OGH 8ObA198/01b

OGH8ObA198/01b21.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Winfried Kmenta und Prof. Dr. Elmar Peterlunger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernst D*****, vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Johannes Leon, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Reichsratstraße 5, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****gesellschaft mbH, ***** wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert EUR 14.738,08 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Mai 2001, GZ 11 Ra 153/01a-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. August 2000, GZ 6 Cga 5/00h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

Das Klagebegehren, eine Konkursforderung in Höhe von EUR 14.738,08 netto festzustellen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei

a) die mit EUR 1.699,32 (darin enthalten EUR 283,22 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, sowie die

b) mit EUR 1.076,36 (darin enthalten EUR 179,39 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die

c) mit EUR 875,26 (darin enthalten EUR 145,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin vom 9. 11. 1987 bis zu seinem Austritt am 17. 11. 1998 zuletzt als Servicetechniker beschäftigt. Er war im Außendienst tätig und hatte ein Dienstfahrzeug zur Verfügung, das auf Lieferschein betankt wurde. Überstunden wurden zuletzt mit Zeitausgleich abgegolten. Der Kläger erhielt keine Provision. Reiseaufwandsentschädigungen und Taggelder wurden üblicherweise am Monatsende mittels Formblattes angesprochen. Es gab keine Vereinbarung, dass die Beträge zum 15. eines Monats auszubezahlen seien. Der Kläger legte die Reisekostenabrechnung für Oktober am 9. 11. 1998 un jene für November am 18. 11. 1998. Die begehrten Beträge erhielt der Kläger nicht mehr von der Gemeinschuldnerin, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds. Mit Schreiben vom 16. 11. 1998 teilte die spätere Gemeinschuldnerin den Mitarbeitern mit, dass für die Gemeinschuldnerin kurzfristig ein Konkursverfahren angemeldet werden müsse und dass sie sofort sämtliche Zahlungen einstelle, was bedeute, dass keine Überweisungen von Bankkonten, keine Zahlungen mittels Scheck und auch keine Barzahlungen für Verbindlichkeiten, welche vor dem heutigen Tag bestanden, geleistet werden dürften. Weiters seien Kreditkarten nicht mehr zu verwenden und Fahrzeuge bei den Vertragstankstellen nur mehr gegen Barzahlung zu betanken. Die Montagefirmen seien anzuweisen, ihre Arbeit einzustellen, da die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig sei. Der Außendienst müsse ab sofort seine Tätigkeit einstellen, weil die Gemeinschuldnerin ihre Kundenaufträge nicht mehr erfüllen könne. Das Legen von Angeboten werde untersagt.

Es erfolgte keine spezielle Mitteilung in Bezug auf Gehälter, Entgelte oder Reiseabrechnungen. Bei Übergabe des Schreibens untersagte der Filialleiter dem Kläger die Durchführung weiterer Serviceaufträge, teilte mit, dass das Tanken bei der Haustankstelle nicht mehr möglich sei und wies den Kläger an, sich im Lager aufzuhalten.

Am 17. 11. 1998 erklärte der Kläger seinen vorzeitigen Austritt. Am 24. 11. 1998 wurde über das Vermögen der Dienstgeberin des Klägers das Konkursverfahren eröffnet, der Beklagte zum Masseverwalter bestellt und die Schließung des Unternehmens angeordnet. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung als Konkursforderung der der Höhe nach unstrittigen Ansprüche auf Kündigungsentschädigung vom 18. 11. 1998 bis 17. 2. 1999 samt anteiligen Sonderzahlungen sowie Abfertigung und Urlaubsentschädigung für 30 Werktage. Sein vorzeitiger Austritt sei berechtigt erfolgt, da die Dienstgeberin ihm mit Schreiben vom 16. 11. 1998 mitgeteilt habe, dass die mit Ende November fällig werdenden Bezüge nicht mehr bezahlt würden. Darüberhinaus sei ihm die Tätigkeit im Außendienst untersagt und er damit daran gehindert worden, Provisionen und Taggelder zu verdienen. Der Kläger sei daher nicht gehalten gewesen, die tatsächliche Nichterfüllung seiner Ansprüche abzuwarten. Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass der Austritt mangels Fälligkeit der Ansprüche nicht berechtigt gewesen sei. So wie bei einem Austritt nach Konkurseröffnung könne der Kläger auch knapp vor diesem Zeitpunkt keinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklären, weil klar gewesen sei, dass bei der nachfolgenden Konkurseröffnung die bis dahin allenfalls fällig werdenden Bezüge ohnehin vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bezahlt würden.

Das Erstgericht stellte die Forderung in Höhe von ATS 202.800,38 netto als Konkursforderung zu Recht bestehend fest. Der Kläger sei deshalb berechtigt ausgetreten, aus der der Ankündigung der Gemeinschuldnerin vom 16. 11. 1998 zu entnehmen gewesen sei, dass diese keine weiteren Zahlungen und damit auch keine Gehälter mehr leisten werde. Dass diese durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gesichert seien, sei unbeachtlich, weil hier nur das Verhältnis des Dienstnehmers zur Dienstgeberin zu beurteilen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Aus dem Schreiben vom 16. 11. 1998 sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass auch die Arbeitnehmerforderungen von der Zahlungseinstellung betroffen seien. Auch die Ankündigung eines künftigen Vorenthaltens des Entgeltes berechtige zum vorzeitigen Austritt. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit der Dienstgeberin sei der Kläger nicht gehalten gewesen, der Ankündigung zu widersprechen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig und auch berechtigt. Als wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, ist nach § 26 Z 2 AngG ua anzusehen, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten das ihm zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt. Maßgeblich ist hier das “Vorenthalten" des Entgelts, weil das laufende Entgelt des Klägers (“schmälern") nicht strittig war. Nach ständiger Judikatur besteht aber dann kein Recht zum vorzeitigen Austritt, wenn das Entgelt mit Zustimmung des Arbeitgebers rechtzeitig durch einen Dritten bezahlt wird (vgl RIS-Justiz RS0029216 = SZ 54/32 = ZAS 1982, 175 = DRdA 1981, 387 [Spielbüchler] ua; RS0029184).

