den Rechtsausführungen nicht erfasst sind (vgl RIS-Justiz RS0043317 mwN ebenso RIS-Justiz RS0043338; ferner Kodek in Rechberger ZPO2 § 471 Rz 9). Hier hat der Beklagte die Annahme des konstitutiven Anerkenntnisses bekämpft, auf das der Kläger sein Begehren primär gestützt hat. Die Bekämpfung dieses Anerkenntnisses aus dem Grund der Irrtumsanfechtung kann hier nicht vom Bestehen des Anerkenntnisses und des Anspruches als "getrennt" oder "selbstständig" gesehen werden. Ist doch gerade mit der - wie im Folgenden noch auszuführen sein wird, zutreffenden - Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass kein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, dieser Rechtsgrund für den bekämpften Zuspruch weggefallen und zu prüfen, auf welchen Rechtsgrund der Zuspruch gestützt werden kann und welche Einwände dagegen erhoben wurden.

Gerade im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom 27. 4. 2001 zu 1 Ob 27/01d (= JBl 2001, 593 = RdW 2001/498 = ÖBA 2001, 835 = ÖBA 2002, 67 = ecolex 2001, 206) wurde wieder festgehalten, dass es sich beim konstitutiven Anerkenntnis um einen Feststellungsvertrag handelt, mit dem eine Unsicherheit hinsichtlich des Bestehens einer Verpflichtung durch die Erklärung beseitigt werden soll. Die Verpflichtung soll auch für den Fall, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte, begründet und dadurch die vom Anerkennenden geltend gemachten bestehenden Zweifel am Bestand der Forderung beseitigt werden. Nun mangelte es hier nicht nur an dem Zweifel am Bestehen der Forderungen, sondern auch an Umständen aus denen erschlossen werden hätte können, dass unabhängig vom Bestehen der Forderung eine solche hätte begründet werden sollen (vgl im Zusammenhang RIS-Justiz RS0032516 mwN ebenso RIS-Justiz RS00110121; RIS-Justiz RS0032319; RIS-Justiz RS0032666).

Maßgeblich für den bekämpften Zuspruch wird damit die Honorarforderung. Auszugehen ist hier von einem deklaratorischen Anerkenntnis im Sinne einer durch Gegenbeweis widerlegbaren Wissenserklärung über den Bestand der Forderung (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0032666; Harrer/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1375 Rz 13), da der Beklagte dem Kläger gegenüber durchaus zum Ausdruck gebracht hat, dass dessen Forderung nach dem - damaligen - Wissen des Beklagten als zu Recht bestehend anzusehen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht nach Aufschlüsselung der Honorarforderung des Klägers, wie sie dem Anerkenntnis zu Grunde gelegt wurde, die dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten zu prüfen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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