OGH 9ObA227/01z

OGH9ObA227/01z24.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sigrid K*****, Angestellte, K*****, vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Johannes Leon, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Reichsratsstraße 5, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****gesellschaft mbH, *****, wegen Feststellung (Revisionsinteresse 76.764,44 sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juni 2001, GZ 12 Ra 175/01v-12, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Oktober 2000, GZ 6 Cga 6/00f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

Das Klagebegehren, eine Konkursforderung in Höhe von S 76.746,44 netto festzustellen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei

a) die mit S 9.639,84 (darin enthalten S 1.606,64 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die

b) mit S 8.873,76 (darin enthalten S 1.478,96 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die

c) mit S 6.871,68 (darin enthalten S 1.145,28 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Gemeinschuldnerin bis zu ihrem Austritt am 17. 11. 1998 als Angestellte beschäftigt. Mit Schreiben vom 16. 11. 1998 teilte die spätere Gemeinschuldnerin den Mitarbeiterin mit, dass für die Gemeinschuldnerin kurzfristig ein Konkursverfahren angemeldet werden muss und dass sie sofort sämtliche Zahlungen einstellt, was bedeutete, dass keine Überweisungen von Bankkonten, keine Zahlungen mittels Scheck und auch keine Barzahlungen für Verbindlichkeiten, welche vor dem heutigen Tag bestanden, geleistet werden dürfen. Weiters durften Kreditkarten nicht mehr verwendet und Fahrzeuge bei den Vertragstankstellen nur mehr gegen Barzahlung betankt werden.

Die Montagefirmen mussten angewiesen werden, ihre Arbeiten einzustellen, da die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig war. Der Außendienst musste ab sofort seine Tätigkeit einstellen, weil die Gemeinschuldnerin ihre Kundenaufträge nicht mehr erfüllen konnte. Das Legen von Angeboten wurde ebenso untersagt. Bei Übergabe des Schreibens an die Klägerin hat es kein Gespräch mit dem Filialleiter gegeben. Ihr wurden auch keine weiteren Weisungen erteilt. Ebenso gab es keine spezielle Mitteilung in Bezug auf Gehälter, Entgelte oder Reiseabrechnungen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage auf Feststellung der der Höhe nach unstrittigen Ansprüche auf Kündigungsentschädigung vom 18. 11. 1998 bis 31. 1. 1999 samt anteiligen Sonderzahlungen sowie Urlaubsentschädigung für 60 Werktage. Der vorzeitige Austritt der Klägerin sei berechtigt, da ihr mitgeteilt worden sei, dass die mit Ende November fällig werdenden Bezüge nicht mehr von der späteren Gemeinschuldnerin bezahlt werden. Sie sei daher nicht gehalten gewesen, die tatsächliche Nichterfüllung ihrer Ansprüche abzuwarten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass der Austritt nicht berechtigt sei, da die Ansprüche gar nicht fällig gewesen seien. So wie bei einem Austritt nach Konkurseröffnung könne die Klägerin auch hier keinen vorzeitigen Austritt berechtigt erklären, da es keine rückständigen Bezüge gegeben habe und überdies klar gewesen sei, dass bei der nachfolgenden Konkurseröffnung die bis dahin allenfalls fällig werdenden Bezüge ohnehin vom Insolvenz-Ausfallgeldfonds bezahlt werden.

Das Erstgericht stellte die Forderung in Höhe von S 76.764,44 als zu Recht bestehend fest. Die Klägerin sei deshalb berechtigt ausgetreten, da aus der Ankündigung der Gemeinschulderin vom 16. 11. 1998 zu entnehmen gewesen sei, dass diese keine weiteren Zahlungen und damit auch keine Gehälter mehr leisten werde. Dass diese durch den Insolvenz-Ausfallgeldfonds gesichert seien, sei unbeachtlich und im Hinblick auf die Ankündigung der - späteren - Gemeinschuldnerin komme es auch nicht auf die Fälligkeit der Entgeltforderungen an.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verwies gemäß § 500a ZPO auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Aus dem Schreiben vom 16. 11. 1998 sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass auch die Arbeitnehmerforderungen von der Zahlungseinstellung betroffen seien. Auch die Ankündigung eines künftigen Vorenthaltens des Entgeltes berechtige zum vorzeitigen Austritt. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit sei die Klägerin nicht gehalten gewesen, der Ankündigung zu widersprechen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig und auch berechtigt.

Als wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, ist nach § 26 Z 2 AngG ua anzusehen, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten das ihm zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt.

Maßgeblich primär ist hier das "Vorenthalten" des Entgeltes, da das laufende Entgelt des Klägers ("schmälern") nicht strittig war. Nach ständiger Judikatur besteht aber dann kein Recht zum vorzeitigen Austritt, wenn das Entgelt mit Zustimmung des Arbeitgebers rechtzeitig durch einen Dritten bezahlt wird (vgl RIS-Justiz RS0029216 = SZ 54/32 = ZAS 1982, 175 = DRdA 1981, 387 [Spielbüchler] ua; RS0029184).

Wesentlich ist es nun klarzustellen, dass die Ankündigung der - späteren - Gemeinschuldnerin vom 16. 11. 1998 dahin zu verstehen ist, dass sie im Hinblick auf das von ihr beantragte Konkursverfahren und die eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorweg keine Zahlungen erbringt. Dass auch der Masseverwalter nach Eröffnung des Konkursverfahrens hinsichtlich der nach Konkurseröffnung entstehender Masseforderungen solche Zahlungen nicht leisten werde, ist dieser Erklärung nicht zu entnehmen.