Die Ankündigung der - späteren - Gemeinschuldnerin vom 16. 11. 1998 kann nur dahin verstanden werden, dass sie im Hinblick auf das von ihr beantragte Konkursverfahren und die eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorweg keine Zahlungen erbringt. Dass auch der Masseverwalter nach Eröffnung des Konkursverfahrens hinsichtlich der nach Konkurseröffnung entstehenden Masseforderungen solche Zahlungen nicht leistne werde, ist dieser Erklärung nicht zu entnehmen. Für die Ansprüche des Klägers ist daraus abzuleiten, dass auch die noch nicht fälligen Ansprüche auf laufendes Entgelt mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung gemäß § 14 Abs 2 KO fällig wurden und Konkursforderungen darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung darf der Masseverwalter die aus der Zeit vor der Konkurseröffnung stammenden Arbeitnehmerforderungen nicht außerhalb der Abwicklung des Kridaverfahrens sofort und vollständig auszahlen. Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, wegen eines Zahlungsverzuges bei diesen Forderungen seinen Austritt zu erklären (vgl zuletzt OGH 5. 9. 2001, 9 ObA 132/01d mwN, insb RIS-Justiz RS0102119, SZ 68/106 ua, ähnlich zum Ausgleichsverfahren 9 ObA 189/00f = WBl 2000, 132 = ecolex 2000, 377 [Mazal] = DRdA 2000/47, 404 [Gahleitner]). Selbst hinsichtlich der nach Konkurseröffnung entstehenden Arbetnehmerforderungen, die Masseforderungen darstellen, wurde die Berechtigung eines vorzeitigen Austritts wegen Vorenthalten des Entgeltes dann nicht angenommen, wenn ein Fall des § 47 Abs 2 KO vorliegt, also auch Masseforderungen nicht vollständig befriedigt werden können und die Arbeitnehmerforderungen nach dem IESG gesichert sind (vgl 8 ObS 3/98v = ZIK 1998, 126 ua). Wesentlich ist, dass die Ansprüche des Arbeitnehmers nach Konkurseröffnung durch das IESG gesichert sind (vgl 9 ObA 132/01d mwN = 8 ObS 208/98s = WBl 1999, 177; 9 ObA 189/99f) und sich die Organe im Konkurs gesetzeskonform verhalten. Das Schreiben vom 16. 11. 1998 kann nicht als Ankündigung eines rechtswidrigen Vorenthaltens des Entgeltes verstanden werden, zumal die Gemeinschuldnerin zur Stellung eines Konkursantrages nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit verpflichtet war. Im Hinblick auf die Anmeldung im Konkurs ist mangels anderen Vorbringens von der Absicherung durch das IESG auszugehen.

Dadurch unterscheidet sich dieser Fall auch wesentlich von den teilweise von den Vorinstanzen herangezogenen Vorentscheidungen über die Ankündigung der Nichtbezahlung des Entgelts durch den Arbeitgeber. Allein die Ankündigung, wegen Zahlungsunfähigkeit den Konkursantrag zu stellen und die Zahlungen einzustellen, berechtigt nicht zum vorzeitigen Austritt. Vielmehr hat sich der Arbeitgeber damit gesetzeskonform verhalten und es stand noch gar nicht fest, ob das Entgelt nicht ohnehin von “Dritten" gezahlt wird. Gerade durch die klare Ankündigung des Arbeitgebers wird es den Arbeitnehmern auch ermöglicht, zu beurteilen, ob die Konkursanmeldung ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (vgl § 69 Abs 2 KO) und über die Geltendmachung ihrer Ansprüche nach dem IESG zu disponieren (vgl auch 9 ObA 132/01d). Vor Eintritt der Fälligkeit der Zahlungen kann damit die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer keinesfalls unzumutbar sein; stellt sich doch erst dann heraus, ob nicht die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Gehaltsansprüche ohnehin durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds abgedeckt bzw die danach fällig werdenden Ansprüche als Masseforderungen vom Masseverwalter bezahlt werden. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich darauf einzugehen, inwieweit nicht allfällige Zahlungen der Gemeinschuldnerin ohnehin wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 31 Abs 1 Z 2 KO unzulässig und anfechtbar wäre (8 ObA 214/01b; 9 ObA 227/01z).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 41 und 50 Abs 1 ZPO. Für die Zeit der Verbindung mit dem Verfahren eines weiteren Dienstnehmers der Gemeinschuldnerin stehen dem Beklagten Kosten nach dem Verhältnis des Streitwerts dieser Rechtssache zum Gesamtstreitwert zu (8 ObA 11/01b; 8 ObA 49/01s mwH). Die offenbar nur im zweiten Verfahren gesetzten Verfahrensschritte sind ebensowenig zu honorieren, wie die nicht bescheinigten Barauslagen (§ 54 Abs 1 ZPO). Die begehrte Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren steht nicht zu, weil gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, soweit - wie hier - nicht ein Geldbetrag verlangt wird, die Bemessungsgrundlage ATS 7.950,-- beträgt und derartige Streitigkeiten gemäß Anmerkung 8 zu TP 1 GGG in allen Instanzen gebühren sind (vgl VwGH Slg 6484).

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