Für die Ansprüche der Klägerin ist daraus abzuleiten, dass auch die noch nicht fälligen Ansprüche auf laufendes Entgelt mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung gemäß § 14 Abs 2 KO fällig wurden und Konkursforderungen darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung darf aber auch der Masseverwalter die aus der Zeit vor der Konkurseröffnung stammenden Arbeitnehmerforderungen nicht außerhalb der Abwicklung des Kridaverfahrens sofort und vollständig auszahlen. Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, wegen eines Zahlungsverzuges bei diesen Forderungen seinen Austritt zu erklären (vgl zuletzt OGH 5. 9. 2001, 9 ObA 132/01d mwN, insb RIS-Justiz RS0102119, SZ 69/106

ua, ähnlich zum Ausgleichsverfahren 9 ObA 189/99f = WBl 2000, 132 =

ecolex 2000, 377 [Mazal] = DRdA 2000/47, 404 [Gahleitner]). Selbst

hinsichtlich der nach Konkurseröffnung entstehenden Arbeitnehmerforderungen, die Masseforderungen darstellen, wurde die Berechtigung eines vorzeitigen Austritts wegen Vorenthalten des Entgeltes dann nicht angenommen, wenn ein Fall des § 47 Abs 2 KO vorliegt, also auch Masseforderungen nicht vollständig befriedigt werden können und die Arbeitnehmerforderungen nach dem IESG gesichert sind (vgl 8 ObS 3/98v = ZIK 1998, 126 ua). Wesentlich war, dass die Ansprüche des Arbeitnehmers nach Konkurseröffnung durch das IESG gesichert sind (vgl 9 ObA 132/01d mwN = 8 ObS 208/98s = WBl 1999, 177; 9 ObA 189/99f) und sich die Organe im Konkurs gesetzeskonform verhalten.

Die gegenständliche Ankündigung kann aber hier im Ergebnis auch nicht als Ankündigung eines rechtswidrigen Vorenthaltens des Entgeltes verstanden werden, zumal die Gemeinschuldnerin zur Stellung eines Konkursantrages nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit verpflichtet war. Ferner ist im Hinblick auf die Anmeldung im Konkurs jedenfalls mangels anderen Vorbringens auch von der Absicherung durch das IESG auszugehen.

Dadurch unterscheidet sich dieser Fall auch wesentlich von den teilweise von den Vorinstanzen herangezogenen Vorentscheidungen über die Ankündigung der Nichtbezahlung des Entgelts durch den Arbeitgeber. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 7/205 ging es überhaupt nicht um die Frage des Vorenthaltens von unstrittigen Bezügen, sondern der Arbeitgeber kündigte an, dass eine bis dahin gewährte Aushilfe nicht mehr weiter gezahlt werde. Die Entscheidung 4 Ob 129/77 (= Arb 9609 = ZAS 1979/16 = DRdA 1978, 141) hatte ebenfalls das rechtswidrige Abgehen des Arbeitgebers von den bisherigen Entgeltbedingungen - hier der Möglichkeit der Bewohnung einer Dienstwohnung - zum Inhalt. In 4 Ob 151, 152/85 (JBl 1987, 263) ging es überhaupt nur darum, dass der Arbeitgeber ankündigte, entgegen den Bestimmungen des Arbeitsvertrages und auch ohne Einverständnis des Arbeitnehmers weitere Außendienstmitarbeiter einzustellen, was zu einer Schmälerung des Entgeltes des Klägers geführt hätte. Im Verfahren zu 14 ObA 49/87 hatte der Arbeitgeber bereits tatsächlich die Gehaltskürzung durchgeführt.

Gegenstand der von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidung 9 ObA 161/97 war ebenfalls nicht der Fall der Ankündigung der Einstellung einer Zahlung wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern wieder die Ankündigung einer unberechtigten einseitigen Vertragsänderung. Geliches gilt auch für die Entscheidung 9 ObA 145/90 (= Arb 10.873), die auch schon fällige offene Entgeltsanprüche betraf. Bei der in diesem Zusammenhang noch genannten Entscheidung 9 ObA 52/94 war es so, dass bereits ein mehrmonatiger Gehaltsrückstand vorhanden war. Bei der letzten Entscheidung 9 ObA 327/00d hat es sich um die Ankündigung eines rechtswidrigen Verhaltens gehandelt.

Insgesamt lässt sich aus diesen Entscheidungen jedenfalls nicht ableiten, dass allein die Ankündigung, wegen Zahlungsunfähigkeit den Konkursantrag zu stellen und die Zahlungen einzustellen, schon zum vorzeitigen Austritt berechtigt. Vielmehr hat sich der Arbeitgeber damit gesetzeskonform verhalten und es stand noch gar nicht fest, ob das Entgelt nicht ohnehin von "Dritten" gezahlt wird. Gerade durch die klare Ankündigung durch den Arbeitgeber wird es den Arbeitnehmern auch ermöglicht, zu beurteilen, ob die Konkursanmeldung ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (vgl § 69 Abs 2 KO) und dann über die Geltendmachung ihrer Ansprüche nach dem IESG zu disponieren (vgl auch 9 ObA 132/01d). Vor Eintritt der Fälligkeit der Zahlungen kann damit die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer keinesfalls unzumutbar sein; stellt sich doch erst dann heraus, ob nicht die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Gehaltsansprüche ohnehin durch den Insolvenz-Ausfallgeldfonds abgedeckt werden bzw die danach fällig werdenden Ansprüche als Masseforderungen vom Masseverwalter bezahlt werden. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich darauf einzugehen, inwieweit nicht allfällige Zahlungen des dann späteren Gemeinschuldners ohnehin wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 31 Abs 1 Z 2 KO unzulässig und anfechtbar wären (8 ObA 215/01b).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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